Tonfilm

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Eine Szene aus dem Ufa-Tonfilm Liebeswalzer (1930)

Unter Tonfilm versteht man im allgemeinen einen Film, der im Unterschied zum akustisch begleiteten Stummfilm mit technisch-wiederholbarer Schallbegleitung versehen ist.

Von der Geburt und den Kinderjahren des Films

Geburt und Kindertage des Tonfilmes

Die im Abschnitt „Stummfilm“ aufgezeichnete Geschichte vom Werden deutscher Filmkunst zeigt die Entwicklung eines Spielzeugs und Schaubudenzaubers zu ernsthafter Kunst. Ihr Ausgangs- und Angelpunkt war immer das Optische, die Reinkultur des Visuellen. So war der Entwicklungsgang der „siebenten Kunst“ durch ihre Eigengesetzlichkeit eindeutig vorgeschrieben für den Weg, auf dem wir sie bisher bis zum Jahre 1929 begleitet haben. Wenn man im allgemeinen 1929 als das Jahr nennt, in dem die deutsche Filmkunst die Schwelle vom Stummfilm zum Tonfilm überschritt, so ist das nur mit gewissen Einschränkungen richtig. In diesem Jahr erfolgte in Deutschland allerdings der Anlauf zur endgültigen – industriellen und kommerziellen – Umstellung vom Stummfilm auf den Tonfilm. Die Schwelle selbst aber, die dabei zu überschreiten war, war breiter, und es bedurfte vieler schüchterner, zaghafter und kurz vor dem Ziel mutiger Schritte, bis sie erfolgreich überschritten war. Der Film war vom Standpunkt des Zuschauers nie wirklich stumm.

Schema eines Tonbildtheaters aus dem Jahre 1896

Edison synchronisierte bereits den ersten Kinematographen mit einem Phonographen. Und als der Phonograph allerlei technische Schwierigkeiten machte, wurden die Tränen der Henny Porten mit einem Geigenschluchzen und die Berliner Wachtparade mit dem lautesten Marschstück eines Orchestrions begleitet. Die Sache ging weiter. Wenn Albert Paulig als Kellner das Servierbrett fallen ließ, schlug ein Musiker im Orchester mit dem Hammer in die Scherbenkiste, und ein Gewitter auf der Leinwand wurde mit Harmonium und Paukenschlag besonders deutlich gemacht. Auch das befriedigte noch nicht. Im Drama gab eines Tages der Rezitator seine Erklärungen, und beim „Tanzenden Tor“ sang ein Tenor den Schlager hinter der Leinwand. Dann kam die große Kapelle aus der letzten Zeit des Stummfilms, in den Großkinos oft mehr als hundert Mann. Hier ließen findige Kapellmeister im Orchester das Klingeln, das Rattern der Eisenbahnräder, den Trab der Pferdehufe, das Heulen von Schiffssirenen, das Stampfen der Maschinen, den lockenden Klang der Kirchenglocken und andere Geräusche und Töne nachmachen und mit dem Bild aus der Leinwand in Einklang bringen. Der Ton in allen seinen Arten versuchte schon immer, sich mit den Bildern auf der Leinwand zu vermählen, wenn auch zunächst mit wesensfremden und unkünstlerischen Mitteln.

Gleich nach der Erfindung des Kinematographen und Phonographen im Jahre 1894 beschäftigte es den Erfindergeist Thomas Alva Edisons, diese beiden Erfindungen so zu kombinieren, daß gleichzeitig mit den bewegten Bildern der dargestellten Personen deren Sprache und Gesang (eventuell begleitende Musik oder Naturgeräusche) auf einem Phonographen mit aufgenommen und bei der Projektion wieder mit zu Gehör gebracht werden konnten. Diese Einrichtung – „Kinetophon“ nannte sie Edison – war der erste Vorläufer der modernen Nadelton- (Tonfilm-) Apparatur. Trotzdem können wir das Kinetophon heute nicht als die erste Tonfilmapparatur bezeichnen, denn es fehlte ihr ein für den modernen Begriff „Tonfilm“ wesentliches Erfordernis: der Synchronismus. Unter Synchronismus versteht man den minutiös genauen Gleichlauf von Bild und Ton. Er setzt voraus, daß Kinoprojektor und Tonwiedergabegerät in genau demselben Moment eingesetzt werden (Start) und dann laufend Bild und Ton stets zueinander passend wiedergeben. Die Schwierigkeiten liegen auf der Hand. Man half sich bei der ersten primitiven Edisonschen Anordnung zunächst damit, daß der Vorführer am Projekttor das Bild auf der Leinwand genau beobachtete und die Geschwindigkeit entsprechend mit der Hand regulierte, wenn Filmbild und Ton oder Musik des Phonographen auseinanderlaufen wollten. Wenn der Film riß, war alles vorbei.

Diese behelfsmäßige Anordnung konnte daher keine befriedigende Synchronität schaffen und mußte eines Tages verworfen werden. Weitere große Hindernisse und Mängel, wie z. B. die Schwierigkeit gleichzeitigen Startens von Filmprojektor und Phonograph, erschwerten das Verfahren ganz erheblich, ganz zu schweigen von den geradezu unüberwindbaren Schwierigkeiten, wenn z. B. der Film riß und durch Kleben kürzer wurde und somit nicht mehr zu der Länge der Tonaufnahme passen konnte. So war die Stunde des Tonfilms mit der Edisonschen Erfindung noch nicht gekommen – man hörte zu den flimmernden Bildern der Leinwand zunächst lediglich eine mehr oder weniger passende Begleitmusik, die aus dem Trichter eines Phonographen oder Grammophons schallte.

Trog der anfänglichen Mißerfolge der Edisonschen Versuche beschäftigten sich verschiedene Forscher damit, die Methode von Edison der Praxis entsprechend durchzubilden und brauchbarer zu machen. In erster Linie ist hier der Deutsche Oskar Meßter zu nennen, der fast zur selben Zeit wie Edison eine ganz ähnlich Konstruktion geschaffen hatte, bei der er aber für die Sicherung des Synchronismus besonders präzise Konstruktionsteile verwendete. Zunächst führte aber auch Meßter im Jahre 1896 in seinem ersten Kinotheater in Berlin, Unter den Linden 21, lediglich Filme „mit musikalischer Begleitung durch den Phonographen“ vor, und es war natürlich auch da mit dem Synchronismus zwischen Ton und Bild noch recht schlecht bestellt. Meßter faßte das Problem von ganz neuer Seite an. Der grundlegende neue Gedanke Meßters zum Problem der Synchronisierung zwischen Bild und Ton war der, den Kinematographenapparat und das Grammophon vermittels elektrischer Synchronmotoren zu betätigen – eine Erfindung, die natürlich wegen ihrer Bevorzugung des Maschinellen auf dem Gebiete der Kunst sofort auf den üblichen, aber erfolglosen Widerstand stieß.

Anfangs kaufte Meßter fertige Schallplatten, z. B. eine Platte von Caruso als Bajazzo, dann holte er sich einen Darsteller aus der Filmbörse, der in Gesicht und Gestalt dem großen Sänger ähnelte, und stellte ihn im Atelier vor die Filmkamera. Und nun mußte der Komparse seine Spielastik genau nach der Platte machen, die irgendwo in einer Ecke ablief. So wurden die ersten Meßter-Ton-Filme hergestellt. Nach diesem System entstanden 1903 die „Tonbilder“ mit Künstlern wie Massary, Giampietro, Guido Thielscher und Henry Bender. Tänzer und Tänzerinnen erschienen in Teilen von Opern mit Arien und Duetten, auch Anna Pawlowna und die Saharet zeigten im „Tonbild“ ihre Künste. Interessant war das „Tonfilmatelier“, das sich Meßter damals für seine Tonfilmaufnahmen einrichtete, über das er selbst wie folgt erzählte:

„Ein Mikrophon gab es ja damals noch nicht, und so benutzte ich als Aufnahmebühne einen abgeschlossenen großen Kasten (ähnlich den Schwitzkästen), in den vorne eine große Scheibe eingelassen war, die zur Kamera schräg geneigt eingesetzt wurde. Die Öffnung des Aufnahmetrichters befand sich in der Decke des Kastens. Die in diesem Behälter agierenden Personen sprachen oder sangen gegen eine Glasscheibe, die Töne nach oben in den Trichter reflektierte. Die Bildaufnahmen erfolgten durch die Glasscheibe. Bei den Tonaufnahmen ging es mit dem Gesang leidlich. Bei gesprochenen Sätzen war die Sache bedeutend schwieriger.“
Tonfilm-Aufnahme um die Jahrhundertwende

Meßters erste öffentliche Tonbildvorführungen dieser Art fanden im August 1903 im Apollo- Theater in Berlin statt. Sie waren eine Sensation. Das „Biophon“ wurde als die neueste Errungenschaft auf dem Gebiete der photographischen und phonetischen Technik von Publikum und Presse begeistert aufgenommen.

Doch den Gipfelpunkt der Meßterschen Tonbilderproduktion bildeten die Aufnahmefolgen aus den 1906 bis 1908 gespielten großen Bühnenoperetten „Die lustige Witwe“, „Ein Walzertraum“ und „Der Graf von Luxemburg“. Von diesen drei Operetten waren je 6–8 Aufnahmen erschienen, die die Hauptnummern der Stücke brachten. Matzner, Kutzner, Ottmann und viele andere bekannte Operettenkräfte traten in Bild und Ton in Erscheinung. Es waren die ersten Star- und Schlagererfolge des „Tonfilms“. Diese anfänglichen Erfolge konnten nicht darüber hinwegtäuschen, daß die ständige und sichere Synchronität zwischen Filmbild und Schallplatte auf die bisherige Weise immer noch nicht zu erreichen war. Man mußte weiter nach neuen Wegen suchen.

Eine Übergangserfindung, die gewissermaßen als die Brücke vom Nadelton zum Lichtton bezeichnet werden kann, war das von dem Franzosen de Pineaud im Jahre 1909 erstmals vorgeschlagene Verfahren, die Schallgravierung am Rande des Filmbandes vorzunehmen, für das er zwei Methoden konstruiert hatte, die hier aus Raummangel nicht beschrieben werden können. Daß diese Methoden de Pineauds allerlei Mängel hatten, die denen des reinen Nadeltonverfahrens schon aufgrund ihrer engen Verwandtschaft mit diesem nicht nachstanden, wird ohne weiteres verständlich erscheinen. Das Richtige, der praktische Wegweiser zum „Tonfilm“ im eigentlichen Sinne, war an dem Pineaudschen Verfahren nur die Idee der Vereinigung von Bild- und Tonaufzeichnung auf dem Filmstreifen. Nur auf diesem Wege mußte das Ziel gesucht werden.

Die praktische Lösung dieses Problems war eine andere, nämlich die Anwendung des photographischen Prinzips anstelle der Graviermethoden. Diese Lösung hat als erster der deutsche Physiker Ernst Ruhmer gefunden, der damit die Grundlage für sämtliche noch heute existierenden Methoden des Lichttonverfahrens schuf. Der Grundgedanke aller dieser Methoden ist die Umwandlung von Schallschwingungen in Lichtschwankungen. Richtungweisend hierfür waren vor allem die Lichttelephonie, die Graham Bell mit großem Erfolg 1893 auf der Weltausstellung in Chicago vorführte, und die Versuche von Duddle und K. Simon mit ihrer singenden bzw. sprechenden Bogenlampe. Es war von hier eigentlich nur noch ein kleiner Schritt, die den Schallwellen getreu folgenden Lichtschwankungen (und zwar entweder Lichtintensitätsschwankungen oder Ablenkung eines konstanten Lichtstrahls) auf lichtempfindlichem Film gleichzeitig mit dem Bild zu photographieren. Es hat hierzu jedoch noch einer grundlegenden Erfindung bedurft, die heute als der Grundstein angesehen werden muß, auf dem sich das imposante Gebäude der Tonfilmtechnik erhebt, nämlich: die Elektronenröhre. Beim Lichtton werden die vom Aufnahmemikrophon ausgehenden, durch die auftreffenden Schallwellen erzeugten Stromstöße in Lichtschwingungen umgewandelt und mittels eines besonderen Filmnegativs, das im Tonaufnahmeapparat mit der gleichen Geschwindigkeit abläuft wie der Film in der Bildkamera, photographiert. Man unterscheidet beim Lichtton zwei Aufzeichnungsmethoden: das Transversal- oder Amplitudenverfahren und das Intensitätsverfahren. Beim ersten bringen die Stromstöße ein an einem dünnen Draht befestigtes Spiegelchen in Schwingungen, welches das Licht einer Lampe durch einen Schlitz auf den vorbeilaufenden Film reflektiert. Die Tonaufzeichnung hat die Form etwa einer Barometerkurve, bei der man sich vorstellen muß, daß die Fläche auf der einen Seite der Zickzacklinie schwarz ist, wahrend die andere Hälfte weiß, also lichtdurchlässig bleibt. Im Intensitätsverfahren wird in dem Lichtstrahl einer konstant brennenden Lichtquelle eine Schleuse eingeschaltet, die die Eigenschaft hat, je nach der Stärke des in die Lichtschleuse gelangenden Stromimpulses, mehr oder weniger Licht durchzulassen. Die Tonaufzeichnung hat hierbei die Form einer Reihe von Querstrichen verschiedener Schwärzung.

Bei der Wiedergabe läßt man nun den Film zwischen einer Lichtquelle und einem schmalen Schlitz vorbeilaufen, durch den das Licht auf eine lichtempfindliche Photozelle fällt, welche die Lichtschwankungen in Stromimpulse zurückverwandelt. Die Stromimpulse werden durch die Elektronenröhre verstärkt und zum Lautsprecher geschickt, wo sie den letzten Umwandlungsprozeß durchmachen und als Töne wieder zum Vorschein kommen.

Transversal- oder Amplituderverfahren (Lichtton-Aufzeichnungssystem)
Intensitätsverfahren (Lichtton-Aufzeichnungssysteme)

Die Tonaufzeichnung, die als 2½ mm breiter Streifen an der Seite der Filmbildchen entlang läuft, spielt dabei die Rolle einer Gardine: Beim Transversalverfahren ist sie vollkommen schwarz und lichtundurchlässig, aber nur mehr oder weniger zugezogen, beim Intensitätsverfahren ist die Gardine immer ganz zugezogen, ist aber von ungleicher Dichte, so daß in beiden Fällen eine ganz bestimmte Menge Licht durch den Schlitz auf die Photozelle fällt, die einen entsprechend starken Stromimpuls zum Lautsprecher schickt.

Es dürfte zu weit führen, auf die einzelnen Entwicklungsphasen des Lichttonverfahrens einzugehen, die technischen Verschiedenheiten und Besonderheiten, Vorzüge und Machteile der einzelnen im Laufe seiner Vervollkommnung entwickelten Methoden aufzuzählen und zu behandeln (Ruhmers „Photographophon“, das Amplitudenverfahren von Berglund von Arnold Poulsen, von Axel Petersen die Systeme von Lee de Forest und das Triergon-System u. a. m.). Uns Deutsche interessiert nur das Triergon-System. Drei Mann, keiner vom Fach der Kinoindustrie, ein Feinmechaniker, ein Physiker, ein Schmied, im Kriege mit der Funkerei vertraut geworden, sind die eigentlichen Schöpfer des Tonfilms in seiner heutigen Gestalt: Triergon, d. h. „das Werk der drei“. Von der Erwägung ausgehend, daß der Phonograph nicht das geeignete Mittel ist, den Film zu „begleiten“, da ein durchgehend funktionierender Synchronismus in der Regel doch nicht zu erzielen war, bauten die Triergon- Männer Vogt, Dr. Engl und Masolle im Jahre 1919 ihre Arbeit auf photographischer Registrierung der Schallwellen direkt auf dem Filmbande auf. Sie erzielten die Schallabbildung, indem sie die vom Mikrofon kommenden und verstärkten Ströme einer Glimmlampe zuführten, die die Eigenschaft hat, praktisch trägheitslos allen Stromimpulsen zu folgen. Das Licht dieser Glimmlampe gelangte durch besondere Optiken, die eine schlitzförmige Abbildung bewerkstelligen, auf den Film. Das große Verdienst dieser drei Männer ist besonders darin zu sehen, daß sie alle Elemente, die zum Bau von Tonfilmapparaturen notwendig sind, neu in hervorragender wissenschaftlicher und technischer Weise durchkonstruierten. Sie ersetzten besonders das altbekannte Kohlenkörnermikrophon durch ein trägheitsloses Mikrofon, das unter dem Namen „Kathodophon“ bekannt wurde. Ebenso ersetzten sie das seit langem bekannte lautsprechende Telefon durch einen wirklichen Lautsprecher auf elektrostatischer Grundlage, dem sie den Namen „Statofon“ gaben. Aber auch alle Tonfilmelemente, die schon längere Zeit der Wissenschaft bekannt waren, wurden durch sie in zweckmäßiger Weise für den Tonfilm abgeändert. So entstanden im Laboratorium von Triergon die ersten guten photoelektrischen Zellen sowie Verstärker, die ungefähr denselben Frequenzumfang hatten wie unsere modernen Verstärker. Heißer mag keine Mutter, deren Kind sprechen lernt, seine ersten verständlichen Worte herbeigesehnt haben, als die drei Erfinder mit ihrer hemmungslosen Besessenheit und ihrem felsenfesten Glauben. Und endlich kamen auch wirklich die ersten Worte aus dem Apparat: „Milliamperemeter“, die man in einem kleinen, mit mehr als tausend geliehenen Kartoffelsäcken akustisch hergerichteten Atelier aufgenommen hatte.

Im Jahre 1923 waren die Laboratoriumsversuche so weit gediehen, daß sich die „Triergon“ mit einem regelrechten abendfüllenden Programm an die Öffentlichkeit wagen konnte. Der Erfolg war angesichts der geringen Erwartungen, die man aufgrund zu früh veröffentlichter Laboratoriumsversuche im Jahre vorher gestellt hatte, überraschend und groß: Man erkannte die kulturhistorische Bedeutung dieser Geburtsstunde des Tonfilms und – man bekämpfte ihn und seine Zukunft. Man nahm ihn also ernst. Aber wie oftmals, so geschah es auch hier: Die Filmindustrie, und in erster Linie die deutsche, verhielt sich dem Tonfilm gegenüber skeptisch und ablehnend, sie sah nicht die große Möglichkeit, die ihr gegeben war. Nur der größte deutsche Filmkonzern, die UFA, machte weitere Versuche, baute für 500.000 Mark in Weißensee ein Tonfilmatelier und drehte einen zweiaktigen Tonfilm: „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“. Dieser erste deutsche Tonfilm gelangte im Theater am Nollendorfplatz zur Uraufführung – und fiel „glänzend“ durch. Die Zeitungen von damals wissen nämlich zu berichten, daß der Tonfilm sich kümmerlich zwei Tage lang „durchgekrächzt“ habe. So mag es begreiflich erscheinen, daß man vorläufig vom Tonfilm genug hatte und nicht mehr daran dachte, einen neuen zu drehen.

Die Tonaufnahmen waren gut, die Wiedergabe hatte alles verdorben. Irgendwo in einem Berliner Vorort lag eines Tages ein Haufen Schrott: die Reste der 20 Apparate, mit denen die Triergon-Leute den Nachweis führen wollten und auch hätten führen können, daß ihr Tonfilm es wert war, von der ganzen Welt gehört zu werden.

Amerika im Tonfilmtaumel

Szene aus dem amerikanischen Tonfilm „Der Jazzsänger“ (1927) mit Al Jolson

Auch in Amerika entstand der Tonfilm nicht über Nacht. Im Gegenteil, eines der bedeutendsten Laboratorium der Welt, nämlich das Bell Telephone Laboratorium, ein Zweig der American Telephone und Telegraph Company und der Western Electric Company, hatte lange Zeit an der Entwicklung dieser Erfindung gearbeitet, bevor der erste Tonfilm in Amerika gezeigt wurde. Die beiden genannten Gesellschaften beschäftigten sich vor der Erfindung des Tonfilms etwa sechzig Jahre lang mit der Herstellung von Erzeugnissen der Telephonindustrie, und in ihren Diensten standen Tausende von ausgezeichneten Ingenieuren. Obgleich sich die Forschungen dieser Ingenieure natürlich zuerst nur mit Telephonerzeugnissen befaßten, entwickelten sich aus diesen Forschungen naturgemäß andere, neue Dinge.

Schon Im Jahre 1925 kam die Western Electric Company zu der Überzeugung, daß der Fortschritt in den Experimenten um den Tonfilm sie dazu berechtigte, diese Erfindung praktisch auszuwerten. Die amerikanischen Filmproduzenten standen den Tonfilmversuchen zunächst kühl gegenüber – nur die Brüder Warner nicht. Sie hatten ohnehin nichts mehr zu verlieren. Ihre Gesellschaft war bankrott. Da sah eines Tages einer der Brüder auf der Leinwand einen Mann, der nicht nur den Mund aufriß, sondern der auch richtige Laute und Worte von sich gab. Noch nicht gerade sehr deutliche und klare Worte, aber jedenfalls sprach der Kerl da oben auf der Leinwand. Harry Warner lächelte und nickte dem sprechenden Leinwandgeist im Dunkeln freundlich zu. Er sah in ihm den Retter, den Retter vor dem Bankrott. Ohne sich zu besinnen, unterschrieben die Brüder Warner einen Pakt: den Patentvertrag mit Western Electric.

Nun begann der Film zu sprechen, und „Warner Brothers“ wurden ein mächtiger Trust, der riesige Dividenden abwarf. Mit der Lizenz in der Tasche gingen sie sofort unter Einsatz aller Kräfte an den Ausbau eines Tonfilmprogramms und engagierten die bedeutendsten Künstler der Neuyorker Metropolitan-Oper. Die Uraufführung des stummen Barrymore-Films „Don Juan“ wurde sogar aufgeschoben, bis die Warners mit ihren technischen Mitteln so weit waren, nachträglich eine musikalische Untermalung dieses stummen Films synchronisiert herzustellen. Die größten Sänger, Musiker und Schauspieler hatten die Warners für ihr Tonfilmprogramm gewonnen. So engagieren sie Ernestine Schumann-Heink, Mischa Elman, Zimbalis Martinelli, Gigli Delucca, Marian Talley, Anna Cafe und viele andere.

Am 5. August 1926 fand die erste öffentliche Tonfilmvorführung in Neuyork statt und war ein durchschlagender Erfolg. Fachzeitung und Tagespresse waren sich einig in der rückhaltlosen Anerkennung der neuen Kombination von Film und Ton. Der Tonfilm wäre vielleicht nicht so schnell über uns gekommen, wenn sich nicht in der Tagesdiskussion der internationalen Filmwelt in den Jahren 1927–1929 ein Schlagwort breit gemacht hätte: Produktionskrise! Sie fing in dem Augenblick an, als der stumme Film, der im Laufe eines Jahrzehnts in den Vordergrund der Gegenwartskunst getreten war, am toten Punkt angekommen war. Zwischen gierigem Geldverdienen und verbildetem Publikumsgeschmack war die Kunst im Film schließlich auf der Strecke geblieben, und damit fing die Produktionskrise an. Sie begann in Amerika. Nicht in Hollywood, sondern in der Wallstreet, wo die Aktien der amerikanischen Filmkonzerne bald keinen Pfifferling mehr wert waren. Die Kinos waren leer. Die Kinogänger wurden kritisch, Geschmack verwöhnt, lehnten die Filmmanufaktur ab und verlangten Höchstleistungen auf dem Gebiete der Filmkunst.

Da holte man als letzten Retter den Tonfilm herbei, zunächst als Reizmittel für die Börse. Die Filmaktien stiegen: Fox-Aktien von 68 auf 110, und Warner Bros. waren überhaupt nicht mehr zu halten, sie kletterten von 22 auf 140. Die Börsianer verkündeten überall den „epochalen künstlerischen Fortschritt“ des Films. Das war Falschheit. Der Tonfilm ist in Amerika nicht aus innerlichen oder künstlerischen Notwendigkeiten gerufen worden, sondern aus äußeren, rein kalkulatorischen Erwägungen der Börsen. Wo aber Zahlen, Kurse, Prozente, Dividenden eine Rolle spielen, kommt alles furchtbar schnell in Bewegung: Hollywood im Tonfilmtaumel! Man baute neue Ateliers. Man konstruierte neue Apparate. Man gründete neue Gesellschaften, und man kaufte vor allen Dingen neue Patente. Patente! Das ist das neue Geheimnis fürs Dollarmachen. Im September 1928 lief in Berlin der amerikanische Film „Der Jazzsänger“, das erste Bild, das drüben in Amerika mit Tonfilm-Gesangseinlagen gezeigt worden war. Der Hauptdarsteller dieses Films ist kein berühmter Star der stummen Leinwand. Er heißt Al Jolson. Al Jolson war Varietesänger, eine amerikanische Berühmtheit. Man kann ein europäisches Gegenstück zu seinem Namen kaum als Beispiel nennen.

Er war die größte Zugkraft der amerikanischen Revue- und Varietebühnen. Ein Mann mit einem undefinierbaren Etwas, das unmittelbar ins Herzenszentrum der amerikanischen Volkspsyche trifft. In seiner Kehle sitzt eine Träne, in seinem Organ ein Schmelz zwischen Lachen und Weinen. Hundert Millionen Amerikaner haben bei seinem Lied vom Sonny Boy Tränen vergossen. Und Europa hat später mitgeweint. Die Brüder Warner haben gelacht, ihn für mehrere Filme verpflichtet und ihm beinahe 600.000 Mark für eine einzige Rolle gezahlt. In Deutschland ging Al Jolson stumm durch seinen ersten Film.

Der stumme Film feierte in Deutschland noch überall seine Triumphe. Nur Hollywood war vom Tonfilm berauscht. Man konnte drüben ohne Ton nicht mehr leben. Das ging so weit, daß man zu „Heimkehr“ und „Ungarische Rhapsodie“ nachträglich noch Musik aufnahm, weil man sich von diesen Bildern als Tonfilm größeren Erfolg versprach. Sogar der Erste Weltkrieg erhielt seine musikalische Untermalung.

Berühmte amerikanische Darsteller, die sich schon auf dem Gipfel der Kunst sahen, mußten, sprachlich gesehen, wieder von vorn anfangen. Es war nicht nur ein Taumel, der Hollywood erfaßt hatte, sondern es war eine Revolution, deren Ziel noch niemand absehen konnte. Die einen deshalb so ängstlich machte, weil niemand wußte, ob der sprechende Film, das Bild mit Wort, Gesang und Geräusch, eine Mode von ein paar Monaten oder etwa paar Jahren war oder gar eine ständige Einrichtung würde. Auf jeden Fall wußte damals jedes kleine Kind, wer Al Jolson ist. Und erst recht seit seinem zweiten Tonfilm „Der singende Narr“, der Geschichte eines Revuekünstlers, dessen Lebensinhalt zunächst die Frau, dann aber das Kind bedeutet. Und diesem Kind singt er in der Sterbestunde noch einmal das Lied, das diesem Film die besondere Note gibt, das Lied vom „Sonny Boy“. Die Illusion ist beinahe vollkommen. Man hat höchstens im Augenblick, wo der Apparat anläuft, den Eindruck des Maschinellen. Aber schon nach wenigen Minuten verschwinden diese Nebengeräusche, werden nicht mehr wahrnehmbar.

Neben AI Jolson konzentrierte sich das Interesse des Publikums auf David Lee, einen kleinen Jungen, der ebenso schnell populär wurde, wie es einst Jackie Coogan war. Drüben in Neuyork schlugen sich die Generaldirektoren der Filmgesellschaften und die Leiter der großen Broadway-Theater um dieses Wunderkind, und seine geschäftstüchtige Mama holte für diesen kleinen Bengel mehr als tausend Dollar pro Woche von den Kassen des Ateliers ab.

Nach den beiden erfolgreichen Al-Jolson-Filmen ging man mit „Interference“ grundlegend andere Wege. Wurde bei den Al-Jolson-Filmen die Neuheit mit der Musik und Popularität der Stimme von Al Jolson betont, so basierte man den Erfolg bei „Interference“ auf der Sprache. Hier wurde erstmalig der Versuch unternommen, den sprechenden Film an die Stelle eines regulären Theaterstückes zu setzen, wobei man die Sprache noch völlig den Gesetzen der Bühnendramaturgie unterwarf: der erste reine Sprechfilm in Amerika. Man war von „Interference“ fasziniert, mehr aber auch nicht. Man betrachtete diesen Film als künstlerisches Experiment, nicht aber als Wegweiser für die Zukunftsentwicklung des Tonfilms. Hollywoods Künstler wollten vom vertonfilmten Theater, vom Bühnenersatz, nichts wissen, und so galt damals der reine, hundertprozentige Sprechfilm als so gut wie überwunden. Die menschliche Sprache sollte aus dem tönenden Film zwar nicht völlig ausscheiden, sie sollte aber nur als Sprech- oder Dialogpart dort eingestreut werden, wo sie einen besonderen Sensationswert oder für eine bestimmte Situation einen dramatischen Höhepunkt erreichen konnte. So wird man verstehen, daß der Amerikaner lange Zeit die Zukunft des Tonfilms erblickte in der „Musical Comedy“, einem Gemisch von Operette, Revue und Spielfilm. Die Spielhandlung ist hier immer eine süßliche mit sensationellem Einschlag und humoristischen Kontrastwirkungen, und dazu immer und überall Schlager, Tanznummern, Girlparade. Ein Musterbeispiel ist etwa „Broadway Melody“. Diese „Musical Comedies“ bildeten lange Zeit das ganze Arbeitsgebiet von Hollywood und seiner Tonfilmproduktion, auf jeden Fall so lange, bis die Deutschen in Tempelhof und Neubabelsberg deutsche Filmkunst und deutsche Tonkunst zu einem Ganzen zusammenschweißten und hieraus eine neue Tonfilmdramaturgie schufen, vor der die Amerikaner die Augen groß und ängstlich aufrissen.

Die gewonnene deutsche Tonfilmschlacht

Amerika ist ein Land, in dem alles Neue eine wahre Volksbegeisterung auslöst. Die Amerikaner sind wie die Kinder. Diese Freude am Neuen, am Fortschritt und an der Entdeckung hat auch die amerikanische Tonfilmbegeisterung entstehen lassen. Es waren dabei viele Fehler gemacht und zuerst auch minderwertige Filme gedreht worden, aber man hatte in Amerika keine Zeit zum Überlegen und erst recht nicht zum Studieren. Diese unbefangene Begeisterung war den Deutschen nicht verständlich. Die Deutschen blieben zu jener Zeit ihrer nationalen Eigenart treu und bemühten sich zunächst, jede neue Methode und jedes mechanische Detail dabei zu analysieren. Die „klugen“ Analytiker und die vorsichtigen Künstler in Deutschland prophezeiten Ende 1928 und Anfang 1929 noch wie folgt:

„Den Tonfilm halte ich für die Kraft, die den Film überhaupt zerstören könnte, glaube allerdings nicht, daß er über eine gewisse Experimentier- und Kuriositätszeit hinaus dauern wird.“ So schrieb Norbert Jacques. „Der Ton- oder Sprechfilm wird sich niemals ganz die Filmleinwand erobern können, weil er durch die Sprache auf die einzelnen Länder begrenzt ist. Drama, Schauspiel, Oper, Operette kommen dafür nicht in Frage, aber für Instrumental- und Vokaldarbietungen ist ihm eine – aber auch nur in gewissen Beschränkungen – Zukunft gegeben. Niemals kann das Schattenbild den wuchtigen Eindruck eines lebendigen Darstellers vermitteln oder ersetzen.“ Das sagte Joseph Delmont. „Das Theaterstück der Bühne wird immer da Geltung behalten, denn die Menschen wollen keine Schatten auf der Leinwand sprechen hören, sondern lebende Schauspieler. Ich bin überzeugt, daß diese Mode bald – somit die früheren Tonbilder – verschwinden wird.“ So meinte ein Theaterfachmann.

„Lichtspiel ist Gefühl durch Geste. Das Lichtspiel ist Gefühlskunst, keine Gedankenkunst. Wer ins Kino geht, will nicht denken, nicht hören, sondern fühlend erleben.“ Das konnte man immer wieder lesen. „Wozu Worte? Es gibt viele Dinge im Leben, die lieber schweigend hingenommen werden. So auch der Film. Wer das gesprochene Wort hören will, gehe in das Theater. Der Film sollte dem Theater nicht ins Handwerk pfuschen. Beides sind zwei Dinge, die sich nicht miteinander vergleichen lassen.“ Ein Ausspruch der Schauspielerin Boothby.

