Leopold II. (HRR)

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Römisch-deutscher Kaiser 1790–1792, Erzherzog von Österreich 1790–1792, König von Böhmen 1790–1792, König von Ungarn, 1790–1792, König von Kroatien und Slawonien 1790–1792, Herzog von Mailand 1790–1792, Herzog von Luxemburg 1790–1792, Großherzog der Toskana 1765–1790

Leopold II. (Lebensrune.png 5. Mai 1747 in Wien; Todesrune.png 1. März 1792 ebenda) war Erzherzog von Ostarrichi aus dem Haus Habsburg-Lothringen, von 1765 bis 1790 (als Peter Leopold) Großherzog der Toskana, Generalfeldmarschall des Teutschen Reiches (ab 1766) sowie von 1790 bis 1792 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und König von Böhmen, Kroatien und Ungarn.

Leben

Der junge Großherzog Leopold als Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies
Wappen des Kaisers Leopold II. und Franz II. (HRR) (Schildhalter)
Der dritte Sohn (neuntes Kind) Maria Theresias und Franz I., der erste nach Erlangung der Kaiserwürde durch den Vater (1745) „im Purpur“ geborene Erzherzog, erhielt auf Wunsch seiner Patin, der Zarin Elisabeth, in der Taufe als ersten Vornamen den bei Habsburgern und Lothringern ungebräuchlichen Vornamen Peter, wurde in der Familie, in Österreich und im Reich stets nur Leopold, als Großherzog von Toskana dann aber meist „Pietro Leopoldo“, seltener „Leopoldo I.“, genannt. Mit nur sechs Jahren war er bereits als künftiger Gemahl der Erbin von Modena Maria Beatrice d'Este vorgesehen, doch führte der Tod seines älteren Bruders Karl (18.1.1761) zu einer Neuregelung, nach der L. für die Nachfolge im bedeutenderen Ghzgt. Toskana bestimmt wurde, während sein jüngerer Bruder Ferdinand die Hand der Erbprinzessin von Modena erhalten sollte. In Hinblick auf den späteren Herrscherberuf erhielt er eine sorgfältige, den Zeittendenzen der Aufklärung entsprechende Erziehung. Von den Erziehern und Lehrern sind zu nennen der Ajo General Franz Gf. Thurn-Valassina, der dann als Oberst-Kämmerer und erster und wichtigster Berater L. nach Florenz begleitete, dessen jüngerer Bruder Anton, der während des ganzen Vierteljahrhunderts in Florenz die Stelle eines Oberst-Hofmeisters bekleidete, der Lothringer Jacob Sauboin, den L. später selbst in Florenz mit der Erziehung seiner großen Kinderschar betraute, der Wallone Jean Brasseur, der Jesuit Franz Lehner, sowie vor allem der bedeutende, aus dem Trentino stammende Rechtsgelehrte Carl Anton Martini (seit 1779 Freiherr zu Wasserberg), Professor für Naturrecht an der Univ. Wien, der L. 1761-65 in Staatsrecht, Völkerrecht und Naturrecht unterrichtete und ebenso wie sein Lehrer und nunmehriger Kollege an der Univ. Wien Paul Josef Riegger dem Freimaurer-Orden angehörte. Die Briefe und Aufzeichnungen des jungen Erzherzogs lassen bereits eine gute, wache Beobachtungsgabe und Intelligenz, großen Lerneifer, besonderes Interesse für Naturwissenschaften und Technik, eine gewisse Altklugheit und ein brennendes Verlangen, sich auszuzeichnen und Beifall zu finden, eine fast pedantische Ordnungsliebe, daneben Sinn für Humor, Menschenfreundlichkeit und Gutmütigkeit sowie einen wohl vom Vater ererbten gelegentlichen Hang zur Melancholie erkennen. Im Alter von fünfzehn Jahren beherrschte er, nach dem Urteil Franz Thurns, „sehr gut die französische, die deutsche und die lat. Sprache und ein wenig die böhmische“ und begann damals im Hinblick auf die für ihn vorgesehene Herrschaft in der Toskana, die ital. Sprache zu erlernen, die dann, nach seiner Heirat mit der in Neapel aufgewachsenen Tochter Karls III. von Spanien, seine eigentl. Familien- und Umgangssprache und die Sprache seiner eigenen persönlichsten Aufzeichnungen wurde. Gleichfalls nach dem Urteil Thurns zeichnete er sich besonders durch große Fertigkeit im Rechnen und sehr gute Kenntnisse in Religion, weltlicher und kirchlicher Geschichte, Geographie und Naturgeschichte aus, war aber „nicht sehr stark in der Kunst, sich schriftlich auszudrücken“. Maria Theresia kritisierte in jener Zeit an ihrem Sohn vor allem die Vernachlässigung seines Äußeren, die geringe Sorgfalt in Schrift und Stil und die periodisch auftretenden „üblen Launen“ und Anfälle von Hypochondrie.
