Rosh, Lea
Lea Rosh (geb. 1. Oktober 1936 in Berlin; eigentlich Edith Renate Ursula Rosh) ist eine Jüdin in der BRD. Sie betätigte sich als Fernsehjournalistin, Publizistin und Unternehmerin.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Herkunft
Lea-Edith Ursula Renate Rosh wurde am 1. Oktober 1936 als drittes von vier Kindern in Berlin geboren. Ihr Vater, ein kaufmännischer Angestellter, war als Wehrmachtsoldat in Polen und galt nach dem Krieg als verschollen; in anderen Quellen steht, er sei „1944 in Polen umgekommen”.[1] Die Mutter stammte aus einer angesehenen Grazer Familie und ist jüdischer Herkunft; ihr Großvater Max Garrison, deren jüdischer[2] Vater, war Hofopernsänger in Wien und soll — nach ihren Angaben — auch an der New Yorker Met aufgetreten sein. Protestantisch erzogen, trat Rosh später aus der Kirche aus. Mit 18 Jahren benannte sie sich in „Lea“ um, da sie den Namen Edith „schrecklich deutsch“ fand. Gegen Behauptungen, Rosh habe ihren Familiennamen hebräisiert, ging sie in den letzten Jahren gerichtlich vor.[3]
Ausbildung
Nach der Schule studierte sie 1955-1961 an der Berliner Freien Universität (FU) Geschichte, Soziologie und Publizistik. Daneben absolvierte sie diverse Volontariate in Verlagen und bei Zeitungen. Nach eigenen Aussagen war sich Rosh lange nicht sicher, ob sie Journalistin oder Schauspielerin werden wollte, da sie nebenbei auch privaten Schauspielunterricht bei Hilde Körber nahm und diese ihr Talent bescheinigte.[3]
Wirken
Obwohl aus jüdischer Sicht keine und aus deutscher lediglich Vierteljüdin, judaisierte Edith Rosh ihren Namen als 18-jährige (1954), „um ein politisches Signal zu setzen” und „um festzustellen, was man in Deutschland für Erfahrungen macht, für eine Jüdin gehalten zu werden”. Kritische Berichte über diese Veränderung zu einem jüdisch (sephardisch) klingenden Namen versuchte sie vergeblich gerichtlich zu unterbinden.[4] Zeitungsberichte, wonach sie auch ihren Nachnamen geändert habe, mußten dagegen nach einem Verleumdungsprozeß zurückgenommen werden.[5][6] Edith ist germanischen Ursprungs und bedeutet „Besitz”, „Kampf”. Ottos des Großen Gemahlin hieß so; die Katholiken verehren am 16. September die heilige Edith. Lea ist hebräisch und bedeutet „Wildkuh” oder „die, die sich umsonst müht”. Gemäß Altem Testament ehelichte Jakob die Lea „mit den trüben Augen” im verschleierten Zustande, wobei er irrtümlich annahm, es handele sich um ihre schöne Schwester Rahel.
Als Jüdin - so sagt sie - fühle sie sich nicht, doch für Israel empfindet sie „viel mehr als nur Sympathie”. Angesichts irakischer Raketen auf Israel im Golfkrieg äußerte sie: „Mir ist jetzt so, als würden wir da sitzen und alle angegriffen”. In Lebensgefahr schwebte sie zur Kriegszeit zweimal durch die alliierten Bombenangriffe auf Berlin, vor denen sie durch die Kinderlandverschickung nach Schlesien gerettet wurde, und durch die Gewaltorgien in Schlesien eingedrungener, von Ehrenburg aufgehetzter Rotarmisten. Nach ihrer Verwandlung in Lea begann Rosh ihre journalistische Laufbahn 1961 als Hörfunk-Reporterin beim Berliner RIAS, erste Fernseherfahrungen sammelte sie als Mode-Moderatorin beim SFB. 1968 wurde sie SPD-Mitglied. Anfang der 1970er Jahre arbeitete sie in Hannover als freie Mitarbeiterin für das NDR-Messefernsehen, bevor sie ab 1973 bei NDR Hamburg TV-Sendungen zu kulturellen und Frauenthemen gestaltete, so zusammen mit Luc Jochimsen das von Peter Merseburger entwickelte Magazin „Frauenforum“.
