Sonderliste der unersetzlichen Künstler
Die Sonderliste der unersetzlichen Künstler war eine 1944 während der Endphase des Zweiten Weltkrieges vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda und Adolf Hitler zusammengestellte 36 Seiten umfassende Liste, in der die wichtigsten Künstler des Reiches aufgeführt waren. Die inoffizielle Bezeichnung der Liste leitet sich auch von dem angeblichen Aktentitel „Gottbegnadeten-Liste“ her.[1]
Inhaltsverzeichnis
Allgemeines
Im Oktober 1939, nach Beginn des von England entfesselten europäischen Krieges, der durch den Eintritt der USA zum Weltkrieg wurde, stellten die entsprechenden Entscheidungsträger wichtige Künstler wie Schriftsteller, Bildhauer, Architekten, Maler, Sänger, Musiker und Schauspieler als unabkömmlich (Abkürzung: „uk“) vom Fronteinsatz frei. Eine „uk“-Stellung galt aber nur bis auf Widerruf und wurde daher ab und an überprüft.
Auswahlkriterien
Als Auswirkung des 1943 verkündeten totalen Krieges mußten in der Endphase des Zweiten Weltkrieges wegen der andauernden anglo-amerikanischen Terrorangriffe auf Deutschland zum 1. September 1944 die Theater geschlossen werden. Viele Künstler wurden zum Kriegsdienst eingezogen oder an der Heimatfront in der Rüstungsindustrie beschäftigt. Die unentbehrlichsten unter den etwa 140.000 Mitgliedern der Reichskulturkammer waren davon ausgenommen und wurden auf der Liste genannt. Diese Ausgewählten galten zwar trotzdem als dienstverpflichtet, wurden aber nur zu Veranstaltungen im Sinne der Kulturpropaganda und zur Truppenbetreuung herangezogen. Hiervon völlig ausgenommen waren die Personen, die überragende nationale Persönlichkeiten darstellten und auf Sonderlisten genannt wurden, wie beispielsweise der Komponist Richard Strauss. Weiterhin waren solche Künstler vom Einsatz befreit, die älter als 60 Jahre waren.
Die Liste umfaßte insgesamt 1.041 Personen. Dies waren insgesamt 280 Schauspieler, 227 Schauspielerinnen, 78 Filmautoren, 18 Filmautorinnen und 35 Filmregisseure. Weiterhin die unverzichtbaren Schriftsteller, Komponisten, Musiker, bildenden Künstler und weitere bedeutende Künstler.
Die vom Kriegseinsatz ausgenommenen Kulturschaffenden erhielten ein Anschreiben mit dem Inhalt, daß der „Herr Reichsminister Sie in seiner Eigenschaft als Präsident der Reichskulturkammer auf Grund Ihrer künstlerischen Leistung vom Wehrmacht- und Arbeitseinsatz freigestellt hat. […] Diese Freistellung, die in Würdigung Ihrer besonderen künstlerischen Fähigkeiten ausgesprochen wurde, geschah unter der selbstverständlichen Voraussetzung, daß Sie sich vorbehaltlos einer umfassenden künstlerischen Betreuung zur Verfügung stellen. […] Ich bitte, dieses Schreiben im Sinne der Maßnahmen des totalen Kriegseinsatzes als Ihre Dienstverpflichtung für die von mir geleitete Künstler-Kriegseinsatzstelle aufzufassen.“[2]
Dieses Anschreiben galt als amtliche Mitteilung, die dem „zuständigen Arbeitsamt vorzulegen“ war.[3]
Sonderlisten der unersetzlichen Künstler
Auf der Sonderliste der zwölf wichtigsten bildenden Künstler standen
- die Bildhauer
- Arno Breker (1900–1991), Reichskultursenator
- Fritz Klimsch (1870–1960)
- Georg Kolbe (1877–1947)
- Josef Thorak (1889–1952), Staatsbildhauer
- die Kunstmaler
- Hermann Gradl (1883–1964), Landschaftsmaler und Illustrator
- Arthur Kampf (1864–1950), Historienmaler
- Willy Kriegel (1901–1966)
- Werner Peiner (1897–1984)
- die Architekten
- Leonhard Gall (1884–1952), Reichskultursenator
- Hermann Giesler, (1898–1987), Reichskultursenator
- Wilhelm Kreis (1873–1955), letzter Präsident der Reichskammer der bildenden Künste
- Paul Schultze-Naumburg (1869–1949)
Auf der Sonderliste der sechs wichtigsten Schriftsteller standen
- Gerhart Hauptmann (1862–1946), Nobelpreisträger für Literatur (1912)
- Hans Carossa (1878–1956), Lyriker und Erzähler
- Hanns Johst (1890–1979), Dramatiker und Reichskultursenator
- Erwin Guido Kolbenheyer (1878–1962), Romanautor, Dramatiker und Lyriker