Der großen Reise als Begleiter von Vater und Bruder nach Frankfurt zur Königskrönung Josephs II. im März/April 1764 folgten im selben Jahr eine Reise des Hofes zur Eröffnung des ungar. Reichstags nach Preßburg und anschließend eine Reise mit Joseph in die oberungar. Bergstädte im Juli, eine Donaureise mit dem Hof nach Komorn, Gran, Waitzen und Raab Ende August und eine Reise mit Joseph durch Böhmen und Mähren im Oktober. So hatte er vom „Reich“ sowie von den Ländern der Stephans- und jenen der Wenzelskrone schon einen Eindruck erhalten, bevor er im Juli 1765 mit den Eltern, den älteren Geschwistern und dem Hof über Graz, Klagenfurt, Lienz und Brixen nach Innsbruck reiste und von dort seiner über Genua aus Spanien angereisten Braut Maria Ludovica (Marie Louise) entgegen. Am 5.8. fand in der Innsbrucker Pfarrkirche St. Jakob die Trauung statt. Eine schwere Darmerkrankung des Bräutigams minderte die Festesfreude, und als der Patient endlich außer Gefahr war, starb am 18.8. plötzlich und unerwartet Kaiser Franz, wodurch die bis zuletzt umstrittene Frage gegenstandslos wurde, ob L., wie der Vater gewollt hatte, zu dessen Lebzeiten nur als Statthalter, oder, wie der span. Hof wollte, sogleich als Souverän die Herrschaft über die Toskana antreten sollte. – Ausgestattet mit den schon zu Jahresbeginn von Kaiser Franz niedergeschriebenen, mehr allgemein gehaltenen Instruktionen und den sehr konkreten und detaillierten, die →Maria Theresia noch in Innsbruck nach dem Tod ihres Gemahls verfaßt hatte, reiste der rekonvaleszente L. mit seiner Frau nach Florenz, wo er am 13. September eintraf.