Seit den 1970er-Jahren dreht sie hauptsächlich Filme bezüglich der „Bewältigung der Nazizeit”. „Ihr Markenzeichen ist der moralisch erhobene Zeigefinger“, schrieb später der Schriftsteller Rafael Seligmann in einem Porträt über Rosh.[7] 1979 wechselte Rosh zum Berliner ZDF-Studio, wo sie - als erste Frau - neben Hanns-Werner Schwarze „Kennzeichen D“ moderierte. Ab 1983 als freie Publizistin tätig, erhielt Rosh 1985 für ihre SFB-Dokumentation „Vernichtung durch Arbeit“ den Adolf-Grimme-Preis, kurz darauf auch die Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte. Der Film „Das lustige Zigeunerleben“ wurde mit dem Jugend-Medienpreis „Das rote Tuch“ der Berliner SPD ausgezeichnet und stand auf der Juroren-Liste des „Prix Italia“.
Sich weniger als „Talkmasterin“ denn als „Diskussionsleiterin“ verstehend, wurde sie 1982 Gastgeberin der monatlichen Diskussionsrunde „III nach Neun“ von Radio Bremen. Mitunter wurde ihr ein oberlehrerhafter Moderationsstil vorgehalten. Kabarettisten wie Harald Schmidt verwiesen auf sie, wenn etwas „nach Betroffenheit riecht“.[8] Ab Februar 1988 moderierte Rosh in Berlin die TV-„Talk-Show“ „Freitagnacht“, in der schon vor der Wende Kritiker des SED-Regimes, aber auch hohe DDR-Funktionäre zu Wort kamen, was der Sendung bald Rekordbeteiligungen garantierte. Im April 1990 lief Roshs gemeinsam mit dem Stuttgarter Historiker Eberhard Jäckel produzierte SFB-Dokumentation „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ über die Bildschirme.
„Proporzmuster“ überschrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Ankündigung, daß Rosh, seit 1968 „wegen Willy Brandt und seiner Ostpolitik“ SPD-Mitglied, ab 1. Februar 1991 Direktorin des NDR-Funkhauses in Hannover sein würde. Als erste Frau in dieser Funktion weckte sie großen Unmut mit der Entscheidung, die von ihr als „faschistoid“ empfundene inoffizielle Niedersachsen-Hymne („Wo fielen die römischen Schergen? Wo versank die welsche Brut? In Niedersachsens Bergen, an Niedersachsens Wut“) nur noch ohne Text ausstrahlen zu lassen. Zu ihren Erfolgen in Hannover, wo sie die Sendungen „Sonntags zu Gast bei Lea Rosh“, „Profile“ sowie live den „Talk vor Mitternacht“ (bis Oktober 1999) moderierte, zählt Rosh die Besetzung verantwortlicher Redakteursposten mit Frauen, die Entwicklung des Hörfunkprogramms zur Nummer eins in Norddeutschland und die Verdreifachung der Einschaltquote des TV-Landesprogramms für Niedersachsen. Um sich wieder eigenen journalistischen Aufgaben zuwenden zu können, entschied sich Rosh gegen eine Verlängerung ihres zum 1. Januar 1997 auslaufenden Vertrags als Direktorin des Landfunkhauses. Ihr Nachfolger wurde der liberal-konservative Hörfunkchef Arno Beyer. Bei der Verabschiedung von Rosh, die zunächst als Journalistin zurück nach Hamburg ging und im Oktober 1999 in Berlin eine eigene Firma namens „Lea Rosh Kommunikation & Medien GmbH“ zur Entwicklung von TV-Dokumentationen und „Features“ gründete, nannte „Plog“ sie eine „streitbare Journalistin, die eine Botschaft hat, ... sich einmischt und dabei in Kauf nimmt, Anstoß zu erregen“.[9]
Kurz nach dem Fall der Berliner Mauer sagte die Fernsehjournalistin Lea Rosh: „Ich fände 80 Millionen wiedervereinigte Deutsche furchtbar. Nehmen wir die Teilung doch als Bürde der Geschichte hin.”[1] Bald darauf erhielt sie den Galinski-Preis, und 1991 wurde sie Chefin des NDR-„Funkhaus Hannover”. Unter anderem verfügte sie ein Verbot der Ausstrahlung des von ihr so bezeichneten „faschistoiden” Niedersachsenliedes, das schon vor der NS-Machtübernahme gebräuchlich war, in welchem nichts von Hitler o.a. vorkommt und das in einer Strophe den germanischen Freiheitskampf gegen das römische Imperium, in dessen Nachfolge sich ja gerade die Faschisten wähnten, besingt.[1]
„Holocaust-Denkmäler“
In den 1990er-Jahren machte sie ein kolossales „Holocaust-Denkmal“ in Berlin zu ihrer Herzensangelegenheit.