„Die empfindsamen Kreise sind jahrelang unserer Kunst ferngeblieben, erst in den letzten Jahren, als der Film anfing, wirkliches Niveau zu gewinnen, kamen sie und nahmen Anteil an unseren Freuden und Sorgen. Sie werden wieder abwandern, wenn der organisierte Lärm die Leinwandruhe zerstört, und sie haben recht. Und aus dem Krachfilm wird dann wohl noch ein ... Filmkrach werden.“ Das ist die Prophezeiung von Luis Trenker, dem wir später den „Rebell“ und den „Verlorenen Sohn“ verdanken werden. „Das Reden, das dreidimensionale Tönen, ausgehend von zweidimensionalen Gebilden, werde ich mir nie im Leben als eine künstlerische Bereicherung einreden lassen. Es ist vielmehr ein hanebüchener Kitsch, ganz genau entsprechend jenen Postkarten, auf denen Esel wirkliche, aufgeklebte Schwänze aus Haaren haben.“ So fluchte Axel Eggebrecht, der später manchen guten Tonfilm schrieb.

Die Weitsichtigen meinten dagegen, man könne nicht gegen den Strom schwimmen, das habe sich immer als töricht erwiesen; und sich mitschleifen lassen, das wäre wiederum unmoralisch. Die großen Sprechbühnenkünstler aber höhnten: Nun wird nicht jede Ziege mit edlem Profil und Gutgeformtem Busen der große „Weltstar“ werden können, jetzt sollen sie alle erst einmal lernen, lernen und nochmals lernen. Am besten aber kam der Bühnenkünstler mit dem Tonfilm zurecht, der offen zugab: „Wir Künstler aber sind dumm, blind und taub, wenn es um ein Urteil unserer eigenen Kunst geht. Da gilt nur eines: Der wichtigste Bestandteil des Kinos ist das Publikum! Das soll entscheiden!“ Hier wurde sehr richtig erkannt, daß Industriebrauch und Kunstsinn die Filmkunst in Theorie und Praxis gern, aber irrtümlich als eine „fertige Kunst“ bezeichneten, während sie in Wirklichkeit noch stark entwicklungsfähig war und noch lange bleiben würde.

Von den amerikanischen Elektrokonzernen ging das große Tonfilmbeben aus und erreichte auch sehr schnell Europa – und natürlich auch Deutschland. Deutschland ganz besonders aus folgenden Gründen: Die wesentlichen Erfindungen der rasch aufgeschossenen Tonfilmindustrie stammten aus Deutschland und waren daher vielfach geschützt. Sowohl für das Lichttonverfahren als für die Tonwiedergabe mit Schallplatten waren die wichtigsten Patente in deutschen Händen. Der zeitliche Vorsprung Amerikas war allein eine Folge der stärkeren Kapitalkraft der reichen VSA-Elektrokonzerne, mit denen das durch Versailles schwer belastete Deutschland und seine Industrien nicht Tempo halten konnten. Seit die grundlegende deutsche Erfindung der Tri-Ergon-Gruppe, für die sich in der Inflationszeit in den Wirtschaftlich darniederliegenden Ländern Mitteleuropas keine genügende finanzielle Unterstützung fand, durch den amerikanischen Filmmagnaten William Fox für die VSA angekauft wurde, hat sich drüben der mächtige Elektrotrust der Weiterentwicklung angenommen und durch Investierung großer Kapitalien in der Filmindustrie sich Vorsprung und Übermacht in der Tonfilmindustrie gesichert. Die grundlegenden Patentrechte wurden aber den Amerikanern nur für die Ausnutzung in Amerika freigegeben, während sie in Europa in der Hand der Erfinder blieben.

Das hatte die deutsche Elektrizität nicht vergessen: Siemens & Halske, AEG und Telefunken. Warum sollten nur die Amerikaner auf der Leinwand sprechen können und dürfen? Sprechen können auch wir Deutschen im Film! Wenn wir nur wollen. So wurden zwei Gesellschaften ins Leben gerufen, Klangfilm und Tobis, die sich bald unter der weisen Leitung von Siemens und AEG zu einem Trust zusammenschlossen. Der Patentkrieg zwischen Amerika und Deutschland entbrannte nun mit aller Schärfe, mit allen Waffen und vor allen Gerichtsschranken der Welt. In Deutschland gewann die Tobis-Klangfilm alle von ihr angestrengten Prozesse, bald auch in allen übrigen europäischen Staaten, während Western Electric in Amerika siegreich blieb. So hat sich die Elektrizitätswelt des Films bemächtigt und ihn so stark unterjocht, daß sehr bald weniger von Optik, Kamera, Dramaturgie, Licht und Schatten gesprochen wurde, sondern immer nur von Magneten, Amplituden, Intensitäten, Frequenzen. In den Neujahrstrubel des Jahres 1929 platzten die überraschenden Nachrichten des deutschen Tonbildsyndikats (Tobis) hinein, daß es nach umfangreichen Vorbereitungen in der Lage sei, bereits Mitte Januar 1929 mit einer Reihe kleinerer Tonfilme („Paganini in Venedig“, „Ramona“, „Das letzte Lied“, „Die drei Kukirolers“, „Und Nelson spielt“, „Die Hochzeit des Faun“, „Heimkehr vom Oktoberfest“, „Der Hofstudent“ u. a. m.) in Berlin, Hamburg, Düsseldorf, München und Leipzig an die Öffentlichkeit zu treten. Das hieß nichts anderes, als daß jetzt von der Filmindustrie und den Elektrokonzernen Deutschlands aus an eine breitere geschäftliche Auswertung des ganzen Tonfilmkomplexes herangetreten wurde.

Im Januar 1929 kam in Berlin der Film „Ich küsse Ihre Hand, Madame“ heraus mit Harry Liedtke und Marlene Dietrich (Regie: Robert Land). Man sah zunächst wie bisher einen stummen Film. Dann kam plötzlich die Sensation: Harry Liedtke sang mit ein paar Meter Tonaufnahmen (und mit Zaubere Organ) den Schlager des Tages, der den Haupttitel zu dem Film abgegab. Berlin stand in diesem Augenblick im Zeichen des Tonfilms. Weit größer aber waren die Eindrücke, als im März 1929 in dem Film „Die Melodie der Welt“ (Regie: W. Ruttmann) auf der Leinwand der Kapitän der „Resolute“ mit richtiger Sprache das Kommando zur Abfahrt gab, als die Ketten richtig knarrten, die Sirenen heulten und die Maschinen stampften. Da war plötzlich in allen Köpfen die Gewißheit: Hier wurden die neuen Möglichkeiten des Tonfilms angedeutet, und dies war ihre Geburtsstunde für Deutschland. Die Schonzeit für Experimente war nun vorüber.

Mit dem Film „Das Land ohne Frauen“ (Regie: Carmine Galonne, Oktober 1929) war die Zukunft des deutschen Tonfilms endgültig im positiven Sinne entschieden. Es wurde mit diesem Film bewiesen, daß wir für die Technik des singenden und sprechenden Films Aufnahme- und Wiedergabeapparaturen besaßen, die gleichberechtigt neben den anderen Ländern standen. Auch dieser Film war aber noch kein hundertprozentiger Ton- und Sprechfilm. Er war mit einer mechanischen Musik- und Geräuschbegleitung von Anfang bis Ende illustriert (Komponist: Wolfgang Zeller). Gesang und Sprache waren vorläufig noch isolierte tonfilmisch also „mehr ein Versprechen als eine Erfüllung“, denn der dramaturgische Stil und die optisch-akustische Synthese lagen noch vollkommen im Dunklen. Schnell war auch der Regisseur Richard Eichberg mit dem Tonfilmschwank „Wer wird denn meinen, wenn man auseinander geht“ (Oktober 1929) zur Stelle. Tonfilmisch waren hier recht wenige Blütenträume gereift. Der Film wird nur der historischen Vollständigkeit wegen erwähnt, ebenso wie der Film „Der Würger“ aus der Regie des Ungarn Geza von Bolvary. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Bis zum 1. November 1929 standen in den siebzig wichtigsten deutschen Städten Tonfilmapparate, die auf Tonfilme warteten.

Szene von dem Schiffsuntergang in „Atlantic“

Da war plötzlich mit dem Film „Atlantic“ (Oktober 1929) das Wunder des sprechenden Filme da.

War „Das Land ohne Frauen“ eine Tonfilm-Verheißung, so ist „Atlantic“ der erste gewaltige Schritt in die Erfüllung hinein. Die Sprache ist nicht mehr Problem, sondern Tatsache. Im übrigen haben wir es mit einem englischen „Talkie“ (Radio Corporation) zu tun. Es tauchen ein paar Massenszenen auf, in denen man die englische Sprache sogar noch beibehalten hat. Fritz Kortner, Franz Lederer, Georg Sohn, Philipp Mannsing, Heinrich Schroth, Hermann Valentin, Willi Forst, Lucie Mannheim, Elsa Wagner und Julia Serda wurden in einem Londoner Atelier in die Dekorationen des englischen Films gestellt, sprachen deutsch und paßten sich in das Milieu so ein, als ob der Film in Neubabelsberg oder Tempelhof gedreht worden wäre. Unbedingt eine Großtat E. A. Dupontes, der sich mit diesem Film ein bleibendes Denkmal in der Filmgeschichte Europas setzte. Der erste Tonfilm wurde in zwei Sprachen und in doppelter Besetzung gedreht. Die größten Tonfilmpessimisten wurden nun doch langsam zu Optimisten.

Im November 1929 gab es in Berlin mit dem Film „Dich hab’ ich geliebt“ (Regie: Watther Fein) den nächsten rauschenden Tonfilmerfolg, wenn auch die Tagespresse mit ihrem Lob mehr als zurückhaltend war, weil sie auch hier immer noch die Eigengesetzlichkeit des Tonfilms und eine gute Klangtechnik vermißte.

Charlotte Ander und Hans Albers in „Die Nacht gehört uns“

Jetzt marschierte der deutsche Tonfilm mit Siebenmeilenstiefeln. Die Pessimisten und Nörgler wurden einfach überrannt. Der deutsche Tonfilm war nicht mehr aufzuhalten, er war eine zukunftsreiche Schöpfung und machte auch schon der deutschen Industrie alle Ehre. Carl Froelich, alter Kämpfer und Könner aus der Stummfilmzeit, schob „Vaterliebe“ und „Mutterliebe“ beiseite und ließ sich nach Henry Kistemaeckers Schauspiel „Die Nacht gehört uns“ ein Tonfilmdrehbuch schreiben, um zwischen den Geräuscheffekten des Knatterns und Surrens der Autos, des Dröhnens der Maschinen und des Fabriklärms tontechnisch vollkommenste Dialoge einzustreuen. Hans Albers sprach und improvisierte unpathetisch und witzig, Ida Wüst, Falkenstein, Wallburg, Janissen, Lucie Englisch und Charlotte Ander redeten frei und natürlich. Den Erfolg hatte Hans Albers zu verbuchen, nicht etwa der Ton im Film. Froelich hatte den Bühnenschauspieler Albers zum Tonfilm herangeholt, und in „Die Nacht gehört uns“ eroberte sich Albers nun die Tonfilmleinwand, weil er sich gab und sprach, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, und weil er kein betontes Komödiantentum zur Schau trug.

Kurz vor Weihnachten 1929 waren die Erwartungen auf das höchste gespannt. Fachwelt und Publikum blickten auf die UFA, der man in der Stummfilmzeit so manche schöpferische Filmtat zu verdanken hatte. Die UFA hatte nämlich verkündet, daß mit dem Start ihrer Tonfilmeigenproduktion überhaupt erst der eigentliche hundertprozentige deutsche Tonfilm vor das Publikum treten werde, der Tonfilm „aus einem Guß“.

Dita Parlo und Willy Fritsch in „Melodie des Herzens“

Man hörte von Millionenziffern, die die Tonfilmaufrüstung der UFA, ihre gewaltigen Tonfilmateliers in Neubabelsberg, ihre Experimente und Proben verschlungen hätten oder noch verschlingen sollten, um dem deutschen Film und Kinopublikum etwas Neues, Vollkommenes und Künstlerisches zu bieten. Die UFA war damals die große Hoffnung der deutschen Filmindustrie und des Kinogewerbes, wie schon einmal in den Jahren 1918/19. Alle Hoffnungen wurden erfüllt: herrliche Photographie, meisterhafte Bildgestaltung, wunderbare Bilder aus dem unbekannten, verträumten Ungarn, Sprache, Musik, Lieder, Geräusche, Willy Fritsch, Dita Parlo, Lil Dagover, alles singt und spricht in „Melodie des Herzens“ (Dezember 1929). Das Leben hatte den Filmstoff geliefert. Er brachte zwei einfache Seelen des ungarischen Landes vor das geistige und wirkliche Auge von Millionen von Menschen. Budapest und Ungarn selbst entstanden.

Die Landschaft verband sich mit dem Geschehen um die beiden einfachen Menschen Janos und Juli. So lebten und litten die beiden auch im tieferen Sinne für das in ihnen verkörperte Land. Aus einem Filmstoff wurde eine menschenversöhnende Idee. Das verträumte Ungarn war der Star, den wir erschauten, den wir erlebten, mit dem wir uns freuten, mit dem wir litten und der uns fast so vertraut wurde wie unsere eigene Heimat.

Der erste deutsche Tonfilm von Großformat war aus der Taufe gehoben (Regie: Hannes Schwarz). Die Dialoge sind knapp, nie überflüssig. Desto häufiger sind die Klangschattierungen: Straßenlärm, Jahrmarktstrubel, Tierstimmen, Glockenton, musikalische Instrumente aller Art. Bisweilen verführt die Fülle der Möglichkeiten noch zu übertriebenen Spielereien. Man war an den ersten deutschen Ton- und Sprechfilm „Melodie des Herzens“ gewissermaßen noch als Suchender herangegangen. Wohl war die Tontechnik schon recht vollkommen, aber man entdeckte täglich von neuem elementare Gesetze der tönlichen Struktur eines Films. Also konnte man noch nicht sofort bis zum Ziel vorstoßen.

Iwan Mosjukin und Betty Amann in „Der weiße Teufel“

Als es in den Jahren 1928/29 mit der Stummfilmkunst immer mehr bergab ging und der Tonfilm schon vor der Tür stand, wollte man mit der Verherrlichung von Heldentum und Freiheitskampf noch einmal in der Stummfilmkunst eine Höchstleistung bieten: „Der weiße Teufel“ (1930). Bei der allgemeinen Tonfilmpsyche konnte man sich aber mit diesem stummen Film nicht mehr auf die Leinwand der Großstadtkinos wagen. Also wurde der Film mit Geräuschen aller Art, mit Gesängen des Donkosakenchors und einer herrlichen Musik von Schmidt-Gentner synchronisiert, wie man es damals mit vielen anderen stummen Filmen machen mußte, beispielsweise auch mit Waschnechs „Der Günstling von Schönbrunn“ (1929).

Der „weiße Teufel“ Hadschi Murat ist für die kaukasischen Bergvölker dasselbe wie Andreas Hofer für die Tiroler, Wilhelm Tell für die Schweizer und Abd el Krim für die Rifkabvien. „Der weiße Teufel“ war der russische Film, den wir in Deutschland erlebt und hergestellt haben. Der Regisseur Alexander Woikoff war Russe, der Hauptdarsteller Juan Mosjukin und fast alle Chargenspieler und Komparsen. Der Russe als Künstler wird, wenn er vor eine große Aufgabe gestellt wird, die sich auf sein Vaterland bezieht, auch fern von der Heimat hundertprozentiger Russe bleiben. Damit haftete diesem Film ein gewisser nationaler Nimbus an, der ihm eigene Ausdruckskraft verlieh. Und damit fand er seine erschütternde, tiefe Wirkung.

Gustav Fröhlich und Liane Haid in „Der unsterbliche Lump“

Wenn die ersten Ton- und Sprechfilme technische Mängel aufwiesen, so war das verständlich und verzeihlich, denn sie waren eben die ersten Tonfilme, die ersten praktischen Versuche auf neuem Gebiet. Die schwierigste Aufgabe aber war vorläufig immer noch, passende Tonfilmsujets zu finden. Es lagen verschiedene Stoffe vor. Nach langen Erwägungen und Beratungen wurde eine vor vielen Jahren oft aufgeführte Eysler-Operette hervorgeholt und in eine Tragikomödie mit dem obligaten Happy-End umgegossen in den Film „Der unsterbliche Lump“, den Gustav Ucicky inszenierte und für den Liane Haid, Gustav Fröhlich und Hans Adalbert von Schlettow die Hauptrollen übernahmen.

Mit fünfzig Mann rückte die Filmkarawane ins „Feld“. Unter dem Schlachtruf: Außenaufnahmen um jeden Preis für den unsterblichsten alter Lumpen! Marschrichtung: Tirol. Es galt, einen Ort zu finden, der laut Manuskript still und verträumt ist, der von Bergen umsäumt, seit Jahrhunderten darauf wartet, gefilmt zu werden. Man landete in Virgen. Anfangs hatten die Tiroler und ihre Tierwelt noch nicht vollkommen begriffen, was Tonfilm und „akustischer Raum“ heißt. Die Bauernfrauen kicherten bei jeder Gelegenheit, und ihre Männer lachten aus vollem Halse. Das Vieh erwies sich als besonders filmfeindlich, die Schafe blökten, solange sie zu schweigen hatten, die Ziegen meckerten, sobald der Regisseur um Ruhe bat, und zuletzt „krähte“ der Hahn, die Katze „miaute“.

Die Filmleute wurden aber bald Psychologen, erlernten die Kunst, geduldig zu sein, und stopften jedwedem Getier mit Zucker oder Sumpfdotterblumen das Maul, wenn sie Ruhe brauchten. Sie jagten Katzen mit eigens aus Berlin importierten Hunden, wenn diese Unglücksbringer zu unerwünschter Zeit ihren Weg kreuzten. Nach Abschluß der Außenaufnahmen in Virgen waren die Dorfbewohner derart vom Tonfilm begeistert, daß sie sich spontan entschlossen, einige Herren des Filmstabes zu Ehrenbürgern zu ernennen und dem Rest das Ehrendiplom zu geben, denn sie fühlten sich nun doch mit den Exponenten des Tonfilms gesellschaftlich verwachsen. Wir haben den ersten deutschen Tonfilm erlebt, der sich mit Außenausnahmen in die freie Landschaft hinaus wagte, in die Welt der Bauern, in die steirischen Berge und ins schlichte Alpendorf, und der den Weiß Ferdl für den Tonfilm entdeckt hat.

Im Eiltempo ging es nun vorwärts mit der Technik des deutschen Tonfilms. Unebenheiten, die noch bei den letzten Filmen störend wirkten und den Ton beeinträchtigten, waren hier fast völlig beseitigt. Der böse Kampf mit dem S-Laut der Schauspieler war definitiv ausgekämpft, und die Darsteller sprechen endlich wie jeder andere Mensch frei von Lispeln und Stammeln. Der beste Sprecher aber war Gustav Fröhlich. Seine Sprache war herb und unsentimental wie seine Erscheinung, nichts an ihm wirkte etwa operettenhaft, er gab eine problematische Grüblernatur, mit sie Peter Rosegger in seinen Dorfgeschichten oft gebracht hat: gereift, klar, deutlich, gradlinig, frei von jedem Fleckchen aufdringlichen Startums.

Mit dem Film „Die letzte Kompanie“ hat man eine kleine historische Idee aufgegriffen, das Geschehen um die sagenhafte Mühle auf den Schlachtfeldern von Jena und Auerstedt um 1806, die letzten Stunden einer preußischen Mannschaft auf verlorenem Posten: der erste historische Tonfilm.

Seht, der Tag graut im Gelände,
Was befohlen, wird getan!
Und wir reichen uns die Hände,
Kameraden bis ans Ende.
Wir dreizehn Mann!
Karin Evans und Conrad Veidt in „Die letzte Kompanie“

Erst allmählich wuchs aus dieser Idee ein Geschehen heraus, das echt filmisch war, aber doch noch historisch blieb. Man glaubt gar nicht, wie schwer es dem Regisseur Kurt Bernhardt und dem Manuskriptverfasser Ludwig von Wohl war, langsam nur aus der heldenhaften Verteidigung einer Mühle einen modernen Tonfilm zu entwickeln und zu gestalten.

Mit diesem Film stellte sich Conrad Veidt in die Spitzenreihe der Tonfilmschauspieler. Seine überlegene Ruhe, die Meisterschaft seiner Sprache, die Suggestivität seines Spieles rissen mit. Keine Spur mehr von dem früheren „dämonischen“ Conrad Veidt. Hier war ein Schauspieler, den man bereits als zu gekünstelt glaubte aufgeben zu müssen, über sich selbst hinausgewachsen. Die Hauptdarsteller neben Conrad Veidt, dem Hauptmann, sind zwölf Grenadiere und die Müllerfamilie mit Karin Evans als Pflegetochter. Aus dem Dialog dieser fünfzehn Menschen mußte allmählich die Spannung auf den Schluß – den Angriff der Franzosen – vorbereitet werden. Wunderbar war es, bei den Aufnahmen zu entdecken, mit welchen Nuancierungen der Tonfilm arbeiten kann. Verglichen mit dem Theater, ist es möglich, zu der optischen Großaufnahme jetzt auch die akustische, also die tonliche Großaufnahme zu stellen, die mit einem Minimum von künstlerischer Steigerung (wie sie so oft beim Theater nötig ist) ein Maximum an Ausdruck liefert. Der Hauch eines Sterbenden in der Tongroßaufnahme, verbunden mit seinem Blick in der Bildgroßaufnahme, das sind Phänomene, die dem stummen Film und der Sprechbühne vorenthalten waren.

„Von uns dreizehn Grenadieren
kennt ein jeder seine Pflicht.
keine Ruhmestafel wird uns zieren,
keine Grabschrift, kein Gedicht ...“
Emil Jannings als Professor Immanuel Rath in „Der blaue Engel“

so klingt die Ballade aus, die einer der Grenadiere in der Mühle am Reimersdorfer Moor zur Laute singt. Die erste Tonfilmballade, der erste tönende Kammerspielfilm, war angeklungen. Von nun an betrat das Publikum gesammelt das Lichtspielhaus in der Absicht, sein Kunstempfinden zu bereichern oder zu bestätigen. Von Amerika kamen immer wieder Nachrichten, daß man jenseits des Großen Teichs mit der Tonfilmtechnik viel weiter sei als in Berlin. Das wollte die UFA ausprobieren. Man holte aus Hollywood Joseph von Sternberg, der mit seinen Filmen „Unterwelt“ mit Bancroft und „Der lebte Befehl“ mit Emil Jannings bereits Welterfolge erzielt hatte. Dieser Joseph von Sternberg erhielt den Auftrag, unter dem Titel „Der blaue Engel“ die Erzählung Heinrich Manns von dem „Professor Unrat“ in Neubabelsberg zu verfilmen. Emil Jannings spielte den Professor, den seine Beziehungen zu einem Weibtier vom Kabarett auf strafbare Abwege brachten.

Marlene Dietrich als rassige Chansonette Lola im „Blauen Engel“

Ein glänzender Sieg des deutschen Tonfilms, vor allem deshalb, weil hier der Ton nicht prätentiös als Ding an sich auftritt, sondern wirklich nur zur Unterstützung der Filmhandlung dient, einer Handlung, die völlig frei von Wiener Heurigem, ungarischen Offizieren und gebrochenen Heidelberger Herzen ist. Der Träger des Films ist Emil Jannings, der hier, noch über seinen „Letzten Mann“ und den „Letzten Befehl“ hinauswachsend, ein kaum noch zu überbietendes Glanzstück der Charakterisierungskunst und echter Menschendarstellung gibt, von feinster Steigerung, frei von Tricks, aufrüttelnd und ergreifend bis zum tragischen Ende. Jannings fand eine hervorragende Gegenspielerin in Marlene Dietrich, der „von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellten“ Tingeltangel-Chansonette. Ihre Lola lebt ein unglaublich echtes Leben, bis in das kleinste falsche Getue vor den Kitschkulissen, bis in eine halb lachende, halb rührend mitleidige Zärtlichkeit hinein. Marlene Dietrichs Lola ist ein Typ, zu dem man ja oder nein sagen kann im Leben, für den man aber hier im Film nur ein unbedingtes Ja haben muß.

Willy Fritsch und Lilian Harvey in „Hokus-Pokus“

„Der Prozeß der Kitty Kellermann“, den Curt Goetz in „Hokus-Pokus“ auf der Bühne zu einem vollen Erfolg geführt hat, wird im Tonfilm neu aufgerollt. Die Angeklagte Kellermann – Lilian Harvey – tritt vor die Schranken des Schwurgerichts, um sich wegen eines furchtbaren Mordverdachts zu verantworten. Die kleine, schwache, zierliche Frau soll ihren Mann getötet haben, draußen auf dem See, indem sie das Boot zum Kentern brachte und den schwimmunkundigen Gatten seinem Schicksal überließ. So folgert der gestrenge Erste Staatsanwalt, messerscharf türmt er Indiz auf Indiz und vermag wirklich das Gericht und die Geschworenen beinahe völlig davon zu überzeugen, daß sich das Verbrechen so und nicht anders abgespielt hat. Die Regie von Gustav Ucicky hat den Film auf Sprache und Dialog gestellt, sondert aber häufig das Wort vom Sprecher (wenn er z. B. die Kamera während einer Richterdebatte im Zuschauerraum kreisen läßt). Diese Methode verdient fortgeführt zu werden. Der Ton als Selbstzweck wird dadurch negiert, er gewinnt seine Bestimmung als Material zurück. Der Tonfilmregisseur lenkt das Interesse seines Publikums immer dorthin, wohin er will, so daß wir beispielsweise bei den Worten des Staatsanwaltes drei- bis viermal verschiedene optische Bilder sehen. Immer sehen wir das, was uns gerade interessiert. So sieht beispielsweise der Staatsanwalt in dem Moment auf, als er auf die Angeklagte einzureden beginnt. Hier sehen wir die Angeklagte, dann sehen wir die Wirkung der Rede des Staatsanwaltes auf den Verteidiger, der einen Zwischenruf macht, dann die Geschworenen und dann den Leiter des Schwurgerichtes, den Präsidenten. So muß Pointe auf Pointe, Schlag auf Schlag kommen ohne Pause.

Gerade für einen Film, der auf so wenig Schauplätzen wie „Hokus-Pokus“ spielt, war der flüssige Bildwechsel unerläßliche Notwendigkeit. Was Goetz und Frau in der Bühnensatire waren, das sind jetzt Willy Fritsch und Lilian Harvey auf der sprechenden Leinwand. Fritsch von jener erfrischenden Sympathie wie immer, einer der liebsten Menschen, die sich auf der Filmleinwand bewegen; die Harvey entzückend in der Erscheinung, frei, gelöst und reizvoll im Spiel. Hier haben wir also das erste vertonfilmte deutsche Theaterstück.

Die Furcht vor den Geräuschen oder der technische Umbruch

Es war vollbracht. Der stumme Film war überwunden, hatte gewissermaßen eine dritte Dimension erhalten: Ton und Klang, das Geräusch, die Sprache. Tonfilm war von nun an Trumpf. Der Film sang, sprach, tönte, quäkte, piepste, bellte, kurz: Die Filmkunst feierte Orgien in Ton, Sprache und Geräuschen. Überwunden war die sinnvoll musikalische Interpretation des Wasserfalls mit dem Schlagzeugbecken, das D-Zug-Rattern auf der Trommel, des Gewitters mit Harmonium und Pauke.

An Stelle all dieser unzulänglichen Hilfs- und Interpretationsmittel tritt nun das Naturgeräusch mit der ganzen verblüffenden Natürlichkeit seines Daseins. Die Geiger, die man rief ...! Jawohl, es klappte vorzüglich! Die Gläser klirrten, die Schritte hallten, die Roben rauschten, aber es klirrte plötzlich noch mehr, es hallte plötzlich noch mehr, es rauschte, summte, Knatterte, dröhnte, pfiff und sang aus allen Ecken, völlig programmwidrig, mit unverminderter Lautstärke und Präzision, mit der bekannten Lücke des Objekts, mit der sich das Werk oft gegen seinen Schöpfer richtet. Die Menschheit, wenigstens die Tonfilmschaffende, entdeckte plötzlich den Weltlärm, das Chaos der tausend und abertausend Geräusche des uns umgebenden Lebens, jener vielen einzelnen Kleinen und großen Töne und Klänge in der Partitur des Lärmorchesters, das ständig uns und die Dinge um uns umgibt, und die wir im Unterbewußtsein hören oder nicht hören. Der Tonfilm lehrt den Tonfilmtechniker die Furcht vor den Geräuschen. Das Mikrophon, dieser äußerste und sichtbarste Ausläufer der Tonapparatur, wurde zum Schreckgespenst aller am Tonfilm Schaffenden. Jeder Laut wurde vom Mikrophon oft in größten Übertreibungen vermerkt, unzählige Nebengeräusche, die sich niemand erklären konnte, brachten den Regisseur und alle Beteiligten zur Verzweiflung. Jeden Tag gab das Mikrophon neue Rätsel auf. Aber mit der Zeit wurden auch diese Rätsel gelöst. Man ging den Geräuschen zu Leibe, sperrte die allzu geräuschvolle Außenwelt mit all ihren Störungsquellen ab, indem man sich in hermetisch schalldichte Räume zurückzog und auch innerhalb der Arbeitsräume (Ateliers) alle Geräusche zum Verstummen brachte, die nicht zur Tonfilmaufnahme gehörten.

Es war unter diesen Umständen zunächst offensichtlich, daß die alten bisherigen „Glashäuser“ den tontechnischen Erfordernissen keineswegs gewachsen waren und durch neue Anlagen ersetzt werden mußten.

Nach der Rückkehr der zu einer Studienreise nach Amerika und England gefahrenen Vorstandsmitglieder der UFA wurde nach dem Ludwig-Klitsch-Plan sofort mit dem Bau einer großen und nach modernsten Prinzipien ausgestatteten Tonfilmanlage in Neubabelsberg begonnen. Am 1. Mai erfolgte der erste Spatenstich für die Ausschachtungsarbeiten, und schon nach zwei Monaten war der Rohbau nach ununterbrochener Tag- und Nachtschicht fertig gestellt: vier völlig abgeschlossene Ateliers in Kreuzform. Mehrere Monate erforderte dann noch die Ausstattung und Einrichtung der Ateliers, insbesondere die Inflation der Tonfilmapparaturen. Ganz neue Probleme waren beim Bau dieser Tonfilmateliers von den Konstrukteuren und Architekten zu bewältigen: zunächst mußten die Ateliers absolut schallsicher gebaut werden, d. h. gegen alle von außen kommenden Geräusche isoliert werden, und zwar vor allen Dingen auch solcher Geräusche, die sich, wie das Rollen der Eisenbahn, durch den Boden übertragen. Man mußte also insbesondere auf sämtliche Fenster verzichten und eine entsprechende schleusenartige Türenkonstruktion finden.

Schalleiter sind außerdem alle im Mauerwerk liegenden Eisenteile. Aus die Verwendung von Eisenkonstruktionen für die gewaltigen Mauern hat man ganz verzichtet und für diese ein besonders hart gebranntes Steinmaterial verwenden müssen. Um die Möglichkeit von Echowirkungen oder eines zu starken Nachhalls von Sprache und Musik in den großen Atelierräumen auszuschalten, wurden die Wände mit Celloter bekleidet und mit Zugvorhängen ausgerüstet.