Die Wirtschaft der Toskana befand sich infolge der eben zu Ende gehenden letzten großen Hungersnot Italiens in einem sehr kritischen Zustand. Um so schmerzhafter war für den neuen Herrscher der kurz nach seinem Regierungsantritt ausbrechende Streit mit seinem Bruder Joseph in Wien, der als Universalerbe des verstorbenen Kaisers auch die Herausgabe der in der „toskan. Reservekasse“ verbliebenen Gelder forderte, um die geplante Konvertierung der österr. Staatsschuld durchführen zu können. Die Niederlage in diesem Konflikt hat bei L. eine nie mehr ganz verheilte Gegnerschaft gegen den „despotischen“ Bruder hervorgerufen. In der Folge dieses Konflikts wurde nach dem Tod Franz Thurns (dem →Maria Theresia schwere Vorwürfte machte, den Ausbruch des Streits nicht verhindert zu haben) auf Vorschlag Anton Thurns und auf Antrag L.s der bisherige Gesandte in Madrid Franz Xaver Wolf Gf., v. Rosenberg-Orsini zur Leitung der toskan. Staatsgeschäfte von →Maria Theresia an L. „verliehen“. Im Herbst 1766, in dem Rosenberg vom bisherigen Chef der „lothring. Regentschaft“, dem Feldmarschall Marchese Antonio Botta-Adorno, die Geschäfte übernahm, begann das große toskan. Reformwerk, in dem L., Rosenberg und die toskan. Reformgruppe um Pompeo Neri, Francesco Maria Gianni und Angelo Tavanti erfolgreich zusammenwirkten. Nach ersten Schritten auf dem Weg zur Freigabe des Getreidehandels und einer breit angelegten statistischen Erhebung über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Landes, die „grande inchiesta del 1766“, folgte das Gesetz über die Freiheit des Verkaufs, Handels und Transports von Getreide, Mehl und Brot vom 18.9.1767, an dessen Zustandekommen L. einen wesentlichen Anteil hatte und das die Aufmerksamkeit und den Beifall der gesamten „europ. Partei“ der Physiokraten fand.
Mit einer umfassenden, alle Gebiete des öffentlichen Lebens betreffenden, gründlichen, aber keineswegs überstürzten Reformpolitik hat L. dann im Laufe eines Vierteljahrhunderts die Toskana zu einem Musterland der europ. Aufklärung gemacht. Zugleich war er aber auch immer bemüht, im Dienst der Politik des Wiener Hofes die ital. Staatenwelt und die politischen Entwicklungen im Mittelmeerraum zu beobachten und wenn möglich zu beeinflussen. Parallel dazu erfolgte die schrittweise Lösung aus der Bevormundung durch Mutter und Bruder. Mit der Rückkehr Rosenbergs nach Wien und der ersten großen Wien-Reise des großherzogl. Paares 1770 ging die „Ära Rosenberg“ und damit die Epoche der „Lehrjahre“ des jungen Herrschers zu Ende. Die wichtigsten Neuerungen dieser Zeit waren die Aufhebung der Generalpacht und die Übernahme des Steuer- und Abgabenwesens in die staatliche Eigenregie (26.8.1768), die Reform des Amortisationsgesetzes von 1751 (15.9.1769) zur Verhinderung eines weiteren Anwachsens des Bodenbesitzes der „toten Hand“, Umschichtung des Bodenbesitzes vom Regular- zum Säkularklerus, Einführung eines Systems der Erbpacht zur Förderung des bäuerlichen Grundbesitzes (15.9.1768), die Verschärfung des landesfürstlichen „Exequatur“ für alle von auswärtigen Stellen ausgehenden Akte und Dokumente (20.7. u. 19.8.1769), die Aufhebung des kirchlichen Asylrechts für Verbrecher (10.11.1769) und die Unterstellung der Klostergefängnisse und ihrer Insassen unter die Aufsicht der weltlichen Gerichte (2.6.1770). Die in diesen letzteren Maßnahmen zum Ausdruck kommende Abstimmung auf die Kirchenpolitik Wiens zeigte sich auch in dem gemeinsamen Rom-Besuch von Joseph und L. während des Konklaves im März 1769.