1988 hatte Rosh in Berlin eine „Initiative engagierter Bürger“ ins Leben gerufen, die - unterstützt von namhaften Persönlichkeiten - einen „Förderkreis zur Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas e. V.“ gründete und fortan die Errichtung eines „riesigen, unübersehbaren Mahnmals“ (Zitat: Lea Rosh) betrieb. Damit griff Rosh eine Idee Eberhard Jäckels auf, der sie bei der Realisierung auch unterstützte. Das durch die israelische Gedenkstätte Yad Vashem inspirierte Projekt, an dem sich neben Förderkreis und Land Berlin auch der Bund beteiligte und ein 20.000 Quadratmeter großes Areal zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz zur Verfügung stellte, wurde Gegenstand eines jahrelangen, zum Teil erbitterten öffentlichen Streites. Dieser brachte Rosh u. a. im Sommer 1995 in die Schlagzeilen, nachdem Kanzler Helmut Kohl (CDU) durch sein Veto gegen den preisgekrönten Entwurf einer fußballfeldgroßen Namensplatte mit 4,2 Millionen eingravierten Opfernamen eine neue Kontroverse auslöste.[3]
Erst nach dem Regierungswechsel im September 1998 wurde die Angelegenheit von der Koalition aus SPD und Grünen an den Bundestag übergeben, der sich mehrheitlich (314 gegen 209 Stimmen) für den verkleinerten Stelenfeld-Entwurf des jüdischen Architekten Peter Eisenman aussprach. Ein „Ort der Information“ über den „Mord an den Juden“ sollte integriert werden. Rosh protestierte gegen ein Mehrzweckhaus mit „Denkmals-Appendix“.[10] Sie sah das Denkmal gefährdet und zu Gunsten eines Museums von dem Gelände verdrängt und räumte deshalb ihren Platz in der „Stiftung Deutsches Holocaust-Museum“. Die Kosten für das monumentale Bauprojekt wurden auf 25 Millionen D-Mark veranschlagt. Ein Werbeplakat des Fördervereins, auf dem groß stand: „den holocaust hat es nie gegeben“, und darunter, kleingedruckt: „Es gibt immer noch viele, die das behaupten, in 20 Jahren könnten es noch mehr sein. Spenden Sie deshalb für das Denkmal für die ermordeten Juden Europas“, sorgte im Juli 2001 für massive Kritik und Strafanzeigen. Rosh begründete die „Schockwerbung“ mit dem Argument: „So ein einzigartiges Ereignis wie der Holocaust muss einzigartig vermittelt werden.“ Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, sagte, der Holocaust sei nicht dazu geeignet, mit „schreierischen, provokanten und letztendlich falschen PR-Gags das Richtige zu erreichen“. Im August 2001 gab Rosh, die in diesem Zusammenhang auch in ihrem Engagement scharf angegriffen wurde, das Ende der Plakataktion bekannt und bedauerte, daß der Spendenaufruf Anlass zu Missverständnissen gegeben habe.[3]
Im Oktober/November 2003 entbrannte ein Streit über die Beteiligung der Firma Degussa am „Holocaust-Mahnmal“, an dem seit Oktober 2001 gebaut wurde. Zum Schutz der 2.711 Betonstelen - vor allem gegen Farbschmierereien - sollte ein Speziallack von Degussa verwendet werden. Weil deren Tochterfirma Degesch in der Zeit des Nationalsozialismus das Insektizid „Zyklon B“ herstellte und vertrieb, protestierten Initiatoren des Denkmals, an ihrer Spitze Lea Rosh und Salomon Korn. Andere, darunter Paul Spiegel und der Architekt Peter Eisenman, bemühten sich um Vermittlung. Schließlich entschied das Stiftungskuratorium unter dem Vorsitz von Wolfgang Thierse, daß das Mahnmal weitergebaut werden solle - unter Verwendung des Degussa-Baustoffes.[3]