Auch die Aufnahmebeleuchtung hat sich den Bedingungen des Tonfilms angepaßt. Ursprünglich konnten Tonfilmszenen nur mit völlig geräuschlosen Halbwattlampen aufgenommen werden. Die Bogenlampe als Filmaufnahmebeleuchtung schien begraben, sie „sang“. Inzwischen hat man aber eine Drosselspule erfunden, die, wie im Radio, das singende Nebengeräusch abdrosselt. Das nächste große Problem war das der ausreichende Belüftung der Ateliers, die für Tonfilmaufnahmen einen in sich hermetisch geschlossenen Hohlraum darstellen. Es galt, zur Entfernung der enormen Hitze und der Staubwolken, die ungeheuren Luftmassen stündlich zehnmal zu erneuern, ohne die Arbeit durch Zuglufterscheinungen zu beeinträchtigen, und es gilt ferner, die Einlaß- und Absaugöffnungen für die Luft so zu konstruieren, daß keinerlei Geräusch durch den Luftstrom oder die Lüftungsmaschinen selbst entstand, wie auch keinerlei Schall von außen durch die Luftkanäle ins Atelier dringen durfte. Die Luftströme wie auch im Winter die Lufttemperatur reguliert eine wunderbare „mechanische Lunge“ vollkommen automatisch. Im Winter wird die in die Ateliers eingeführte Frischluft vor ihrem Eintritt erwärmt, während im Sommer gleichzeitig mit der Kühlung eine Befeuchtung der Luft stattfindet. Die Störung der Filmaufnahmen durch Atelierbesucher sowie durch die Arbeiter und Angestellten selbst wird durch eine über den ganzen Atelierkomplete ausgedehnte Lichtsignalanlage verhindert.

Blick auf das kreuzförmige UFA-Tonfilmatelier in Neubabelsberg (das Haus ohne Fenster)

Der Regisseur hat in jedem Augenblick die Möglichkeit, lebe Störung mittels dieser Signalanlage auszuschalten: „Halt, wenn rotes Licht aufleuchtet!“ Vor den roten Lampen der großen Tonfilmhallen müssen alle „halt“ machen. Tonfilmaufnahme heißt Ruhe und Konzentrierteste Arbeit. Im Innern des Ateliers war es vor allen Dingen die Kamera selbst, die durch ihr Eigengeräusch, das Surren, die Tonfilmarbeit erschwerte und ganz neue Probleme zur Lösung stellte. Auch das leiseste Schnurren der Bildkamera mußte verschwinden. Zur Unterdrückung des Geräusches, das die Bildkamera verursachte, griff man anfangs zu einfachsten Behelfsmitteln.

Man hüllte sie samt Kameramann in wollene, schalldämpfende Koltern und Decken. Ein primitives und umständliches Verfahren, das in optischer Beziehung die Kamera nur aus wenigen Ecken heraus zu ihrer Bildwirkung kommen ließ. Der nächste Schritt war, daß man die Kamera samt dem Operateur in einen großen hasten, die Box, setze. Die Box war von außen mit Stoffen benagelt und hatte an der Vorderseite eine dicke, schallsichere Planglasscheibe, durch die das Kameraobjektiv ausnehmen konnte. Dieser Kasten mußte im Atelier herum. geschoben werden. Naturgemäß blieb das Blickfeld aber immer noch beschränkt.

Karl Hofmann hüllt sich und seine summende Kamera in dicke Tücher ein.

Die so gewonnenen Bilder befriedigten die Kameraleute nicht, ihr Streben ging dahin, der Kamera die freie Beweglichkeit zurückzuerobern, sie zu „entfesseln“ – die Box zu sprengen. Man emanzipierte sich auch wirklich von ihr.

Operateur und Kamera in der gegen alle Außengeräusche dicht abgeschlossenen Holzkabine, die im Atelierwitz der „Eisschrank“ genannt wurde

Die Kamerafabriken halten sich nämlich in der Zwischenzeit eingehend mit dem Problem der „geräuschlosen“ Kamera konstruktiv befaßt. Man konstruierte eine schalldichte Boxkamera von dergleichen Handlichkeit und Beweglichkeit wie der Kleinapparat aus der Stummfilmzeit. Mit dieser Boxkamera war wohl die Arbeit noch etwas erschwert, aber die Bildkamera war nicht mehr gehemmt in ihrer Bewegungsfreiheit – sie war wirklich „entfesselt“. Weitere Verbesserungen und zweckmäßige Neukonstruktionen führten zu der heute gebräuchlichen Kamera, die vollständig geräuschlos funktioniert und aus ihrem lautlos gleitenden Fahrgestell den Raum wieder vollständig beherrscht. Auch der Architekt mußte umlernen.

Es kommt in Zukunft nicht mehr allein auf die bildhafte Wirkung der Bauten an. Die Umstellung der Ateliers auf „geräuschfreie“ Bauten ist eine Selbstverständlichkeit. Ist der Bau fertig gestellt, muß die Akustik des Raums nach Bedarf korrigiert werden, und zwar durch Auf- und Abhängen von Stoffen usw., je nachdem, ob man den Nachhall vergrößern oder verkleinern will. Bei hohen Bauten kann es auch vorkommen,

daß die Wände Barke, für die Tonaufnahme recht nachteilige Eigenschwingungen aufweisen. In solchen Fällen müssen die Wände durch mehrfaches Abfangen möglichst stabil gestaltet werden, um eine ungewünschte Resonanz zu vermeiden. Und noch einer ist stiller geworden und teilweise ganz stumm im Innern des Ateliers – und es geht auch! Der Filmregisseur! Auch die sogenannten „lauten“ oder „nervösen“ Regisseure der Stummfilmzeit mußten sich über Nacht auf Tonfilmregie, auf die empfindlichen Tücken der Tonapparatur umstellen. Es mag anfangs schwer gefallen sein. Das wilde Durcheinander des Atelierbetriebes, das stets eilige Hin und Her von Atelierarbeitern, Beleuchtern, Handwerkern, Schauspielern, Komparsen, Musikern, Maskenbildnern und Garderobieren bringt naturgemäß eine Atmosphäre ewiger Unruhe, ewigen Lärmens in die Arbeitsstätten des Films, und es ist nur allzu natürlich, daß die Feldherren dieser Schlacht, die Regisseure und Hilfsregisseure, nur zu oft unter Anordnung größter Lautstärke ihrer Organe die nötige Ordnung schaffen und ihre Anordnungen treffen konnten. Daß diese Rufe und Kommandos sich bis mitten in den vollen eigentlichen Aufnahmevorgang hinein erstreckten, war keine Seltenheit und, solange der Film stumm und die Aufnahmeapparatur an ihrer tönenden Umwelt uninteressiert war, auch kein Unglück. Im Gegenteil, es gab zur Stummfilmzeit temperamentvolle Regisseure, die so voll und ganz in dem zu inszenierenden Spiel aufgingen, sich so völlig in die darzustellende Situation mithineinlebten, daß sie regelrecht „mitspielten“ und durch dieses ihr künstlerisches Temperament den Darsteller erst in die richtige gewünschte Stimmung hineinrissen und dadurch das ganze Spiel mit lebendigem Geist erfüllten.

„Sie vergessen Gott und die Welt, wenn die Aufnahme losgeht, sehen und hören nichts außer der Szene und ihren Schauspielern, die sie mit ihrer ganzen Suggestivität anstecken. Sie rufen die Stichworte zu, spielen mit, weinen, lachen, brüllen, toben, schreien, sie find vollständig aufgelöst.“ So schreibt ein bekannter Schriftsteller über den Prototyp der Temperamentvollen unter den Regisseuren.

Beim Tonfilm dominiert einig und allein die darzustellende Szene, und nur der Dialog, nur das von dem Darsteller dieser Szene gesprochene Wort oder die in der Szene selbst ertönende Musik oder gemachten Geräusche dürfen während der Aufnahme vernommen werden. Verstummt sind die Megaphone und Trillerpfeifen, die Kommandos und „Ermunterungen“ der Regisseure, still und stumm folgen sie mit Auge und Ohr gebannt dem Ablauf der vorher genau eingeprobten Szene vor der gestrengen Ton. und Bildkamera. Der Hupenton des Boschhorns ist das Zauberzeichen des Tonfilmateliers, welches das wirre, tosende Durcheinander des ganzen Aufnahmebetriebes wie auf einen Schlag erstarren und verstummen läßt. Kein Laut, kein Schritt ist mehr zu hören, Gespräche brechen mitten im Wort ab, plumpe, vierschrötige Männer schweben in grotesker Grazie auf den Zehenspitzen zum nächsten Teppich, damit ihre Schuhe nicht knarren.

Oder den ganzen Riesenaufbau mit seinen hunderten haftenden, arbeitseifrigen Menschen legt sich für Minuten eine starre, fast feierlich gespannte Ruhe, feierlich während in einer kleinen Ecke der Aufnahmehalle im Kreuzfeuer mehrerer Kameras und Mikrophone ein zartes Wort gesprochen wird. Erst das „Abläuten“ des Boschhorns löst wieder den Bann dieses spannungsgeladenes Schweigens. - Die Feststellung mag paradox erscheinen, aber sie charakterisiert: es war nie lauter und geräuschvoller im Filmatelier als zu der Zeit, da der Film noch stumm war, und es war nie so still und geräuschlos bei der Aufnahme als zu der Zeit, da der Film die Fähigkeit gewonnen hatte, „laut“ zu werden. So wurde das Schaffen am Film von Grund auf revolutioniert, die neue Technik der Tonaufnahme diktierte neue Gesetze, stellte immer wieder neue Probleme, forderte neue Erfahrung. Es war ein langer, zäher und schwieriger Kampf, in dem es galt, neben den neuen künstlerischen Aufgaben, die von der neuen Technik gestellt wurden, die technische Apparatur selbst zu bezwingen und zu meistern. Die Furcht vor den Geräuschen, die einen ganzen Stab von Künstlern, Wissenschaftlern und Technikern in Bann hielt, war diktiert in allererster Linie von jenem feinen überempfindlichen hellhörigen Instrument der Tonaufnahmeapparatur, das wir das elektrisch Ohr der Tonfilmapparatur nennen möchten, dem berüchtigten, gefürchteten Mikrophon. Das Mikrophon Ist der erste Mittler bei der zu der photographischen Tonaufzeichnung erforderlichen Umwandlung der Schallwellen in entsprechende elektrische Ströme und damit Lichtschwingungen. Der Vorgang ist folgender: Die durch die auftreffenden Schallwellen in Vibration versetzte Membran des Mikrophons beeinflußt im Rhythmus bitter Vibration einen elektrischen Stromleiter derart, daß Stromstöße in der gleichen seitlichen Aufeinanderfolge wie der der Schallvorgänge entgehen. Diese Stromflöße, vergärtet, regulieren wiederum genau so exakt die der photographischen Aufzeichnung dienenden Lichtschwingungen. Es wurden natürlich im Laufe der langjährigen intensiven Forschungsarbeit zur Lösung dieses Problems des elektrischen Ohres die verschiedensten Prinzipien angewandt, die mannigfaltigsten Methoden entwickelt. Sie alle aufzuzählen oder in Einzelschilderungen ihrer technisch-historischen Entwicklung einzutreten, würde den Rahmen dieses Werkes überschreiten.

Reißmikrophon

Das Prinzip des Funktionierens eines Mikrophons sei hier nur kurz an zwei der gebräuchlichsten und technisch erprobten Mikrophontypen aufgezeigt. Zunächst die Kohlemikrofone, die uns schon vom Rundfunk her durch das Reißmikrophon bekannt sind. Die Wirkungsweise sei an der beigegebenen Zeichnung erklärt. In einem Marmorblock ist eine Vertiefung angebracht, in der sich ein Gemisch von Kohlekörnern verschiedener Größe befindet. Durch eine Gummimembran werden diese Körner unter einem bestimmten Druck gehalten. Treffen nun Schallschwingungen auf diese Membran, so werden die Körner mehr oder weniger stark zusammengepreßt. Je nach dem Druck kann mehr oder weniger Strom hindurchstießen, es entsteht somit ein Endstrom, der ein getreues Abbild der seitlichen Aufeinanderfolge der Schallvorgänge ist. Auf einem anderen Prinzip beruht das „Bändchenmikrophon“. Bei diesem hängt eine äußern dünne (etwa 2 tausendstel Millimeter starke) Aluminiumfolie zwischen den Polen eines Magneten. Die Schallschwingungen setzen dieses federleichte Bändchen in Bewegung, wodurch in letzterem auch wieder klanggetreue Ströme induziert werden. Selbst die bestausgeklügelte und durchkonstruierte Apparatur bleibt aber letzten Endes immer nur Maschine. Hierüber finden wir in Gert Grunwaidts geistvoller Abhandlung „Tonfilmproblem“ folgenden Vergleich: Ein Mensch hat zwei Ohren und ein Hirn. Ein Mikrophon hat ein Ohr und kein Hirn. Von Kindheit an hat man uns gelehrt, Geräusche zu unterscheiden. Wir werden mit ihnen bekannt, und wenn da nicht etwas Besonderes an einem dieser Geräusche ist, achten wir nicht mehr darauf und stellen sie sozusagen im Unterbewußtsein ab. Ein Mikrophon hat kein Hirn, um mit Geräuschen bekannt zu werden und sie dann in bestimmten Fällen wie ein Mensch ins Unterbewußtsein zurückzustellen. Und zwei und mehr Mikrophone machen es noch schlimmer, weil jedes von ihnen die Geräusche seines Hörbereiches in gleicher Weise für sich in abstrakter Genauigkeit aufnimmt und weiterleitet, ohne natürlich eine unserem Gehörempfinden entsprechende bewertende Verteilung vornehmen zu können.

Der Tonmeister bei der Aufnahme

So muss, um die Feinarbeit der Mikrophone voll nutzbar zumachen, noch vor der endgültigen photographischen Aufzeichnung der durch diese aufgenommenen und Umgewerteten Töne noch ein Arbeitsgang zwischen gehalten werden: die Läuterung des Tons in dem so genannten Tonmischraum, wo der Tonmischer oder Tonmeister seines schwierigen Amtes, der Tonprüfung, Überwachung und Regelung waltet, bevor er die von ihm zur Tonauszeichnung bestimmten und freigegebenen Energien (Stromstöße, Schallwellen) über den Verstärker zur eigentlichen Tonkamera weiterleitet. Die technische Notwendigkeit dieses komplizierten Arbeitsganges der Tonphotographie läßt uns nunmehr auch den Grund für das allen Tonaufnahmesystemen übereinstimmend zugrunde gelegte Prinzip der Trennung von Bild- und Tonaufnahme erkennen: Die Bildaufnahme in der Szene geht auch beim Tonfilm in grundsätzlich der gleichen Weise vor sich wie früher beim stimmen Film. Sie war und blieb direkt, unmittelbar. Die Tonaufnahme dagegen gelangt erst durch zwei Mittelstationen, erstens das Mikrophon und zweiten den Tonmischraum, zur dritten und letzten Station, wo sie erst endgültig auf den Filmstreifen gebannt wird. Erst bei der für die Wiedergabe des Tonfilms bestimmtem Positivkopie werden Bild- und Tonaufnahme vereinigt, in dem Bildnegativ und dazugehöriges Tonnegativ auf ein und dem selben Positivfilm kopiert werden.

Auf „offener Szene“ (an Objektiv und Mikrophon) gehen also die Wege vorn Bild- und Tonaufnahme zunächst auseinander. Das Bild, der optische Eindruck, wird sofort auf das Filmnegativ gebannt, während die Töne, d. h. die vom Mikrophon aufgenommenen Schalleindrücke, zunächst zum Abhör- oder Tonmischraum geleitet werden, wo sie am Mischpult vom Tonmeister Tonkamerareif gemacht werden. Der Tonmeister ist daher unter den schöpferischen Filmschaffenden eine der wichtigsten Persönlichkeiten, wenn er auch meist still und bescheiden, fast ungenannt im Hintergrund des Ateliers seine Arbeit verrichtet. Wohl kaum einer unter den Laien kann sich auch nur annährend einen Begriff der verantortuntgsvollen Arbeit dieses neuen spezifischen Tonfilmberufes machen. Sein Anteil an der Filmarbeit ist der akustisch bedeutsamste, denn kein Klang darf ohne seine wohlerwogene Zustimmung festgehalten und verwendet werden. Er leitet im Atelier die Anordnung der Mikrophone, erteilt den Darstellern akustisch-technische Anweisungen, verständigt sich mit Regisseur und Aufnahmeleitern. Ist so im Atelier alles nach den Erfordernissen der jeweiligen Szene in Ordnung, begibt sich der Tonmeister in den schalldichten Abhör- oder Mischraum, wo sich an Lautsprecher und Steuertisch (dem sog. Mischpult) die wichtigste Phase seiner Arbeit vollzieht. Hier gilt es, die aus dem Atelier kommenden akustischen Vorgänge, also die Mikrophonströme, abzufangen, zu prüfen, die verschiedenen gleichzeitig verwandten Mikrophone ihrer Lautstärke nach gegeneinander abzustimmen, kurz, den Ton zu korrigieren, bevor die Ströme den Weg durch die Verstärkerröhren zur Tonkamera fortsetzen.

Die Qualität der Aufnahme wird durch einen Kontrolllautsprecher kontrolliert. Vom Tonmeisterraum aus sind Signalverbindungen mit dem Atelier und mit dem Apparateraum geschaffen. Die Signaleinrichtungen funktionieren genau wie auf großen Schiffen. Man kann mit einer einfachen Hebelstellung Kommandos nach den verschiedenen Räumen geben, braucht also nicht immer das Telefon zu benutzen, das selbstverständlich für ausführliche Besprechungen auch vorgesehen ist.

Das Mikrophon am Galgen (Arbeitsszene aus „Der schwarze Husar“)

Die Signalgabe erfolgt geräuschlos, so daß man sich auch während der Tonaufnahmen verständigen kann. – Die Abhörprobe wiederholt sich so oft, bis der Tonmeister mit dem Ergebnis voll und ganz zufrieden ist. Ein Telefon übermittelt dabei dem Atelier seine Wünsche und Anweisungen. Die Klänge des Lautsprechers bringen zwar seinem Ohr ein Ergebnis, das er im Geiste auf die akustischen Verhältnisse eines normalen Vorführungstheaters übertragen muß, um den Eindruck des endgültigen akustischen Bildes zu erhalten. Dazu stehen ihm aber die praktische Erfahrung und die technischen Kenntnisse zur Seite, die ihm bei der Steuerung auch die Möglichkeit bieten, durch Regulierung der Obertöne die Qualität eines Klanges zu verbessern. Auf ein bestimmtes Verständigungszeichen des Tonmeisters hin beginnt dann die eigentliche Aufnahme der von ihm geprüften und genehmigten Klänge, also der jeweiligen Szene.

Das leicht transportable Mikrophon in Flaschenform (Arbeitsszene aus „Schloß Hubertus“)

Die Größe jedes einzelnen dieser drei ermöglicht es, daß alte Dekorationen für einen Film vor Drehbeginn fertig gestellt werden können. Das riesenhafte Gebäude bildet mit seinen zwölf hohen, die Außenwelt restlos absperrenden Außenwänden gleichsam ein Symbol für die ernste und konzentrierte Arbeit, die in ihm in den kommenden Zeiten zu leinen sein wird. So blieb im Kampf zwischen menschlichem Geist und widerspenstiger Materie auch diesmal wieder der Mensch Sieger. Die technischen Probleme waren bewältigt, die anfängliche furcht vor den Geräuschen überwunden. Man war vertraut geworden mit allen Geheimnissen des Mikrofons, man wußte Bescheid um die Neben- und Störgeräusche des Lebens und wie ihrer Herr zu werden. Die Mauern und ängstlich hermetisch geschossen gehaltenen Lore des Ateliers waren nicht mehr unüberbrückbare Grenzen des Bereichs der Tonaufnahmekamera. Der Vorstoß ins freie konnte gewagt werden, auch die Tonaufnahmeapparatur konnte auf Reisen gehen und stand ihrem älteren stummen Bruder, der Bildkamera, in nichts mehr nach bei dem zu allen Zeiten so wichtigen Merkmal des Films: der Außenaufnahme. An die hierzu verwendeten transportablen Aufnahmeapparaturen sind natürlich in Bezug aus eine einwandfreie Aufnahme von Bild und Ton zum mindesten dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Anlagen in einem Tonfilmatelier. Die Außenaufnahmen bereiten oft stärkste Schwierigkeiten. Die fahrbare Tonfilmapparatur wird nicht in alten fällen in Tätigkeit treten können. Sie muß versagen, wenn die Nebengeräusche im Freien stärker sind als das nur für den Tonfilm bestimmte Geräusch. Ähnlich wie beim Rundfunk wird man daher dazu greifen müssen, derartige Szenen mit künstlich hergestelltem Geräusche nachträglich im Atelier zu untermalen.

Zur Bewältigung der hierdurch gestellten technischen Aufgaben werden natürlich immer wieder neue Erfindungen und technische Verbesserungen entwickelt. So wurde in jüngster Zeit eine so genannte Einboxenaufnahmeapparatur geschaffen, die überall, im Freien wie im Atelier, verwendet werden kann. Es ist dies eine große fahrbare Kabine, in der die gesamte Tonfilmarbeit erledigt wird. Sie besteht aus schalldichten Material, so daß wechselseitige Störungen von Atelierarbeit und Tonaufnahme praktisch ausgeschlossen sind. Die Kabine ist in zwei Räume geteilt, wovon der eine Raum als Misch- und Abhörraum eingerichtet ist, während der andere Raum die eigentliche Tonaufnahmeapparatur enthält. Dieser Wagen kann überall dort eingesetzt werden, wo Tonfilmaufnahmen im Freien gemacht werden sollen, notfalls auch im Atelier.

Tonfilmaufnahmeorgan (Der Weg des Tones von seinem Ursprung bis zur Fixierung auf dem Filmband)

Die technischen Umstellungen in der Tonfilmarbeit haben schließlich noch einen neuen, spezifisch tonfilmischen Beruf geschaffen: den Tonfilmcutter. Wir wissen, daß Bild und Ton im Filmatelier auf zwei verschiedenen Tonfilmstreifen aufgenommen werden, die später auf einen Filmstreifen kopiert werden. Hier setzt die Tätigkeit des Tonfilmcutters ein, dessen Aufgabe nicht allein darin besteht. die Länge oder kürze einer Spielszene zurechtzuschneiden, die Aufnahmen aneinanderzukleben oder gar nur die beiden Zelluloidstreifen passend übereinander zulegen. Seine Aufgabe ist eine viel feinere, künstlerische die sogar ein gewisses dichterisches und Filmkompositorisches Einfühlungsvermögen erfordert. Er ist „eine Art Dichter mit der Schere“, der das Wort auf seine Wirkung hin zu montieren versteht, der den Bildern durch den Klang und dem Klang durch das Bild Rhythmus und Atmosphäre zu verleihen hat. In der großen Werkeinheit Autor, Regisseur, Schauspieler, Architekt und Tonmeister bedeutet er viel mehr als nur einen technischen Nachschöpfer. Sein Reich sind die zu jeher Filmfabrik gehörigen Schneideräume, in denen er an seinem „singenden Tisch“, einem Wunderwerk der Technik, auf dem Tonfilme wie in einem Miniaturkino vor unserem Ohr und Auge vorgeführt werden können, künstlerisch Feinarbeit leistet, nämlich die Tausende von Metern Ton- und Bildpositivstreifen in die richtige, den Intentionen des Regisseurs und des Autors entsprechende endgültige Form zu bringen, d. h. dem Kunstwerk „Tonfilm“ schließlich die Form zu geben, in der ihn dann das Publikum im Filmtheater sehen und hören soll. Einer der vielen ungenannten Mitarbeiter am Filmwerk also, von dessen Tätigkeit und künstlerischen Verantwortung für daß Gelingen des Gesamtwerkes wohl die wenigsten Laien sich eine Vorstellung zu machen vermögen und der trotzdem einer der wichtigsten Mitschöpfer und Künstler im Gesamtwerk Tonfilm!

Genug von der grauen Theorie! Wir fassen zusammen: Die Dekoration ist im Atelier aufgebaut. Alles ist zur Stelle und an seinem Platz. Es soll eine Szene gedreht werden. Die Darsteller beginnen in der Dekoration mit den Proben. Zuerst ohne Aufnahme. Der Tonmischer sitzt oben in jenem Abhörraum, von dem ans er die Szene in der Dekoration durch ein Glasfenster beobachten kann. Die Sprechnuancen, die Bewegungen und die Sprechrichtung werden jetzt festgelegt. Inzwischen ist die Bildkamera aufgestellt. Die letzten Sprechproben werden mit voller Beleuchtung vorgenommen. nachdem nun die akustische Linie der Aufnahme festgelegt ist, beginnt der Kameramann, die Bildkamera einzustellen, und die optischen Spielproben werden vorgenommen. Die letzte Hauptprobe findet statt. Der Bildkameramann und der Tonmischer sind einverstanden. Die Aufnahme kann beginnen. Das Licht wird eingeschaltet. Die Bildkamera ist eingestellt. Der Regisseur läßt Anweisungen zur Tonkamera geben. Tonkamera und Bildkamera sind synchron gekoppelt. Den Beginn der Aufnahme bestimmt der in einem besonderen Raum ganz von den Aufnahmen abgeschlossene Techniker im Tonkameraraum. Er schaltet den Aufnahmemotor an, Ton- und Bildkamera beginnen auf seine Weisungen synchron ihre Aufnahmen. Es läuft das Filmband in beiden Kameras. Der Ton wird von dem Mikrophon aufgenommen, geht über den Tonmischraum, wo der Tonmischer mit den Verstärkern sitzt. Er nimmt am Ton die notwendigen Veränderungen vor, um eine gleich starke oder auch abgestufte Tonaufnahme zu bekommen, und schickt ihn über den Verstärker pur Tonkamera, wo seine letzte Metamorphose zur Aufzeichnung auf dem Filmband vor sich geht.

Die hauptsächlichen Umwälzungen der bisherigen Arbeitsmethoden beim Übergang vom stummen Film zum Tonfilm sind diktiert worden von der Furcht vor den Geräuschen. Auch nicht die kürzeste Strecke der Aufnahmetechnik blieb ohne einschneidende Änderung- oder Erweiterung. Die gelinge Umstellung war ebenso groß. Sie beginnt bereits beim Manuskript. Bisher bildete das fertige Drehbuch nur die Unterlager für die Arbeit des Regisseurs im Atelier. Es ist oft genug vorgekommen, daß ein plötzlicher Regieeinfall während des Drehens ganze Szenenfolgen des Manuskripts geändert hat. Ebenso häufig war dass die Zusammensetzung des Films wesentliche Abwechslungen gegenüber dem Manuskript im Schnitt der Szenen und in den Titeln brachte. In Zukunft ist das unmöglich. Die Tonfilmaufnahme, kann weder während der Aufnahme verändert, noch darf sie im Schnitt gekürzt werden. Jede Veränderung nach Fertigstellung des Drehbuches würde eine Unterbrechung oder Zerreißung der den Film begleitenden Musik oder Sprache, bedeuten. Sehr wichtig bei Herstellung der Tonfilme ist daher die Stopuhr oder das Metronom.

Der Komponist mit Stoppuhr am tönenden Abhörtisch

Die Länge jeder einzelnen Aufnahme ist in völlige Übereinstimmung mit der begleitenden Musik oder Sprache zu bringen. Regisseur, Autor, Komponist und Kameramann haben sich bei der Herstellung des Drehbuches über die Länge und die Art jeder einzelnen Einstellung zu einigen. Es muß unbedingt schon am Schreibtisch die dramatisch wirksamste und knappste Form gefunden werden. Daraus ergibt sich, daß die Vorbereitungszeit für einen Tonfilm bedeutend umfangreicher gehalten werden muß. Aus den wenigen im vorstehenden behandelten Gedanken und Beispielen geht mit völliger Deutlichkeit hervor, daß die große Konzentrationsarbeit, die der Film an sich schon erfordert, beim Tonfilm noch gesteigert werden muß, da zu der Bildkomposition noch eine tonliche Komposition hinzugetreten ist.

Tonfilm-Operetten

Willy Fritsch und Lilian Harvey in "Liebeswalzer"

Die Bühnenoperette hatte zu Beginn der Tonfilmära ein immer ernsteres Gesicht angenommen. Sie wetteiferte an tragisch geschürzten Aktschlüssen mit dem Drama. Je mehr geweint wurde, desto zugkräftiger war das heitere Genre.

Der Tonfilm hat natürlichere Möglichkeiten als die Bühne, aus der Operette wieder jenen „ungezogenen Liebling der Grazien“ zu machen, der sich selbst nicht allzu ernst nimmt und darum in einer ernsten Zeit eine Dankbare Aufgabe zu erfüllen hat. Im „Liebeswalzer“ (1930) ist ein erster Versuch dieser Art gemacht worden. Wilhelm Thiele hat das Problem gelöst, das realistische Element des Films mit dem Charakteristischen der Operette zu vermählen. Er überließ dabei den Film die Führung. Oberstes Gesetz also: Auch die Tonfilmoperette bleibt filmbewegt!

Lilian Harvey war die erste Tonfilmoperettendiva der Welt: „Du bist das süßeste Mädel der Welt“. Beschämt konstatieren die besiegten Gegner des Tonfilms: Das jüngste Kind aus der Ehe von Technik und Kunst gedeiht prächtig und wächst seinen Paten, dem Schauspiel der Oper und der Operette, von Tag zu Tag mehr über den Kopf. Und in Amerika bekommen die Filmfabrikanten lange Gesichter. Die verfluchten Deutschen können sogar Tonfilme machen, auf jenen Fall Tonfilmoperetten. Aber nicht nur Amerika, die Welt horcht auf. Am Tage nach der Berliner Premiere packt nämlich die UFA zwei, drei Kilometer Zelluloid in eine Blechkiste, und vier bis fünf Wochen später strömt in Japan ein buntes Volk aus dem Nagasaki-Palace, und die niedlichen Tokioerinnen summen: „Du bist die süßeste Geisha der Welt“ ... Die musikalischen Gesetze einer Operette liegen nunmehr fest: Das optische Geschehen muß den Ton unterstreichen, und der Ton muß das Visuelle weitertreiben.

Walter Janssen und Gretl Theimer in „Zwei Herzen im Dreivierteltakt“

Nach dem Erfolg von „Liebeswalzer" verging kaum ein Tag, an dem sich nicht irgendein Produzent den Kopf zerbrach, wie er eine populäre Bühnenoperette am besten für den Tonfilm umschreiben lassen könne. Was man aber im ersten Jahr der Tonfilmära unter dem Namen „Tonfilmoperette“ vorgesetzt bekam, war im Vergleich gegen die edlen großen Schlager dieser Gattung, „Liebeswalzer“ und „Zwei Herzen im Dreivierteltakt“, Abstieg auf ein so tiefes Lindenwirten- Niveau, daß man schon beinahe jede Hoffnung auf Besserung verloren hatte. Aber man hatte sich getäuscht. Dieselben Männer, die seinerzeit den „Liebeswalzer" machten, überraschen in dem Film „Die Drei von der Tankstelle“ (1930) die Fach- Welt mit der ersten Operettenparodie, in der die süßliche Romantik der alten Operette einer neuen Schönheit gewichen war:

Oskar Karlweis, Willy Fritsch und Heinz Rühmann, die drei unzertrennlichen Freunde, aus „Die Drei von der Tankstelle“

die Gartenlaube aus Jasmin wird durch einen Kompressor ersetzt. Welche Wandlung: Der Alltag ist die Kulisse – in der sonst so unwirklichen Operette! Die drei von der Tankstelle sind die unzertrennlichen, vergnügten Sportskameraden (Willy Fritsch, Oskar Karlweis und Heinz Rühmann), die nach ihrem Vermögensverfall eine gut gehende Tankstelle gründen. Zu den ständigen Kunden zählt eine Konsulstochter (Lilian Harvey). Dieses vierblättrige Kleeblatt singt, lacht, tanzt, boxt, jagt und flirtet sich durch diele Operette hindurch, so elegant und leichtsinnig, daß man allen unbedingt gut sein muß.

Das neue in diesem Film war die Konsequenz in dem Operettenmäßigen und geradezu übermütigen Auf- und Ausbau der Handlung. Der Gerichtsvollzieher pfändet im Tanzschritt, in Steppschritten wird die Villa ausgeräumt, der Rechtsanwalt erledigt seine Post in Chansons, und alle toten Gegenstände werden lebendig. Alles wird musikalisch perfektioniert. Das Sprechen wird in Singen, das Autohupen in Musik umgesetzt. Alles geht spielerisch und rhythmisch ineinander über. Das bedeutet nichts anderes als die Entdeckung einer neuen deutschen Filmgroteske und die Höherentwicklung des Stils, den einst Ernst Lubitsch in seiner „Bergkatze“ schuf. Das bedeutet aber noch viel mehr: „Die Drei von der Tankstelle“ zeigen zum ersten mal nicht „vertonte“ Szenen, sondern „inszenierte Melodien“, „inszenierten Ton“, „bebilderte Musik“.