Schon während einer mehrmonatigen Abwesenheit Rosenbergs von Florenz (Mitte Juli bis Ende Okt. 1769) hatte L. eine nun auf ihn selbst bezogene Geschäftsordnung erlassen, die ohne grundlegende Änderungen durch zwei Jahrzehnte erhalten blieb und mit der alle weiteren Reformen durchgeführt wurden. Sie betrafen im ersten Jahrzehnt von L.s Selbstregierung die Aufhebung der Zünfte, Schaffung einer „Camera di Commercio, Arti e Manufatture“ und Einführung der Gewerbefreiheit, eine neue Gemeindeordnung, die radikale, wenngleich nur schrittweise erfolgende Beseitigung der veralteten politischen Struktur und den rationellen Aufbau der Verwaltung von der Gemeinde bis zur Spitze des Staates, wodurch das Großherzogtum Toskana zu einem modernen Einheits- und Flächenstaat wurde, die Reform des Polizei- und Sanitätswesens, die Auflösung des toskanischen Militärs und seine|Ersetzung durch eine Bürgermiliz. Kennzeichnend war bei allen diesen Reformen, die bei den Betroffenen begreiflicherweise oft Widerstände und Kritik hervorriefen, die gleichsam „wissenschaftliche“, experimentelle Methode, etwa die zunächst probeweise Einführung der Neuerungen in kleineren Städten und Gebieten bis zur schließlichen Ausdehnung auf das gesamte Staatsgebiet. Die Verbindung mit Wien wurde durch zahlreiche Besuche der Geschwister (Joseph II., Marie Christine mit ihrem Gemahl, Maximilian Franz), ein Zusammentreffen der vier Brüder in Venedig beim Himmelfahrtsfest 1775, sowie durch einen neuerlichen Wien-Aufenthalt des großherzogl. Paares im Sommer 1776 verstärkt, nachdem eine für Mai 1776 in Görz geplante Begegnung der Kaiserin mit ihren Kindern und den älteren Enkelkindern wegen einer Erkältung Maria Theresias und, wie L. vielleicht richtig vermutete, auch an den Einwänden Josephs gescheitert war.
Hatte L. schon den Wien-Aufenthalt im Sommer 1776 zum Studium des Geschäftsbetriebes, der Behörden und Reformen in Österreich und dann vor allem die Rückreise zur Besichtigung der Einrichtungen des Kärntner Eisenwesens, des Quecksilber-Bergwerks von Idria und von Stadt und Hafen Triest benützt, so bot die ihm zunächst sehr ungelegene Berufung zur Mutter nach Wien im Spätsommer 1778 während des Bayerischen Erbfolgekrieges die Gelegenheit zu tieferen Einblicken in den „Zustand der Familie“ und den „Zustand der Monarchie“, worüber er umfangreiche Aufzeichnungen sowohl in Form eines Tagebuchs wie in zusammenfassenden Darstellungen – teilweise in seiner eigenen Geheimstenographie – hinterlassen hat. An einen einwöchigen Aufenthalt in Wien schloß sich eine vierzehntägige Reise zu Joseph in dessen Hauptquartier in Els b. Königgrätz und dann mit dem Kaiser zur Armee Laudons an. Nach Wien zurückgekehrt, mußte er mehr als fünf Monate (bis 8.3.1779) auf Anordnung Maria Theresias in der Hauptstadt bleiben und sich von den obersten Beamten der Hofstellen über alle Zweige der Staatsverwaltung, der Innen- und Außenpolitik, sowie vor allem der Wirtschafts- und Finanzpolitik informieren lassen. Aus allen Aufzeichnungen hierzu spricht eine tiefe Abneigung gegen den „despotischen“ Bruder Joseph und dessen bürokratisch-zentralistischen Absolutismus. Statt der Vermehrung des kostspieligen Beamtenapparats empfiehlt L. die neuerliche Aufwertung der ständischen Selbstverwaltung, Bauernbefreiung, völlige religiöse Toleranz, Gewerbefreiheit, Abschaffung der Zensur und Beteiligung der Regierten an der Regierung.
