Flugplatz Johannisthal
Der Flugplatz Johannisthal oder Motorflugplatz Johannisthal-Adlershof wurde – nach dem August-Euler-Flugplatz in Darmstadt[1] – als zweiter Flugplatz Deutschlands am 26. September 1909 eröffnet und gilt als „Wiege der deutschen Luftfahrt“ oder „Wiege des deutschen Luftverkehrs“. Er wurde damals wegen seiner Lage zwischen den Berliner Vororten Johannisthal und Adlershof noch Motorflugplatz Johannisthal-Adlershof genannt.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Der Flugplatz als Flugplatz Johannisthal GmbH mit den zahlreichen ansässigen Firmen u. a. für Flugzeugbau (z. B. Fokker Aeroplanbau sowie Edmund Rumpler Luftfahrzeugbau) und etliche Fliegerschulen (z. B. die der Gebrüder Wright) war 1909 Austragungsort des 1908 von Karl Lanz gestifteten Wettbewerbes Lanz-Preis der Lüfte, der von dem Magdeburger Hans Grade mit seiner Grade II „Libelle“ gewonnen wurde. In Johannisthal sammelte sich später eine bunte Mischung von Flugpionieren, um die skurrilsten Konstruktionen ihrer Flugzeuge zu versuchen. Bekannt geworden ist beispielsweise Melli Beese, nach der heute in der Nähe des Flughafens eine Grundschule und eine Straße benannt sind. Im Jahr 1912 gründete Beese mit zwei Kollegen die „Flugschule Melli Beese GmbH“ - auch, um die Flugausbildung besser zu strukturieren. Die Unterrichtsflugzeuge, sogenannte Rumpler-Tauben, baute die Firma günstig nach.
- „Im Herbst 1908 hatte der Luftfahrtpublizist und Schriftführer des ‚Vereins Deutscher Flugtechniker‘ Kapitän zur See a. D. Eduard von Pustau bereits mit dem aus Marokko zurückgekehrten Major Georg von Tschudi über die Idee und die Notwendigkeit der Anlage von Flugplätzen gesprochen. Es war zunächst die Berliner Pferderennbahn in Berlin-Grunewald und Berlin-Karlshorst im Gespräch. Die Rennbahngelände erschienen ausreichend. Es waren notwendige Gebäude vorhanden und die Einnahmen wollte man sich mit den Rennplatzbesitzern teilen. Der Vorschlag wurde verworfen, denn der Lärm der Flugzeugmotoren würde das Training und die Rennen stark beeinträchtigen. Ende 1908 suchten Arthur Müller, juristischer Berater des ‚Deutschen Luftschiffer-Verbandes‘ und Unternehmer für Holzbauten, gemeinsam mit dem damaligen Offizier der Preußischen Luftschiffertruppe und Mitglied des ‚Deutschen Luftschiffer-Verbandes‘ Major a. D. Georg von Tschudi, dem späteren Direktor des Flugfeldes, und Eduard von Pustau den Platz aus.
- Dieser Wintertag war der eigentliche Gründungstag des Flugplatzes, den man sicherlich Adlershof genannt hätte, wenn dieser Name alle Flugplatzbesucher dazu veranlasst hätte, stets nach Adlershof zu fahren. Der Fahrpreis war aber höher als zum Bahnhof Niederschöneweide-Johannisthal und die Eisenbahnvorstation Adlershof war auch etwas weiter vom Flugplatzgelände entfernt. Von Tschudi, von 1906-1908 Chefkonstrukteur und Chefingenieur in Marokko, danach Geschäftsführer der ersten Internationalen Luftschifffahrt-Ausstellung (ILA) im Jahre 1909 in Frankfurt/M war auch Mitglied des 1907 gegründeten Deutschen Aero-Clubs, dem gesellschaftlichen Sammelpunkt der Luftfahrtlobby. Am 13. Februar 1909 wandte sich der Luftfahrtpublizist Fregattenkapitän zur See a. D. Eduard von Pustau an das Preußische Ministerium für Handel und Gewerbe mit dem Antrag, der Schaffung eines Flugplatzes in Berlin-Johannisthal zuzustimmen. Die Antwort zeugte von Interesse, nur das erhoffte Geld blieb aus.