In Wilhelm Thiele haben wir den Regisseur, der diesen neuen Stil versteht und mit Routine charmant und flott durchführt. Hier haben alle bisherigen Bemühungen um eine stileigene Tonfilmoperette ihren Höhepunkt erreicht.

Unzählige Male hat man diesen Thiele-Film zu kopieren versucht keiner hat diesen Höhepunkt noch einmal erreicht.

Die Mode der Tonfilmoperetten wollte nicht abebben. Man blieb jahrelang auf einem Irrweg.

Solange der Operettenfilm aber immer nur vom Dialog und dem Chansons geführt wurde und die Photographie nur Begleiterscheinung blieb, d. h. die Kamera nur die Magd des Mikrophons war, mußte die Filmoperette von künstlerischen Gesichtspunkten aus abgelehnt werden.

Es gibt aber auch erfreuliche Überraschungen, so z. B. bei Bolvarys „Der Raub der Mona Lisa“ (1931), wo die Tondichtungen des Films die Bahn des Schlagers, der ganz auf Wort und Text eingestellt ist, verlassen und geradezu opernhafte Wege wandeln, die das Milieu der Tonfilmischen Kunst steigern.

Die Hoheiten und Prinzessinnen, die Majestäten und Potentaten sind für lange Zeit von der Leinwand nicht zu verscheuchen. Was in der „Liebesparade“ einmal, ein einiges Mal, durch eine virtuose, vollendete Regie gerechtfertigt wurde, ist allmählich zu einer deutschen Filmplage geworden. Daß die „Liebesparade“ von Lubitsch ein Dutzend Kinder bekommen würde, war bei der Mentalität der Filmindustrie selbstverständlich, hat ein Thema Erfolg gehabt, so wird dieses Thema nunmehr am laufenden Band jahrelang abgewandelt:

Käthe von Nagy und Willy Fritsch in „Ihre Hoheit befiehlt“

Auch die Filmoperette „Ihre Hoheit befiehlt“ (1931) leidet an der Starrheit der Schablone. Der Regisseur Hans Schwarz hat unbedingt sehr gute Einfälle, aber da ihm Wilhelm Thiele als Vorgänger im Wege steht, schafft er über „Die drei von der Tankstelle“ hinaus nichts neues.

Man nehme „Liebesparade“, „Der lächelnde Leutnant“, „Ihre Hoheit befiehlt“ und ähnliche Tonfilmoperetten, schüttelt sie tüchtig durcheinander, dann verdünne man die Mixtur, und man hat die Tonfilmoperette „Ronny“ (1932). Reinhold Schünzel hat ein puppenhaftes Duodezfürstentum aufgebaut nach bewährtem Muster, allerdings mit vielen reizenden originellen Einfällen: so die lebenden Rokokofigürchen im Schloßpark und die entzückende Bimmelbahn, die schnaufend und pustend, mit winzigen Fensterchen, einen Schornsteinchen und allen sonstigen Verzierungen – alles wie aus einem Kinderbaukasten – nach Perusa fährt (Architekt: Benno von Arent, ein homo novus für den Film).

Die ganze Handlung ist aufgelöst in Tanz, Gesang und Spiel. Die Ursprünglichkeit und Natürlichkeit der graziösen Erscheinung Käthe von Nagys und ihres zarten Wesens strömt auf die ganze Atmosphäre über und vor allem auch auf Ihren Partner Willy Fritsch, der erste Filmfürst ohne Uniform!

Am Anfang des Nationalsozialistischen Deutschlands hat die Tonfilmoperette ihre schärfsten und härtesten Gegner gefunden, und sie wollten ihr mehr als einmal den Todesstoß versetzen. Die interessantesten Bemerkungen über die Möglichkeiten der Operettenverfilmung nach dem 30. Januar 1933 sind in der Fachpresse (Georg Herzberg und Dr. Günther Schwark) der jeweiligen Zeit anzutreffen:

Verwerflich ist die Ansicht, daß jede erfolgreiche Bühnenoperette, deren Lieder und Musik dem Volk gefallen, auch für eine Vertonfilmung geeignet ist. Mit dieser Meinung entstehen nämlich nur Tonfilmoperetten mit dem berühmten Einleitungssatz: „Nach der gleichnamigen Operette von ...“ Das wirkt auf echte Künstler am Film wie ein rotes Tuch. Eine Tonfilmoperette ist erst erträglich, wenn sie möglich wenig Atelierluft zu atmen bekommt und in die Weiten der natürlichen Landschaft gestellt wird. Das ist eine wertvolle Anregung der Reichsfilmdramaturgen.

Schließlich muß die Bühnenoperette immer ins Optische des Films übertragen werden: Vereinigung des orgiastischen Kaleidoskops des Kameramannes mit dem feurigen Rhythmus der Musik zu einer zündenden harmonischen Wirkung. Auch die Filmoperette muß, wenn sie nicht Abklatsch der Söhne sein will, als selbständige Kunstform dem Bild her neu gedichtet werden, und die Bühnenoperette muß daher viel von ihrer Handlung und ihren Schlagern der Dynamik und Thematik filmischer Bildkomplexe opfern, immer eingedenk, daß schon die Sprache „Tonfilm“ sagt und nicht „Filmton“, und daß bei solchen zusammengefügten Wörtern stets der Grundbegriff an zweiter Stelle steht.

Das hohe C auf der Leinwand

De Tonfilm ist schon eine Errungenschaft! Man stellte sich doch nur einmal vor: Jan Kiepura, der Heldentenor der Mailänder Scala, oder Marcell Wittrisch, der berühmte Tenor der Berliner Staatsoper, fingen in Kötzschenbroda oder in Miesbach – nicht nur so ein paar Lieder oder Arien wie im Radio oder auf dem Grammophon, nein, einen ganzen Abend lang, und sogar „persönlich“. Der Großstädter hat kein Privileg mehr, der in seinem Opernhaus oder Konzertsaal die berühmtesten Sänger und Sängerinnen der Welt im Jahr ein paar Mal hören und sehen konnte. Diesen Genus hat der Hinterwälder jetzt auch, wenn er ins Kino geht. Die Fabel des „Sängerfilms“ befriedigt noch keineswegs. Jeder Sängerfilm ist bisher dem Star des hohen C förmlich auf den Leib geschrieben worden. Fasts immer trat der Tenor als Sänger auf, um sein vieles Singen im Film zu motivieren. Meistens fängt er auf einem Hof oder im einem Verein oder in den Weinbergen oder am Schraubstock – als „einfacher Mann des Volkes“ zu singen an, wird von einer reichen jungen schönen Dame „entdeckt“ und schmettert sich dann durch das Büro des Agenten über hundert und tausend Hemmnisse hinweg in den Konzertsaal oder auf die Opernbühne, wo es Lorbeerkränze und später Liebe regnet. Immer wieder dasselbe.

So wurde auch schon oft befürchtet, daß der Sängerfilm in einer Schablone erstarren und dadurch in den Ruf der „Langweiligkeit“ kommen wird. „Ein Sänger muß im Tonfilm vergessen, daß er ein Sänger ist. Sonst wehe ihm und den Produzenten.“ hat einmal Jan Kiepura sehr richtig gesagt.

Richard Tauber in „Das Land des Lächelns“

Es gab einmal eine Zeit, wo Tauber-Schallplatten zu Millionen gegossen und umgesetzt wurden. Das war 1930. Was lag also näher, als daß die Filmhersteller Anfang 1930 an das Organ dieses Sängers den Sieg des Tonfilms über den stummen Film zu heften versuchten. So entstand der erste tönende Tauberfilm „Ich glaub’ nie mehr an eine Frau“ (Regie: Max Reichmann, 1930), in dem noch alles filmische (Spieltempo und Bildrhythmus) zu kurz kam und nur Taubers Stimme und Lieder das Primäre und Bestimmende des Films waren. Dieser Film war noch ein Tasten, denn seine Herstellung fiel mit den ersten unsicheren Gehversuchen der deutschen Tonfilmproduktion zusammen. „Das lockende Ziel“ (Regie: Max Reichmann, 1930) dagegen ist nicht mehr nur Anlaß für „Tauber- Gesangeinlagen“, sondern Tauber ist hier schon um der Handlung und des Tonfilms willen auf der Leinwand. Taubers Stimme ist durch den Tonfilm „Das Land des Lächelns“ unverlierbar geworden (Regie: Max Reichmann, 1930), vertraute Klänge: „Dein ist mein ganzes Herz …“ das entzückende „Zu zweit beim Tee ...“ und das rührselige „Schau mein Gesicht, ich weine nicht ..." Ein Versuch von der verfilmten Operette zum Kinoschauspiel zu kommen, war „Die große Attraktion“ (Regie: Max Reichmann, 1931), ein Film aus dem internationalen Varietèleben, wo Tauber einen singenden Jazzbanddirigenten zu spielen hat, der zwar von Erfolg zu Erfolg, aber dennoch weltschmerzverloren durch die Lande zieht.

Lois Graveure

Es ist hier leider nicht Platz genug, aller Sängerfilme so Erwähnung zu tun, wie sie es verdienen. Charles Kullmann tonfilmte zum ersten Mal in „Die Sonne geht auf“. In dem Sängerfilm „Ich sehne mich nach Dir“ spielt Louis Graveure einen boxenden Sportlehrer, der es dank seiner Stimme zum Kammersänger bringt. Seit diesem Film nannte man ihn den „Sänger mit dem Bizeps“. Nicht immer war Graveure ein Sänger. Er stammt aus einer englischen Bürgerfamilie und wurde auf Wunsch seines Vaters Architekt. Mit dem heißen Drang, zur Bühne zu gehen und seine Stimme ausbilden zu lassen, Hat sich viel in der Welt herumgetrieben und soll eine Zeitlang auch Boxer gewesen sein. Eine einzigartige Karriere: von der Architektur zum Boxring, von hier zur Oper, dann zum Konzertsaal, vom Konzertsaal zur Operette und schließlich zum Tonfilm. Erst der Tonfilm hat in vielen Fällen vielseitige Begabung mancher Schauspieler und Sänger unter Beweis gestellt. So auch bei einem damals sehr bekannten, größten Opernsänger: Leo Slezak. Er, der in der Wiener Staatsoper den „Othello“ singt, der im „Rigoletto“ sein Publikum erschüttert, er hat durch den Tonfilm seine große Komikerbegabung entdeckt. Schon in seinem ersten Tonfilmen hatte er einen so starken Erfolg, daß er einmal ganz ernsthaft meinte:

„Wenn ich jetzt als Othello sterbe und es lacht keiner, dann werde ich sicher glauben, ich bin durchgefallen. So habe ich mich an meinen Lacherfolg schon gewohnt.“

Filmarten

Vergangenheit wird lebendig

Das Flötenkonzert Sanssoci)

Das Flötenkonzert von Sanssouci” ist der erste deutsche, wirklich historische, Tonfilm. Natürlich wurde es ein Fridericus-Film! Was könnte schöner und dankbarer für jedes deutsche Empfinden sein, als die Erinnerung an den größten Genius deutscher Geschichte im deutschen Volk im Rahmen eines würdigen historischen Filmgemäldes wieder wachzurufen. Bei der Stoffauswahl galt es vor allem einen Fehler zu vermeiden, der vielleicht auch einer der Gründe für den Tod des stummen Kostümfilms gewesen sein mag, nämlich den, Geschehnisse zum Gegenstand des Filme zu machen, die über eine lange Zeit gehen, und die dann zum historischen Bilderbogen statt zur dramatischen Verwicklung verleiten. Man entschied sich für eine Episode, die sich in einer möglichst kurzen Zeit – in diesem Fall in 48 Stunden – abspielt. Es galt in dieser kuren Episode Spannung und Gegenwartsnähe zu erzeugen, Menschen hinzustellen, die uns nicht verstaubt in ihren Kostümen und Perücken anmuten, es galt aber auch die große historische Zeit einzufangen, sie auf den Beschauer wehen zu lassen, es galt, „Das Flötenkonzert von Sanssouci“ fest in die Episode hineinzuverweben, es galt schließlich das Wichtigste: den König selbst so in die Handlung hineinzustellen, daß seine Person direkt oder indirekt die Triebfeder für alles Geschehen war. Lange Überlegungen erforderte der Auftritt des Königs. Es war klar, daß es im ersten Augenblick gerade im Film fremd und eigentümlich berühren mußte, Friedrich den Großen sprechen zu hören. Jeder hat sich irgendwie einen Begriff gemacht von der Stimme und Sprechweise des Königs, und sehr leicht könnte hier eine Enttäuschung platt greisen, so der König in einer Szene mit längerem Dialog eingeführt worden wäre.

Hans Rehmann und Renate Müller in "Das Flötenkonzert von Sanssoci“

So mußte man ganz allmählich das Ohr vertraut machen und kam darauf, den König, langsam durch die kleine Gemäldegalerie schreitend, stumm einzuführen, kein Wort fällt, von weitem nur tönt das Glockenspiel der Potsdamer Garnisonkirche, nichts sonst. Dann aber sprach der König. Er konnte ja nicht reden, wie es uns vielleicht gepaßt hätte, sondern man musste ihn das reden lassen, was er wirklich gesagt hat. Man konnte also nicht verzichten auf die vielen historischen Sätze, im Gegenteil, man mußte sorgfältig darauf Bedacht nehmen, sich möglichst nahe an die Historie zu halten.

Die Regie von Gustav Ucicky hat aus der vielseitigen Fülle des historischen Komplexes ein einheitliches, auch in seiner Spannung unübertreffliches Werk geschaffen. Dem Friedrich hat Otto Gebühr auch hier wieder eine herrliche Gestalt und Sprache verliehen. Frans Rehmann ist der weder Gott noch den Teufel fürchtende Major. Tatmensch, der sich völlig der großen Sache verschreibt, als zuverlässiger Offizier die Stafette reitend, mehr auf dem Rücken des Pferdes zu Hause als bei seiner Frau. Wie sagt Friedrich im Gespräch mit der jungen, abirrenden Frau? „Er vertauschte den Degen mit der Gitarre und blieb doch ein guter Soldat.“ Rehmanns Spiel überzeugt von der ihm innewohnenden Kraft zu übermenschlichen Leistungen, von seiner unbedingten Treue und seinem unerschütterlichen Pflichtbewußtsein. Renate Müller als seine Frau: liebliche Schönheit, die so echten Frauentums und bester Vorsätze der Führung des Mannes bedarf, weil sie, mit dem Feuer spielend, sich sonst verbrennt.

Lil Dagover und Otto Gebühr in „Die Tänzerin von Sanssouci“

Sie ist die Trägerin der dritten Hauptrolle und behauptet sich durch ihre abgewogene Kunst der Darstellung gegenüber Gebühr und Rehmann. Berlin in Kulturkampf und Straßenrevolte. Am selben Abend, an dem der Kampfausschuß gegen die Zensur für Döblins „Ehe“ und den Film „Im Westen nichts Neues“ zeugte, erlebte der neue Fridericus-Film „Das Flötenkonzert von Sanssouci“ seine stürmische Berliner Premiere: Saalschlacht im UFA- Palast am Zoo! Die zahllosen Episoden, die die Annalen Friedrichs des Grossen verzeichnen, lassen sich immer Meter szenisch variieren, und der Regisseur Friedrich Zelnik hat dann in „Die Tänzerin von Sanssouci“ auch so ziemlich alles zusammengetragen, was den Charakter dieses Preußenkönigs kennzeichnet. Es war keine Liebschaft zwischen dem König und der Tänzerin. Ganz klar steht am Ausgangspunkt des Films: „Meine Feinde mögen glauben, ich vertrödele die Zeit mit Liebeleien.“ Es mag sein, dass die Tänzerin den König geliebt hat, aber der zielklare König hat doch von Anfang an nicht an solche Tändeleien gedacht. Otto Gebühr, der wieder den Friedrich spielt, hat in Maske, Gestalt und Geste verblüffende Ähnlichkeit mit den Bildern, die uns vom König überliefert sind. Lil Dagover bringt nur Schönheit und Eleganz mit. Ihr Spiel ist von gekünstelter Kälte. Eine internationale Tänzerin, der sich Könige in Preußen, Italien und England zu Füßen legen, sollte zum allermindesten tanzen können. Es bleibt bei der Dagover jedoch nur bei einigen rhythmischen Gehversuchen. Die Geschichte des unglücklichen Barons von der Trenck wurde zum Gegenstand vieler Abhandlungen und Romane. Dem Film „Trenck“ liegt der Roman Bruno Franke zugrunde, der in einer Hause für Filme aus der Zeit Friedrichs des Großen natürlich auch auf der Leinwand erscheinen musste. Alles Licht der Filmhandlung wird auf diesen Helden und seine Liebe zu Amalie der Schwester Friedrichs des Großen, konzentriert.

Ein seltsamer Schluß: Nach 30jähriger Trennung überreicht Trenck der Prinzessin Amalie das Buch seines Lebens mit der Widmung : „An den Geist Friedrichs des Einzigen.“ Hans Stüwe ist mehr Prinz von Homburg als Trenck, etwas zu theatralisch, aber in kleidsamen Kostümen Liebling der Frauen. Dorothea Wieck bietet ein schönes unbewegtes Bild als Prinzessin Amalie, die der Sehnsucht und Melancholie verfallen ist, eine kühle und stolze Schönheit als liebende Äbtissin am Schluß des Films.

Theodor Loos und Dorothea Wieck in „Trenk“

Stark und eindringlich Theodor Loos als Friedrich der Große im Kampf gegen das Filmbild des großen Königs, das uns Otto Gebühr nun einmal für immer aufgezwungen hat. Hier steht ein neuer Fridericus Rex! Ein manchmal irrender, ungerechter Monarch. Das ist aber gerade der Vorzug dieses Films, daß sein Fridericus auch gallig, tyrannisch und ungerecht sein kann. Bei Bruno Frank handelt es sich gerade um diese Unmenschlichkeit des großen Königs, der als rachsüchtiger Familiendespot einer so unbegreiflichen Machtjustiz an Trenck fähig ist. „Wir wollen einmal einen richtigen Fridericus-Rex-Film machen, einen Film, der den Alten Fritz nicht als Figur einer sentimentalen Operette, sondern als wetterfesten Soldatenkönig zeigt, so wie die Legende ihn sieht.“ Mit diesem Gespräch zwischen Carl Froehlich, dem Regisseur, und Otto Gebühr, dem Darsteller, begann die Arbeit an dem Filmwerk „Der Choral von Leuthen“.

Es wurde zuviel versprochen. Die Liebesaffäre und Kriegstrauung zwischen dem etwa preußischen Husaren-Rittmeister und einer österreichische Komteß auf Schloß Lissa vor, während und nach der Schlacht bei Leuthen ist in diesem Film die übliche Magazingeschichte mit „happy end“, die das Ganze unernst macht und schädigt. Nur Otto Gebührs große schauspielerische Leistung hat verhindert, daß die kleinen Varianten das Grundthema überwucherten, und daß das gerettete Schloßfräulein fast wichtiger würde als der gerettete preußische König.

Die preußischen Soldaten sind vorzüglich gesehen, Landesknechttypen mit Galgenhumor und „Berliner Schnauze“, keine Idealisten, sondern harte Burschen einfachen Geistes und Herzens. Und dann Friedrich. Von dämonischer Kraft der Konsequenz besessen, ein Mensch, der einen Weg gewählt hat und ihn nun durchhält bis zum Erfolg oder bis um Untergang, immer von ätzender Klarheit über seine Lage erfüllt und deshalb Unendliches leidend, trotzdem zäh und ungebrochen, unerbittlich gegen seinen Körper, so stellt den großen Friedrich Otto Gebühr lebendig vor uns hin.

Otto Gebühr als Alter Fritz in "Der Choral von Leuthen"

Obwohl die Ereignisse schon mehr als zwei Jahrhunderte zurückliegen, als der Film gedreht wurde, war es zu diesem Zeitpunkt im Geiste doch ein aktueller Stoff: ein einziger Kopf, der für alle sorgt, der sich keine Ruhe gönnt, die Wankelmütigen anspornt, die Mutigen vorwärts treibt – sowie die Zeit des Nationalsozialismus.

„Yorck steht uns heute, da wir in einer ähnlich bedrängten Zeit leben, mit jenem Freiherrn vom und zum Stein am allernächsten. Seine Treue war auf die Sache, nicht auf die Person gerichtet. Und wo sie mit der Person in Konflikt geriet, entschloß er sich zum Rebellentum und für die Sache. Wäre sein kühner Handstreich mißlungen, man hätte ihn vermutlich für sein ferneres Leben auf die Festung geschickt oder, was wahrscheinlicher ist, ihm seinen Kopf vor die Füße gelegt. Das wirkt auf uns außerordentlich sympathisch und erweckt fast verwandtschaftliche Gefühle in unserer Zeit in der jeder anständige Mensch geistiger Rebell ist.“ schrieb einst der „Angriff“ über „Yorck“.

Werner Krauss formt in seinem ersten Tonfilm "Yorck" (1931) der Kernfigur des preußischen Schicksalssymbol, wie er nach des großen Friedrich Tode tragisch und ganz vergeistigt aufwuchs: Yorck. Im Yorck-Film erscheint dieser Magier der mimischen Verwandlung als ein neuer Preuße, als ein neuer Wissender um die großen Notwendigkeiten der Wandlung des Gehetzes. Auch Yorck muß von dem herkömmlichen Gesetz abweichen, muß es brechen, um ein höheres zu erfüllen: das Gesetz, nach dem er angetreten. Hier steht der umgekehrte Wallenstein: Er will nicht über seines königlichen Herrn Befehl und Vertrag hinwegschreiten, dem Siege und der Freiheit zu – im Gegenteil: er lehnt es ab, sich souverän zu machen. Und muß es doch in einem Augenblick der höheren Treue – zum Schicksal. Das alles muß in dieses Mannes Auge liegen, in diesem den das Lichtbild auffängt und zu Millionen weiterträgt.

Rudolf Forster als Friedrich Wilhelm III. in „York“

Oft hat man damals im Filmprogrammheft gelesen: Der König Rudolf Forster. Wenn man ihn dann auf der Bühne sah, dann war das immer irgendwie ein Einsamer, wie Könige sind. Aber auch wenn Forster in anderen Masken vorüberschritt – immer war er ein Einsamer in seinem Reiche, ein König. Er wurde der Königspieler im Scheinreiche der Mimen, er beschwor ein Königtum, daß es nicht mehr gab, er war der „Souverän“ kraft seiner Haltung, einer Gebärde, eines Kostüms oft nur; aber er war immer imponierend einsam und herrschgewaltig, selbst wenn es eine verzweifelte Situation war, in die ihn der Dichter stellte. Und nun sehen wir ihn wieder als einen der einsamsten Könige im Film, als Friedrich Wilhelm III. im „Yorck“-Film. Hier wird der reifende Forster, der Königspieler, nun ein anderer, ein Preuße ein Fürst, dem ein fast zu schweres Schicksal auf die Schultern gelegt ist. Dieser König spielt nicht mit der Macht, spielt nicht mit den kühnen Gedanken einer neuen Zeit, die um ihn herum anbricht, träumt nicht von einem Reich, das er stiften will, kennt keinen Machthunger und keinen Glaubenskampf. Dieser König ist ein gerader, stiller Mensch, der die Tragödie seines Preußen tiefgebeugt erleidet und auch im tiefsten Fall von seinem Gott nicht läßt der ihm gebietet, Verträge zu halten, auch wenn der Feind sie ihm aufgab. Dies ist der fromme und geduldige König, der nur die Pflicht kennt und den stillen Stolz, die Würde der Krone. Forster formt den Preußenkönig mit seinen königlichen Mitteln - ganz verhalten- ganz in sich gekehrt, ganz entsagend dem Fitten und der großen Geste der Mimen, wir sehen ihn an der Hausorgel Bach spielen, wir sehen ihn beten, wir sehen ihn in unseren Kampfe mit seiner schlichten Frömmigkeit, als es gilt, einen Vertrag zu brechen. Förster bleibt auch hier der Meister des Königsspiels, aber er zeigt uns eine neue Seite. Sein Friedrich Wilhelm ist auch einsam, auch voller Hoheit des wahrhaften Königs, aber er ist es in der Stille eines großen Leids, einer tiefen Gebeugtheit. Gustavv Ucicky hat seinen Schauspielern Werner Krauss und Rudolf Forster den Geist von 1812 heraufbeschworen ... Was dieses Schauspiel vom Mut der Verantwortung so besonders ergreifend macht – „wunderbar wird Gottes Ratschluß gerade am widerwilligen Werkzeug offenbar“: was Yorck getan, war ja ein Stück im Stile Blüchers, Steins, Gneisenaus, Arndts, im Stile aller derer, die – eigentlich der Teufel holen sollte, der höchst verdächtigen „Modernen“, der „Jakobiner“ und Revolutionäre, jener Schwarmgeister, die hinter die Heiligkeit der ererbten Gewalten und Werte kühnlich ihr Fragezeichen setzen für eine neue deutsche Menschheit, die, mit dem fatalen Stein zu sprechen, Bürger geworden aus Untertanen!

Um so seltsamer mutet es an, daß vereinzelt auch Männer von untadelhaft nationaler Gesinnung an dem Film glauben herummäkeln zu müssen. Es sind vor allem „Zünftigen“, und ihre Historikerherzen sind voller Groll darüber, daß die Regisseure und Schauspieler sich nicht mit aller peinlichen Genauigkeit an den geschichtlichen Verlauf der Tauroggener Konvention haben binden lassen. Man kann sich einer gelinden Heiterkeit nicht erwehren, wenn ein gelehrter Geschichtsforscher diesen Yorck, diesen Stein und alle diese eiserenen preußischen Offiziere die uns heute als nationalbewußten Menschen zu Stürmen der Begeisterung hinreißen wie die Schuljungens abkanzelt, die ihre Lektion nicht genau gelernt haben. Das ist schon fast so, wie wenn im Weltkrieg mal ein hinter der eisernen Wirklichkeit etwas zurüdegebliebener schrulliger Magister noch dann mit der Grammatik seinen Primanern drohte, wenn diese schon – das Deutschlandlied auf den Lippen – in den Granatenhagel hineinmarschierten. Es ist ein echter Gesinnungsfilm geworden in des Wortes höchster Bedeutung. Die Gesinnung, die daraus spricht- eure: über alles das Vaterland! Man ging hier konsequent vor und hat offen Farbe bekannt, im Gegensatz zu anderen Pseudogesinnungsfilmen, die mit Rücksicht auf die verschiedenartige Zusammensetzung des Kinopublikums niemand verärgern wollten und dann „klugerweise“ die Gesinnungen 50:50 mischten. Wie Weltgeschichte gemacht wird, zeigt dieser Film, und man muß seinen Schöpfern danken, daß sie den Mut fanden, gerade heute dem deutschen Volk ein Werk vorzusetzen, das nicht in Schönreden, sondern voll Tat und Aufrichtigkeit zu ihm spricht und in zeitfernen Bildern vielleicht an die Probleme unserer Tage erinnert.

Die elf Schill’schen Offiziere“. Rudolf Meinerts Neigung gehört seit langem einem starken großen Stoff, der in der nationalen Heldengeschichte seinen Platz hat und die Herzen der Deutschen bewegt: das Schicksal der elf Schillschen Offiziere. Vor Jahren (1926) hat Meinert den gleichen Stoff in einen stummen Film umgegossen. Heute stehen wir nun im Zeichen des Tonfilms. Trotz der neuen Möglichkeiten ist dem Regisseur schließlich aus dem großen Stoff doch nur ein Film der alten handwerklichen Schule gelungen, nur ein Bilderbogen aus historischer Reportage, theaterhaft und verniedlicht. Frankreich war immer ein grausamer Henker, wenn es galt, deutschen Freiheitswillen niedererhalten. Schlageter und die Ruhropfer sind Blutzeugen dafür; vor mehr als hundert Jahren waren es die Schillschen Offiziere, die in Wesel gemordet wurden. Im Tonfilm stehen sie nun noch einmal auf. Mit der Figur Schills hätten der Filmdichter, der Regisseur, die Schauspieler und die Herzen der Kinobesucher aufgewühlt werden können. Nichts von alledem: die Figur Schills ist Nebenbeifaktor, die Historie flüchtig nachgemalt. Im Mittelpunkt steht, mit schwacher Beziehung, die Familienwelt eines preußischen Adligen und das Liebesidyll zwischen einem Schilleutnant und seiner Base.

Will Domgraf-Faßbaender als Theodor Körner

Erst später mündet die Handlung voll in ihr Thema ein, mit der Erschießung der tapferen Offiziere. Kurz vor dem Schuß wird der Film noch schnell ein Volksstück im besten Sinne des Wortes. Wenn deutsche Jugend der Zeit von 1813 gedenkt, dann grüßt durch Alter und Frische der Begeisterung am engsten verbunden, leuchtend das Bild des jungen Lützowers herüber: Theodor Körner. Des jungen Studenten und rasch berühmt gewordenen Dichters, der die Braut und eine glänzende Stellung am Wiener Hoftheater verließ, um zur Fahne zu eilen. Carl Boese inszeniert diesen Lebensabriß von der Studenten- über die Wiener Zeit bis zum Tode seines Helden in zahllosen Einzelbildern. Die Kritik hat den Film „Theodor Körner“ aber stark zerzaust:

„Manche Szenen kann man nur als läppisch bezeichnen, am schlimmsten in der Theodor Körner mit seiner Braut Toni Adamberger beim preußischen Gesandten in Wien zu Gast ist- da beide sich vor Liebe nicht zu lassen wissen, wirft Toni ihr Taschentuch zu Boden, beide kriechen unter den Tisch und küssen sich herzhaft, während der am Tisch sitzende Gesandte natürlich nichts merkt. Und das in einem deutschen Heldenlied.“Fritz Olimsky

Leider hat man auch hier erst in den Schlußszenen das richtige Kolorit getroffen. Der Entsetzensschrei der Toni Fee Amberger, dargestellt von der schön en Dorothea Wieck, bei der Nachricht vom Tode des Geliebten, ließ die Menschen im dunklen Kinohause zusammenfahren. Und bei Lützows Abschiedsworten an den Freund griff so mancher verstohlen zum Taschentuch. Willi Domgraf- Faßbaender gibt den Helden mit Haltung und verträumter Sinnlichkeit, nur entspricht er in Maske und Spiel nicht dem Typ des deutschen Heldenjünglings, wie unsere Jugend sich einen Theodor Körner vorstellt. Die Zeit von 1807 bis 1813 wird lebendig gemacht, vom Kampf um Lübeck an bis zu dem Sieg der Verbündeten über Napoleon bei Leipzig. In der Mitte dazwischen steht der volkstümlichste aller preußischen Generale: der Haudegen Blücher. Um ihn herum Napoleon, Kaiser Franz, Zar Alexander, der preußische König, Metternich und Yorck, Hardenbers und Scharnhorst in Geschichte und Anekdoten. Heinz Paul hält diese vielen Figuren mit starker Hand zusammen, ohne aus ihnen mehr als Marionetten in gespenstischem Theater einer beschworenen Vergangenheit zu machen.

Paul Wegener als „Marschall Vorwärts“

Der künstlerische Wert des Films liegt in der geisterhaften Bewegung der Massen. Der Film schweigt mit großen Komparsenheeren in Schlachtenbildern: der erbitterte Kampf um die Tore von Lübeck und vor allen Dingen die Völkerschlacht bei Leipzig. Die Kampfszenen lassen an Realismus nichts zu wünschen übrig und sparen nicht mit Pulverdampf. Major Georg von Viebahn war militärischer Berater. Paul Wegener ist ein rein menschlicher Blücher: ehrlich und brav, polternd und knorrig, ein Patriot und Soldat. In seiner äußeren Erscheinung ähnelt er nicht dem Marschall Vorwärts, den wir von der Schulfibel her kennen, wohl aber in seinem Wesen. Wegener hat nach Jahren expressionistischer Darstellungsmanier endlich wieder zu sich zurückgefunden. Keine belanglose Liebesgesandte versucht, die historischen Ereignisse den üblichen Erfordernissen der Filmhandlung anzunähern. Mit dem Film „Marschall Vorwärts“, der einfach, hart, männlich, unsentimental ist, beginnt daher eine neue Ära des patriotischen Films: die Überwindung des patriotischen Kitsches.