Diesen Überzeugungen entsprechend hat er sogleich nach seiner Rückkehr nach Florenz seinen Mitarbeitern den Auftrag zur Ausarbeitung einer Repräsentativ-Verfassung für die Toskana gegeben und an diesem Gedanken auch gegenüber allen Bedenken und Einwänden seiner Berater zunächst festgehalten. Als vorbildlich erschienen ihm dabei einerseits die Traditionen ständischer Selbstverwaltung in Ungarn, in den Österr. Niederlanden und in Tirol, andererseits die Wahl der Volksvertreter in den Schweizer Kantonen und die Verfassung von Pennsylvania vom 28.9.1776. Seinen ersten Entwurf hat L. seinem vertrautesten Ratgeber Francesco Maria Gianni vorgelegt, worauf dieser am 9.5.1779 mit einem ausführlichen Memorandum voller Gegenvorstellungen antwortete. Durch drei Jahre ist nun, im ständigen Dialog zwischen L. und Gianni, an dem Verfassungsentwurf gearbeitet worden, bis dieser, nachdem er in der Zeit vom März bis August 1782 von sechs weiteren Beratern, darunter einem Kirchenrechtsprofessor der Univ. Pisa, begutachtet worden war, seine endgültige Fassung erhielt (8.9.1782). Der angekündigte Besuch Josephs in der Toskana und die drohende Kriegsgefahr im östlichen Mittelmeer, schließlich auch Josephs Plan der Vereinigung der Toskana mit der österr. Monarchie nach dem Tod eines der beiden Brüder verhinderten aber dann die Einführung der Verfassung. Joseph zwang den Bruder, seinen ältesten Sohn Franz im Sommer 1784 nach Wien zu bringen, wo er unter Josephs Aufsicht zum künftigen Herrscher der österr. Monarchie erzogen werden sollte. Bei dieser Gelegenheit wurde die Urkunde mit dem Abolitionsversprechen von Joseph, L. und dem Staatskanzler Kaunitz unterzeichnet, nach Josephs Tod von L. aber sogleich „cassirt“ und damit der Fortbestand der toskan. Sekundogenitur gesichert.
In der Kirchenpolitik ging L., der im Grunde ein noch entschiedenerer Anhänger eines aufgeklärten „spätjansenistischen“ Reformkatholizismus war als Joseph, schon wegen der Nähe Roms und des die Toskana beinahe umklammernden Kirchenstaates gleichfalls nur schrittweise vor und suchte zunächst offene Konflikte mit der Kurie zu vermeiden. Sein schärferes Vorgehen seit 1778/79 stand wohl damit in Zusammenhang, daß damals der Generalvikar des Erzbischofs von Florenz und spätere Bischof von Pistoia und Prato, Scipione de' Ricci, ein entschiedener Jansenist, sein wichtigster kirchenpolitischer Berater wurde. In der Schaffung der „patrimoni ecclesiastici“, des toskan. Gegenstücks zum josephinischen Religionsfonds, der Durchführung neuer Pfarr-Einteilungen, im Vorgehen gegen „Andächteleien“ und „abergläubische“ Formen der Volksreligiosität oder neue Devotionsformen wie die als „Cardiolatria“ geschmähte Herz-Jesu-Verehrung und der entschiedenen Förderung der augustinischen „sana dottrina“ war die L.sche Kirchenpolitik in der Toskana vielleicht noch konsequenter und entschiedener als die josephinische in Österreich. Die von L. nach eingehender Beratung verfaßten 57 „Punti ecclesiastici“, die zu Beginn des Jahres 1786 den toskanischen Bischöfen als Diskussionsgrundlage übersandt wurden und die das Programm einer umfassenden Kirchenreform enthielten, sollten die Voraussetzung und Grundlage bilden für die Einberufung von Diözesan-Synoden, wie sie dann sogleich Ricci für den 18.9.1786 nach Pistoia unter dem Beifall der jansenistischen Gesinnungsgenossen in Utrecht und Paris einberief. Aber diese Synode von Pistoia war zugleich Höhe- und Wendepunkt der antikurialen „toskan. Kirchenreform“. In der anschließend einberufenen, als Vorbereitung für ein toskan. Nationalkonzil gedachten toskan. Bischofsversammlung im Palazzo Pitti in Florenz (23.4.-5.6.1787) erlitten L. und die von Ricci angeführte kleine Gruppe der antikurialen „Rebellen“ eine eindeutige Niederlage. Die letzten Sitzungen standen bereits unter dem Eindruck der Nachrichten des „Madonnenaufruhrs“ in Prato, bei dem sich eine wütende Volksmenge gegen die jansenistischen Neuerungen gewandt hatte. Die Erfahrungen von 1786/87 veranlaßten L., sich von seiner kirchenpolitischen Reformtätigkeit allmählich zurückzuziehen, und sie erklären auch teilweise seine spätere vorsichtige und zurückhaltende Kirchenpolitik in Österreich.
