Himmelsscheibe von Nebra
Die Himmelsscheibe von Nebra ist eine urgermanische Himmelsdarstellung aus der Bronzezeit mit Goldapplikationen, die astronomische Darstellungen beinhalten. Erkennbar sind die Sonne, der Erdmond und das Siebengestirn als wichtige Darstellungen des Jahreskreises.
Inhaltsverzeichnis
Erläuterung
Die Scheibe ist 3.600 bis 4.100 Jahre alt und die weltweit älteste konkrete Himmelsdarstellung. Gefunden wurde sie am 4. Juli 1999 auf dem Mittelberg bei Wangen an der Unstrut nahe der Stadt Nebra in Mitteldeutschland. Im Januar 2012 wurde sie in der BRD zum Nationalen Kulturgut erklärt.
20 Kilometer entfernt von der Fundstelle der Himmelsscheibe von Nebra befindet sich die Kreisgrabenanlage Goseck. Diese archäologischen Funde belegen, daß die Landschaft Mitteldeutschlands mit ihren teils sehr fruchtbaren Böden sehr früh besiedelt und hochentwickelt war. Diese Tatsache wiederum widerlegt die germanophobe Geschichtspropaganda von den „ungebildeten, kulturlosen germanischen Barbaren“.
Im Juni 2013 beschloß die UNESCO, die Himmelsscheibe von Nebra und das Lorscher Arzneibuch in ihr Register des Weltdokumentenerbes „Memory of the World“ (deutsch: Gedächtnis der Menschheit) als Symbol einer Hochkultur aufzunehmen. Diese Eintragung wurde am 30. September 2013 feierlich vollzogen.
Beschreibung
Die annähernd kreisrunde Scheibe hat einen Durchmesser von etwa 32 Zentimetern und eine Stärke von 4,5 Millimetern in der Mitte bzw. 1,7 Millimetern am Rand. Das Gewicht beträgt ca. 2 Kilogramm. Die Scheibe besteht aus Bronze, deren Kupferanteil nachweislich vom Mitterberg bei Mühlbach am Hochkönig in den Ostalpen stammt. Neben einem geringen Zinnanteil von 2,5 Prozent weist sie einen für die Bronzezeit typisch hohen Gehalt von 0,2 Prozent Arsen auf. Sie wurde offenbar aus einem Bronzeklumpen gehämmert und dabei wiederholt erhitzt, um Spannungsrisse zu vermeiden bzw. zu beseitigen. Dabei verfärbte sie sich tiefbraun bis schwarz. Die heutige, von einer Korrosionsschicht aus Malachit verursachte Grünfärbung entstand erst durch die lange Lagerung in der Erde.
Die Goldauflagen wurden mehrfach ergänzt und verändert. Aufgrund der Beifunde (Bronzeschwerter, zwei Beile, ein Meißel und Bruchstücke spiralförmiger Armreife) ist anzunehmen, daß sie etwa um 1600 v. d. Z. vergraben wurde, ihr Herstellungsdatum wird auf 2100 bis 1700 v. d. Z. geschätzt.
Anfänglich bestanden die Goldapplikationen aus 32 runden Plättchen, einer größeren, runden sowie einer sichelförmigen Platte. Sieben der kleinen Plättchen sind etwas oberhalb zwischen der runden und der sichelförmigen Platte eng gruppiert. Später wurden am linken und rechten Rand die sogenannten Horizontbögen angebracht, die aus Gold anderer Herkunft bestehen. Um Platz für die Horizontbögen zu schaffen, wurde ein Goldplättchen auf der linken Seite etwas zur Mitte versetzt, zwei auf der rechten Seite wurden überdeckt, so daß jetzt noch 30 Plättchen zu sehen sind. Die zweite Ergänzung ist ein weiterer Bogen am unteren Rand, wiederum aus Gold anderer Herkunft. Diese Sonnenbarke ist durch zwei annähernd parallele Linien strukturiert, an ihren Außenkanten wurden feine Schraffuren in die Bronzeplatte gekerbt. Als die Scheibe vergraben wurde, fehlte bereits der linke Horizontbogen, und die Scheibe war am Rand mit 40 sehr regelmäßig ausgestanzten, etwa 3 Millimeter großen Löchern versehen.
Das für die Scheibe verwendete Kupfer stammt aus Erzminen am Mitterberg bei Salzburg. Das Gold der Auflagen stammt wahrscheinlich aus Minen im weiter entfernten Siebenbürgen.
Symbolik und Funktion
Die Scheibe wurde als Kalender verwendet. Das Siebengestirn zeigt durch seine halbjährliche Wiederkehr am Nachthimmel Beginn und Ende des Sommers an. Der Mond kennzeichnet den monatlichen Wechsel und die Sonne den Tageslauf. Die abgebildete Sonne wird fälschlich öfters als Vollmond interpretiert. Es ist jedoch recht unwahrscheinlich, daß die Schöpfer der Scheibe die Darstellung der Sonne als wichtigster Erscheinung am Himmel einfach vergessen haben. Durch Ausrichtung der beiden Randbögen lassen sich exakt die Sommersonnenwende und die Wintersonnenwende bestimmen. Der untere, später angebrachte Bogen, kann die mythische Himmelsbarke darstellen, die die Sonne auf ihrem Lauf über den Himmel zieht.