Tönende Kriegsfilme

Szenenbild aus dem Film „1914“ (Albert Bassermann als Reichskanzler Bethmann-Hollweg)

Es ist in den 30er Jahren ein Buch von Alois Funk „Film und Jugend“ (1934) erschienen, das den Film in zahlreiche Filmarten aufteilt. Es klassifiziert die Filme weniger nach den Inhalten als nach einigen Grundhaltungen der Seelen der Kinogänger. In dieser Einteilung steht an erster Stelle der „dynamische Film“. Unter diesem Sammelnamen werden alle Filme zusammengefaßt, in denen das Kraftvolle, Heldische und Starkbewegte im Vordergrund stehen. Dazu rechnen zunächst die nationalen Filme und Kriegs- Filme, dann aber auch unter bestimmten Bedingungen die Kriminal- und Sensationsfilme. In den nationalen Filmen findet das heldische Moment natürlich seinen reinsten und stärksten Ausdruck. Bei den patriotischen Stoffen im deutschen Film ging es teils um Darstellungen aus der preußischen Geschichte, die Friedrich der Große gemacht hat, oder aus den Befreiungskriegen, nicht zuletzt um Geschehnisse aus dem ersten Weltkrieg.

Szenenbild aus dem Film „Douaumont“

G. W. Pabst hat den ersten tönenden Weltkriegsfilm „Westfront 1918“ geschaffen und mit Bildern, Sprache, Tönen und den vier von der Infanterie (Friz Kampers, Gustav Dießl, H. J. Moebis und Claus Clausen) die tragischste aller Tragödien einer Nation zu einem Filmwerk verwirklicht: draußen an der Front und daheim. Es geht um das Jahr 1918. Massentod, Massenhunger, Massenverelendung. Auf schwache Nerven wird keine Rücksicht genommen. So wird dieser Kriegsfilm ein Zeugnis gegen den Krieg überhaupt. Ein Hauch des Entsetzens weht aus diesem Film, der in seiner Endwirkung recht stark an den Remarqueschen Pazifismus erinnert. In seinem „Dokumentfilm“ „1914“ hat sich Richard Oswald auch auf politischem Gebiet als Konjunkturritter versucht. Den Spender wissenschaftlicher Aufklärung von einst „interessieren“ plötzlich die leeren Tage vor dem Weltbrand. Standen ihm für Abtreibung, Homosexualität und Syphilis im Film einst Magnus Hirschfeld und Iwan Bloch zur Seite, so muß ihn jetzt Dr. Eugen Fischer, der damalige Schriftführer des Reichstagsausschusses zur Erforschung der Kriegsschuld, beraten. Oswald ging gleich wieder aufs Ganze, so daß die Erstfassung der „kritischen 39 Tage“ von der Zensur verboten werden mußte. Der verbotene Film wurde [?] und die Entstehungsgeschichte des Weltkrieges „objektiver und neutraler“ geschildert.

Der Film hat keine Handlung. Er ist nur ein trockener, flüchtig hingeworfener Querschnitt durch amtliche Dokumente, durch die europäischen Kabinette. Oswald verläßt sich in seinem Mangel an Regiekunst wieder einmal auf seine prominenten Schauspieler: Reinhold Schünzel als Zar, Lucie Höflich als russische Kaiserin, Albert Bassermann als deutscher Kanzler, Oskar Homolka als Sasonow und Heinrich George als Jean Jaures und andere. „Douaumont“. Douaumont, das vielgenannte Fort aus dem Festungsgürtel um Verdun, ist schon deshalb typisch für den Weltkrieg, weil darin Deutsche und Franzosen kämpfen, die zahllosen Hilfskämpfer der Entente nicht in Erscheinung treten, und dadurch spürbar wird, um welche Tatsachen es eigentlich in dem Weltkrieg ging. Gerade dieser Ausschnitt, der sich bewußt auf das Dokumentarische beschränkt, läßt die tiefe Symbolik der Kämpfe erkennen.

man weiß, daß fort Douaumont, das vor dem Kriege für genau so unerstürmbar gehalten wurde wie jeder andere Festungskops von Verdun, durch einen kühnen Handstreich genommen wurde, dessen Leiter Hauptmann und Leutnant Radtke waren. Die beiden haben sich bei den Aufnahmen, deren Produktionsleitung in den Händen von Karl Günter Panter lag, zur Verfügung gestellt. So wurde ein Dokumentenfilm daraus, für dessen Regie Heinz Paul, der schon in einem U-Boot-Film seine Begabung für historische Stoffe bewies, sein Können einsetzte. Es galt, nichts als die schlichte Wahrheit ohne schmückendes Beiwerk zu berichten. Aber diese Wahrheit ist riesengroß, ist eine heroische Ballade von Tapferkeit, Helden- mut, Manneszucht, Treue Vaterlandsliebe und Opferfähigkeit. Es ist der Film der vielen unbekannten Solldaten, die auszogen, ihre deutsche Heimat zu verteidigen.

Wir alle wissen es aus der Geschichte, wie unter der Leitung von Hindenburg und Ludendorff unsere tapferen Feldgrauen den vernichtenden Schlag gegen die weit stärkeren Russen an der Masurischen Seen ausführten und Ostpreußen vor den Eindringlingen retten konnten.

Ludendorff, Hindenburg und Oberstleutnant Hoffman in dem Film „Tannenberg“, dargestellt von Schauspielern.

Heinz Paul, sonst ein Spezialist, ein Routinier in Kriegsfilmen, wie er mit „Douaumont“ bewiesen hat, hat mit „Tannenberg“ einen schwachen Film gemacht: filmische Nachkonstruktion eines Schullesebuchs, reportagemäßig, didaktisch. Wo ist hier vor der der grandiosen Kulisse das hinreißende dramatische und vor allem das bewegte filmische Element? Die Schlacht Tannenberg wurde in Wirklichkeit durch die heroischen Märsche der Truppen gewonnen. Die graphischen Karten des Majors Georg von Viebahnn im Film zeigen es. Die Filmbilder zeigen es nicht. Dafür zeigen sie eine belanglose novellistische Spielhandlung mit Hans Stüwe als Ulanenrittmeister und Gutsbesitzer, Käthe Haack als Gattin, Hertha von Walther und Viktor de Kowa als Liebespaar.

Es gehört ein ungewöhnliches Maß von Takt dazu, Männern der Gegenwart, deren Name und Bild ihren Mitmenschen als heiliges Symbol großer Taten fest ins Bewußtsein eingeprägt sind, der Maske und Gebärde von Schauspielern in einer Weise anzuvertrauen, daß aus ihnen Kein Zerrbild wird. Ganze Teile des Films, die den deutschen Reichspräsidenten, Generalfeldmarschall von Hindenburg, zum Gegenstand hatten, sind daher der Zensur zum Opfer gefallen, so blieb man vor dem Peinlichsten bewahrt.

Szenenbild aus „Kreuzer Emden“

Der Film "Kreuzer Emden" (Regie: Louis Ralpf) ist 1926 als stummer Film gedreht worden der in Form einer rekonstruktiven Reportage die welthistorischen Fahrten des Bremers „Emden“ von seiner Ausfahrt in Kiel nach den gelben Gewässern bis zu seiner Versenkung vor Keeling Island wiedergab.

Die fortgeschrittene Tonfilmtechnik ermöglicht es schon Anfang der 30er Jahren, zu Wasser und zu Lande, über der Erde und unter dem Meeresspiegel Tonaufnahmen zu machen. Deshalb sah man sich veranlaßt, die stumme Fahrt der „Emden" tonfilmisch etwas aufzufrischen, wo- bei man bewußt auf jede Ausschmückung, auf jede künstlerische Steigerung und Konstruktion dramatischer Ereignisse verzichtet hat. Man wollte den Helden unterer „Emden“ ein filmisches Denkmal setzen, indem man die Taten sorgfältig und sachlich rekonstruierte.

Adele Sandrock und Rudolf Forster in „Morgenrot“

Der Film dient der Erinnerung. Er will ein ernstes, schönes und bei aller Tragik stolzes Dokument des Ruhmes sein, der über der deutschen Flagge stand, wo sie während des Krieges auch wehen mochte, ob in Tsingtau oder am Skagerrak, ob vor Verdun oder im tiefsten Rußland. Der U-Bootfilm „Morgenrot“ ist nur ein Ausschnitt aus dem großen Drama zwischen 1914 und 1918, nur das Stückchen Schicksal eines einzigen Unterseebootes im Weltkrieg; aber die ganze Stimmung von damals ist darin, als Begeisterung der kleinen deutschen Stadt und als spröde und todesverachtende Luftigkeit der U-Boot Leute. Ein Kriegsfilm! Kleine deutsche Stadt im Jahre 1915. Ein paar Frauen, ein paar tapfere Männer. So war es! So wenig pathetisch, so simpel, so voller Angst, Stolz, Courage! Das Warten auf Nachrichten, das Großwerden der Fingen, daß langsame Erblassen in vielen Nächten ...

Wir sehen die Kleinstädterinnen, ein paar Frauen gleichsam wahllos aus der Millionenmenge des Volkes gegriffen und ein wenig ins Licht gerückt, ohne Beschönigung, ohne das verlogene Heldischsein gewisser Kitschdarstellungen.

Rudolf Forster am Periskop in dem U-Boot Film

Da ist die Mutter, die schon zwei Söhne verlor und wegen des dritten ein Gesuch um Befreiung vom Kriegsdienst einreicht. Es ist die Mutter, die sich auflehnt, weil sie nicht mehr anders kann. „Mutter“, sagt der Sohn, „was ist wichtig? Das Leben? Wir wissen’s nicht. Das Unwichtigste halten wir für wichtig. Und das Wichtigste sehen wir gar nicht. Vielleicht ist der Tod das einzige Ereignis im Leben.“ Da ist die andere Frau, junge verliebte Ehefrau, mit dem schalkhaften Lachen, das Tränen verbirgt. Und die dritte, die feine, Spöttische, die ihre Liebe verhehlt und auch in Ängsten wartet, sich so verbunden fühlt, als wäre sie die Frau des Kapitänleutnants. Der schlesische Dichter Gerhard Menzel, Träger des Kleist-Preises, steuerte die Dialoge bei, also das sozusagen Psychologische, Freiherr von Spiegel hat die Idee gegeben, und der Regisseur Ucicky hat sie mit technischer Vollendung in Szene gesetzt. Ucicky zeigt auch mit diesem Werk wieder, daß er einer der wenigen Regisseure ist, die ihren eigenen Stil gefunden und folgerichtig entwickelt haben. Rudolf Forster und Adele Sandrock geben dem Film die strahlende Wärme unvergeßlicher Menschen. Forster ist männlich, edel, bescheiden, ruhig, sicher. Eindringlich in ihrer Schlichtheit ist Adele Sandrock als Mutter des U-Boot-Kommandanten. Else Knott ist eine beglückende Verkörperung des Deutschen Mädels, wie man es sonst selten so echt im Film sehen bekommt. Der Film „Morgenrot“ ehrt eine Waffe, der einstmals das Herz eines ganzen Volkes gehörte. Dieser Film ehrt die 6.000 deutschen U-Boot-Leute, die aus 199 untergegangenen Booten nie zurückkehrten und auf dem Meeresboden heute noch und für ewig in ihren eisernen Särgen ausruhen: „Leben können wir Deutsche vielleicht schlecht“, sagt der Kommandant Rudolf Forster, „aber sterben können wir jedenfalls fabelhaft.“ Ein Werk zur Erinnerung und Mahnung, zum Glauben und zur Wiedergeburt!

1934 – Jahr des Gedenkens an Gestaltung und Geschick der deutschen Kolonien! 50 Jahre vorher – 1884: durch die deutschen Lande und über alle Welt geht die Kunde, daß weit über den Meeren die deutsche Flagge aufgestiegen ist, in den Gebieten, die von nun ab unter des Deutschen Reiches Hoheit und Schutz stehen sollen.

In drei Jahrzehnten führt deutsche Art und Arbeit fernes Sonnenland und seine Völker empor. Schon spürt das deutsche Mutterland, wie segenspendende Kräfte von dorther seine Volkswirtschaft besuchten. Der Überfluß an Menschen und Gütern aus der deutschen Heimat wird aufgenommen und in nutzbringendem Austausch werden ihr unentbehrliche kostbare Werkstoffe dargebracht. 20 Jahre vor 1934 – 1914: Die Furie des Weltkrieges greift mit gieriger Faust hinüber über den Ozean nach den blühenden deutschen Tochterländern. Statt des Pfluges muß der Deutsche das Schwert führen zum Kampf um die zweite Heimat. Dem friedlichen Vorwärtsstreben gebietet der Krieg ein grimmiges Halt! 1914 standen die Deutschen in Ostafrika auf verlorenem Posten. Aber sie gaben sich nicht verloren. Die Frauen und Männer drüben am Kilimandscharo wollten nicht ohne weiteres preisgeben was sie sich in den Jahren friedlicher Arbeit aufgebaut hatten. Immer war diese Kolonie Deutschlands Schmerzenskind gewesen. Die Opfer begannen schon kurz nach der Besitzergreifung durch Dr. Carl Peters im Jahre 1884 den Kämpfen, die an die Namen eines Wissmann und Emin Pascha geknüpft sind.

Mit Hans Albers wurde im Jahre 1941 direkt ein Film über Carl Peters gedreht mit dem gleichnamigen Namen. Dann hatten Deutsche und Engländer gute Nachbarschaft gehalten, waren, soweit es sich um weiße Interessen handelte, Bundesgenossen worden. Bis der Erste Weltkrieg ausbrach und aus Freunden Feinde wurden. Die kleine Heldenschar Lettow-Vorbecks hielt gegenüber hundertfältiger Übermacht stand; ihr ist die Anerkennung in der ganzen Welt nicht versagt geblieben. Und wie bewährte sich Ergebenheit der Askaris für den „weißen General“. Damals, als die Männer verdurstend im Busch lagen, blieb so manche deutsche Farmerfrau tapfer auf ihrem Platz, um Haus und Hof zu halten – immer standen ihr de Schwarzen schützend zur Seite. In den Rahmen dieses gewaltigen deutschen Kolonialgeschehens eingeschlossen ist des einzelnen Schicksal, das sich ihm auf dem deutschen Boden Afrikas erfüllt. Von Tausenden eines: „Die Reiter von Deutsch-Ost- Afrika“. Dieser Film erzählt das Leben eines deutschen Pflanzers der in der Hochzeitsnacht durch den Kriegsausbruch von der Seite seiner jungen Frau gerissen wird, sich mit einer Handvoll deutscher Reiter uns Askaris tapfer mit den übermächtigen Gegnern schlägt, und – dem Verdursten nahe – durch den hingebenden Opfermut seiner Frau gerettet wird. Ein Film von weißer und schwarzer Treue, von deutscher Mannhaftigkeit und edlem Frauentum. Das Schicksal der ganzen Kolonie, der zweiten Heimat, ist hier verkörpert im Schicksal des einzelnen.

Luis Trenker in „Berge in Flammen“

Nachdem wir den Weltkrieg auf der Leinwand von fast allen Fronten her erlebt haben, schilderten ihn Karl Hartl und Luis Trenker in „Berge in Flammen“ (1931), wie er sich in Tirol abspielte. Trenker hat tatsächliche Vorgänge des Ringens in den Dolomiten seinem Werke untergelegt. Die Patrouillengänge auf Schneeschuhen, der Kampf auf eisigen Berggipfeln, Sprengungen größter Bergmassive, die Überwindung von Lawinen und Schneestürmen durch die tapferen Soldaten sind eindrucksvolle und grandiose Augenblicke in seinem Film.

Filme haben oft ihr Schicksal. Am Morgen des 1. August 1914 machte sich ein Dolomitenführer mit einem Alpinisten auf, eine steile Tiroler Bergwand zu erklimmen. Am Abend desselben Tages war die Mobilmachung bekannt geworden – Dolomitenführer und Alpinist sahen sich nicht wieder bis an einem Tage des August im Jahre 1923. Der Krieg hatte sie nicht nur auseinander gerissen, sondern im Kampf um Tirol in den Dolomitenbergen gegeneinander gestellt. Der Dolomitenführer trug den Namen Luis Trenker. Und derselben Luis Trenker trat in die Reihen der Tiroler, als das unselige Weltenringen ihn gegen die Italiener führte. Die Hauptkämpfe spielten sich am Berge Lagaahoi ab. Ein andrer Dolomitenbergführer namens Dimai kämpfte mit Trenker. Beide sahen Tag für Tag vom Gipfel der 2.500 Meter hohen Felswand auf ihr Heimatdorf. In einer Nacht wagte Dimai eine sensationelle Skifahrt, um seiner Familie aufgesparte Lebensmittel zu bringen. Diese Fahrt auf rasenden Skiern, die Ungewißheit der andern, ob Dimai jemals wiederkommen würde (er kam wieder), der Kampf in den Dolomiten, die Sprengung des Berggipfels und der Kaverne, in der sie hausten – alles das gab Luis Trenker 14 Jahre später, im Februar 1931, Stoff zu einem Tonfilm: die Wirklichkeit als Filmhintergrund. Luis Trenker verwandelt sich in den Bergführer Dimai und filmt 14 Jahre später auf demselben Gipfel, die erlebte Geschichte. Der Film beginnt mit dem 1. August 1914. Luis Trenker macht seine letzte Bergtour mit dem Italiener

Der Film hat mit allen seinen neuzeitlichen Techniken gegen jede gesellschaftliche und sittliche Zerstörung im eigenen Volk zu kämpfen. Er ist daher rücksichtslos in den völkisch- nationalen Dienst zu stellen, auch dann, wenn er einen Krieg darzustellen hat, dessen Ende mehr als 15 Jahre zurückliegt. Alle Länder, deren Söhne für ihre Heimat an die Front gingen und draußen ihren Mann standen, haben einen Kriegsfilm geschaffen als Denkmal des Dankes, der Treue und der Anerkennung für die sechs Millionen Gefallenen. Der erste und große Film des unbekannten deutschen Frontsoldaten ist der „Stoßtrupp 1917“, der beste Kriegsfilm in der Reihe seiner Vorgänger. Soldaten der Wehrmacht, SS und SA schufen ihn. Sein Inhalt ist Zöberleins großem Kriegsbuch „Der Glaube an Deutschland“ entnommen. Für die Regie sind verantwortlich der Schriftsteller und Ludwig Schmid-Wildy. Er steht unter der Schirmherrschaft der deutschen Kriegsopfer und ist dem Gedenken an die deutsche Armee, ihren Toten, Verwundeten und Heimgekehrten gewidmet. Der Vorhang über der Leinwand geht langsam auseinander. Das Trommelfeuer brüllt in den Raum. Aus dem deutschen Millionenheer sehen wir nur eine Handvoll die hernach an allen Fronten des Weltkrieges ihr Leben einsetzen, den Stoßtrupp 1917 in der Schlacht an der Aisne, in den flandrichen Kämpfen und in der phantastischen Materialschlacht von Cambrai. Die Hölle ist los: die Ungeheuer der Tanks zermalmen und zerquetschen Äcker, Bäume und Menschen, Granaten schlagen ein, Schrappnells platzen in der Lust, teuflisches Gift- gas strömt aus, zerbeißt die Augen und zerreißt die Lungen. So muß es zugegangen sein, als Gott die Erde aus dem Chaos schuf.

Ein unbekannter Soldat (Ludwig Schmid-Wildy) aus „Stoßtrupp 1917

Die Männer vom Stoßtrupp stehen im engen Stollen, im Granattrichter, im Schlamm, im Wasser und warten auf das Angriffszeichen. Unbekannte Frontsoldaten, unbekannte Helden. Hier ist kein Raum für seelische Zartheiten, patriotische Hochstimmung und sentimentale Kriegsromantik. Hier soll mit der pazifistischen Verlogenheit jenes Tendenzfilms „Im Westen nichts Neues“ endgültig abgerechnet werden. Hier spricht nur der Heroismus der Tatsachen. Hier jauchzen und weinen Tagebuchblätter vom Leben und Sterben im Völkerringen. Keiner sollte seit diesem Film vom Krieg und Frieden zu sprechen wagen, der ein Trommelfeuer nicht miterlebt hat. Wenn zum Schluß in einer stillen und ganz unsentimentalen Szene der verwundete Engländer bei dem Weihnachtsbäumchen im deutschen Unterstand stirbt. Viele Kriegsfilme sind in den letzten Jahren an uns vorübergezogen, aber keiner war so eindeutig und so kristallklar in seiner Linienführung wie dieser von Zöberleins Frontkämpfern:

„Hier ist das Vermächtnis der Front niedergelegt ... Kämpfe und Schlachten stehen in historischer Treue wieder auf ... Gipfel und Abgründe stehen nebeneinander und immer die sturmfeste Treue der Kameradschaft dabei. Man hört das Herz der Front schlagen ...“

Weil Frontsoldaten in einer Kollektivarbeit dieses Werk schufen, sei keiner von ihnen mit Namen genannt. Der Geist des unbekannten deutschen Soldaten schwebe immer über diesem Film. Hat Hans Zöberlein in seinem „Stoßtrupp 1917“ den unbekannten Soldaten aus dem Schützengrabenloch des Weltkrieges den gebührenden Ehren eingeräumt, so ist der Film „Um das Menschenrecht“ das hohe Lied der Freikorps-Leistungen. Der Film ist gedanklich eine Fortsetzung des „Stoßtrupp 1917“.

In Deutschland ist Revolution! Die Front ist zerbrochen, mit ihr die Kompanie, das Bataillon, das Regiment, das Heer. Die Frontsoldaten gehen auseinander – heimatlos, erwerbslos, haltlos. Auch die vier Frontkameraden dieses Films. Der Künstler (Ernst Martens) jagt der Idee der Weltrevolution nach. Der zweite (Kurt Holm) sieht seine Familie hungern und tritt in die Reihen des roten Proletariats. Der dritte (Beppo Brem) geht unzufrieden auf seinen Bauernhof zurück. Der vierte, einst Student, wird Freikorpsmann (Hans Schlenck). Alle vier werden am Vaterlande irre. Überall lauert der Kommunismus, um schwache Seelen einzuschläfern und dann einzufangen. In der Spanne des Nachkriegs ist keine Zeit zum Grübeln oder zum Studieren. Alles geht drüber und drunter. Jeder einzelne hat seine eigene Gesinnung: Reaktion, Liberalismus, Sozialismus, Bolschewismus, Rätediktatur, Parlamentarismus, Antisemitismus, Jobberei, Hunger, Elend, Leid – das deutsche Golgatha, in dessen Dunkel der Bruder den Bruder totschlug und selbst in die treuesten Herzen Zweifel und Verwirrung gesät wurden. Bis sich plötzlich ein bestimmter Begriff formt: Frontsozialismus! Adolf Hitler! Nationalsozialismus!

Freiheitskampf „Um das Menschenrecht“

Das zündet in den Reihen der Freikorpsmänner, die sich mit ihrem Mut zu einem felsenfesten Glauben an Deutschland verpflichtet fühlen. Diese Helden, keine Desperados, sondern Vorkämpfer, Wegbereiter, Patrioten richten mit ihren Leibern das lebendige Bollwerk gegen den Bolschewismus auf. Dieser Tat wird in dem Film „Um das Menschenrecht“ mit Bildern von seltener Wucht, aufregend, atemberaubend, aufpeitschend ein ewiges Denkmal gesetzt. Zöberlein, einen der Besten des deutschen Schrifttums, rückt in die große Regiebegabungen ein. Den ehrenhaften Frontsoldaten verkörpert Hans Schlemk der Prototyp des jungen Freikorpskämpfers, ein ganzer Kerl, immer klar und sauber, immer beseelt von Glauben, Kraft und Willen, immer bestes Vorbild. Diese Soldatengestalt Hans Zöberleins ist der große Wurf des ganzen Filmwerkes. Es fleht ein unsichtbares Motto über diesem Tendenzfilm: „Vergeßt die namenlosen Kämpfer nicht, die Deutschland nach dem November 1918 gerettet haben!“

Und am Schluß des Filme leuchtet in der feurigen Rede des Freikorpskämpfers, ohne daß der Name von Adolf Hitler genannt wird, doch schon die neue Straße auf, die der Führer dann von 1920 an ging.

Der Tönende Kriminalfilm

Die meisten amerikanischen Kriminalfilme sind Gangsterfilme – Verbrecherfilme im primitivsten Ausmaße. Fast immer spielt der Alkoholschmuggel die ausschlaggebende Rolle, und in den Texten paar hundert Metern stürmt ein Riesenaufgebot von Autos, Polizisten, Motorbooten und Maschinengewehren auf die Leinwand, die dazu beitragen, daß der „ehrenwerte Gentleman"' als Gangsterhäuptling entlarvt wird. Das sind Kolpotagefilme. Auch in Deutschland werden Kriminalfilme genau so gern gesehen wie Kriminalromane gelesen – wenn die ethische Idee im Vordergrund steht, daß die Unterwelt mit Stumps und Stiel ausgerottet werden maß. Inn unseren tönenden Kriminalfilmen ist eigentlich von Beginn des Tonfilms an kein Ganovenkult zu finden. Der klassische deutsche Kriminaltonfilm ist schon immer eine Denksportaufgabe und löst damit hochwichtige fogalpäbagogische Probleme. Besonders der scharfen Filmüberwachung im Dritten Reich war es zum danken, daß Filme, die Kriminelle Instinkte im Zuschauer erwecken könnten, niemals zu sehen waren. Der Kriminalfilm des Dritten Reiches durfte weder ein soziales Bild der Unterwelt entwerfen, noch sie frivol verherrlichen, er soll einzig und allein den Sieg der Volksgemeinschaft über das Verbrechen zeigen.

Der erste „tönende" Kriminalreißer ist Johannes Meyers „Der Tiger“ (1930). Dieser Film erinnert an die großen Zeiten der Stuart Webbs und Joe Deebs, ist aber tausendmal spannender als die Detektivfilme vor dem Ersten Weltkriege, weil der Ton und das Wort ganz neue Effekte und Wirkungsmöglichkeiten schaffen. Schon hier stand Alfred Zeisler als Produktionsleiter im Hintergrund.

Karl Ludwig Diehl, Ery Bos, Theodor Loos und Fritz Odemar in „Schuß im Morgengrauen“

Der Kriminaltonfilm „Der Schuß im Tonfilmatelier“ (Regie: Alflred Zeisler) hat die Welt des Verbrechens ihrer falschen Romantik entkleidet und auf ein gewissermaßen bürgerliches Niveau zurückgeführt. Wie kam man zu diessem seltsamen Stoff? Unter den Bevorzugten, die die Erlaubnis hatten, die UFA-Ateliers in Neubabelsberg zu besichtigen, befand sich eines Tages ein Junger, damals noch unbekannter Schriftsteller: Kurt Siodmak, der Regisseur des Studiofilms „Menschen am Sonntag“. Ein Führer zeigte ihm die fällige Arbeit im Atelier vor dem Mikrophon; er sah den „Abhörraum“, in dem der Tonmeister die Töne „mixt“, damit sie eine richtige und möglichst gleichmäßige Klangfarbe bekommen, man zeigte ihm den „Recording-Raum“ wo die hochinterssierten und komplizierten Maschinen arbeiten, die den Ton auf ein Laufens Filmband photographieren. Er besuchte die Vorführungsräume, die Bearbeitungsräume und noch vielerlei anderes. Als er sich verabschiedete, war er sehr still geworden und merkwürdig zerstreut! Zwei Tage später fand der Regisseur Zeisler auf seinem Schreibtisch ein kurzes Filmexposè mit dem Titel „Der Schuß im Tonfilmatelier“, Verfasser Kurt Siodmak. In einem Begleitbrief schilderte er den ungeheuren Eindruck, den die künstlerischen und technischen Leistungen und das ganze uhrwerkhaft ineinander greifende Getriebe auf ihn gemacht hätten und aus der festen Überzeugung heraus, daß das ganze Milieu den Menschen interessieren müsse, sei der Filmentwurf entstanden, in dem er den Filmbetrieb mit einem Kriminalfall verknüpft habe, der so eigenartig sei, daß er sich ausschließlich in einem Tonfilmatelier und nirgends anders ereignen könne.

„Der Schuß im Tonfilmatelier“ führt also in das interessante Milieu des Tonfilmatelier. Dieses Leben hinter den Kulissen hat immer wieder für alle Außenstehenden den Nimbus des Geheimnisvollen. Hier kommt hinzu, daß es sich um ganz neue und komplizierte technische Dinge handelt. Die Handlung ist ganz auf die Besonderheiten des Tonfilms abgestellt. Die Aufklärung eines Mordes gelingt nur mit Hilfe von Indizien, die an einer anderen Stelle als eben im Tonfilmatelier zu finden sind:

Eine Frau wird durch einen Revolverschuß bei der Aufnahme im Atelier getötet. Die beiden Hauptverdächtigen hatten gerade mit dem Schießeisen zu mimen – aber sie waren es nicht. Wer war es? Einer, der sich verriet durch die Tätigkeit der Mikrofone vor der aufzunehmenden Szene. Die Technik als treuester Helfer in der Kriminalistik, das ist der Gedanke des Manuskriptverfassers. Alred Zeisler tritt hier als Regisseur mit seinem zweiten Kriminaltonfilm hervor. Der Kriminalfilm – wie überhaupt jede Kriminalliteratur – kommt immer wieder, man hat diese Gattung schon oft totgesagt, sie ist nicht umzubringen, wenn sie auch selbstverständlich Modeströmungen unterworfen ist.

Unter Alfred Zeislers Regie ist nach Harry Jenkins Bühnenstück „Die Frau und der Smaragd“ auch der Kriminalfilm „Schuß im Morgengrauen“ entstanden. An seinen Filmen Rehen stets Wallace und Al Capone Pate. Bessere Kriminalfilme haben auch die Amerikaner nicht gemacht. Gute Kriminalfilme sind überhaupt selten. Die nach einem Rezept langweilen uns, weil ihnen ihr Bestes fehlt, nämlich die Spannung. Ute Öle willkürlichen verärgern uns, weil sie die Spannung zu weit treiben, uns mit Geschehnissen zu düster aufregen, denen wir eigentlich kein Recht zubilligen, uns verstricken und zu quälen. Für das rechte Gleichgewicht zwischen Spannung und Lösung, das uns als Spiel unterhält, kann der „Schuß im Morgengrauen“ ein Beispiel sein. Zeisler macht seine Detektivfilme ungefähr so, wie Frank Heller seine Detektivromane schreibt. Ein bißchen von oben herab und durchaus überlegen; aber Handwerklich sind sie erstklassige Facharbeit. Sie sehen nur so leicht hingeworfen aus, in Wirklichkeit stecken schon Kopf und Herz dahinter. Zeisler hat in Deutschland den Kriminaltonfilm und sich selbst auf diesem Spezialgebiet durchgesetzt. Dadurch war er eine filmgeschichtliche Figur geworden. Karl Ludwig Diehl macht als Kriminalinspektor ohne Bizepsverherrlichung eine glänzende, frisch drauflosgehende Figur, Hermann Speelmans einen prachtvoll wurschtigen Kommissar.

Vollkommen vom Klischee abweichend die Verbrecher. Theodor Looos, Fritz Odemar, Peter Lorre und Heinz Salfner spielen sie. Theodor Loos, der skrupellose Hysteriker, Peter Lorre, der infantile, degenerierte Säufer, Fritz Odemar, der kaltblütige, schmierig- elegante Gentleman- Verbrecher, und Heinz Salfner, der unzuverlässige Kantonist, der Verbrecher und Gesellschaft zugleich hinters Licht zu führen versucht.

Es liegt natürlich die Gefahr nahe, dass der Spezialist Zeisler mit weiteren Kriminaltonfilmen in ausgefahrene Gleise gerät. Der Film „Eine Tür geht auf“ (1933) beweist, dass Zeissler dieser Gefahr dadurch sehr geschickt entrinnt, dass er seinen Kriminalkommissaren immer wider eine neue Gestalt gibt. Sein gescheiter Kriminal- Kommissar Braumüller (Hermann Speelmans) geht nicht in selbstgefälliger Sherlock-Holmes-Art auf die Verbrecher los, sondern läßt Intuition, Klugheit, Erfahrung und auch Misstrauen in dle eigene Selbstsicherheit an der Aufklärung der Verbrechen mitwirken.