Von den Reformen der letzten Regierungsjahre in der Toskana sind vor allem das in ganz Europa gerühmte und bewunderte Strafgesetzbuch von 1786, das die bisher durch Edikte verfügte Aufhebung der Todesstrafe, der Folter und der Schuldhaft zusammenfaßte, für die Zeit ungewöhnlich milde Strafen festsetzte und auf den Begriff der „Majestätsverbrechen“ überhaupt verzichtete, sowie die wiederum sehr gründlich vorbereiteten Pläne einer umfassenden Reform des gesamten toskan. Unterrichts- und Erziehungswesens, die dann wegen L.s Weggang aus der Toskana nicht zum Abschluß kamen, zu nennen. Die in diesen Jahren aufgenommene Verbindung zu Pestalozzi, der Auftrag an den braunschweig. Hofrat und Professor Eberhard Aug. Wilh. Zimmermann, ein Gutachten über die toskan. Universitäten von Pisa und Siena mit Vorschlägen für ihren Ausbau zu erstatten, sowie die Ausarbeitung von Entwürfen für eine Vereinheitlichung des Schulwesens und schließlich die dann allerdings gescheiterten Pläne zur Errichtung von ständigen Theatern in sechs größeren Städten gehören in diesen Bereich.
Die Nachrichten über die rapide Verschlechterung von Josephs Gesundheitszustand und dann von dessen Tod (20.2.1790) beendeten die Reformtätigkeit in der Toskana. Die Situation, die L. in Wien erwartete, war denkbar schwierig: der fortdauernde Krieg gegen die Türken, ein drohender Krieg mit Preußen und Polen, der Erfolg des von Preußen unterstützten Abfalls der Österr. Niederlande, eine drohende Erhebung in Ungarn und möglicherweise auch in Tirol, dazu die in den letzten Regierungsjahren ständig angewachsene Unzufriedenheit vor allem des Adels in den böhm.-österr. Ländern. Allerdings hatte er schon seit Monaten ein Programm zur Bereinigung der fast hoffnungslos scheinenden Lage entwickelt, es seinen Geschwistern Marie Christine, Maria Carolina und Max Franz, aber auch noch von Florenz aus seinem Sohn Franz in Wien mitgeteilt und um Mitarbeit und Unterstützung gebeten. Schon auf den Stationen seiner Reise nach Wien hatte er durch Versprechungen und Zugeständnisse, die Aufforderung zur schriftlichen Zusammenstellung aller Beschwerden usw. die Stimmung in den durchreisten Ländern zu bessern gesucht, in Tirol etwa durch das Versprechen der Einberufung eines Landtags, aber auch durch die Ermutigung des Verlangens der „Welschen Confinen“ nach der ihnen bisher nicht gewährten Vertretung im Landtag die ihm besonders gefährlich scheinenden Stände Tirols unter Druck zu setzen gesucht. Ähnlich suchte er dann gegen den ungar. Adel die Bauern und Bürger sowie die nichtmagyar. Nationalitäten (Serben, Rumänen) ins Spiel zu bringen. Der entscheidende Faktor war aber Preußen, und hier setzte er durch eine zugleich kühne und einfache Politik den Hebel an. Durch die Konvention von Reichenbach (27.7.1790) wurde der drohende Krieg mit Preußen verhindert, der belgische wie der drohende ungar. Aufstand der preuß. Unterstützung beraubt, Wahl und Krönung in Frankfurt gesichert. Der belg. Aufstand brach zusammen, und die kaiserl. Truppen konnten kampflos das Land wieder besetzen. Mit den Türken wurde ein Waffenstillstand und dann der den letzten Türkenkrieg Österreichs beendende Frieden von Sistowa (4.8.1791) geschlossen. Schon vorher hatte der von L. geschickt ausmanövrierte ungar. Reichstag eingelenkt, was ihm durch ein kluges Entgegenkommen des Königs, vor allem in Äußerlichkeiten und Prestigefragen, erleichtert wurde. Den Adel der böhm.-österr. Länder gewann er durch die Aufhebung der überstürzten und von allen Seiten abgelehnten josephinischen Steuer- und Urbarialregulierung.