Am 10. Mai 2005 wurde mit einem Festakt in Berlin das schließlich 27,6 Millionen Euro teure Denkmal für die Juden Europas eröffnet. Rosh sorgte in ihrer Ansprache für Aufsehen, als sie einen „Backenzahn“ und einen gelben Stoffstern präsentierte. Sie kündigte an ein „persönliches Versprechen“ einzulösen und den Zahn mit samt dem Stoffstück in einer der Stelen zu versenken. „Den Zahn habe sie im Sand neben einem der langen Gräber in einem polnischen „Vernichtungslager“ (Belzec) gefunden“. Dabei habe sie geschworen, „daß wir den Ermordeten ein Denkmal setzen. Und dieser Zahn wird darin einen Platz finden“. Dies habe sie dann mit dem Architekten des Mahnmals, Peter Eisenman, verabredet. Der Stoffstern sei ihr von einer Frau in Amsterdam übergeben worden, deren Mutter während des Zweiten Weltkrieges ums Leben kam. Diese hatte ihrer Tochter zuvor das Stoffstück als Erinnerung in die Hand gedrückt. Rosh habe der Tochter versprochen, daß der Stern einen würdigen Platz findet. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, nannte den Plan „pietätlos“ und religiös fragwürdig, man sollte nicht versuchen, daraus „einen Reliquienschrein zu machen“.[11] Nach empörten Reaktionen nahm sie von dem Vorhaben Abstand und kündigte an, den Zahn nach Belzec zurückzubringen. Von ihren Gegnern wurde Rosh, die das Mahnmal als ihr „Lebenswerk“ bezeichnet hat, auch schon wahlweise mit Titeln wie „Gedenkdomina“, „Holocaustkassandra“ oder „Berufsjüdin“ bedacht.[3]
Mit der Fertigstellung des Mahnmals 2005 sah Rosh ihre Arbeit dort nicht beendet, so wollte sie Besuchergruppen durch die Ausstellung führen und sich um die Finanzierung für den „Raum der Namen“ im „Ort der Information“ kümmern. Ein anderes Mahnmal war auf Betreiben von Rosh bereits 1994 in Hannover enthüllt worden: ein von Michelangelo Pistoletto entworfenes Denkmal mit den eingemeißelten ca. 2.000 Namen von Juden. Auch ein weiteres Mahnmal für Juden in Berlin war bereits in Planung.
Im November 2005 wurde Rosh für weitere zwei Jahre als Vorsitzende des Förderkreises „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ bestätigt. Der Historiker Eberhard Jäckel bleibt einer ihrer Stellvertreter. Neu in den Vorstand gewählt wurde u. a. der frühere Berliner Justizsenator Wolfgang Wieland.
„Israels Lobby“
Anfang 2003 unterzeichnete Lea Rosh die scharfe öffentliche Kritik eines „Bündnisses gegen Antisemitismus” an den Friedensdemonstrationen, die gerade wegen des Irak-Krieges der USA stattfanden. »Wo war etwas von Solidarität mit Israel zu lesen?« machte sie in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau vom 20. Februar 2003 als Haupteinwand gegen die Friedensbewegten geltend. Und sie erteilte bei dieser Gelegenheit Geschichtsunterricht folgender Art: »Ich habe die Geschichte nicht vergessen. Ich vergesse auch nicht, daß die Amerikaner die Landung in der Normandie mit einem ungeheuren Blutzoll bezahlt haben, für uns.«[12] Auch sonst spielt Rosh, die sich ausgesprochen stark für israelische Belange einsetzt, eine hervorragende Rolle in den Medien.
Kunst und Geschichte Entledigen
Kurz vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 hatten die Initiatorin des Holocaust-Mahnmals, Lea Rosh, und der jüdische Schriftsteller Ralph Giordano die Beseitigung der Skulpturen auf dem Berliner Olympia-Gelände gefordert, die 1936 zur Olympiade dort aufgestellt wurden. Anlaß war eine Kunstausstellung im Georg-Kolbe-Museum. Die Schau zeigte Fotografien, Dokumente und Modelle der Plastiken von 1935/36, die unter anderem von Joseph Wackerle, Karl Albiker und Arno Breker stammen. Breker galt als ein Lieblingsbildhauer Adolf Hitlers und schuf im Nationalsozialismus zahlreiche heroisierende Monumentalplastiken.[13] Später ruderte Lea Rosh zurück, sie habe doch nur von kommentiertem Verhüllen, nie von Abbau (Abriß) gesprochen.[14]
Auszeichnungen
Adolf-Grimme-Preis (1983, 1985); Carl-von-Ossietzky-Medaille (1985); Geschwister-Scholl-Preis (1990, zusammen mit Eberhard Jäckel); Schiller-Preis der Stadt Mannheim (1991); Preis der Heinz-Galinski-Stiftung (1991).
Mitgliedschaften
PEN-Zentrum Westdeutschland (bis 1999), Vorsitzende des Förderkreises zur „Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas“ (ab 1995), stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums der „Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ (ab 1999).
Filmbeiträge
Verweise
- Holocaust-Mahnmal: Lea Rosh brüskiert Jüdische Gemeinde, spiegel.de, 11. Mai 2005