Reiniger, Lotte

Aus Metapedia
(Weitergeleitet von Lotte Reiniger)
Wechseln zu: Navigation, Suche
Lotte Reiniger
Lotte Reinigers Grab
Dettenhausen (Ldkrs. Tübingen)

Charlotte „Lotte“ Reiniger (Lebensrune.png 2. Juni 1899 in Charlottenburg; Todesrune.png 19. Juni 1981 in Dettenhausen) war eine deutsche Scherenschneiderin, Silhouetten-Animationsfilmerin, Regisseurin, Drehbuchautorin, Kamerafrau, Filmarchitektin, Filmproduzentin und Buchillustratorin.

Leben

Lotte Reiniger, geboren am 2. Juni 1899 in Berlin-Charlottenburg, wuchs in einer gutbürgerlichen Umgebung auf.

Als Schülerin übte sie schon das Scherenschneiden und schnitt ganze Szenen theatralischen Inhalts aus. Natürlich wollte sie zur Bühne, in der Schauspielschule hielt sie viele damals bekannte Schauspieler, gerade in markanten Haltungen darstellerischen Ausdrucks, im Scherenschnitt fest. Werner Krauß, Paul Wegener und Friedrich Kayßler interessierten sich für diese schnittmäßige Kontrolle wesentlicher Augenblicke.

Paul Wegener, der große Schöpfer der ersten künstlerischen Filme und intensivst Schaffende, war der erste, der die Ausdruckskraft des Schattenbildes für den Film zu gewinnen suchte. So war denn Lotte Reinigers erste Filmarbeit die Titelumrahmung des Paul-Wegener-Films vom „Rattenfänger“, die an jedem Aktbeginn schon die Stimmung des Kommenden vorzubereiten hatte.

In dem Film „Heut tanzt Mariett“ fand der Scherenschnitt dekorative Verwendung, im Pabst-Film „Don Quichotte“ war er zu finden, bis 1919/20 im „Institut für Kulturforschung“ (Dr. Cürlis usw.) die ersten reinen Silhouettenfilme geschaffen wurden. „Das Ornament des verliebten Herzens“, „Der fliegende Koffer“, „Aschenbrödel“ und andere Märchenfilme sowie das Krippenspiel „Der Stern von Bethlehem“ entstanden.

Von 1923 bis 1926 schuf Lotte Reiniger dann den ersten Scherenschnitt-Großfilm, das berühmte Standardwerk dieser Kunst: „Die Geschichte des Prinzen Achmed“. Zu dem 2.000 m langen Werk schrieb Wolfgang Zeller die Musik. Es war auch die erste Filmarbeit Zellers, und sie entstand in wechselseitigen Beziehungen zwischen Musikrhythmus und der Bewegung des schwarz-weißen Bildes. Dann schuf Lotte Reiniger wieder Beiprogrammfilme, „Dr. Doolittle und seine Tiere“ – unvergessenes Schöpfen einer eigenartigen Kunst. Der Tonfilm „Die Jagd nach dem Glück“ wurde leider in den Wirren der ersten Tonpatentkämpfe nicht und auch seither nie aufgeführt. Doch entstanden seitdem eine Reihe musikalischer Scherenschnittfilme, der erste hieß „10 Minuten Mozart“, es war die „Kleine Nachtmusik“, dann der „Harlekin“. Auch hier wurde alte Musik verwendet, die der Grazie der Silhouettenkunst und diesem Commedia-dell’Arte-Stil sehr entgegenkam. Ein großer Erfolg wurde dann „Carmen“, eine heiter-parodistische Kurzoper, die mit den bekannten Themen und Figuren ein reizvolles Spiel trieb.

In all dieser jahrelangen künstlerischen Arbeit war Carl Koch, der Gatte der Künstlerin (sie heirateten 1921), von Beginn an ein wertvoller Mitarbeiter gewesen. Er, der von Haus aus Kunsthistoriker war, half mit an diesen reizvollen Werken – wenn ihn nicht eigene filmschöpferische Arbeiten beschäftigten, wie seine „plastisch-pädagogischen“ Filmstudien (bei Cürlis), die Arbeit „Kind und Welt“, die des Kindes Entwicklung von der Geburt bis zur Schule beobachtend aufzeigte; den einstig berühmten „Nippon“-Film hatte er zusammengestellt, und in den 1930er Jahren hatte er die Produktionsleitung des französischen Films „Madame Bovary“, dessen Buch er mit Jean Renoir, dem Regisseur des Werkes, zusammen schrieb. Dieser Film erhielt in in den USA den Preis als drittbestes aller Werke des Jahres 1933.