Wie in der Toskana trachtete L. auch in den österr. Erblanden und im Reich, die öffentliche Meinung zu gewinnen und schrittweise gut vorbereitete Reformen in die Wege zu leiten. Ohne die Substanz der josephinischen Reformen aufzugeben, kam er der Kirche durch die Aufhebung der Generalseminarien entgegen, von denen er schon viel früher gemeint hatte, daß dort durch den staatlichen Druck nur Heuchler erzogen würden. Mit einer wahrhaft „demokratischen“ Unterrichtsreform nach den Vorschlägen seines einstigen Lehrers →Martini knüpfte er gleichsam an jene Pläne und Bestrebungen an, die er in der Toskana unvollendet hatte zurücklassen müssen. Die Krönungen in Frankfurt (9.10.1790), Preßburg (15.11.1790) und Prag (6.9.1791) erhöhten das Prestige des als „Friedensfürst“, „Hirtenkönig“ und „Leopold der Weise“ gefeierten Monarchen. Die zentralistisch-absolutistische josephinische Bürokratie allerdings konnte für die von ihm vertretene Idee der regionalen und lokalen Selbstverwaltung und einer Aufwertung und Modernisierung der Landstände ebensowenig Verständnis aufbringen wie für die von ihr als zu „demokratisch“ kritisierte kollegiale Behördenorganisation und sah in ihr nur eine „Reaktion“ auf die stürmischen josephinischen Reformen. So hat sich die Klischeevorstellung von der „L.schen Reaktion“ festgesetzt, die erst durch neuere Forschungen korrigiert wurde. Daß sein „geheimer Mitarbeiterkreis“, der dann den Kern der „Jakobiner“ in Wien wie in Ungarn stellte, keine reaktionäre, repressive „Geheimpolizei“, sondern ein gewiß in mancher Hinsicht problematisches Mittel zur Information des Herrschers und zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung war, ist auch erst durch die neuere Jakobiner-Forschung eindeutig erwiesen worden.
Die franz. Revolution hat L. ebenso wie dann die poln. Revolution von 1791 zunächst freudig begrüßt, weil er den Sieg seiner konstitutionellen Ideen und allgemein die Einschränkung des fürstlichen „Despotismus“ erhoffte. Die emotionale Kraft und Dynamik der Revolution hat der nüchterne Verstandesmensch, der im Mai 1774 in Florenz einen Militärtumult durch sein mutiges persönliches Eingreifen beendet hatte, allerdings lange unterschätzt. Dem Drängen der Emigranten glaubte er in dem Rundschreiben von Padua (6.7.1791) und in der anläßlich der Begegnung mit Friedrich Wilhelm II. in Pillnitz b. Pirna (27.8.1791) verfaßten Proklamation nur so weit nachgeben zu müssen, als er dadurch das Leben des franz. Königspaares zu sichern hoffte. Es kann keine Rede davon sein, daß er den eben durch die Konvention von Reichenbach und den Frieden von Sistowa unter bedeutenden Opfern (Rückgabe von Belgrad und Rückkehr zum Status quo gegenüber der Türkei außer unbedeutenden Grenzberichtigungen) erkauften Friedenszustand sogleich wieder durch Vorbereitungen zu einem Interventionskrieg hätte aufs Spiel setzen wollen. Erst in den letzten Wochen seines Lebens begann er offenbar, die vom revolutionären Frankreich ausgehende Gefahr zu erkennen, und schloß am 7.2.1792 mit Preußen eine Defensivallianz, ließ aber noch am 20.2. in Berlin seine entschiedene Ablehnung jeglicher Intervention fremder Mächte in den franz. Angelegenheiten erklären.