- Im Mai 1909 entstand offiziell die ‚Vorbereitungsgesellschaft mbH‘ für die spätere ‚Deutsche Flugplatz Gesellschaft Johannisthal GmbH‘ mit den Direktoren von Pustau und von Tschudi. Sie wandten sich an den Kriegsminister Karl von Einem mit einem Brief, dem sie eine Kostenübersicht beilegten. Geld floss wieder nicht, aber immerhin wurden für das Abholzen des Baumbestandes Soldaten zugesagt. Das in Aussicht genommene forstfiskalische Gelände, für das günstige Pachtbedingungen ausgehandelt wurden, war größtenteils mit Kiefern und Eichen bewaldet. Im Süden befanden sich Kleingemüsegärten. Nachdem die ‚Deutsche-Flugplatz-Gesellschaft GmbH‘ gegründet war, reisten Eduard von Pustau und Eschenbach, der Syndikus des Deutschen Luftschifferverbandes, nach Mittelfrankreich und England, um Flugplatzanlagen zu besichtigen. Oberstleutnant Hermann W. L. Moedebeck, der gleichfalls der Flugplatzkommission angehörte, Gründer und Herausgeber der Illustrierten Aeronautischen Mitteilungen, der ‚Deutschen Zeitschrift für Luftschiffahrt‘ war, fuhr nach Südfrankreich und Norditalien, um die dortigen Flugplätze zu studieren und Erfahrungen des Auslandes für Johannisthal zu nutzen.
- Das Interesse des Kriegsministeriums für den neuen Flugplatz zwischen Adlershof und Johannisthal bekundete sich darin, dass ein aus zwei Kompanien zusammengesetztes Kommando der drei Berliner Eisenbahn-Regimenter die vollständige Abholzung des gewaltigen 800 Morgen großen Fluggeländes durchführte. Ein Kommandeur, vermutlich des Eisenbahn-Regiments 1, war Hauptmann Hans Bartsch. Zu diesem Kommando gehörte auch Leutnant Victor Carganico, Kompaniechef des genannten Regiments und später bekannter Militärflieger. 1941 war er Generalmajor im Oberkommando der Luftwaffe und wurde am 27. Mai 1945 auf seinem Gut in Angermünde von russischen Soldaten erschossen. [...] Unter dem Protektorate des ‚Berliner Vereins für Luftschiffahrt e. V.‘ und des ‚Kaiserlichen AERO-Clubs‘ wurde die erste deutsche und weltweit dritte Flugwoche ausgeschrieben und der Flugplatz am 26. September 1909 ohne große Feierlichkeiten am damaligen ‚alten Startplatz‘ in Betrieb genommen. Noch am gleichen Tag begann das offizielle Programm: ‚Konkurrenzfliegen der ersten Aviatiker der Welt‘! [...] Circa 150.000 Menschen passierten die Kassen. Hinzu kamen die Zaungäste. Zu den ersten Besuchern zählten am Eröffnungstag auch der Schriftsteller Karl May und seine Ehefrau Klara.“[2]
Vom 7. bis 13. August 1910 wurde in Johannisthal die erste nationale Flugwoche veranstaltet, bei der nur Flugzeugführer deutscher Nationalität zugelassen waren. Zu dieser Zeit begann sich auch das Militär zunehmend für den Flugzeugbau zu interessieren, und es wurden daher auch vom Preußischen Kriegsministerium mehr als die Hälfte der Preisgelder gestiftet. Der erste hiervon profitierende Wettbewerb war der am 28. August 1910 ausgetragene Wurfwettbewerb. Bei diesem mußten Papiertüten mit 3 kg schwerer Schlämmkreide aus einer Höhe von 20 Metern zielgenau abgeworfen werden. 1910 interessierte sich auch der Luftschiffbau für Johannisthal, und so siedelte sich auch dieser dort an. So war es z. B. in der Flugwoche vom 9. bis 16. Oktober 1910 nicht verwunderlich, daß die Flugzeuge von einem Parseval-Luftschiff begleitet wurden. Dieses Luftschiff hatte seine Heimat in einer auf der Nordseite des Flugplatzes eingerichteten Luftschiffhalle (82,5 Meter lang, 25,3 Meter breit und 25 Meter hoch). Eine zweite und größere war für später geplant. Das 70 Meter lange Luftschiff wurde überwiegend zu Passagier- und Lichtreklamefahrten nachts über Berlin eingesetzt. Eine Passagierfahrt kostete damals 100 Mark, und die Flüge wurden vor- und nachmittags angeboten, wobei das Luftschiff maximal 16 Passagiere aufnahm. Im Oktober fanden zusätzlich zu den Herbstflugwochen auch Überlandflüge statt. Zu den zwei bemerkenswertesten zählten der von der Militärverwaltung ausgeschriebene Flug von Johannisthal nach Döberitz (Keimzelle der militärischen Fliegerei im Kaiserreich) am 17. Oktober 1910 und der am 30. Oktober unternommene Flug von Bork (heute Borkheide; Fliegerschule Hans Grade) nach Johannisthal. Hierbei sollte auch geprüft werden, ob die entlang der Strecke aufgestellten drei Meter hohen Stangen mit weißgestrichenen Körben als Orientierungshilfe dienten. Es stellte sich aber heraus, daß sie nicht Ihren Zweck erfüllen konnten.