Alles kehrt wieder

Max Adalbert und Harald Paulsen in dem Tonfilm „Mein Leopold“

„Alles kommt wieder!“ heißt es in einem einst sehr populären Schlager Nelsons. Das trifft besonders auf die Filmherstellung zu, wenn die Stoffe ausgehen. Und so konnte es nicht ausbleiben, dass viele stumme Filme schon am Anfang des Tonfilmes wieder ihre Auferstehung feierten. Aus der allerersten Stummfilmzeit her war die Verfilmung von Paul Lindaus Schauspiel „Der Andere“. Damals nannte man so etwas „Autorenfilm“. Johann Brandt hat aus diesem alten Stoff 1930 einen Tonfilm gemacht – diesmal aber einen psychoanalytischen Film, mit Fritz Kortner als Staatsanwalt (im stummen Film Albert Bassermanns erste Filmrolle).

Auch andere Stummfilmerfolge haben sich, seitdem der Tonfilm herrscht gern den Gesetzen der tönenden Leinwand angepaßt. Selbst das Lubitsch Lustspiel „Die Firma heiratet“ ist noch einmal als Tonfilm herausgebracht worden (Regie: Carl Wilhelm, 1931). 1924 war „Der Mann ohne Namen“ ohne Zweifel einer der amüsantesten Abenteurerfilm. E. A. Dupont hat die Hauptmotive des stummen tönenden „Peter Voss, der Millionendieb“ (1932) umgearbeitet.

„Mein Leopold – die Geschichte vom feschen Leopold, der durch Leichtsinn seinen ehrenwerten Vater, den Schuhmacher Wegelt, um sein ganzes Geld bringt, ist ein alter zugkräftiger Bühnenschlager und auch in einem stummen Film behandelt worden.

Im stummen Film spielte Walter Slezak den Leopold und Frans Mierendorff den besorgten Vater, im Tonfilm (1931) Max Adelbert den Schuhmacher und Harald Paulsen seinen Sohn, während Gustav Fröhlich den Gesellen und tugendlichen Liebhaber mit dem streng bürgerlichen Einschlag darstellte. Man hat das etwas antiquierte, verstaubte Vollstück mit all seiner rührseligen Romantik für den Tonfilm nicht nur neu aufgeputzt, sondern auch sonst vollständig umgemodelt, besonders im Dekorativen und natürlich für den Tonfilm im Musikalischen.

Paul Hartmann in dem Tonfilm „Der Tunnel“

„Der Tunnel“ – Bernhard Kellermanns Roman „Tunnel“ ist zum ersten Male im Jahre 1914 verfilmt worden, zum zweiten Male kurz nach Kriegsende des ersten Weltkrieges. Fritz Lang spielte einige Jahre später mit dem Gedanken einer dritten Verfilmung, aber er entschloß sich dann zu „Metropolis“. Paul Hartmann spielt in dem Tonfilm „Der Tunnel“ den genialen Konstrukteur des kühnen Unternehmens. Leider hat die Regie aus ihm kein von seiner Idee besessenes Genie, sondern nur einen Arbeiterführer gemacht. Gustaf Gründgens, der den S. Woolf spielt, ist nicht der fette Emporkömmlings Romans, sondern ein schlanker, skeptischer Hert ein mephistophelischer Ivar Kreuger. Lloyd, der im Roman aussieht wie eine Bulldogge, erhält die markanten Züge eines Mag Weydner. Wie die Typen, so hat auch die Handlung, von dem Regisseur Kurt Bernharde gestaltet, allerlei Änderungen erfahren. Das Drehbuch des Tonfilms trägt vor allen Dingen der technischen Entwicklung der Anfangszeit Rechnung, denn als 1914 der stumme Film „Tunnel“ erschien, gab es noch keinen Zeppelin-Südamerka-Dienst und keine Ozeanüberquerung mit dem Flugzeug. Für die Hauptdarsteller bleibt wenig Raum, denn der Bohrturm, der Tunnel, die Maschinen, die

Viktor de Kowa und Hilde Weissner in dem Tonfilm „Die Finanzen des Großherzogs“

Explosionen, die Arbeitermassen erdrücken die Einzelmenschen: die technischen Dinge und die Masse Mensch sind die Helden des Films. Bohren und Sprengen geben dem neuen Film „Der Tunnel“ seine Melodie für ein Heldenlied der Arbeit. Der stumme Film hat sich einst des Romans „Die Finanzen des Großherzogs“ von Frank Heller bemächtigt, der tönende wagt sich noch einmal an die Gestaltung des jugendlichen Herrschers (Viktor de Kowa) eines Inselländchens heran, das um 1900 herum mehr Schulden als Bewohner hat. Also wieder eine Operette alten Stils? Keineswegs. Ein Zauberer hat aus dem Stoff eines der reizendsten und scharmantesten Lustspiele, fast sogar einen Märchentraum, gemacht: Gustaf Gründgens, der von der Sprechbühne und Oper kommende Regisseur. „Das mag vielleicht auf den ersten Blick ein wenig paradox klingen, denn sonst haben wir gerade immer betont, daß der Film seine eigene Gesetzmäßigkeit habe und sich gerade dadurch sehr wesentlich vom Theater unterscheide. Viktor de Kowa und Hilde Weissner in dem Tonfilm „Die Finanzen des Großherzogs“ Der Regisseur Gustaf Gründgens hat den Mut gefunden, die ganze Handlung im Atelier aufzunehmen, und er erzielt da durch eine wunderbare Stileinheit, eine bis ins kleinste abgetönte, dem Stimmungsgehalt der Handlung entsprechende Atmosphäre, daß man gerade zu von Kammerspielartiger Feinheit sprechen möchte, worunter man sich aber beileibe keine langweilige Gediegenheit, sondern eine beneidenswerte, komödienhafte Leichtigkeit vorzustellen hat, beinahe etwas, wag irgendwie mit französischer „Esprit“ verwandt ist, ich meine damit jene leichte Hand, die man bei uns Deutschen nicht gerade allzu oft findet. Kurz, dies ist erster Linie ein Regiefilm, eine ungewöhnlich feinsinnig in dem sujetgemäßen Stil geleistete Ziselierarbeit"

Gustaf Gründgens, das stärkste und vielseitige Talent der damaligen Zeit, rückt mit diesem Film in die erste Reihe der deutschen Filmregisseure. Es gab einen stummen Film „Hannelels Himmelfahrt“. Regisseur war Urban Gad, Margarete Schlegel das Hannele, Theodor Loos der Lehrer Gottwald, der Herr Jesus im Fiebertraum. Dieser stumme Film hatte seinen ehrenvollen Rang unter den Bearbeitungen von Hauptmanns Dramen für das Kino, etwas neben der „Rose Bernd“ der Porten, neben Zelniks „Webern“. Thea von Harbou hat sich im Seichen des Tonfilms nochmals an das „Hannele“ gewagt. Von ihr rührt das Tonfilmmanuskript her, sie führt auch die Regie. Von Gerhart Hauptmanns Traumdichtung hat Thea von Harbou nur den Stoff übernommen. Sie kann auch hier wieder ihre eigene Fantasie schwer zügeln. Immer wieder entzündet diese Frau ihre Gestaltungskraft am Irrealen. So stieg sie also Meder mit Kamera und Mikrophon in den Brunnen der Märchenwelt hinab und gestaltete den Wirklichkeitstraum des Dichters um in eine Märchenästhetik, in ein Mittelding zwischen dem Realistischen und dem Transzendentalen des dichterischen Gespinstes. Daß ist ihr auf jeden Fall filmisch gut gelungen: aus dem irdischen Hannele bei Hauptmann hat Thea von Harbou eine kleine, zarte Heilige gemacht. „Bei Hauptmann: Kampf zwischen Brutalität und Seele, bei Thea von Harbou: Spiel der Sentimentalitäten. Bei Hauptmann entspringt aus triefem Kampf gegen die Amoral die Weltflucht des Schwächeren, bei Thea von Harbou wird das Spiel zur bildhaften Plauderei. Bei Hauptmann unheroisches, posenloses Wort, bei Thea von Harbou filmischer Pomp."

Die knospenhafte zwölfjährige Inge Landgut spielt das Hannele, daß auf der Sprechbühne stets von einer erwachsenen Schauspielerin dargestellt worden ist. Daß Kind aber war gerade ein filmischer Gewinn, denn Kinder sind im Film stets wirksam, ihr Spiel und ihre Mimik sind noch ursprünglich, natürlich. Der große Künstler Theodor Loos spielt auch im Tonfilm wieder den männlich ernsten Lehrer Gottwald, Rudolf Klein Rogge den vertierten Peiniger seines Kindes, und die mütterliche Käthe Haack zeigt eine gütige schlichte Schwester. Martha – ein Film für Kinder oder Erwachsene? Die Frage muß offen bleiben.

In der tönenden „Czardasfürstin“ hat der Regisseur Georg Jacobv unter Beweis gestellt, daß aus dem verschliffnen Operettenstoff von den „Mädeln vom Chantant“ ein recht guter Film werden kann, wenn alle Darsteller jenseits der verkitschten Operettenwelt stehen und immer und überall filmisch Distanz zu ihr halten. Diese Distanz muß schon im Manuskript und erst recht bei der Regie deutlich werden. Das ist hier der Fall. Das Stoffliche der alten Operette ist tüchtig aufgelockert will sagen: filmisch geformt worden. Alles Sentimentale wurde nicht nur gewildert, sondern vor allen Dingen durch kräftigen Humor, durch allerlei ironische Witze niedergehalten. So ist vom Wort her zunächst frischer Wind in das alte Thema hineingebracht worden und schließlich auch vom bewegten Bild her, in das die üblichen Gesangsszenen der Operettenstilmisch aufgelöst wurden. Ein technisch interessantes Beispiel dafür: das komische Liebespaar bleibt im Fährstuhl stecken und wird an einem Seil durch den Schacht in die Höhe gezogen. In dieser lebensgefährlichen Lage singen die beiden: „Machen wir’s den Schwalben nach, bau’n wir uns ein Nest!“, d. h. ein Couplet ist in bewegtes Filmgeschehen verwandelt, was dem stummen Film natürlich nicht mögliche war. Die Titelrolle spielt Marta Eggerth in schöner, graziöser Linie.

Die Künstlerin ist seit ihrem Zusammenspiel mit Kiepura ganz offensichtlich gewachsen. Sie rührt ans Herz mit ihrer schlichten Eindringlichkeit in den leicht zur Sentimentalität verführenden ernsten Szenen; tanzt in strahlender Fröhlichkit durchs Bild – ein echter Pußtastar. Hans Söhnker, hochgewachsener Husarenoffizier, ist leider mehr Tenor als Schauspieler: eine Magazinschönheit. Die neue Darstellerin Inge List überrascht durch ihre spitztbübische Wendigkeit. „Charleys Tante“ ist eines der erfolgreichsten Theaterstücke der dramatischen Weltliteratur. Der amerikanische Stummfilm war ein großes Leinwanderlebnis. Dem Regisseur R. A. Stemmle verdanken wir den deutschen Tonfilmklassiker „Charleys Tante“ mit Paul Kemp als „Tante“. Er spielt im Stil des englischen Originals, spielt eine ältere, Pinöse Dame, er spielt sie ein wenig melancholisch ganz im Gegensatz zu jener Bühnenschöpfung, die Werner Krauss Jahre zuvor daraus machte, der die Tante als eine lebenslustige, sogar mondäne Vierzigern spielte.

Militär-Groteskfilme

Alles kehrte wieder! Auch die alten Rekruten- und Kaczmarekfilme aus der Stummfilmzeit feiern „geräuschvoll“ Auferstehung kurz nach der Entstehung des Tonfilmes und vergrämen alle diejenigen, die im deutschen Film mehr sehen wollen als eine freche Unterhaltungskonfektion. Mit „Drei Tage Mittelarrest" (1930), einem Schwank aus einer kleinen Vorkriegsgarnison, fing das tönende Militärlustspiel an. Der Spezialist in Militärschwänken, Carl Boese, nennt es „Kasernenzauber" (1931), wenn der gestrenge Korporal mit dem Schlager „Zu jedem Unterrock gehört ein bunter Rock“ dem Husaren ins Gehege kommt und ihm die fesche Minna und die neckische Rosl ausspannen.

Die Rekruten Fritz Schulz und Paul Heidemann im „Dienst ist Dienst“

Weder die handfeste Derbheit wie bei „Drei Tage Mittelarrest“. Felix Bressart gibt in „Der Schrecken der Garnison“ (1931) den blöden Rekruten, den die Infanterie zu den Husaren schickt und der mit der Reiterei nicht fertig werden kann. In „Wenn die Soldaten ...“ (Regie: I. und L. Fleck, 1931) spielt Hermann Thimig den tollen Leutnant, der mit seiner Schwadron in ein kleines Nest strafversetzt worden ist. Immer wieder konnte der Militärschwank die Kinogänger in lustigste Stimmung versetzen. In „Dienst ist Dienst“ (Regie: Carl Boese, 1931) ist Fritz Schulz ein vertrottelter Kaczmarek, der weiter keine Aufgabe hat, als nur alles zu verwechseln und alles durcheinander zu bringen. Und dann kam Weiß Ferdl als „Mutter der Kompanie“ (Regie: Frans Seitz, 1931), als Feldwebel in der Manöverzeit mit allen ihren Liebesaffären und Verlegenheiten, die wir aus den Militarhumresken des Freiherrn von Schlicht kennen.

Die Flut der Militärfilme ist immer zweiter im Steigen, von einem Abebben nichts zu spüren: „Schön ist die Manöverzeit“ (Regie: Erich Schönfelder,1931) „Reserve hat Ruh“ (Regie: Max Obal,1931), „Die Schlacht von Bademünde“ (Regie: Ph. L. Mayring) u. a. m. Eine neue Note in der Serie der Militärschwänke brachte der Typ Einjährig-Freiwilligen, der schon vor dem ersten Weltkriege oft eine humoristische Rolle gespielt hat.

Fritz Kampers, Paul Hörbiger und Lucie Englisch in „Reserve hat Ruh“

Der Filmproduzent erinnerte sich, als die Stoffe für die Militärgroteske immer mehr ausgingen, das im Friedenszeiten die Bühnenposse „Der Stolz der 3. Kompanie“ mit dem rheinischen Komiker Hartstein in der Hauptrolle immer und überall wahre Lachstürme erzeugt hatte. Bei einer Verfilmung dieses Stückes (Fred Sauer, 1932) war also der Erfolg von vornherein sicher, besonders weil Heinz Rühmann den Infanteristen Diestelbeck spielt. Als Felix Bressart nicht mehr recht zog, kam der langnasige Siegfried Arno an die Reihe, der den „Schönsten Mann im Staate“ zu spielen hatte (Regie: Carl Boese, 1932). Immer wenn man glaubte, das Gebiet der Militärschwänke sei nun wirklich endlich abgegrast, frische man schnell noch einmal die ältesten Kasernenwitze und komischen Situationen aus dem vorzeitlichen Kasernenhof auf. So wurde der Film „Ja, treu ist die Soldatenliebe“ (Georg Jacoby, 1932) auf die Komik von Fritz Schulz gestellt, der hier sogar in Frauenkleidern seinem quecksilbrigen Humor die Zügel schießen läßt.

Nachdem das Fußvolk im Militärschwank seine Schuldigkeit voll und ganz getan hatte, kam natürlich die Reiterei an die Reihe: „Drei von der Kavallerie“ (Carl Boesee, 1932). Es war schon eine schlimme Zeit. In diesem traurigen Kapitel über die Militär-Groteskfilme soll noch eine lustige Geschichte Platz finden, die sich anlässlich der Aufnahme des Films „Die Schlacht von Bademündee“ zugetragen hat. Was bestimmt keiner Filmgesellschaft gelungen ist, glückte, man kann ruhig sagen, fiel der UFA vom Himmel. Am Tag des Zeppelin-Arktisfluges wurde auf dem großen UFA-Gelände für die Militärgroteske „Die Schlacht von Bademünde“ Die imposante Brunneneinweihung des „Göttersprudels" vorgenommen. Sämtliche Honoratioren von Bademündee, mit den „aufrechten Jungfrauen“ an der Spitze, standen, Spannung im Gesicht, und warteten auf die feierliche Einweihung des Kurbrunnens. Bürgermeister Hans Waßmann, vom Reinhardt- Theater, hält die Sektflasche in der Hand. Nummerntafel und Synchronisationsklappe sind verschwunden, die Aufnahme soll beginnen. Da hörte man ein leises Surren. Der Tonmeister in seiner Box telefoniert: „Ich höre Geräusche.“ Der Regiestab schaut links, rechts, nach unten und oben und bemerkt die Störung. Aus den Wolken hervor, majestätisch, schwirrt Deutschlands Stolz, der Zeppelin, in seiner silbernen Hülle. „Die Aufnahme geht weiter“, ruft der Regisseur Mayring, und Hans Waßmann erfaßt die Situation, und in seinen vom Manuskript vorgeschriebenen Einweihungsspruch flechtet er, ohne daß ihm jemand etwas gesagt hat, die Worte: „In diesem glorreichen Augenblick, wo über uns der berühmte Zeppelin in den Lüften windelt, pardon, in den Winden lüftet, taufe ich dich auf den Namen „Göttersprudell“ – Und als hätte der Luftschifführer geahnt, daß von ihm die Rede war, fuhr er über die Dekorationen, so dass beide Kameras die riesengroße Silberzigarre im Einweihungsfeierbildd festhalten konnten. Selbstverständlich wäre eine Nachaufnahme oder eine Wiederholung nicht möglich gewesen, denn am am nächsten Tage, als man die Muster ansah, war der unfreiwillig, begeistert empfangene Komparse schon am Nordpol. Ich glaube, dass kein anderer Film einen solchen seltsamen Komparsen aufweisen kann. „Unangenehm aber wäre es gewesen“, meinte ein Atelierarbeiter, „wenn der Zeppelin über die Prachtbauten von dem Film ,Der Kongreß tanzt‘ geflogen wäre, denn zur Zeit Metternichs gab es doch noch keine Zeppeline.“ Richard Bie und Alfred Mühr sitzen in ihrem Buch „Die Kulturwaffen des neuen Reiches” noch nachträglich über die Militär- Groteskfilme zu Gericht und sprechen ein Urteil, das uns allen aus dem Herz kommt: „Hier sind die Militäreinakter der Stettiner Sänger aus der Vorkriegszeit ins Tonfilmische übersetzt worden, wobei sich übrigens die scheinheiligen Absichten der Spekulation, der Geschäfte politischen Konjunktur und der liberalistischen Zersetzung decken. Man erzeugt Paradestolz für Dienstmädchenromantik und Stammtischwitze, man umgeht den Weltkrieg und das Schicksal der Front, man erzielt unfreiwillige liberalistische Vorurteile im Stil des Simplizissimus. An die Stelle des Gehorsams tritt der Drill, an die Stelle der Disziplin der Militärulk und an die Stelle des Dienstes die Charge. Es ist kennzeichnend für die bürokratische Handhabung der Filmzensur, dass auf diese Vorgänge überhaupt nicht geachtet wurde. Zur selben Zeit, als der Film „Drei Tage Mittelarrest“ gedreht wurde, erweiterte man die Zensurgründe des deutschen Lichtspielgesetzes. Kann man bisher mit dem Schutz des religiösen Empfindens, der Sitte und des Deutschen Ansehens aus, so wurde nun auch die ,Gefährdung lebenswichtiger Staatsinteressen unter die Aufsicht der Filmbehörde gestellt. Formaljuristisch betrachtet, hatte man einen neuen Zensurparagraphen gewonnen, aber noch immer keinen Maßstab für die künstlerische und sittliche Gesamtbewertung eines Films. Nur so konnte es geschehen, dass in „Drei tage Mittelarrest“ jene Szene stehen blieb, in der ein Dienstmädchen vor verrammelter Kompanie vergebene Spießruten laufen muss, um den Vater ihres unehelichen Kindes wieder zu erkennen. Vor lauter formalen Vorschriften, Maßregeln und Begriffsbestimmungen übersah die Behördenseele der Filmzensur sowohl die menschliche wie die künstlerische Entwürdigung dieser Szene, die jedes ursprüngliche Gefühl aufs tiefste beschämt. Ausgerechnet die Vereinigten Staaten mussten darauf aufmerksam machen, dass hier ,das Schicksal einer unglücklichen Mutter auf schamlose Weise verhöhnt' wurde. Während die deutsche Staatszensur auf der Suche nach neuen Verbotsgründen war, verbot Amerika einen Film, der unter den Augen dieser Staatszensur entstand und dem deutschen Ansehen entscheidenden Schaden zufügte.“ Das Dritte Reich hat dafür gesorgt, dass das alte Militär im deutschen Vaterlande vom Film nicht mehr lächerlich gemacht wird.

Der Zepelin als Filmkomparse

Bergfilm, Naturfilm, Expeditionsfilm

Es gibt wohl keinen Menschen, der sich dem gewaltigen Eindruck dieser Filme hätte entziehen können, der nicht ergriffen gewesen wäre von der Erhabenheit der Naturbilder, die hier nicht mehr Kulisse bilden, sondern selbst dramaturgisches Element geworden sind. In der Filmgeschichte wird Dr. Arnold Fanck als einer der bedeutendsten Pioniere der deutschen Filmkunst weiterleben.

Alle diese Filme, ob nun in mehr als 4000 Meter Höhe, im Gletschergebiet der Schweizer Alpen, in den Dolomiten oder im ewigen Eis Grönlands gedreht, forderten Hochleistungen der Alpinistik, restlosen persönlichen Einsatz, Zähigkeit und Mut. Es ist klar, dass solche Unternehmungen kühne Menschen anzogen, dass eine besondere Arbeitsgemeinschaft entstand, der der deutsche Film hervorragende Kameraleute wie Sepp Allgeier, Hans Schneeberger, Albert Benitz, Richard Angst, Kurt Neubert verdankt — und zwei Schauspielerregisseure, die das Werk Fancks ihrerseits selbständig fortsetzten: Leni Riefenstahl und Luis Trenker. Auch der kühne Pour-le-mèrite-Flieger des ersten Weltkrieges und spätere Generaloberst Ernst Udet hat dieser Arbeitsgemeinschaft angehört und z. B. in „ SOS Eisberg " wahre Wunder von Fliegerkunststücken vollbracht. In den Fanckschen Filmen „Der Berg des Schicksals" und „Der heilige Berg” hat Luis Trenker als Hauptdarsteller begonnen. Er war der richtige Darstellertyp für Bergfilme. „Der Ruf des Nordens", ein Spielfilm, der auf Spitzbergen gedreht wurde, und „Die heiligen drei Brunnen" bestätigten dies. Aber sein Ehrgeiz ging noch weiter. In „Der Kampf ums Matterhorn" war er nicht nur Darsteller, sondern zum ersten Mal auch Regisseur, und von da an folgt eine Reihe von Filmen, bei denen er Darsteller, Regisseur und Autor in einem ist. „Der Sohn der weißen Berge" (1930) war sein Tonfilmdebüt, das er glänzend bestand. Es folgen „ Berge in Flammen " (Regie gemeinsam mit Karl Hartl) und „ Der Rebell ". Dann aber sprengt er den Rahmen des reinen Bergfilms und bezieht die Neue Welt, das Völkerbabel New Yorks, die Weite Kaliforniens und die Romantik der italienischen Renaissance in seine Themen ein. „ Der verlorene Sohn ", „ Der Kaiser von Kalifornien ", „ Condottieri " entstehen. Dann folgen „ Der Berg ruft", das Lustspiel „Liebesbriefe aus dem Engadin" und „ Der Feuerteufel ". Auch als Verfasser einer Reihe vielgelesener Bergbücher hat sich Trenker einen Namen gemacht. Während bei Fanck die Natur, die Gewalt der Berge, das eigentliche Thema der Handlung ist und die Menschen darin wie Funktionen dieser Natur erscheinen, ist es bei Trenker umgekehrt. Ihm ist der Mensch und sein Schicksal das Thema, das sich im Rahmen der Natur erfüllt.

Gleich stark erfüllt von der Dämonie der Natur und dem dämonischen Trieb im Menschen scheint der erste Film, in dem Leni Riefenstahl neben der Hauptrolle auch die Regie übernimmt. Schon im „Heiligen Berg" ist sie als Tänzerin und Skiläuferin aufgefallen. Sie ist dann eine kühne Bergsteigerin geworden, deren sportliche Leistungen im Film alles übertrafen, was bisher von Frauen in puncto Alpinistik geleistet wurde. „Das blaue Licht" erwies sie auch als vorzüglichen Regisseur. Dieser Film am Ausgang der Stummfilmzeit beeindruckt auch heute noch durch seine künstlerische Intensität, durch die Echtheit der Typen (Sarntaler Bauern), durch die Meisterschaft und malerische Wirkung seiner Photographie, einer Hochleistung Hans Schneebergers.

Solang es Menschen gibt, die sich zu den Bergen hingezogen fühlen, werden sie für Naturfilme dankbar sein. Trotzdem ist eine pessimistische Äußerung Doktor Fancks beachtenswert:

„Ob der einst von mir begründete Typ des deutschen Naturspielfilms, heute auf den drei Namen: Fanck — Trenker — Riefenstahl stehend, mit diesen einst wieder aussterben wird, da die heutige junge Generation diese Namen meist gar nicht mehr kennen. Jedenfalls werden die Schwierigkeiten in jeder Hinsicht immer größer, und ein Nachwuchs an Regisseuren, die vom Naturerleben herkämen, ist nirgendwo zu erblicken."

Neben dem Naturspielfilm hat sich auch der reine Naturfilm siegreich durchgesetzt. In diese Gruppe gehören die Expeditionsfilme. Als frühes Beispiel dieser Art mag ein Film Amundsens (um 1920) erwähnt werden, dann etwa die Filmberichte über die Shackleton-Expedition zur Umfahrung der Antarktis von 1921 (bei der Shackleton starb), Amundsens Vermächtnis: Norges Polflug (sein Polflug 1925, aber erst 1929 gezeigt), „Das weiße Geheimnis", die Fahrt des Eisbrechers Krassin zur Rettung der Nobile-Expedition (1929), Pamir (das Dach der Welt — 1929), „Polarstürme", „Im Bann der Bernina", Mitterholzers berühmter Abessinienfilm, „Silberkondor über Feuerland” (1929) von Werner Plüschow mit seinen grandiosen Landschaftsbildern und Tieraufnahmen aus diesem einsamen Winkel der Welt. Und vor allem „Kampf um den Himalaya" (die deutsche Nanga-Parbat-Expedition 1937) von Peter Mühlerritter und Günther Hepp, bearbeitet von Frank Leberecht.

Auch das Leben der Tiere in freier Wildbahn, in Dschungel und Urwald hat der Film belauscht. „Am Horst der wilden Adler", mit wundervollen Aufnahmen aus dem Leben der Fischadler (Walter Hege, 1933), „Bring sie lebend heim", und viele andere haben unsere Kenntnis von der Welt, in der wir leben, tausendfältig bereichert. Auch Ernst Udet hat gemeinsam mit den Kameraleuten Hans Schneeberger und Bohne einen Expeditionsflug in das Innere Afrikas durchgeführt. Sein Film „Fremde Vögel über Afrika" mit herrlichen Tieraufnahmen und ein gleichnamiges Buch sind entstanden.

Bei dieser Gelegenheit ein Wort über den Kameramann, diesen wichtigsten Mitarbeiter des Regisseurs bei der Dreharbeit.

Das Leben des Kameramanns ist nicht so geruhsam, wie man es sich vorstellt. Ich will gar nicht von der Atelierarbeit reden, die an sich Nerven genug verbraucht und gelegentlich sehr stürmisch sein kann. Es ist dem Kameramann nicht immer beschieden, auf der festen Erde seines Amtes zu walten. Er muss auf dem Dach eines sausenden Autos, auf dem Bug eines schwankenden Schiffes, auf der Spitze eines Kranes mit ruhigem Auge durch das Objektiv schauen können. Er muss bei Skifilmen ein Skiläufer, bei Bergfilmen ein Kletterer, bei Fliegerfilmen ein Flieger sein, und oft genug setzt er sein Leben dabei ein.

Es ist manches Mal ein abenteuerliches Leben, das durch die halbe Welt führt.

Es sollen sogar schon Filmleute bei Aufnahmen in Afrika von Krokodilen gefressen worden sein. Es muss nicht immer so böse enden, aber dass es bei diesem Beruf der Abenteuer genug gibt, dafür ist, um nur einen für alle zu nennen, Hans Schneeberger ein Beweis, dessen Kamera wir die schönsten Bergfilme, wie „Der heilige Berg", „Stürme über dem Montblanc", „ Die weiße Hölle vom Piz Palü", „ SOS Eisberg ", aber auch Atelierfilme, wie „ Mutterliebe ", „ Der Postmeister ", „ Operette " und viele andere, verdanken. Im Weltkrieg Kaiserjäger, mit der goldenen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet, dann Kampfflieger in der österr.-ung. Armee, abgeschossen, schwer verwundet und mühsam wieder zusammengeflickt, später Skimeister und kühner Kletterer, wurde er von Doktor Fanck für den Film entdeckt. Er ist mit Udet über die Urwälder Afrikas und in den Krater des Kilimandscharo geflogen, er hat ihn mit der Kamera auf seinen kühnen Flügen über das ewige Eis Grönlands begleitet, und der Laie macht sich keinen Begriff davon, wie viel technische Erfindungsgabe und persönlicher Mut dazu gehörte, manche der tollkühnen Bilder zu filmen. Flugaufnahmen wirken meist nur dann, wenn sie im Anschnitt auch das Flugzeug zeigen, so daß das Publikum also die Gewissheit hat, dass diese Aufnahme tatsächlich aus dem Flugzeug stammt und durch den Vordergrund das entsprechend plastische Verhältnis zur tief unten liegenden Landschaft gegeben ist. Bei solchen Aufnahmen wird die Kamera entweder auf einer Tragfläche, unter dem Rumpf des Flugzeuges, im Führersitz oder im zweiten Sitz eingebaut. Ist sie nicht unmittelbar der Hand erreichbar, so wird sie durch einen Fernauslöser bedient. Manchmal folgt auch ein zweites Flugzeug dem ersten nach, und der Kameramann verfolgt von hier aus die Vorgänge.

In Deutsch-Ostafrika alle zu nennen, Hans Schneeberger ein Beweis, dessen Kamera wir die schönsten Bergfilme, wie „Der heilige Berg", „Stürme über dem Montblanc", „Die weiße Hölle vom Piz Palü", „SOS Eisberg", aber auch Atelierfilme, wie „Mutterliebe", „Der Postmeister", „Operette" und viele andere, verdanken. Im Weltkrieg Kaiserjäger, mit der goldenen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet, dann Kampfflieger in der österr.-ung. Armee, abgeschossen, schwer verwundet und mühsam wieder zusammengeflickt, später Skimeister und kühner Kletterer, wurde er von Doktor Fanck für den Film entdeckt. Er ist mit Udet über die Urwälder Afrikas und in den Krater des Kilimandscharo geflogen, er hat ihn mit der Kamera auf seinen kühnen Flügen über das ewige Eis Grönlands begleitet, und der Laie macht sich keinen Begriff davon, wieviel technische Erfindungsgabe und persönlicher Mut dazu gehörte, manche der tollkühnen Bilder zu filmen. Flugaufnahmen wirken meist nur dann, wenn sie im Anschnitt auch das Flugzeug zeigen, so daß das Publikum also die Gewissheit hat, dass diese Aufnahme tatsächlich aus dem Flugzeug stammt und durch den Vordergrund das entsprechend plastische Verhältnis zur tief unten liegenden Landschaft gegeben ist. Bei solchen Aufnahmen wird die Kamera entweder auf einer Tragfläche, unter dem Rumpf des Flugzeuges, im Führersitz oder im zweiten Sitz eingebaut. Ist sie nicht unmittelbar der Hand erreichbar, so wird sie durch einen Fernauslöser bedient. Manchmal folgt auch ein zweites Flugzeug dem ersten nach, und der Kameramann verfolgt von hier aus die Vorgänge.