- Agnes Miegel (1879–1964), Schriftstellerin, Journalistin und Balladendichterin
- Ina Seidel (1885–1974), Romanautorin und Lyrikerin
Auf der Sonderliste mit den drei wichtigsten Musikern des Dritten Reiches standen
- Hans Pfitzner (1869–1949), Komponist
- Richard Strauss (1864–1949), Komponist
- Wilhelm Furtwängler (1886–1954), Dirigent und Komponist
Auf der Sonderliste der wichtigsten Theaterschauspieler standen
- Otto Falckenberg (1873–1947), Leiter der Münchener Kammerspiele
- Friedrich Kayßler (1874–1945)
- Hermine Körner (1878–1960)
Weitere Mitglieder (Auswahl)
Beispiele für weitere auf der Liste, nicht aber in den Sonderlisten genannte Künstler:
- Hans Beltz (1897–1977), Pianist und Musikpädagoge
- Hans von Benda (1888–1972), Dirigent (und sein Kammerorchester)
- Theodor Berger (Komponist)|Theodor Berger]] (1905–1992), Komponist
- Georg Böttcher (1889–1963), Musikpädagoge und Chorleiter
- Karl Böhm (1894–1981), Dirigent
- Cesar Bresgen (1913–1988), Komponist
- Karl Dannemann (1896–1945), Maler und Filmschauspieler, von Goebbels benannt
- Hermann Diener (1897–1955), Leiter des Collegium Musicum in Berlin
- Heinz Drewes (1903–1980), Dirigent
- Hans Dünschede (1907–1999), Orchestermusiker (Violinist)
- Otto Ebel von Sosen (1899–1974), Dirigent und Komponist
- Hans Ebert (1889–1952), Komponist, Kapellmeister
- Ernst Fleischhauer (1897–1991), Konzert- und Oratoriensänger (Bariton), Musikpädagoge
- Harald Genzmer (1909–2007), Komponist
- Ottmar Gerster (1897–1969), Komponist
- Barnabás von Géczy (1897–1971), Violinist, Kapellmeister
- Walter Gieseking (1895–1956), Pianist
- Franz Grothe (1908–1982), Komponist, Dirigent
- Gustaf Gründgens (1899–1963), Schauspieler, Regisseur und Intendant
- Georg Haentzschel (1907–1992), Pianist, Komponist
- Johannes Heesters (1903–2011), Schauspieler und Sänger, von Goebbels auf der Liste der unverzichtbaren Schauspieler für die Filmproduktion genannt, mit dem Zusatz „Ausländer“
- Robert Heger (1886–1978), Dirigent und Komponist
- Hans Hotter (1909–2003), Opernsänger
- Georg Ludwig Jochum (1909–1970), Dirigent
- Herbert von Karajan (1908–1989), Dirigent
- Hermann Killer (1902–1990), Musikologe, Musikschriftssteller
- Franz Kinzl (1895–1978), Komponist
- Curt Kretzschmar (1894–1973), Dirigent
- Walter Lutze (1891–1980), Dirigent
- Erwin Mausz (1899–1969), Kapellmeister
- Will Meisel (1897–1967), Komponist und Musikverleger
- Ernst Ludwig Meyer-Olbersleben (1898–1991), stv. Direktor der Musikhochschule Weimar[4]
- Börries Freiherr von Münchhausen (1874–1945), Schriftsteller und Dichter
- Carl Orff (1895–1982), Komponist
- Johannes Petschull (1901–2001), Musikverleger
- Ernst Pepping (1901–1981), Komponist
- Günther Ramin (1898–1956), Organist, Cembalist, Chorleiter
- Leo Ritter (1887–nach 1945), Direktor der STAGMA
- Heinz Rühmann (1902–1994), Schauspieler, von Goebbels benannt
- Walter Morse Rummel (1887–1953), Pianist
- Hans Schmidt-Isserstedt (1900–1973), Dirigent
- Gilbert Schuchter (1919–1989), Pianist
- Julius Schulte-Frohlinde (1894–1968), Architekt
- Norbert Schultze (1911–2002), Komponist, Dirigent
- Oskar Stalla (1879–?), Filmmusikkomponist
- Heinrich Spitta (1902–1972), Musikpädagoge, Komponist
- Hans Steinkopf (1901–1972), Kapellmeister, Arrangeur
- Heinrich Strobel (1898–1970), Musikkritiker und -schriftsteller („uk“ bis Sommer 1944)
- Gerhard Taschner (1922–1976), Violinvirtuose
- Helmuth Thierfelder (1897–1966), Kapellmeister
- Eduard Thöny (1866–1950), Maler, Zeichner, Karikaturist
- Max Trapp (1887–1971), Komponist[5]
- Erwin Völsing (1909–1986), Musikreferent im Amt von Rosenberg
- Hermann Voß (1910–1980), Rechtsstellenleiter der RMK in Köln
Sowie die Mitglieder folgender Orchester:
Literatur
- Theodor Kellenter: Die Gottbegnadeten – Hitlers Liste unersetzbarer Künstler. Arndt, 2019, ISBN 978-3-932381-76-8 [544 S., Großformat], Bezugsnachweis
- Lorenz Porsch: Die Gottbegnadeten – Hitlers Liste unersetzbarer Künstler, Arndt, 2014, ISBN 978-3-88741-290-6