Die vom 4. bis 11. Juni 1911 ausgetragene „Nationale Flugwoche“ wurde zur Förderung des Nachwuchses ausgetragen. Zugelassen waren nur deutsche Piloten, die bei vorherigen Wettbewerben noch keine Preisgelder über 5.000 Mark erhalten hatten. Auf dieser Flugwoche kam es zu einer schrecklichen Unfall, nachdem Georg Schendel gemeinsam mit seinem Monteur am 9. Juni gestartet waren, um den von Hellmuth Hirth drei Tage zuvor aufgestellten Höhenrekord zu brechen. Auf einer Höhe von 1.680 Metern stürzte seine Maschine ab, und beide Flieger fanden hierbei den Tod. Der geborgene Barograph zeigte einen neuen Höhenrekord beim Flug mit einem Passagier an. Dieser Unfall war aber nicht der erste in Johannsithal, sondern bereits am 11. Mai 1911 hatte der 23jährige Flugschüler Hans Brock bei einem Startversuch den Tod gefunden, und die Fahnen des Flugplatzes wurden hierauf auf Halbmast gesetzt. Eine der größten Veranstaltungen in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg, der „Deutsche Rundflug“, wurde am 11. Juni 1911 gestartet.
- „Auf dem Flugplatz [...] steht ein ganzer aviatischer Park. Der riesige waldumgrenzte Flugplatz [...] ist mit großen Tribünen versehen, von denen aus das Flugschauspiel prachtvoll zu beobachten ist [...] An gewöhnlichen Tagen wird in Johannisthal bei gutem Wetter immer von zahlreichen Piloten und deren Schüler geflogen, und der Zuschauer kommt fast stets auf seine Rechnung.“ — Bericht im Berliner Stadtführer von 1912
Der erste Deutschlandflug wurde am 11. Juni 1911 vom Flugplatz Johannisthal aus gestartet. Am 29. September 1911 verunglückte hier der Luftfahrtpionier Paul Engelhard tödlich.
- „Es scheint bei Flugplatzkatastrophen eine gewisse Anarchie unter den Zuschauern auszubrechen [...] Uns armen Fliegern wird da nämlich gestohlen, was nicht niet und nagelfest ist. So sah ich meine Mütze und Brille nicht wieder, Kapitän Engelhard fehlte seine wertvolle Kravattennadel. Ich meine, das ist gemeiner Leichenraub, sonst nichts.“ — Gerhard Sedlmayer nach dem Absturz bei der Herbstflugwoche von 1911
Bereits 1913 wurden etwa die Hälfte aller deutschen Flugzeugführer auf dem Flugplatz in Sichtweite des Kaiserlichen Aero-Clubs ausgebildet, und man konnte sogar den Nachtflug durch extra angebrachte Kennungen und Leuchtfeuer üben. „Das Schlimmste waren die Weiber“, schrieb der Flugzeugführer Willy Hahn 1913 über sein Fliegerleben am jungen Flugplatz Johannisthal in Berlin-Adlershof. „Sie saugten manchem jugendfrohen Blut den Verstand aus dem Hirn und das Mark aus den Knochen, und wenn es dann galt, wieder draußen zu stehen in Gefahr, im Kampfe mit den Elementen, dann versagten die Nerven.“
Am 17. Oktober 1913 ereignete sich aber in Johannisthal eine furchtartiges Ereignis, als das neue Marineluftschiff L 2 – dieses hatte seit dem 20. September dort Versuchs- und Übungsflüge unternommen – nach dem Aufstieg auf eine Höhe von 300 Metern in Brand geriet und explodierte. Die Bilanz waren insgesamt 28 Todesopfer. Das Jahr 1914 sollte aber wieder zu zahlreichen Erfolgen für die deutsche Luftfahrt führen, als verschiedene Weltrekorde wie z. B. für Dauer, Höhe und Distanz von Deutschen erkämpft wurden.