Ein ganz neuer Weg wurde mit dem Film „Das rollende Rad“ beschritten, der, auf Initiative von Generalinspektor Dr. Todt entstanden, in reizvoller, künstlerisch gestalteter Kurzweiligkeit einen dennoch umfassenden Abriß des Straßen- und Verkehrswesens seit seinem Anbeginn gab. Das Beispiel zündete, es folgte auf Anregung der Reichsmusikkammer der Film „Das gestohlene Herz“, der in wahrhaft vorbildlicher Weise für das Wiederaufleben der Hausmusikpflege wirbt und eine musikalische Aktivierung des Publikums durch seine volksliedhafte Musik bewirkte – überall, wo er gezeigt wurde, und vor allem in den Schulen, wo seine Musik von den Schulorchestern zur Vorführung des Films gespielt wurde.

Im Dezember 1935 reiste Lotte Reiniger zusammen mit ihrem Mann nach London, arbeitete dort für die General Post Office Film Unit, während Carl Koch weiter nach Paris, später nach Rom ging und für Jean Renoir tätig war. Mit Kriegsbeginn folgte Lotte Reiniger ihrem Ehemann nach Rom, wo sie gemeinsam bis 1943 an Filmproduktionen arbeiteten. 1944 verließen sie Italien und kehrten nach Berlin zu Lotte Reinigers kranker Mutter zurück. Hier, in entbehrungsreicher Zeit und über den Zusammenbruch hinweg, entstand der zehnminütige (unvollendete) Scherenschnittfilm „Die goldene Gans“ nach einem Märchen der Gebrüder Grimm.

Nach ihrer endgültigen Übersiedelung nach London im Jahre 1948 stellte Lotte Reiniger für die Crown Film Unit etliche Kurzfilme her und gestaltete für die Puppenbühne Hogarth Puppets die Ausstattung des Schattenspiels „Happy Prince“ von Oscar Wilde. Lotte Reiniger begann 1953 mit einer umfangreichen Produktion von jeweils zehnminütigen Märchenfilmen. Für die Märchenadaption „Das tapfere Schneiderlein“ erhielt sie den Preis „Silver Dolphin“ für den besten Kurzfilm bei der Biennale Venedig 1955.

Der Tod ihres Mannes Carl Koch im Jahre 1963 bedeutete einen Einschnitt in Lotte Reinigers filmkünstlerische Arbeit.

In Deutschland war Lotte Reiniger mittlerweile fast vergessen. Erst 1969 kam sie, aufgrund von Recherchen des Leiters des Kommunalen Kinos Frankfurt, Walter Schobert (später Direktor des Deutschen Filmmuseums), nach Frankfurt und München, wo sie ihre Filme und ihre Kunst in der ihr eigenen verschmitzt-lakonischen Vortragsweise vorstellte. 1972 erfolgte mit der Verleihung des Filmbandes in Gold die längst fällige Anerkennung, 1980 überreichte man ihr in London das Bundesverdienstkreuz, Ehrungen, die für sie selbst nicht wichtig waren.

Bis ins hohe Alter unternahm sie Reisen nach Italien und Frankreich, in die Türkei, durch die USA und Kanada, und begeisterte Erwachsene wie Kinder, Lehrer und Filmstudenten. In Kanada entstanden noch zwei Silhouettenfilme, für das National Film Board of Canada „Aucassin and Nicolette“ sowie 1979 als letzter großer Farbfilm „The Rose and the Ring“.

1980 übersiedelte sie nach Dettenhausen bei Tübingen, in das Haus des Pfarrers und Schattenspielers Alfred Happ, wo sie am 19. Juni 1981 starb. Das Grab von Lotte Reiniger und Carl Koch befindet sich auf dem Friedhof von Dettenhausen.