Fundgeschichte und Restaurierung
Die Himmelsscheibe wurde 1999 von zwei Raubgräbern entdeckt, die sie zunächst für das Mittelteil eines Schildes hielten. Nachdem sie die Scheibe zum Verkauf angeboten hatten, wurden sie festgenommen und machten Angaben zum Fundort. Der Fundort liegt innerhalb einer ringförmigen Wallanlage auf dem Gipfel des 252 Meter hohen Mittelbergs, ca. vier Kilometer westlich der Stadt Nebra, inmitten des Ziegelrodaer Forstes. Der Ort auf dem damals vermutlich unbewaldeten Berg dürfte schon in der Jungsteinzeit genutzt worden sein, möglicherweise als Observatorium.
Etwa 20 Kilometer entfernt von der Fundstelle befindet sich die ebenfalls runde, etwa auf das 5. Jahrtausend v. d. Z. datierte Kreisgrabenanlage von Goseck, die astronomische Kenntnisse schon aus weit älterer Zeit als zur Entstehung der Himmelsscheibe von Nebra belegt.
Durch die unsachgemäße Ausgrabung wurde die Himmelsscheibe teilweise beschädigt. In den linken oberen Bereich wurde eine Kerbe geschlagen, wodurch sich auch einer der Sterne ablöste, aus der Sonne wurde ein Teil des Goldes herausgerissen. Durch die lange Lagerung im Erdreich war die gesamte Scheibe stark korrodiert, auch auf den Goldblechen hafteten Korrosionen. Kratzer und Korrosionen mußten entfernt werden. Schließlich wurden der bei der Ausgrabung abgeschlagene, aber nicht verlorengegangene Stern wieder angebracht und das herausgerissene, stark verformte Stück der Sonne durch ein neu angefertigtes Goldblech gleicher Zusammensetzung ersetzt.
Ausstellung und Ehrung
Am 20. Juni 2007 wurde in der Nähe des Fundortes bei Nebra das Besucherzentrum Arche Nebra eröffnet. Die Himmelsscheibe von Nebra war vom 15. Oktober 2004 bis zum 22. Mai 2005 in der Ausstellung Der geschmiedete Himmel mit rund 1.600 weiteren bronzezeitlichen Fundstücken aus 18 Ländern, darunter dem Sonnenwagen von Trundholm, im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle zu besichtigen. Der Versicherungswert der Himmelsscheibe lag 2006 bei 100 Millionen Euro.
Gedächtnis der Menschheit
Die Himmelsscheibe von Nebra wurde am Montag, dem 30. September 2013 feierlich ins „Gedächtnis der Menschheit“ aufgenommen. Die Aufnahme in das Register hatte die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur im Juni beschlossen. Bei einem Festakt in Halle überreichte der Präsident der Deutschen UNESCO-Kommission, Walter Hirche, dem Landesmuseum für Vorgeschichte die Urkunde. Die Himmelsscheibe gehört damit offiziell zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Die Himmelsscheibe von Nebra ist die älteste bekannte Abbildung des Sternenhimmels. Sie gilt als Schlüsselfund für die germanische Vorgeschichte (→ Urgermanen).
Das Weltdokumentenerbe umfaßt den Angaben zufolge 299 Einträge aus 40 Ländern. Die BRD ist mit 17 Einträgen vertreten. Dazu gehört zum Beispiel die Gutenberg-Bibel. Zu dem Festakt war auch der Ministerpräsident Sachsen-Anhalts Reiner Haseloff (CDU) gekommen.
Siehe auch
Literatur
- Harald Meller / Kai Michel: Die Himmelsscheibe von Nebra – Der Schlüssel zu einer untergegangenen Kultur im Herzen Europas. Propyläen Verlag, 5. Aufl. 2018, ISBN 978-3549076460 [384 S.]; auch als E-Book
- Otto Siegfried Reuter: Der Himmel über den Germanen. Nachdruck des Werkes von 1936 [Mit Himmelskarten und Abb.; 52 S.]
- Iris Newton: Die Welt der Himmelsscheibe – Entstehung – Funktion – Entdeckung (Bestellmöglichkeit)
- Harald Haarmann: Das Rätsel der Donauzivilisation – Die Entdeckung der ältesten Hochkultur Europas, Verlag C.H.Beck, 3. Auflage, München 2017, ISBN 978-3406709630 [286 S.]
- Ulf Schiewe: Die Kinder von Nebra. Lübbe, 2020, ISBN 978-3785726754 [620 S.] – historischer Roman
Verweise
- Die Himmelsscheibe von Nebra, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt
- Die Dynamische Interpretation der Himmelscheibe von Nebra, Westfälische Volkssternwarte und Planetarium Recklinghausen
- Gerulf Stix: Das falsche Bild vom Abendland – Unsere Wurzeln liegen in Europa, nicht im Orient, Genius – Gesellschaft für freiheitliches Denken, 29. März 2016