Zum bekanntesten Kunstflugpiloten in Deutschland wurde aber der in Johannisthal tätige Anthony Fokker. Otto Breitbeil gelang es sogar, mit seinem viel schwereren LVG-Doppeldecker die Flugfiguren nachzufliegen. Zum größten Ereignis des Jahres wurde der Dreiecksflug vom 30. Mai bis zum 5. Juni 1914. Hierbei sollte dreimal in vorgeschriebenen Etappen die Strecke Berlin – Leipzig – Dresden geflogen werden. Diese Veranstaltung zeigte schon sehr gut die bisher erzielte Leistungsfähigkeit der Flugzeuge, als z. B. schon beim Start innerhalb von 20 Minuten 35 Flugzeuge abhoben und Robert Janisch auf seinem LVG-Schneider-Eindecker eine Geschwindigkeit von 165 km/h erreichte. Die bisher jährlich ausgetragene Frühjahrsflugwoche fand 1914 nicht statt.
Erster Weltkrieg
Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 kam es zur Militarisierung der Flugwirtschaft. Allerdings begann in Berlin-Johannisthal am 5. Februar 1919 die Geschichte der zivilen Luftpost in Deutschland. Von diesem Tag an starteten dort zweimal täglich Flugzeuge der Deutschen Luft-Reederei, um Postsendungen – vor allem Zeitungen – nach Weimar, dem Tagungsort der verfassunggebenden Nationalversammlung zu transportieren. In den ersten Monaten ihres Bestehens durften nur die Abgeordneten der Nationalversammlung diese Flugpostverbindung in Anspruch nehmen.
Zwischenkriegszeit
Vor dem Zweiten Weltkrieg fand auf dem Flugplatz geheimer Flugunterricht der Reichswehr als Vorbereitung auf die Gründung der Luftwaffe statt. Danach war dort der „Standort Adlershof“, umbenannt in Industrieplatz Berlin-Johannisthal (-Adlershof) mit zahlreichen Luftfahrt-Firmen. Auf dem Gelände befanden sich auch zeitweilig eine Propaganda-Dienststelle und die SS-Totenkopf-Standarte „Brandenburg“. Johannisthal war gemeinsam mit Lipezk, Rechlin, Travemünde, Tarnewitz und Peenemünde-West bis 1945 Flugerprobungsstelle.
Firmen
Auf dem Flugplatz waren unter anderem folgende Unternehmen ansässig:
- Johannisthaler Filmgesellschaft AG
- Rumpler Luftfahrzeugbau – Flugzeugbau und Fliegerschule
- Fokker Aeroplanbau Flugzeugbau
- Ago Fluggesellschaft – Flugzeugbau und Fliegerschule
- Allgemeine Fliegerschule – Fliegerschule
- E. Jeannin Flugzeugbau – Flugzeugbau und Fliegerschule
- Luft-Verkehrsgesellschaft – Flugzeugbau und Fliegerschule
- Albatros-Werke – Flugzeugbau und Fliegerschule
- Bruno Hanuschke – Fliegerschule
- Harlan-Werke – Flugzeugbau und Fliegerschule
- Sport-Flieger GmbH – Flugzeugbau und Fliegerschule
- Paul Schwandt - Fliegerschule
- Flugmaschine Wright – Flugzeugbau und Fliegerschule
- Luftfahrerschule Berlin-Adlershof des Deutschen Luftflottenvereins
- Lehrräume, Montage und meteorologische Beobachtungen
Personen (Auswahl)
Flugplatzdirektoren
- Georg von Tschudi (1862–1928)
Flieger
- Wilhelm Frankl – der Alte Adler und spätere Jagdflieger – erhielt hier 1913 seinen Deutschen Flugschein.
- Cornelius Hintner 1875–1922
- Otto Linnekogel 1891–1924
- Willi Rosenstein 1892–1949
- Hans Schiller 1889–1953
- Erwin Schwarz 1889–1968
- Josef Suwelack 1888–1915