Filmographie

  • 1916: Rübezahls Hochzeit (Titelsilhouetten)
  • 1918 Der fremde Fürst (Darsteller)
  • 1918: Der Rattenfänger (Titelsilhouetten)
  • 1918 Apokalypse (Titelsilhouetten)
  • 1919: Das Ornament des verliebten Herzens; Kurz-Animationsfilm (Regie, Drehbuch, Animation)
  • 1920 Amor und das standhafte Liebespaar (Regie, Drehbuch)
  • 1920: Der fliegende Koffer; Kurz-Animationsfilm (Regie, Drehbuch, Animation)
  • 1921: Der verlorene Schatten (Titelsilhouetten)
  • 1923: Aschenputtel; Kurz-Animationsfilm (Regie, Drehbuch, Vorlage, Animation)
  • 1926: Die Abenteuer des Prinzen Achmed; Animationsfilm (Regie, Drehbuch, Storyboard, Animation)
  • 1924: Die Barcarole (Regie, Animation)
  • 1928: Heut’ tanzt Mariett (Ausstattung)
  • 1928: Doktor Dolittle und seine Tiere; Kurz-Animationsfilm (Regie)
  • 1928: Der scheintote Chinese (Regie, Drehbuch, Animation)
  • 1928: Grotesken im Schnee (Regie, Drehbuch, Animation)
  • 1928: 1. Abenteuer: Die Reise nach Afrika (Regie, Drehbuch, Animation)
  • 1928: 2. Abenteuer: Die Affenbrücke (Regie, Drehbuch, Animation)
  • 1928: 3. Abenteuer: Die Affenkrankheit (Regie, Drehbuch, Animation)
  • 1930: Die Jagd nach dem Glück (Regieassistenz, Drehbuch, Optische Spezialeffekte)
  • 1930: Zehn Minuten Mozart; Kurz-Animationsfilm (Regie, Drehbuch, Animation)
  • 1931: Harlekin (Regie, Drehbuch, Animation)
  • 1932: Sissi; Kurz-Animationsfilm (Regie, Drehbuch, Animation, Produzent)
  • 1933: Don Quichotte; Spielfilm (Animation)
  • 1933 Don Quixote (Animation)
  • 1933: Das rollende Rad; Kurz-Animationsfilm (Regie, Drehbuch, Animation, Produzent)
  • 1933: Carmen (Regie, Drehbuch, Animation, Produzent)
  • 1934: Das gestohlene Herz; Kurz-Animationsfilm Regie (Drehbuch, Animation, Produzent)
  • 1934: Der kleine Schornsteinfeger; Kurz-Animationsfilm (Regie, Drehbuch, Animation, Produzent)
  • 1934: Der Graf von Carabas; Kurz-Animationsfilm (Regie, Drehbuch, Animation, Produzent)
  • 1935: Kalif Storch (Regie, Animation)
  • 1935: Galathea; Kurz-Animationsfilm (Regie, Drehbuch, Animation, Produzent)
  • 1935: Papageno; Kurz-Animationsfilm (Regie, Drehbuch, Animation, Produzent)
  • 1941: Tosca; Spielfilm (Regieassistent)
  • 1942: Una signora dell’Ovest (Drehbuch)
  • 1944: Die goldene Gans (Regie, Sonstiges)
  • 1952: Der Froschkönig
  • 1953: Schneeweißchen und Rosenrot (Regie)
  • 1954: Das tapfere Schneiderlein; Kurz-Animationsfilm (Regie, Animation)
  • 1954: The Grashopper And The Ant (Regie, Drehbuch, Animation)
  • 1954: Der Heuschreck und die Ameise; Kurz-Animationsfilm (Regie, Drehbuch, Animation)
  • 1954: The Sleeping Beauty (Kurz-Animationsfilm)
  • 1954: Däumelinchen (Regie, Drehbuch, Animation)
  • 1954: Kalif Storch (Regie, Animation)
  • 1974: Der verlorene Sohn (Regie, Drehbuch, Animation)
  • 1975: Bewegte Bilder. Deutsche Trickfilme der Zwanziger Jahre (Sprecher, Kommentar)
  • 1977: Walter Ruttmann 1887–1941. Versuch einer Befreiung (Interviews)
  • 1978: Weihnachtsmanns Irrtum (Regie)
  • 1979: The Rose and the Ring (Regie, Animation)
  • 1981: Die vier Jahreszeiten (Regie, Drehbuch, Animation)

Schriften

  • Lebende Schatten. Kunst und Technik des Silhouettenfilms, In: Edmund Bucher / Albrecht Kindt (Hgg.): Film-Photos wie noch nie, Kindt & Bucher Verlag GmbH, Gießen 1929, S. 45 f. (Ill. S. 114 f.)

Filmbeiträge

Im Gespräch mit Lotte Reiniger
„Die Abenter des Prinzen Achmed“ (1926)
„10 Minuten Mozart“ (1930)
„Das rollende Rad“ (1933)
„Das gestohlene Herz“ (1934)
„Galathea “ (1935)
„Der gestiefelte Kater“ (1935)
„Die Goldene Gans“ (1944)
„Däumeline“ (1954)
Hänsel und Gretel (englisch)

Literatur