In Deutsch-Ostafrika war Schneeberger am Schwarzwasserfieber erkrankt und musste per Flugzeug, nach abenteuerlichen Zwischenfällen, in ein Krankenhaus nach Europa geschafft werden. In Grönland bei den Aufnahmen zu „ SOS Eisberg " hat er sechs Monate mit seiner Gattin in einer primitiven Hütte wie ein Nordpolfahrer gehaust. Frau Schneeberger aber fand das Leben „sehr komfortabel". Ihr Gatte konnte sich jeden Tag rasieren und außerdem gab es, dank ihrer Erfindungsgabe, jeden zweiten Tag ein heißes Bad in einem Zinkkanister. In den Eskimozelten war es freilich weniger geheuer, darin herrscht meist ein derartig fürchterlicher Gestank von Menschen, Fischen und gegerbten Häuten, dass ein Europäer sie kaum betreten kann, ohne dass es ihm den Magen umdreht. Aber offensichtlich sind nicht nur die Geschmäcker verschieden, sondern auch die Geruchssinne der Menschen, und vielleicht empfindet ein Eskimo den Duft von ranzigem Fischtran ebenso angenehm wie wir den von Kölnischwasser.

Bei einem bizarren Eisberg in der Nähe ihres Lagers hatte sich ein Eistor gebildet, schmaler als die Flügelbreite eines Flugzeuges. Gerade das aber reizte Udet. Mit Schneeberger im rückwärtigen Sitz, der den Flug drehte, machte er dreimal den Versuch, durchzukommen. Zweimal misslang es, und nur durch kühne Wendungen entging er dem Zusammenstoß, beim dritten Mal aber stellte Udet das Flugzeug schräg und kam richtig hindurch.

Bei den Aufnahmen im Eismeer wurde die Kamera manchmal auch in den Schwimmern des Flugzeuges befestigt. Oder Schneeberger saß im Rücksitz und drehte von hier aus den vor sich sitzenden Udet in Großaufnahme, die Landschaft als Kulisse.

Auch ein anderes Abenteuer hätte Schneeberger fast das Leben gekostet. Eisberge befinden sich in ständiger innerer und äußerer Bewegung. Oft genügen das Geräusch eines Motorbootes oder die Luftschwingungen eines Schusses, um so ein Ungeheuer berstend auseinander krachen zu lassen. Man sagt dann: der Eisberg kalbt. Eines Tages befand sich Schneeberger mit dem Kameramann Angst und dem Schweizer Skimeister David Zogg am Abbruch eines solchen Riesen. Um eine besonders schöne Aufnahme zu erzielen, hatte man das Stativ überhängend über dem Abgrund aufgebaut. Plötzlich begann das Eis zu kalben, und die beiden Vordermänner stürzten ins Wasser, hinterdrein und unbemerkt auch Schneeberger. Da man vom Boot aus das Unglück bemerkt hatte und wusste, dass Zogg nicht schwimmen konnte, waren natürlich alle um seine Rettung bemüht und merkten nicht, dass Schneeberger, zwischen Eisblöcken eingeklemmt, durch den Wellenschlag immer wieder unter Wasser getaucht wurde. Es war höchste Zeit, als man ihn endlich bemerkte und mit Hilfe eines Seiles herauszog. Immerhin ein paar Rippenbrüche trug er davon.

Die Schlussaufnahmen zu diesem Film wurden dann in der Schweiz gedreht, das Quartier aus den Grönlandhütten für Monate ins Bernina-Hospiz verlegt. Einige Zeit später begann Udet mit Schneeberger in der Nähe der Zugspitze „ Wunder des Fliegens ". Von diesem Film sei ein besonderes technisches Kunststück verraten. Im Verlauf der Spielhandlung musste ein Junge mit dem Fallschirm abspringen. Im fertigen Film konnte man dann sein Niedergleiten photographisch unmittelbar verfolgen, und es blieb selbst Fachleuten ein Rätsel, wo sich eigentlich die Kamera befunden haben möchte. Nun, man hatte sie in den Fallschirm selbst eingebaut und sie stürzte mit dem Jungen ab und drehte automatisch den Absprung bis zur Landung mit.

Da sich bei jedem dieser Filme eine Unmenge von Gefahren ergeben, ist es nur selbstverständlich, dass auch hier Schneeberger wieder etwas abbekam. Man wollte von einem ruhenden Standpunkt aus das Flugzeug Udets aufnehmen, aber nicht von der Erde hinauf mit dem Himmel als Kulisse, sondern umgekehrt. Zu diesem Zweck stieg Schneeberger mit einem Freiballon auf und drehte von hier aus seine Aufnahmen. Nun kann man bekannter weise den Landungsplatz eines Freiballons nie genau festlegen, und so gerieten sie beim Abstieg unversehens zwischen eine Hochspannungsleitung rechter Hand und einen See linker Hand. Schneeberger war eben bemüht, den letzten Sandsack abzuwerfen, um aus dieser unangenehmen Situation herauszukommen, als der Korb auch schon aufschlug. Vorgebeugt wie er war, fiel ihm die Kamera ins Kreuz und brach ihm einen Rückenwirbel, was wieder drei Monate. Krankenlager bedeutete.

Auch in Indien, wo er -1937 „ Der Tiger von Eschnapur " und „ Das indische Grabmal " drehte, gab es allerlei Abenteuer. In einem gigantischen Stauwerk unter einem überhängenden Felsen sollte der Einbruch von Wassermassen gedreht werden. Elf riesige Tore versperrten dem gestauten Element den Weg. Man hatte genau berechnet: wenn man zwei Tore öffnen würde, musste der Standplatz der Kamera trocken bleiben, und man würde sozusagen hinter den herabstürzenden Fluten photographieren können. Aber die Berechnung stimmte nicht ganz oder man hatte die Tore zu weit geöffnet. Jedenfalls kam das Wasser in solcher Masse herab, dass im nächsten Augenblick Kamera und die kleine Gruppe des Stabes im Wasser stand und in Gefahr schwebte, weggeschwemmt zu werden und zu ertrinken. Mit Mühe und Not konnten Menschen und Kamera gerettet werden, aber alles, was sie sonst bei sich hatten, schwamm fröhlich auf Nimmerwiedersehen davon. Ein Choleraanfall seiner Gattin bildete den aufregenden Abschluss der Reise. — Das ist ein kurzer Blick in das Leben eines Kameramanns...

Neben den ernst zu nehmenden Kulturfilmen hat leider amerikanische Sensationssucht den wissenschaftlichen Charakter dieser Filme gelegentlich verfälscht, indem gestellte Atelieraufnahmen eingeschmuggelt und in roher Weise Tiere aufeinander gehetzt wurden, die sich dann zur Befriedigung eines primitiven Publikums zerfleischten. Auch eine Spielhandlung hat man manchmal eingeflochten und so reizvolle Filme zustande gebracht, wie „Nurmi, der Elefant", oder „Chang, der König der Dschungel". Als Gegenstück seien jene kitschigen amerikanischen Tarzanfilme genannt, deren seinerzeitige große Erfolge kein Ruhmesblatt für den Publikumsgeschmack waren. Das Leben der Naturvölker war ebenfalls Gegenstand zahlreicher Filme. Als Meisterwerk der ganzen Gattung gilt, wie schon erwähnt, Murnaus „Tabu", sein letzter Film Und einer der letzten Stummfilme, der als kostbares Vermächtnis bis heute nichts von seinem Zauber eingebüßt hat. Einer der Kameramänner, die Murnau in die Südsee mitnahm, Robert Faherty, hat später nach diesem Vorbild den ebenfalls denkwürdigen Film „Die Männer von Aran" gedreht.

Selten geworden sind die einst so beliebten Hundespielfilme "Lit „Rin-Tin-Tin", „Rex" und anderen vierbeinigen Helden. 1940 hat Karl Köstlin mit dem Wien-Film „Krambambuli" diese Filmart wieder erfolgreich aufgegriffen.

Eine wichtige Rolle haben vom Anfang an die Tiere in den Zeichentrickfilmen gespielt, die, eine köstliche Filmart für sich, durch ihre innige Verschmelzung der gestaltenden Phantasie in der Zeichnung mit dem Bewegungsrhythmus und der Musik einen künstlerischen Höhepunkt des Films überhaupt darstellen. Wenn hierin auch die Amerikaner unübertroffen sind, so soll doch der Wiener Ladislaus Tuszynski als einer der frühesten Pioniere dieser Gattung in Europa besonders genannt werden.

Zeit des Nationalsozialismus

Drei Sprachen und eine Tonfilmidee

Zur Zeit des stummen Films wurde in Deutschland ein einziges Manuskript gedreht, das deutsche Manuskript, und sollte der Film in Ländern fremder Zonen laufen, so wurden die deutschen Zwischentitel in die betreffenden Landessprache übersetzt und die fremdsprachigen erklärenden Texte in die für das Ausland bestimmten Filmkopie dort eingesetzt, wo die deutschen Erklärung standen.

So wurde die Internationalität des stummen Films bestens und völlig gesichert.

Mit dem Aufkommen des Tonfilms war mit dieser einfachen Methode jäh zu Ende. Anfangs konnte man zwar noch deutsche Tonfilme mit den am unteren Rand des Filmbildes einkopierten fremdsprachigen Zwischentiteln ins Ausland exportieren und umgekehrt, weil der Tonfilm etwas neues war und einer tiefgründigen Kritik noch nicht unterlag. Anfangs freute man sich, wenn oben auf der Leinwand überhaupt jemand sprach oder sang, gleichgültig ob in deutscher, französischer oder englischer Sprache. Im „Singing fool" sprach und sang Al Jolson in der ganzen Welt englisch, und die meisten Kinogänger in Deutschland verstanden ihn nur aus den einkopierten deutschsprachigen Titeln am unteren Rand des Filmbildes.

Mit diesen einkopierten Zwischentiteln, deren Lesen sehr ablenkt und ermüdet, verloren die amerikanischen Filme in Europa immer mehr an Umsatzterrain. Hollywood sah sich immer deutlicher in seiner Film-Weltvormacht bedroht. Es ließ daher die amerikanisch gedrehten Filme „nachsynchronisieren", was bedeutet, daß die Monologe, Dialoge und Lieder von Darstellern der betreffenden Landessprache möglichst in Übereinstimmung mit den Mundbewegungen auf dem Ur-Film nachgesprochen und auf übereinstimmenden Ablauf zwischen Bild und Ton gebracht wurden.

Die künstlerische Aufgabe bei der Synchronisation geht über das rein technische Ziel, den Tonfilmdialog gerecht zu machen und den Sprechbewegungen des Bildstreifens anzupassen, hinaus und fordert tiefes Sprachverständnis, intuitives Einfühlen in das Charakteristische der zu bearbeitenden Sprachen, oft künstlerisches Nachschaffen in der fremden Sprache, wo die technisch angepaßte Übersetzung dem Wesen und künstlerischen Gehalt der dargestellten Szene nicht gerecht werden kann.

Die Internationalität des Tonfilms war selbst mit der technisch vollkommenen Nachsynchronisation nicht etwa ideal gesichert. Besonders in Deutschland hat man sehr bald erkannt, daß es mit dem Nachsynchronisierungssystem nicht für alle Ewigkeit gehen würde, sofern man für seine Filme Weltgeltung beanspruchen wollte. Man hat sich dann bei uns auch sehr schnell darin zurechtgefunden, einen einzigen Film in zwei oder drei lebenden Weltsprachen gleich aufzunehmen.

Man dreht mehrere „Fassungen" wie der Fachausdruck lautet: eine deutsche, eine französische und englische Fassung. Der Tonfilm hat hierbei dem Wörterbuch der Filmkunst ein bisher unbekanntes Wort eingegliedert: Version. Version heißt nichts anderes als daß in der gleichen Dekoration nacheinander deutsche, französische und englische Schauspieler ihre Szenen spielen. Dabei ist der Text der Version nicht etwa wörtliche Übersetzung des deutschen Manuskriptes, sondern wird jeweils dem spezifischen Empfinden des Landes angepaßt.

Dafür ein interessantes Beispiel:

Der deutsche (Albers), englische (Veidt) und französische (Boyer) Flieger in „F.P.1. antwortet nicht“

Selten ist bei einem Tonfilm die Verschiedenheit der Mentalität dreier Weltvölker so stark hervorgetreten wieg bei der Arbeit an den drei Fassungen des Tonfilms „F.P.1 antwortet nicht". Dieser Film wurden unter der Regie von Karl Hartl deutsch, französische und englisch gedreht. Eine der wesentlichen Hauptrollen ist die des Ellissen, eines Fliegers der die erste Landung auf der F.P.1, der Flugplattform Nr.1. im Atlantischen Ozean zwischen London und New York ausführt nun ist die Vorstellung von einem bekannten Sportflieger, der schon Rekorde aufgestellt hat, in den einzelnen Ländern grundverschieden. Das zeigte sich am klarsten an dieser Rolle. In der deutschen Fassung spielt sie bekanntlich Hans Albers, in der französischen Charles Boyer und in der englischen Conrad Veidt. Schon diese Verschiedenheit der Auffassungen brachte es mit sich, dass auch die Drehbücher in ihrer Transponierung in die verschiedenen Sprachen voneinander in dem Stimmungsgehalt der einzelnen Szenen erheblich abweichen. An einem der letzten Drehtage des Films hat diese Änderung in der Haltung des einzelnen eine sehr klare und zufälligerweise amüsante Formulierung gefunden. Eine große Spielszene zwischen Sybille Schmitz, Paul Hartmann und Hans Albers gipfelt in einem stark dramatischen Moment, in einem etwas verbitterten Gefühlsausbruch Hans Albers mit den Worten: „Aha, also deshalb mußte ich herfliegen." Dieser Satz brachte hier also gerade einen starken Dramatischen Höhepunkt. Bei Charles Boyer, in der französischen Fassung, verliert diese Figur fast ganz das sportliche Draufgängertum. Mit einer gewissen maliziösen Nonchalance apostrophiert er gewissermaßen die Situation: „C'eft pourquoi?" Bei Conrad Veidt erhält die Rolle die Zurückhaltung eines Gentleman- Sportfliegers. Kurz und sachlich meint er nur: „Ooh!"

Gerade die Tatsache, daß diese drei ganz kleinen Szenen innerhalb der Tonfilmarbeit in fast einer Stunde aufeinander folgten, gab Anlaß zu mancherlei Gesprächen. Abschließend meinte Hans Albers lächelnd: „Wen Sie, lieber Hartl, wenn sich dieser Dialog automatisch mit jeder Fassung weiterhin verkürzen würde, so hätte Der spanische Ellissen überhaupt nichts mehr zu sagen. Ein chinesischer Ellissen würde dann aber sicher in dem ganzen Abu überhaupt nicht mehr mitspielen."

Es gibt „mehrsprachige" Schauspieler und Schauspielerinnen, die in der deutschen und französischen oder in der deutschen und englischen Fassung die gleiche Rolle spielen. Da heißt es also, nicht nur zwei Rollen lernen, da heißt es auch, sich umstellen auf den anderen Partner und auf die ganz andere Einstellung eines fremden Landes. Lilian Harvey hat auf diesem Gebiet wohl das Höchste geleistet. Sie hat in ihren großen Filmen die Hauptrolle in der deutschen, englischen und französischen Fassung gespielt. Das bedeutet perfekte Beherrschung von drei Sprachen, und das bedeutet vor allen Dingen dreifache schauspielerische Umstellung und Einstellung in der gleichen Szene. Die sprachliche Anpassung an das fremde Land ist natürlich besonders wichtig und darf sich beim drehen von Versionen nicht nur auf die Sprache selbst beschränken, wenn es sich etwa darum handelt, Dinge darzustellen, die in den verschiedenen Erdteilen auch in ihrer ganzen Erscheinungsart und -form grundverschieden sind. Die äußeren Formen einer Gerichtsverhandlung, einer Trauung oder einer Parlamentssitzung sind beinahe in jedem Lande irgendwie in der Nuancierung verschieden. Der Börsenbetrieb in London unterscheidet sich grundlegend von dem in Berlin. Die Regelung des Autoverkehrs ist in New York anderes als an der Spree. Auf alle diese Dinge muß man bei der Herstellung von Versionen Rücksicht nehmen, weil ja die englische Fassung hauptsächlich in England, die französische Fassung dagegen vornehmlich in Frankreich laufen soll.

Dieselbe Szene der französischen Fassung mit französischen Darstellern in der deutschen Dekoration
Dieselbe Szene der französischen Fassung mit französischen Darstellern in der deutschen Dekoration

Die Riesenerfolge, die besonders die französischen und englischen Versionen der Spielfilme der Ufa im Auslande erzielten, beweisen die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges. Und die wirtschaftliche Seite? Die Ufa setzt sich mit ihren fremdsprachigen Versionen trotz Boykotts des deutschen Films überall im Auslande durch, hielt den alten, internationalen Ruf der Ufamarke wach und war außerdem für die Redebank ein wichtiger Devisenbringer.

Wahre Treue zum Film

Mit Asta Nielsen und Henny Porten hat der Tonfilm bestimmt nicht mehr gerechnet. Asta Nielsen ist Dänin und dürfte sprachlich größte Schwierigkeiten haben, Hennys Porten ist keine Bühnenschauspielerin und wird nicht fähig sein, die ungeheure Umwälzung in der Filmwelt zu meistern, in der jetzt Sprache und Gesang führende Rolle spielen. Und wer kann außerdem über zwanzig Jahre Ruhm und Glück auf der Leinwand ertragen!? Die Nielsen und die Porten waren daher auch zuerst absolute Gegner des Tonfilms. Auch schon aus sentimentalen Gründen, wie Henny Porten in ihrem lesenswerten Buch „Vom Kintopp zum Tonfilm" gesteht.

Ery Bos,. Asta Nielsen und Ellen Schwanecke in "Unmögliche Liebe"

Vergessen wir es nicht: Asta Nielsen hat am Anfang des 20 Jahrhunderts den Film zu einer Kunst erhoben. In der Ausgangsperiode des stummen Films versank dann auch allmählich der Name Asta Nielsen, der mehr als einer Generation der ganzen Filmfreundlichen Welt so viel bedeutet hatte. Im Jahre 1926 hat Asta Nielsen nach einem arbeitereichen Dasein zum letzten Male Sechs Jahre Ruhepause. Im Jahre 1932 kam sie überraschenderweise doch wieder zur Leinwand zurück, stand diese wunderbare Frau plötzlich im Tonfilmatelier vor dem Mikrophon: „Unmögliche Liebe." Hier mußte die dänische Virtuosin der Schauspielkunst sprechen wie eine Frau „zwischen zwei Altern", wie eine Mutter zweier erwachsener Töchter (Ery Bos und Ellen Schwanneke), wie eine kapriziöse Dame, die nicht resignieren, sondern am Leben mit Recht noch stark Anteil haben will. Die Frau „vor Sonnenuntergang"! Sie spricht für den Ton- Film mühelos, aber ihre Hände, ihre Augen, ihre Seele sprechen doch noch klarer und Deutlicher als ihre Lippen. Erich Waschneck hat uns die Nielsen neu entdeckt.

Im Frühjahr 1930 hatte sich Henny Porten entschlossen, in dem Tonfilm „Skandal um Eva" zu spielen. Alles war gespannt, wie die Künstlerin, die schon 1909 vor der Kamera gestanden hat, mit der neuen Filmgattung werden würde.

„An die Vorarbeiten, besonders an die Mitarbeit am Manuskript, ging ich mit wahrem Feuereifer heran, weil es doch wirklich etwas ganz Neues für mich war und welcher ernst schaffende Künstler suchte nicht immer nach neuen Wegen und Möglichkeiten, um das zu gestalten, was er in seinem Innern fühlt, um den Menschen immer wieder etwas Neues zu geben!
Es kam dann noch einmal ein Rückschlag, und zwar war das in den allerletzten Tagen vor Beginn der Aufnahmen: Da hatte ich das plötzlich das Gefühl, nein, es geht nicht, du hast deine Kräfte überschätzt, du wirst mit dieser neuen Sache nicht fertig werden. Aber dann habe ich mich zusammengerissen, und in dem Augenblick, da ich im Atelier stand und die ersten Sätze sprach, hatte ich eine ganz merkwürdige Empfindung: es war wie eine Erlösung für mich; ich kam mir fast wie Dornröschen vor, daß aus hundertjährigem Schlaf erwacht. Nach diesen ersten Anfängen war ich in kurzer Zeit mit dem Neuen so vertraut, als hätte ich nie etwas anderes gemacht. Als ich dann bei der Uraufführung des Films fühlte, wie meine Stimme und Sprache auf die Menschen lernten, war ich völlig besiegt. Ja, ich ertappte mich sogar bei dem Gedanken, ob nicht manche Szenen meiner früheren Filme einen viel stärkeren Eindruck gemacht hätten, wenn diese Filme schon Tonfilme gewesen wären."

Auf Henny Portens „kohlhieses Töchter" kann man die höhere Filmmathematik des 2 * 2 =1 anwenden: weil die stummen Schwestern Gretel und Liesel Kohlhiesel in dem alten Stummfilm mit den sprechenden Schwestern Gretel und Liesel in dem Tonfilm „kohlhiesels Töchter" (1930) zusammen vier ergeben und doch nur eins sind. Und was ist das Verwunderliche da bei?

Henny Porten in ihrer tönenden Doppelrolle als „Kohlthiesels Töchter“

Daß die vier Kohlhiesel-Töchter einander ähnlich und doch wie= der so gar nicht ähnlich sind. Sie sind ähnlich, weil die Liesel von heute im Zeitalter des Bubikopfes und der Kosmetik noch genau solchen Dutt trägt wie die Liesel von Damals, noch genau so geizig ist, noch genau so blöd, noch genau so gefürchtet und noch genau so heiratsunfähig. Und weil die Gretel von heute noch genau so wie die Gretel von damals ihre schmucken Zöpfe trägt, noch genau so freigebig ist, noch genau so schlau, noch genau so hübsch, noch genau so beliebt, noch genau so umworben.

Sie sind unähnlich, weil die zwei Schwestern von heute nicht so auf den Mund gefallen sind wie die Schwestern von damals. Sie machen nämlich jetzt den Mund auf. Besonders, der, was die Liesel anbelangt! Tausend Worte Bayrisch! Und alles, was die stumme Henny in ihrer Kohlhiesel-Vergangenheit hinunterschlucken mußte, holt sie jetzt zweistimmig nach - mit Bas und Sopran.

Im Tonfilm kann endlich die Musikalität der Henny Porten ihre Triumphe feiern. Sie singt mit kleiner Stimme, doch mit großem Geschmack. Gretel soll ein Sopran sein - die Porten singt Sopran; Liefet muß einen Kontra- Alt produzieren - die Porten singt Kontra- Alt. Und einmal kam das Erstaunlichste: Liesel soll Trompete blasen! Niemals hatte Henny Porten so ein Instrument angefaßt. Eins, zwei, drei, erklärt ein wackerer Trompeter ihr, wie man's macht - schon bläst sie Militärsignale. Die Porten beherrscht auch im Sprachlichen alle Register der Charakterisierungskunst. Hier muß sie sogar stimmlich zwei verschiedene Persönlichkeiten darstellen. Lange blieb es ein Rätsel, wie der Regisseur Hans Behrendt die Präzision der Trickaufnahmen im Duett der beiden Porten fertig gebracht hat, bei dem abwechselnd die eine und die andere die einzelnen Strophen singt. Die Porten hat nun auch im Tonfilm gesiegt.

Henny Porten nimmt jetzt ganz energisch Anlauf, sich im Tonfilm durchzusetzen. In dem Film „24 Stunden aus dem Leben einer Frau“ (1931) verläßt sie das Gebiet des Lustspiel und geht wieder einmal ins Dramatische und Sentimentale über. Wenn auch die dem Film zugrunde liegende Novelle von Stephan Zweig psychologisch überspitzt ist, so macht die Porten die Komplizierte Gestalt der Frau Helga, die sich nach der Tod ihres Gatten der Einsamkeit ergibt, recht glaubhaft und bemitleidenswert. Erstaunlich und bewundernswert diese Darstellerin von 1909 sich immer wieder neue und schwierige Aufgaben stellt - und sie auch meistert und löst.

Henny Porten und Gustaf Gründgens in "Luise, Königin von Preußen"

Die Erscheinung der Königin Luise ist in vielen Bildern und Skulpturen überliefert. Aber wie diese aus verschiedensten Lebensjahren stammen, auch von verschiedenster Hand herrühren, weichen sie bis auf Grundzüge, die immer wiederkehren, in Einzelheiten erheblichen von- einander ab. Das Idealbild, in dem Königin Luise als der „Schutzgeist Preußens" verklärt fortgelebt, haben erste Darstellungen nach ihrem Tode geschaffen. Und wenn auch, um von diesen nur die bekanntesten zu nennen, Rauch in seiner Grabfigur im Charlottenburger Mausoleum, Encke in der Tiergartenstatue und Gustav Richter in seinem großen Gemälde natürlich auf jene Portries und Skulpturen aus der Lebenszeit zurückgegriffen haben, sie stehen doch alle bereits unter dem Eindruck der Legende, die sich sofort der Königin bemächtigt, und es ist ein Idealbild, das damit dem Volksbewußtsein über eignet wurde.

Auch aus dem Film kennen wir verschiede Luisen. In den Anfangsjahren der Kinematographie spielte Hans Arnstädt die Königin, dann hat Mady Christians die Königin Luise unter der Regie von Grune dargestellt Die Lulle Darstellen zu können, ist seit jeher auch ein Wunsch Henny Portens gewesen, denn die mütterlichen Freuen haben stets zu ihren Lieblingsrollen gehört. Der Plan war schon gefaßt, als vom Tonfilm noch kein Mensch etwas ahnte. Der stumme Luise- Film mit der Porten unterblieb aber damals zum Glück, denn der Tonfilm vermag historisches Geschehen doch weit lebendiger zu machen als die stumme Leinwand.

Henny Porten verkörpert im Tonfilm die Königin Luise so lebendig und Lebenswesen, daß die besten Darstellungen zeitgenössischer Maler nicht überzeugender wirken. Wenn sie mit ihren Hofdamen und Kammerfrauen über die neuesten Moden schwatzt und vor dem Spiegel vergnügt das Kleid der Pariser Schneiderin Madame Raimbaut anprobiert, wird die Figur der Königin plötzlich echt und lebensnahe, wie staubter historischer Kitsch ist verflogen.

Henny Porten und Peter Voß in "Mutter und Kind"

So ist die Gestalt der Königin nachgeformt, aufgebaut auf der reinen Menschlichkeit dieser Frau und gipfelnd in ihrem Rationalismus im besten Sinne, in ihrem Bekenntnis zu Deutschland, das damals noch ein ferner Begriff war, und für das sie damals gipfelnd auch in ihrem in der Geschichte aller Nationen einzigartigen Weg zu Napoleon, in der Werten, mit denen sie ihn, den stolzen Sieger zu menschlicher Vernunft zurückführen wollte: „Sire, denken Sie an die Vorsehung, noch ist auch Frankreichs Schicksal nicht entschieden." Worte, die heute gesprochen sein könnten die für heute, die für immer, die für jeden Sieger gelten.

In der Stummfilmzeit hat Henny Porten schon einmal in einem Film „Mutter und Kind" nach dem dramatischen Gedicht von Friedrich Hebbel gespielt. Es war einer der stärksten Porten- Filme der damaligen Zeit. Nun hat die Porten dieselbe Rolle in einem Tonfilm zu gestalten (1934), dessen Motive die gleichen geblieben sind wie im stummen: Triumph des Frauentums und der Mütterlichkeit, die die Krone des Lebens ist, denn sie ist das Leben. Ein Thema, daß in jeder Menschheitsperiode immer wider auftauchen wird, das uralt und doch ewig neu ist.

Die Regie führt Hans Steinhoff, der Schöpfer des Hitlerjungen Quex, der Künstler mit dem Blick für das Volkstümliche, der Mensch mit dem großen Verantwortungsgefühl. In der Mitte des Spiels: Henny Porten und Peter Voß.

Mit diesem Tonfilm hat die Porten bewiesen, daß sie eine ehrliche, echte Künstlerin geworden und ihre Kraft zur inneren dramatischen Gestaltung mächtig gewachsen ist. Erstaunlich, wie diese Frau an sich und ihrer Künstlerischen Vollendung nun auch noch wieder in der Tonfilmära gearbeitet hat. Kein lauter und unwahrer Ton, kein Pathos, keine Geste und Mimik, keine „Aufmachung" und nicht die Öldruckmanier ihrer früheren glatten Gesellschaftsfilme. Henny Portens Dienstmädchen Anna wächst in den Kampfszenen um ihr Kind über sich selbst hinaus und trägt damit das Leid der Mütter einer ganzen Welt.

Flucht nach Amerika

Als es mit dem stummen Film in Deutschland immer mehr zu Ende ging, haben sich viele deutsche Filmschauspieler und Filmdarstellerinnen sich vom Dollar und von künstlerischen Möglichkeiten locken lassen und die Koffer gepackt, um nach der „paradiesischen“ Westküste Amerikas zu dampfen, wo in den Studios der amerikanischen Filmtrusts Jährlich 600-700 Großfilme entstehen. Viele haben schnell den Weg nach Berlin zurückgefunden, und alle reumütig Heimkehrer haben offen versichert, daß sie an jenen „sonnigen Gestaden" nicht mal begraben sein möchten. Die erste Künstlerauswanderung nach dem dollar- und sagenumwobenen Hollywood erfolgte in Deutschlands Frühinflationszeit: Ernste Lubitsch, Pola Negri, Paul Ludwig Stein, Hans Kräly. Sie alle sind in Amerika heimisch und seßhaft geworden. Mit der großen Ankurbelung des amerikanischen Filmexports 1925/26 erfolgte die zweite Auswanderung: Ludwig Berger, F. W. Murnau Paul Leni, E. H. Dupont, Lia de Putti, Conrate Veidt, Emil Jannings, Camilla Horn, Dita Parlo. Als Hollywood aber in einen förmlichen Tonfilmtaumel geriet, wurden die deutschen Künstler wegen Sprechschwierigkeiten aus den Hollywood Studios ganz einfach wieder ausgespielt. Der hundertprozentige Sprechfilm setzt neben der mimischen Begabung neue Bedingungen voraus: kultivierte englische Sprechkunst. Da tauchten plötzlich alle Untreuen wieder in Neubabelsberg auf: Dita Parlo in „Melodie des Herzens", Emil Jannings in „Der blaue Engel", Conrad Veidt in „Die letzte Kompanie".

Emil Jannings im amerikanischen Film "Sein Letzter Befehl"

„In Amerika wird man nach dem ersten Erfolg abgestempelt", sagte Emil Jannings, der in Hollywood nur Rollen bekam, die im Stile von „Weg allen Fleisches" gehalten waren, also immer wieder Abstieg eines bürgerlichen Menschen mit wehmütigem Abschluß. In Amerika hatte man Jannings zum Repräsentanten der Traurigkeit gemacht. In seinem ersten amerikanischen Film „Der Weg allen Fleisches" waren Handlung und Begebenheit dem kleinbürgerlichen Milieu entnommen, und das Schicksal hatte es so einzurichten gewußt, dass er plötzlich ein Verschollener war und völlig heruntergekommen wieder zu seiner Familie zurückkehrte. Dann kam der Film. Wieder hingen die Amerikaner Jannings einen Vollbart um, und es ging ihm in dem Film noch schlechter als in dem ersten, sein Schicksal konnte nicht düster genug sein. Immer wieder standen um Jannings die Trauerweiden. In Amerika ist nun einmal alles Standard, auch das Unglück im Film. Conrad Veidt war in Hollywood immer nur der Darsteller des Dämonischen, der Mann, dem nur Rollen in den Spukstücken zufielen, wie sie Paul Leni inszenierte. Das Talent des deutschen Filmdarstellers wurde auf ein einziges Rollengebiet abgeschnürt und damit in die große Gefahr gebracht, sich Manieren und Nuancen anzugewöhnen, die der Kinogänger sich sehr bald übersieht. Und als die amerikanischen Produzenten in Hollywood dazu übergingen, diejenigen Filmstoffe, die sich für europäische Länder besonders eigneten, neben der englischen auch in einer selbständigen deutschen Fassung zu drehen und hierfür fallweise deutsche Darsteller- Ensembles zu engagieren, setzte die dritte Periode der Künstlerabwanderung ein: Marlene Dietrich, Lili Arna, Olga Tschechowa, Johannes Riemann, Wilhelm Dieterle, Nora Gregor, Charlotte Sufa, Paul Morgan, Lil Dagover. Fast alle sind sie zurückgekehrt, enttäuscht und verärgert über das, was ihnen drüben passiert ist. Lil Dagover wurde mit einem beispielslosen Pomp in Amerika empfangen. Sie sollte zunächst geblendet werden. Es wurde zwar gedreht, aber Lil Dagover bekam nie etwas Richtiges zu sehen, und nach Monaten mußte sie merken, daß sie wohl ihr Geld bekommen hatte, man aber auf ihre Leistungen verzichtete. Sie kehrte zurück und war froh, wieder im heimatlichen Deutschland in guten deutschen Filmen von neuem anfangen zu können. Ähnlich erging es Charlotte Susa. Sie erhielt von Amerika einen phantastischen Honorarvertrag und fuhr nach Hollywood. Dort saß sie ungefähr ein ganzes Jahr und wartete auf die erste Rolle. Sie ist auch wieder zurückgekommen.

