Reichsstadt
Unter einer Reichsstadt (Kaiserliche oder Freie Stadt) versteht man eine Stadt innerhalb des Ersten Deutschen Reichs, welche nicht Fürsten oder Herzögen, sondern direkt dem römisch-deutschen Kaiser bzw. dem Heiligen Römischen Reich unterstand (Reichsunmittelbarkeit) und sowohl Sitz als auch Stimme auf dem Reichstag innehatte.
Inhaltsverzeichnis
Erläuterung
Von den Reichsstädten zu unterscheiden sind die seit dem 14. Jahrhundert entstehenden Freien Städte. Die Reichsstädte im engeren Sinne waren dem Reich mehr verpflichtet als jene; sie zahlten jährliche Reichssteuern und waren der Verpfändung ausgesetzt. Seit dem 13. Jahrhundert fanden die Reichsstädte Zutritt zu den Reichstagen; jedoch wurde ihr Sitz- und Stimmrecht erst im Westfälischen Frieden 1648 geregelt. Sie bildeten seitdem das dritte Kolleg, welches dasselbe Stimmrecht besaß wie die Kollegien der Kurfürsten und Fürsten. 1521 gab es 84 Frei- und Reichsstädte, zum Ende des ersten Reichs (1806) nurmehr 51. Ab diesem Jahr verschwanden die Reichsstädte, übrig blieben lediglich die von Napoleon geförderten vier Freien Städte Bremen, Frankfurt, Hamburg und Lübeck.[1]
Die Städte erlangten die Reichsunmittelbarkeit teils durch kaiserliche Verleihung, teils durch Gewalt und darauf folgende vertragliche Vereinbarung, indem sie sich seit der Mitte des 13. Jahrhunderts von der entstehenden Landeshoheit der Fürsten, meist der Bischöfe oder Äbte, befreiten. Wurde die Stadt ihres bisherigen Landesherrn ledig und ging den Weg der Unabhängigkeit, wurden dessen Rechte auf die Stadt und deren Vertreter, den Stadtrat, übertragen. Dazu gehörten Marktrecht, Besteuerung und Gerichtsbarkeit.[2] Verbunden mit der Gewinnung eigener Territorien (Dörfer) war der Eintritt in den Reichlehnsverband.[3]
14. Jahrhundert
Reichsstädte (liberae imperii civitates) im 14. Jahrhundert waren schon durch den Reichstag, in dem sie bei Fragen des Landfriedens und der Reichssteuern als Kurie gemeinsam mit den Freien Städten vertreten waren, vor dem Zugriff des Königs geschützt. Ohne ihre Bewilligung kam er nicht über Herberge, Heerfahrt, Huldigung und Steuer hinaus. Reichsstädte hatten als Ausdruck der Autonomie ihrer Landesherrlichkeit eigene Bewaffnete, das Besatzungsrecht sowie das Bündnis- und Fehderecht.[4] Nur in Reichs- oder Bischofsstädten wurde der Reichstag einberufen. Sie waren überdies in dieser Zeit bereits nicht mehr verpfändbar und nur den Kreuzzugsaufrufen verpflichtet. Auch die Pfandschaften der Reichsvogteien über die Reichsstädte waren nach dem Westfälischen Frieden nicht mehr einlösbar.
Ab dem 15. Jahrhundert: Freie und Reichsstädte
Im Städtekolleg wurden ab dem 15. Jahrhundert die Reichsstädte mit den Freien Städten unter dem Sammelbegriff Freie und Reichsstädte zusammengefaßt. Die Verfassung sowohl der Freien als auch der Reichsstädte entwickelte sich nach dem Einfluß ihrer inneren Kämpfe höchst verschieden, je nachdem, ob die Stadträte aus den Geschlechtern oder Zünften oder aus beiden gewählt wurden. Allerdings bewahrte weder die aristokratische noch die demokratische Form der Verfassungen der 51 Freien und Reichsstädte, welche sich ihre Selbständigkeit bis zur Französischen Revolution erhalten hatten, diese vor Erstarrung und Verknöcherung.
Nach dem Ende des ersten Deutschen Reichs
Der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803 unterwarf die Reichsstädte, bis auf Hamburg, Augsburg, Nürnberg, Lübeck, Bremen und Frankfurt a. M., der Landeshoheit anderer Reichsstände, und auch diese sechs büßten ihre Reichsunmittelbarkeit bald ein: Augsburg nach dem Preßburger Frieden am 4. Mai 1806, Frankfurt und Nürnberg nach Errichtung des sogenannten Rheinbundes am 12. Juli 1800, und die drei Hansestädte durch ein Dekret Napoleons am 13. Dezember 1810. Nach den deutschen Befreiungskriegen wurden Lübeck, Frankfurt a. M., Bremen und Hamburg als Freie Städte wiederhergestellt und am 8. Juni 1815 in den Deutschen Bund aufgenommen. Infolge des Preußisch-Österreichischen Krieges von 1866 wurde Frankfurt dem Königreich Preußen einverleibt (18. Oktober 1866), während die drei Hansestädte selbständige Glieder des Norddeutschen Bundes und 1871 des neuen Deutschen Reichs wurden.
Wien
Wien war mehr als 500 Jahre kaiserliche Reichshaupt- und Residenzstadt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation unter den Habsburgern, womit ihr in der deutschen Geschichte eine besondere Bedeutung zukommt.
Literatur
- Schmid: Die mediatisierten freien Reichsstädte Teutschlands. Frankfurt 1861
- Andreas Heusler: Ursprung der deutschen Stadtverfassung. Weimar 1872 (PDF-Datei)
- Paul Brülcke: Die Entwicklung der Reichsstandschaft der Städte. Hamburg 1881 (PDF-Datei)
- Hermann Keussen: Die politische Stellung der Reichsstädte mit besonderer Berücksichtigung ihrer Reichsstandschaft unter König Friedrich III.. Berlin 1885
- Fritz Dietz: Die politische Stellung der deutschen Städte 1421-31. Gießen 1889