Ludwig der Blinde

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Ludwig der Blinde nach einem Gemälde aus dem Mittelalter

Ludwig III. der Blinde (Lebensrune.png um 880; Todesrune.png 5. Juni 928 in Arles) war ein Sohn des am 10. Oktober 879 zum König proklamierten Grafen Boso (Bosco) von Vienne und Irmingard (auch: Ermengarde), der Tochter Kaiser Ludwigs II.

Leben

Dieses Fragment eines Freskos aus dem 12. Jahrhundert aus der Abtei Saint-Fortunat bei Charlieu zeigt König Boso (links) mit dem heiligen Stephan.

Der germanische Fürst war König von Niederburgund und Italien und wurde zum römischen Kaiser gekrönt. Der langobardische Adel hob ihn gegen Berengar aufs Schild. Bei seinem zweiten Italienzug wurde er von diesem besiegt, Berengar ließ ihn im Jahre 905 blenden.

Neue Deutsche Biographie

Mit L. verbindet sich an der Wende vom 9. zum 10. Jh. im zerfallenden fränk. Reich der erstaunliche, wenngleich über bescheidene Anfänge nie hinausgekommene und wohl auch von vornherein aussichtslose Versuch, die sich im Kaisertum verkörpernde monarchische Einheit des Regnum Francorum noch einmal zu wahren. L. war der Sohn eines der führenden Vertreter der karoling. „Reichsaristokratie“, des mächtigen Grafen Boso von Vienne, der sich nach dem Tod des mit ihm verschwägerten Kaisers →Karl d. Kahlen (877), unter dem er eine vizekönigliche Stellung in Italien und in der Provence eingenommen hatte, von dessen Sohn Ludwig d. Stammler lossagte und sich als erster Nichtkarolinger im Okt. 879 durch den Episkopat und mehrere Große des Rhône-Saône-Raumes zum König erheben ließ – eine Würde, die er auch gegen den geschlossenen Widerstand aller regierenden Karolinger bis zu seinem Tod im Januar 887 zäh behauptete. Zu den Stationen von Bosos Aufstieg zählte neben der Förderung durch Kaiser →Karl d. Kahlen und Papst Johannes VIII., der sich ihm im Sept. 878 in Troyes auf ungewöhnliche Weise, nämlich durch Adoption, verbunden hatte (was kaum als Designation zum Kaiser aufzufassen ist), auch seine schon 876 mit der Tochter Kaiser Ludwigs II., Irmingard, geschlossene Ehe, aus der um 880 L. hervorging, der nach seinem kaiserlichen Großvater benannt wurde. Nach dem Tod Bosos wandte sich L.s Mutter – in Abkehr von der Politik Bosos – Kaiser Karl III. zu, den sie Ende Mai 887 in Kirchen bei Lörrach in Begleitung ihres etwa sechs jährigen Sohnes aufsuchte. Unsere Kenntnis von den dortigen Ereignissen ist lückenhaft, die Deutung der wenigen Quellenzeugnisse umstritten. Offensichtlich erreichte Irmin gard, daß Karl III. ihren Sohn als Enkel Kaiser Ludwigs II. in das karoling. Königshaus aufnahm und so die königliche Würde des Knaben anerkannte – die Voraussetzung da für, daß L. als legitimer Karolinger zu einem späteren Zeitpunkt auch über ein eigenes Regnum würde herrschen können. Irmingard und L. wiederum mußten formell auf die Usurpation Bosos verzichten und Karl als Herrscher der Rhôneländer huldigen. Die Frage nach der rechtlichen Form, in der der Kompromiß von Kirchen vollzogen wurde - in lehnsrechtlichen Formen oder (und?) in der Rechtsform der Adoption -, ist umstritten und angesichts der Quellenlage auch kaum verbindlich zu entscheiden. Unbewiesen ist die Annahme, Karl III. habe damals vorgehabt, L. zum Gesamterben im Reich einzusetzen. Falls solche Überlegungen in Kirchen wirklich eine Rolle gespielt haben sollten, wurden sie jedenfalls schon wenige Monate später durch den Sturz des kranken Kaisers hinfällig. Auch nach dem Sturz Karls III. und der Erhebung Arnulfs im Herbst 887 änderte Irmingard nicht ihre legitimistische Haltung. Arnulf übernahm als Rechtsnachfolger Karls III. den Schutz des jungen L., dem mittlerweile in dem Welfen Rudolf I. in unmittelbarer Nachbarschaft ein neuer Konkurrent erwachsen war (Königswahl Jan. 888), und bestätigte 889 seinerseits ausdrücklich L.s Anrecht auf ein eigenes Regnum. Arnulf gab auch als neuer Oberlehnsherr L.s seine Zustimmung, als im Aug. 890 die provenzalischen Großen – unter Führung der Geistlichkeit – in Anbetracht der Normannen- und Sarazenengefahr dem königslosen Zustand in ihren Ländern ein Ende setzen wollten und auf Empfehlung Papst Stephans V. – in ausdrücklicher Berufung auf Karl III. und Arnulf – L. zum König erhoben (Weihe Ende August in Valence). Ein vielleicht damals am Hof L.s oder auch im Umkreis des EB Fulko von Reims († 900) entstandenes, der Gattung der Visionsliteratur zugehörendes literarisches Propagandaschreiben hochpolitischen Inhalts, die sog. Visio Karoli, nach deren legendenhaftem Bericht L. von Karl III. die Nachfolge im Gesamtreich übertragen wurde, illustriert die Gedankenwelt der L. stützenden