Sein plötzlicher Tod gab Anlaß zu Gerüchten über Vergiftung durch Freimaurer, Jesuiten oder franz. Emissäre, die wohl ebenso auszuschließen sind wie die andere, weiter verbreitete Version, der Kaiser habe sich durch von ihm selbst hergestellte Aphrodisiaca vergiftet. Der Krankheitsverlauf und das Ergebnis der zwei Tage später durchgeführten Autopsie lassen mit großer Wahrscheinlichkeit die Annahme zu, daß eine linksseitige Oberlappenpneunomie mit eitriger Pleuritis den Tod verursacht hat.
Der Tod riß L. aus weitreichenden Plänen und Projekten zur Umgestaltung der Verfassung der österr. Länder, Plänen, deren Konturen wir aus den Ansätzen nur ahnen können, die insgesamt aber durchaus auf der Linie seiner konstitutionellen Ideen lagen, wie er sie in den Entwürfen für das toskan. Verfassungsprojekt und in seinem vielzitierten „Glaubensbekenntnis“ im Schreiben an seine Schwester Marie Christine vom 25.1.1790 formuliert hatte. Was das Schicksal dieser Pläne nach dem Ausbruch des Krieges mit dem revolutionären Frankreich gewesen wäre, läßt sich nicht sagen; wohl aber kann|man mit einiger Berechtigung behaupten, daß Österreich nicht zuletzt deshalb die Stürme des Zeitalters der Revolution und Napoleons überstand, weil L. in den zwei Jahren seiner Herrschaft mit der Rettung der durch Josephs II. Politik an den Rand des Abgrunds gebrachten Monarchie ein politisches Meisterstück vollbracht hatte. Jedenfalls war er der erste konstitutionell gesinnte Herrscher Europas (Holldack).[1]

Familie

Leopold II. heiratete am 5. August 1765 in Innsbruck die Infantin Maria Ludovica (1745–1792), Tochter König Karls III. von Spanien aus dem Hause Bourbon und seiner Gattin Prinzessin Maria Amalia von Sachsen. Das Ehepaar hatte 16 Kinder:

  1. ∞ 1788 Elisabeth von Württemberg (1767–1790)
  2. ∞ 1790 Maria Theresia von Neapel-Sizilien (1772–1807)
  3. ∞ 1808 Maria Ludovika Beatrix von Österreich-Este (1787–1816)
  4. ∞ 1816 Karoline Auguste von Bayern (1792–1873)
  1. ∞ 1790 Maria Louisa von Neapel-Sizilien (1773−1802)
  2. ∞ 1821 Maria Anna von Sachsen (1796–1865), Tochter des Maximilian von Sachsen (1759–1838)
  1. ∞ 1799 Alexandra Pawlowna Romanowa (1783–1801)
  2. ∞ 1815 Hermine von Anhalt-Bernburg-Schaumburg-Hoym (1797–1817)
  3. ∞ 1819 Maria Dorothea von Württemberg (1797–1855)

Literatur

Verweise

Fußnoten

  1. Leopold II., in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 260–266

Vorgänger Amt Nachfolger
Joseph II. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation Franz II.