Kreise, die nach dem Tode Arnulfs (Dez. 899), als aus Italien Boten erschienen, die L. dorthin einluden, ihre Chance gekommen sahen. Im Herbst 900 zog L. nach Oberitalien, wo er aus dem Erbe seiner Großmutter, der Kaiserin Angilberga, wohl immer noch reichen Familienbesitz besaß, vertrieb kampflos Berengar I., der 888 dort zum König gewählt worden war, 899 im Kampf gegen die Ungarn aber eine schwere Niederlage erlitten hatte, und ließ sich Anfang Oktober in Pavia von zahlreichen Großen, allen voran dem mächtigen Mgf. Adalbert von Tuszien, als neuem Herrscher des Regnum Italiae huldigen. Gestützt auf die Macht Adalberts zog L. Anfang 901 nach Rom, wo ihn Papst Benedikt IV. Mitte Februar zum Kaiser weihte. Zu dem offensichtlich von langer Hand vorbereiteten Versuch L.s und der hinter ihm stehenden Kreise (neben dem Papsttum ist in Italien vor allem noch die Partei des 894 verstorbenen Kaisers Wido und seines 898 verstorbenen Sohnes Lambert mit der einflußreichen Kaiserin →Ageltrude an ihrer Spitze zu nennen), das karoling. Kaisertum|noch einmal zu erneuern, gehört auch das überraschende, von beiden Vertragspartnern mit großen Erwartungen behaftete Ehebündnis mit Byzanz: Noch während seines ersten Italienaufenthalts muß L. die Tochter Kaiser Leons VI., Anna, die damals etwa zwölf Jahre alt war, geheiratet haben. Aus dieser Ehe ist mit großer Wahrscheinlichkeit bald nach 901 Karl Konstantin hervorgegangen, dessen auffälliger Doppelname bereits den weit überzogenen Rahmen der damaligen Pläne verrät. Trotz der erfolgreichen Anfänge hat L. die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht erfüllen können. Schon im Frühjahr 902 gelang es Berengar, den mittlerweile wieder ziemlich isolierten L. aus Italien zu vertreiben. Ähnlich wie einst sein Großvater, Kaiser Ludwig II. 871 gegenüber Fürst Adelchis von Benevent, mußte auch L. einen Eid leisten, nie wieder nach Italien zu kommen. Zwar konnte er im Jahre 905 noch einmal für wenige Monate mit Unterstützung italischer Großer nach Italien zurückkehren, seinen Sitz für kurze Zeit sogar in Verona, dem Vorort Berengars, einnehmen, doch gelang es Berengar, den unvorsichtigen L. ergreifen und blenden zu lassen. Damit hatte die politische Laufbahn L.s, der noch im gleichen Jahr in die Provence zurückkehrte, ein abruptes Ende gefunden. In der Provence führte der praktisch regierungsunfähige L., den schon Flodoard von Reims um die Mitte des 10. Jh. „den Blinden“ (Orbus) nennt, in der Folgezeit nur noch ein Schattendasein. In seinem Namen übernahm bald der mit ihm verwandte Mgf. Hugo von Vienne, der sich 926 selbst zum König von Italien wählen ließ, die Regierungszügel. Im Jan. 915 begegnet Adelheid, die zweite Gemahlin L.s, als Intervenientin in einer seiner Urkunden, in denen L. stets den Kaisertitel weitergeführt hat. Am 25.12.927 ist er zum letzten Mal bezeugt. Im Sommer des folgenden Jahres muß er, unbeachtet von den Chronisten, gestorben sein. Sein Sohn Karl Konstantin ist Zeit seines Lebens Graf von Vienne geblieben († um 962). Das Reich seines Vaters Boso wurde schon in den 40er Jahren dem welf. Königreich von Hochburgund einverleibt. L. ist frühzeitig gescheitert, seine Persönlichkeit bleibt daher unbestimmt, seiner Politik fehlt die Geschlossenheit. In den von ihm nach der Kaiserkrönung in Italien ausgestellten Urkunden suchen wir vergeblich Reformansätze. Das vielleicht zukunftsträchtige provenzalische Erbe seines Vaters hat er letzten Endes verspielt; mit der Rückwendung zur Reichseinheitsidee ließ sich um 900 die Krise des karoling. Herrschaftsverbandes nicht mehr meistern; das auf die Kirche gestützte Kaisertum hatte sogar im lokalen Rahmen seinen Glanz verloren. Mit dem Scheitern seiner Politik steht L. aber auch am Anfang jener Entwicklung, die schließlich zur Angliederung Burgunds an das ostfränk.-deutsche Reich führte.[1]

Familie

Ludwig war zweimal verheiratet. Seine erste Ehe schloß er um 900 mit Anna von Byzanz (Lebensrune.png 886; † vor 914), Tochter des byzantinischen Kaisers Leo VI., seine zweite 914 mit Adelheid von Burgund, wahrscheinlich einer Tochter des Königs Rudolf I. aus der Familie der Welfen. Aus jeder Ehe hatte er einen Sohn:

  • Von Anna: Karl Konstantin (Lebensrune.png wohl 901; Todesrune.png nach Januar 962) 928/930 Graf von Vienne
    • ∞ Teutberga von Troyes (Todesrune.png nach 960) Tochter des Grafen Warnarius und Teutberga von Arles
  • Von Adelheid: Rudolf (Todesrune.png nach 19. März 929)

Fußnoten

  1. Ludwig der Blinde, Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 331–34

Vorgänger Amt Nachfolger
Arnulf von Kärnten Römischer Kaiser Berengar von Friaul