Gary Cooper und Marlene Dietrich in "Marokko" (Herzen in Flammen"

Die Wahl des richtigen Filmstoffes für den „amerikanischen" Star Marlene Dietrich wird in Hollywood nicht leicht gewesen sein. Marlene, durch den Erfolg des „Blauen Engels" als „Vamp" abgestempelt, mußte als die große Verführerin erscheinen, die Frau, für die sich die Männer bedenkenlos zugrunderichten. Nach den Glaubenssätzen von Hollywood darf aber ein solcher "Vamp" niemals eine Amerikanerin sein - deswegen wird auch die Garbo für ihre Vamprollen stets in eine Ausländerin verwandelt. Der „Vamp" war bis zum Eintreffen der Garbo in Amerika stets eine dunkelhaarige Mexikanerin oder Südamerikanerin. Nur so konnte sich der Amerikaner eine „verführerische Schönheit“ vorstellen. Da auch Marlene Dietrich ihren "nordischen Typ" nicht ablegen wollte, wurde schließlich eine erotische Geschichte erfunden, in deren Rahmen Marlene ihre schauspielerischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen hatte. Es war schon ein seltsames Gefühl, als im Jahre 1931 an der gleichen Stelle, wo Marlene Dietrich mit dem „Blauen Engel" Triumphe gefeiert hat, ihr erster amerikanischer lief: „Marokko (Herzen in Flammen). Jeder Zuschauer stellte natürlich Vergleiche an. Alles in diesem Film war von Kopf bis Fuß auf Amerika eingestellt, auf die Kinogänger von Buffalo und Cincinnati. Auch als „Spionin „X 27" (1932) arbeitet Marlene Dietrich nicht mit unechtem Heroismus oder mit großen Gesten und Gedärben, sie bleibt immer natürlich und dadurch von stärkster Eindruckskraft. Pikanter und schauspielerisch noch tiefer wirkend ist die Dietrich als Küstenflittchen und Abenteurerin im „Shanghai- Expreß" (1932), eine der reifsten Arbeiten ihres ständigen Regisseurs Joseph von Sternberg. Als Marlene Dietrich in dem Film „Die blonde Venus" (1930) für ihr Kind ins graue Elend hinabstieg, um am Ende des Films meteorgleich am Revuehimmel zu strahlen da gab es um diese abgegriffene Sujet einen großen Krach in Hollywood. Als über Hollywood die Welle der großen historischen Filme brauste, gab man Marlene Dietrich die Titelrolle in „Katharina die Große". Heidede, Marlenes Töchterchen, verkörpert in dem Film die Rolle der Katharina als Kind. Das war etwas für die Amerikaner, das brachte Vergebung für „Die blonde Venus". Als Dorothea Wieck nach Amerika ging, war es bereits in Deutschland bekannt, daß die Amerikaner eine Anzahl europäischer Schauspielerinnen nach Hollywood gelockt und ihnen auch hohe Gagen gezahlt, aber sie niemals ernsthaft beschäftigt haben. So ließ Dorothea Wieck in ihren Amerikavertrag an erster Stelle sehr deutlich und für Hollywood leserlich hineinschreiben, daß unter allen Umständen ein Film mit ihr gedreht werden müsse. Das war aber wiederum gar nicht einfach. Man versuchte dennoch für die deutsche Künstlerin einen Film zu schreiben: „Wiegenlied“ (1934) - ein Stoff, thematisch völlig verschieden von der üblichen Filmproduktion Amerikas.

Lilian Harvey als amerikanischer Revuestar in "Ich bin Susanne"

Wie bei Dorothea Wieck wußte man in Hollywood anfangs auch bei Lilian Harvey nicht recht, wie man sie beschäftigen sollte. Man hat sich schließlich entschieden, sie vollkommen auf den Typ des jungmädchenhaften, Zerbrechlichen, hilflosen Porzellanpüppchen zurechtzumachen. Ihre männlichen Partner sind absichtlich sämtlich alle Riesenkerls, um Lilian so winzig und schutzbedürftig wie möglich erscheinen zu lassen. In dem amerikanischen Film "Meine Lippen lügen nicht" war Lilian Harvey für ihre deutsche Gemeinde doch eine große Enttäuschung, weil das eigentliche Talent der Harvey in Hollywood nicht richtig eingesetzt worden ist. Man hat dann recht bald in Amerika eingesehen, daß man mit einer verniedlichten und verzuckerten Lilian Harvey keine Welterfolge erzielen kann. Also gab man ihr in dem Film „Ich bin Susanne" größere darstellerische Möglichkeiten, mit denen die Künstlerin ihren mimischen und tänzerischen Ausdruck ehrlich vertieft hat. Sie konnte hier als kleine Susanne, die unter dem Joch eines bösen Managers und einer eigensüchtigen Pflegemutter seufzt, einen Menschen gestalten, der bei aller Zartheit des Denkens und Fühlens die Kraft und die Energie aufbringt, die Tücken eines widrigen Schicksals zu überwinden. Wie man sich auch zu den amerikanischen Harvey- Filmen stellen mag, das Hollywooder Experiment mit ihr hat siech als mißglückt erwiesen. Als einzige hat sich also Marlene Dietrich behaupten können, obwohl die Zeit des Vamp auch in den Amerika vorüber ist.

„Flüchtlinge“, der Staatspreisfilm 1933/34

Vor den Toren von Charbin (Aus dem Staatsfilm "Flüchtlinge")

„Flüchtlinge" (Regie: Gustav Ucicky, Filmautor: Gerhard Menzel) ist plötzlich der „neue Film" da, der Zeit der nationalsozialistischen Revolution gefordert und erstrebt wurde. Dieses Filmwerk ist vom „neuen Geiste getragen, denn es verkörpert die hohen sittlichen Ideen der Selbsthilfe und des Führerprinzips.

Einmal heißt es in dem Film: „Für etwas sterben – den Tod wünsch' ich mir.“ Das Wort wird nicht einfach dahergeredet, als irgendeine Stelle in einem Drehbuchdialog, es wächst aus dem Geschehen heraus. Es faßt den Inhalt der Handlung des Films in seinem letzten, tiefsten Schluß zusammen - denn hier ist endlich einmal ein Inhalt. Es ist wirklich geworden, was man immer wieder vom Film verlangten, was verlangt werden muß, wenn anders der Film überhaupt mehr sein soll als ein oberflächlicher Zeitvertreib, wenn er den 'Menschen mehr geben soll als ein paar Stunden Bilderbeschauen.

Gefangene Wolgadeutsche aus „Flüchtlinge“

Hier ist auch eine Gesinnung, eine Überzeugung, hier ist eine tragende, gestaltende Idee, und sie ist nicht ein Einsprengsel, nicht eine wortreiche Episode im Filmgeschehen, macht daraus keine schattenhafte Konstruktion, sondern sie bestimmt den Ablauf der Handlung, sie gibt den einzelnen Szenen Gehalt und Gepräge. Und sie ist keine Idee, die uns fremd wäre, sondern eine, die zeitnahe ist: das arbeiten, kämpfen, sterben für ein hohes Ziel, der Einsatz eines jeden für alle, der von einem einzelnen geweckte und gehaltene einigende Glaube an die befreiende Macht der opferwilligen Tat. Dieser vertriebene Hause von Wolgadeutschen, der da aus der Hölle Rußlands ins Fegefeuer des chinesischen Generalkrieges gerät, zerzaust vom Sturm über Asien, im Rücken die Bolschewiken, vor sich die chinesischen Kugeln, durch das Tor von Charbin in ein Inferno von atemberaubender Grausamkeit hineingehetzt: dieser Hause volle innerer Zerrissenheit und Qual- voll Hoffnungslosigkeit und Schwäche, voll Unsicherheit, ohne Kraft und Mut: es ist Deutschland! Das zum Orkan ach steigert, eine Realistik, die das Thema „Flüchtlinge" zu einer optisch- akustischen Vision von erschütternder, unvergeßlich packender Eindruckskraft hochpeitscht!! Ödes Geschwätz einer „hohen Kommission", die in eleganten Räumen über das Schicksal der Flüchtlinge gerät ist als grausam höhnischer Kontrast gegen diese brutale Wirklichkeit gestellt. Und diese Wolgadeutschen, die Deutschland sind, sie wären zugrunde gegangen in ihrer 'Verzweiflung und Zerrissenheit - wenn ihnen das Schicksal nicht einen Führer geschickt hätte, einen Kerl der dem weichlichen November-Deutschland mit seinem Winseln, Sichducken und Petitionieren den Rücken kehrte, aber mit glühendem Herzen an dem wahren Deutschland hängt. Einen Kerl, der alle Kurzsichtigkeit und Nörgelei, alle Zerrissenheit und Schwäche mit harter Energie besiegt und die ausgemergelte Kraft seiner Landsleute zusammenrafft zur gigantischen Tat, der einzigen , die Rettung bringt: die Schienen zu flicken, den letzten Weg in die Freiheit benutzbar zu machen ...

In einer faszinierenden Massenregie verschwunden leicht die einzelnen schauspielerischen Leistungen, die hier bis in die kleinsten Rollen ausgezeichnet sind.

Hans Albers und Käthe von Nagy in "Flüchtlinge"

Hans Albers ist auch hier wieder einmal der draufgängerische Abenteurer, doch nicht selbstherrlicher, als es das Ganze zuläßt. Er erlebt seine Rolle mit dem letzten Nerv und füllt sie aus mit seiner großen Kunst, die nach dieser Leistung als „Flüchtling" und als harter, unbeugsamer Führer wohl von niemandem mehr bezweifelt wird. Seine Liebesgeschichte mit einer jungen Wolgadeutschen (Käthe von Nagy) bleibt zart teste Begleitepisode. Und das ist gut so, denn dadurch darf Käthe von Nagy in ihrem vertieften und gereiften Spiel der Augen die stille Frau sein, die Frau schlechthin.

Eugen Klöpfer als früherer Führer der Wolgadeutschen ist bärbeißig und stiernackig. Derb, aber ehrlich. Rührend und kindhaft in seiner Verzweiflung. Dieser realistische und erschütternde Film, der mit bedeutenden technischen Mitteln von der Ufa hergestellt wurde, war lebendiger Beweis, daß die Filmindustrie durchaus nicht im Unterhaltenden, Naturbildhaften, Kriminalistischen oder Seichten zu versinken war, und daß mit gewaltiger Bändigung von Bild und Ton selbst volkhaftes Schicksal im fernen Osten sich in der damals erwachten Heimat mitreißend widerspiegeln kann, wenn sich Produzenten darauf besinnen, daß das Problem Blut und Boden der ungeheuerste Vorwurf für dramatisches Filmgeschehen ist: Volksnot-Masseführer, oder der schon immer für das deutsche Volk gültige Appell: „Hilf dir selbst, so hilft dir unser Herr Gott!"

Filmkunst in der Zeit des Nationalsozialismus

Die Jahre von 1933 bis 1938, gaben die kurz bemessene Frist für die Befreiung und Erziehung des deutschen Volkes. Der Niederwerfung innerpolitischen Systems der Parteiwirtschaft und der Durchsetzung der nationalsozialistischen Führung in allen Ländern, Städten, in allen wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Organisationen Deutschlands folgte unmittelbar der Stellungswechsel in der Außenpolitik. Deutschland ging von der Teilhaberschaft an Versailles zur offenen Gegenfront über, als es aus dem Völkerbund und der Abrüstungskonferenz austrat. Das deutsche Volk holte mit dem Beweis seiner in zwei Jahren geschaffenen Einheit die Saardeutschen heim, nahm sich die Wehrfreiheit und weitete seinen militärischen Machtbereich durch Besetzung der entmilitarisierten Zone vom Rhein bis an die staatliche Grenze im Westen aus. Der Führer entwickelte auf den Parteitagen und in den großen Reichstagsreden das Programm einer europäischen Zusammenarbeit bei voller Gleichberechtigung Deutschlands gegenüber denen, die als angebliche Sieger des ersten Weltkrieges statt eines Weltfriedens einen Zustand fortgesetzter gemeingefährlicher politischer, wirtschaftlicher und sozialer Konflikte geschaffen hatten. Der Nationalsozialismus machte Deutschland im „Kriege nach dem Kriege" wieder stark. Er war bereit, bei Garantie für ein glückhaftes Dasein eines gleichberechtigten Deutschland alle Kräfte nur für die innere Erneuerung der deutschen Menschen einzusetzen. Das deutsche Volk wurde in diesen Jahren inmitten des Kampfes, der oft härter war, als Millionen ahnten, für die politischen Aufgaben dessen Zeit geschult. Es bedurfte dazu des Einsatzes aller Mittel der Volkserziehung in einer Propaganda, die von der Agitation ebenso weit entfernt ist wie etwa die brutale oder kindische Lüge von der beglückenden dichterischen Schöpfung. Die Mittel der Volkserziehung sind das gesprochene Wort in Versammlung und Rundfunk oder das gedruckte Wort und das gedruckte Bild in der Zeitung und Zeitschrift, dazu das bewegte Bild auf der Leinwand: der Film. Er reicht gleichzeitig in das Gebiet der Kunst. Er kann ebenso reine Wiedergabe des Gegenständlichen wie künstlerische Erhebung sein. Er kann über alles Irdische hinaus emporsteigen und auch so tief herabsinken, dass er volksverderbend wirkt. Seine technischen Mittel wirken auf den Menschen, je primitiver er ist, um so eher verführerisch und bezaubernd. Mit dem bewegten Bilde und seinen vielfachen Möglichkeiten des Tricks und der Täuschung können, wie wir lernten, alle hohen Gefühle und alle niederen Instinkte übermittelt werden, Aber der Film, der das packendste Mittel der Erziehung oder der Agitation zu sein vermag, ist umständlich im Einsatz. Er bedarf eines großen Apparats, einer Vielzahl von Menschen allein schon bei seiner Herstellung, auch wenn noch so einfach produziert wird. Er bedarf einer technischen Apparatur bei der Wiedergabe, eines Raumes, der beim Tonfilm auf den Klang der Wiedergabe eingestellt sein muss. Der Umfang des Technischen beim Film verlangt hohe Geldmittel oder den Einsatz von staatlichen Stellen, welche den Apparat für sich ohne geldlichen Gegenwert mobil zu machen verstehen. Der Film erfordert auch viel Zeit bei jeder Umstellung, sei es in der Technik, sei es in der künstlerischen Linie oder in der gesamten Art des Einsatzes. Der Film hat ein mit seinem umständlichen Einsatz zusammenhängendes Beharrungsvermögen. Er bleibt gern auf der gleichen Linie. Dabei wird ein falscher Einsatz oder das Trägheitsmoment vielfach mit Gründen entschuldigt, die angeblich im künstlerischen Streben liegen, aber gerade davon weit entfernt sind, oder mit Gründen, die angeblich im Wirtschaftlichen liegen, aber nur angeführt werden, weil die Elastizität im Einsatz des Apparates fehlt. Aus diesen Gründen war es schwer, den Film über die Zeit der Ohnmacht und der schicksalhaften Unentschlossenheit des deutschen Volkes hinwegzubringen und ihn doch ständig zur höchsten technischen Vollkommenheit weiterzuentwickeln. Diese Aufgabe war der Ufa seit 1927 zugefallen. Es musste auch schwer sein, den Film gleichzeitig der Volkserziehung im nationalsozialistischen Deutschland nutzbar zu machen und künstlerisch höher zu führen. Die Schwierigkeit ergab sich nicht etwa daraus, dass in beiden Aufgaben ein Widerspruch läge. Im Gegenteil, der Film hat auf der Grenze zwischen Volkserziehung und Kunst die Möglichkeit, mit höchster künstlerischer Leistung erzieherisch zu wirken und mit bester erzieherischer Leistung dem Künstlerischen den Weg zu bahnen. Aber er benötigt dazu wesentlich mehr Zeit als andere Mittel der Volkserziehung oder Propaganda. Das Wort in der Erziehung des Volkes zur Gemeinschaft und zum stärksten politischen Einsatz anzuwenden, ist dann ziemlich leicht, wenn Menschen zur Verfügung stehen, welche von der Heiligkeit ihrer Aufgabe innerlich überzeugt sind. Die nationalsozialistische Führung, die diese Menschen schuf, brauchte nur, um das Wort in Versammlungen zur stärksten Wirkung zu bringen, dem Raum die Symbole ihres Kampfes zu geben und den Menschen das Gefühl für die Heiligkeit dieses Kampfes zu übermitteln.. Bei der Verwendung des Wortes im Rundfunk bedurfte es schon einer Ausweitung des technischen Apparates, der Massenproduktion von Empfängern und der Vermehrung und Verbesserung der Sender. Es bedurfte auch einer immer wieder erneuten Einstellung des Programms auf die Aufgaben der Volkserziehung. Der Rundfunk kann nur mit Menschen, die ständig an sich arbeiten, um der Vollendung dieser Erkenntnis näher zu kommen, wirken. Er bedarf dazu einer relativ großen Zahl von begabten und wissenden Menschen. Der Rundfunk hat aber gegenüber der Zeitung noch den Vorteil der einheitlichen zentralen Führung und der ziemlich leichten Übersicht über den gesamten Apparat. Die Zeitungen bedürfen einer Vielzahl von Menschen, die bereit sind, sowohl im Technischen wie im Geistigen durch innere Entwicklung sich für die Aufgabe der Volksführung bereit zu machen. Der Film muss, bis eine Vollendung in der Volksführung erreicht ist, seine Mittel — den technischen Apparat, die schauspielerische Darstellung, das Manuskript, das gesprochene Wort, die Musik — immer wieder erproben. Er ist darin freier als die Zeitung oder gar das Theater oder die Musik. Denn der Film ist nicht an Formen gebunden, die sich seit Generationen oder, in der Musik, seit Jahrtausenden ausgebildet haben. Er kann sich den Weg zur Seele der Menschen suchen, wie er will, während die Musik Gesetze des Eingehens in die Seele der Menschen hat, die unumstößlich sind, und das Theater zum mindesten Gewohnheiten besitzt, die beachtet sein wollen. Die Jugend des Films hat beim Einsatz für Volkserziehung und bei der künstlerischen Durchbildung ihren großen Vorteil, aber sie zwingt auch dazu, Fristen zu beachten, die unumgänglich notwendig sind. Denn der Film ist noch nicht erwachsen. Er wächst außerdem nicht in einem fort. Seine technische Entwicklung ist noch nicht einmal abgeschlossen. Jede große technische Neuerung im Film ergibt zunächst einen Rückschlag in der künstlerischen Entwicklung und in der Bereitschaft beim Einsatz zur Volkserziehung. An der Wende vom Stummfilm zum Tonfilm gab es einen schweren Rückschlag gegenüber schon fast feststehenden Gesetzen der Filmkunst. Bei der Weiterführung zum Farbfilm gibt es, wie man deutlich beobachten kann, zum mindesten Hemmungen und Störungen. Ehe aber nicht Bewegung, Ton und Farbe in technischer Vollendung und mit möglichst großer Freiheit gegenüber den Hemmungen der Apparatur in Erscheinung treten können, ist der Film noch nicht in das Alter gekommen, in dem die einheitliche künstlerische Leistung für immer gesichert werden und damit die Vollendung in der Volkserziehung einsetzen kann. Die Wertung des jeweiligen Fortschritts des deutschen Films darf nicht vom Endziel her erfolgen. Sie muss von dem Zustand ausgehen, in dem sich der Film im Jahre 1927 bei der Umformung der Ufa befand, und von den Schwierigkeiten, die seiner Entwicklung bis 1933 entgegenstanden. Nach der Überwindung der Überfremdung und nach der Einführung des Tonfilms sowie nach der Machternennung des Nationalsozialismus kam es einmal darauf an, den Film von den Juden zu reinigen. Er musste außerdem vom Geschäftsbetrieb der „Branche" gesäubert werden, Genau wie in den USA betrachteten auch in Deutschland Hunderte von Produzenten meist kleinerer Firmen den Film noch immer als ein günstiges Objekt der geschäftlichen Spekulation. Der Grundsatz Hugenbergs, dass es nicht auf die Dividende ankomme, sondern dass Filmherstellung Dienst an einem wichtigen Zweig der deutschen Kultur sei, war nicht weit durchgedrungen. Nach der Reinigung und Säuberung des Films musste der Weg für den Durchbruch der Menschen frei gemacht werden, die im Technischen, in der Verwaltung und in der Produktion sich als stark und begabt genug erwiesen, um den Film bei immer weiter fortschreitender technischer Entwicklung und trotz aller daraus immer wieder entstehender Hemmungen der Vollendung so nahe wie möglich entgegenzuführen. Der feste Wille zur Reinigung und Ordnung des deutschen Films, der sich unmittelbar nach der Machtergreifung offenbarte, fußte nicht allein auf dem Verlangen, den Film als direktes Mittel der politischen Propaganda einzusetzen. Wenn 1930 eine Filmabteilung der NSDAP gegründet wurde, dann geschah es nicht nur, um Filme herzustellen, die man im Wahlkampf verwenden konnte, sondern um die aufsteigende Bewegung auch für den Kampf um den deutschen Film auf künstlerischem Gebiete einzusetzen. Männer wie Arnold Räther, der mit Dr. Goebbels damals die nationalsozialistische Filmpolitik machte, waren bestrebt, Einfluss auf die Filmproduktion zu gewinnen, um damit der nationalsozialistischen Weltanschauung zu dienen. Unter solchen Gesichtspunkten wurde die Hauptabteilung Film in der Reichspropagandaleitung der NSDAP gegründet. Mit solchen Zielen ging man an die Theaterbesitzer heran, denen man im Jahre 1932 bereits ein eigenes Fachblatt, „Der deutsche Film", schuf. Nach der Machtergreifung wurde dann das Signal zum Kampf um den deutschen Film auf der ganzen Linie durch eine Rede von Dr. Goebbels im „Kaiserhof" am 28. März 1933, noch nicht zwei Wochen nach der Begründung des Propagandaministeriums, gegeben. Durch Errichtung der Film-Kreditbank wurde der Versuch gemacht, die ärgsten wirtschaftlichen Schäden der letzten Jahre für den Teil der Filmindustrie zu beheben, der sich als würdig erwies. Am 19. Mai 1933 sprach Dr. Goebbels vor allen Filmschaffenden der Reichshauptstadt in den Berliner Tennishallen. Hier gab er die Parole:

„Man mache sich von dem Glauben frei, dass die gegenwärtige Krise des deutschen Films eine materielle ist. Die Filmkrise ist vielmehr eine geistige. Sie wird bestehen, so lange wir nicht den Mut haben, den deutschen Film von der Wurzel aus zu reformieren."

Am 28. Juni 1933 wurde durch eine Verordnung des Reichspropagandaministers die grundsätzliche Bestimmung über die Ausschaltung der Juden und der Ausländer getroffen. Es wurde festgesetzt, daß jeder, „der in Zukunft am Kulturgut Film mitarbeiten will, deutscher Staatsangehöriger und deutschstämmig sein muß". Nach dieser Bestimmung können ausländische Künstler im deutschen Film nur dann noch mitwirken, wenn künstlerische oder kulturelle Gründe dafür mitsprechen. In diesem Falle bedarf es einer besonderen Genehmigung des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda.

Im Juli 1933 wurde die Vorläufige Reichsfilmkammer errichtet. Sie umfaßt sämtliche Firmen der Filmherstellung, der Filmbearbeitung, des Filmvertriebs, der Voraussetzung der Vergebung von Urheber- und Patentrechten und alle Filmschaffenden, sowohl die künstlerischen als auch alle sonstigen Arbeitnehmer. Im September 1933 wurde im Rahmen der Reichskulturkammer die endgültige Reichsfilmkammer geschaffen.

Die ersten praktischen Maßnahmen betrafen die Abstellung des Zweischlagersystems, eine Regelung der Eintrittspreise. Das Verbot unerlaubter Werbemaßnahmen durch Ausgabe von Freikarten, die Unterbindung jeglichen Zugabewesens, die fast gänzliche Befreiung der Festpreise im Vermietgeschäft zwischen Verleihern und Filmtheatern, die besonders für die Theater ungünstig gewesen waren. Die Abrechnungskontrolle zwischen Theater und Verleih wurde neu geregelt. Es wurden im ganzen Maßnahmen getroffen, wie sie von den großen Filmgesellschaften, vor allem von der Ufa, in vergangenen Jahren schon mehrfach vorgeschlagen und zum Teil auch durchgesetzt worden waren. Im Februar 1934 wurde das Reichslichtspielgesetz zur Ablösung des Gesetzes vom Jahre 1920 verkündet. Nach diesem Gesetz gibt es nur noch eine Prüfstelle für Filme in Berlin. Die Anerkennung und die Verkündung des Prädikats für Filme wurden in eine Hand gelegt. Dieses Gesetz zielt nicht auf Verbotsmaßnahmen, sondern auf positive Mitarbeit der staatlichen Einrichtungen am deutschen Film ab. Bei allen Maßnahmen stand die Arbeitskraft des damaligen Staatssekretärs im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, der später Reichswirtschaftsminister wurde, Dr. Funk, zur Verfügung. Er wandte inmitten der Arbeit am Aufbau des Ministeriums dem Film stets sein besonderes Interesse zu.

Die Grundsätze, die bei allen praktischen und künstlerischen Maßnahmen der ersten Zeit zur Geltung kamen, fasste Dr. Goebbels inmitten der ersten Aufbauarbeit in einer Rede zusammen, die er im Februar 1934 vor den Filmschaffenden hielt. Man habe eine Filmproduktion im Jahre 1933 übernommen, die sich „in heilloser Verfahrenheit" befand. Kapital wurde fehlgeleitet. Die Filmwirtschaft habe damals die Gefahr der finanziellen Krise durch grotesk übersteigerte Monsterfilme zu überwinden versucht, die sich nicht rentieren konnten, Es habe auch bei den Filmen, die künstlerisch gemeint, aber nicht künstlerisch gedreht waren, ernste Rückschläge gegeben. Das habe zur Folge gehabt, dass die ehrlich ringenden Künstler sich allmählich vom Film zurückzogen. Die Neuordnung des deutschen Films müsse davon ausgehen, dass das Leben selbst wieder Inhalt des Films werde. Man müsse, auch wenn es zunächst Fehlschläge geben werde, das Leben mit Kühnheit und Mut anfassen. Wichtig sei dabei, dass die Filmproduktion lerne, dass der Grundton ihrer Arbeit nicht auf dem Verdienst, sondern auf dem Dienst am Volke liege. Der Nationalsozialismus dürfe nicht durch die Auswahl des Stoffes zur Darstellung kommen, sondern durch die Gestaltung des Stoffes. Denn der Nationalsozialismus sei eine Weltanschauung, die im öffentlichen Leben die Wiederkehr einer edlen solidarischen Gesinnung erreicht habe. Diese müsse auch in der Kunst sich wieder finden. Der Film müsse zum Volke gehen; eine andere Lösung gebe es nicht. Der deutsche Film könne die Welt außerhalb Deutschlands nicht dadurch erobern, dass er möglichst verwaschen und farblos sei.

Er werde die Welt erobern, wenn er als deutscher Film auftrete, wenn er die Wesensart, die Eigenschaften, den Charakter, die Tugenden des deutschen Volkes wieder zur Darstellung bringe. Nach diesen Gesichtspunkten wurde die Mitarbeit der staatlichen Stellen am deutschen Film geregelt.

Für die Filmschaffenden, ob Darsteller, Produzenten oder Techniker, vollzog sich in diesen Jahren das Gesetz, das jeder Deutsche und jede deutsche Gemeinschaft, ob in der Wirtschaft, der Technik, der Kunst oder auf dem sozialen Gebiet, zu bewältigen hatte. Das Recht zu wirken, wird im nationalsozialistischen Deutschland nicht durch Arbeit allein, sondern nur durch Leistung erworben, die das Mehr ausmacht, dass die Arbeit erst adelt. Leistung ist nicht nur höhere Form in der Vollendung der Arbeit, etwa besseres technisches Schaffen, bessere wirtschaftliche Verwaltung. Leistung ist auch nicht nur höhere sozialistische Gemeinschaft im Betrieb. Die Leistung ist erst dann vollbracht, wenn der einzelne oder eine Gemeinschaft einen Teil der Sorgen und Lasten der Gesamtheit mit getragen und bewältigt haben, Das gilt für jede Funktion des allgemeinen Daseins. Erst recht aber galt dieses Gesetz für alle Funktionen im öffentlichen Leben. Auch der deutsche Film musste kämpfen, nicht nur für sich, sondern für alle, indem auch ihm ein Teil der Lasten auferlegt werden musste, die jeder und alle in einer Zeit des Umbruchs zu tragen haben. Er trat mit dem Einsatz der nationalsozialistischen, teils vom Staat, teils von der Partei ausgehenden Fürsorge völlig aus seiner Anonymität heraus. Ein neuer nationalsozialistischer, von den höchsten Idealen der deutschen Gemeinschaft getragener, aber alle ernsten und fröhlichen Regungen ansprechender Film kann ohne jedes wahrhaft „demokratische" und volksverbundene Vertrauen nicht bestehen, das zwischen Führung und Volk sich entwickelte. Träger dieses Vertrauens, also auch alle Filmschaffenden, hatten ihm in erster Linie zu dienen. Nur wer weit ab vom öffentlichen Leben steht, kann in solchen Zeiten sich der allgemeinen Entwicklung mit Bedacht entziehen und versuchen, nur die Vorteile des Ringens aller für sich in Anspruch zu nehmen. Wer aber über eins der wichtigsten Mittel der Volkserziehung verfügte und wem gleichzeitig die Tore zur höchsten künstlerischen Vollendung geöffnet werden, musste um die neue Zeit kämpfen und muss, wenn er aus mancherlei Gründen hinter dem Volke zurückgeblieben ist, auch um das Volk kämpfen. Dabei darf er nicht dem nachgeben, was sich ihm an der Oberfläche des Volkes darstellt, sondern er musste in die Masse des Volkes einzudringen versuchen und den dort vielleicht noch schlummernden Willen wecken, so dass eine Zusammenarbeit zwischen seinem Streben und dem gesunden Willen des Volkes entstehte, Solches Wirken erfordert von dem einzelnen, je höher er in einer Organisation des öffentlichen Lebens steht, um so größere Opfer. Er musste immer wieder neu ordnen, immer wieder sich zu der Entschlusskraft durchringen, dass das, was gestern noch gut war, heute schon wieder als überholt oder schlecht anzusehen ist. Er muss denen eine starke Führung bieten, die aus Unverstand oder aus starkem Eigenwillen nicht mitzugehen bereit sind. Die Bewährung des einzelnen oder einer Betriebsgemeinschaft muss dabei am größten sein, wo es um die höchsten Dinge des Daseins, um Volksführung, Kultur und Kunst geht.

Im Film waren naturgemäß der Regisseur oder die Darsteller, der Architekt oder der Kameramann auf das versessen, was sie in hartem Ring in den Ateliers in den letzten Jahren oder auch in stillen s ferischen Stunden zu Hause an Bild, Handlung oder Bau in sich errungen hatten. Jeder muss im Film eine Persönlichkeit sein, Jeder wollte zuerst sein eigenes Ich, das er für am wertvollsten als Künstler zu halten alle Veranlassung hat, zur Geltung bringen. Er wollte von diesem eigenen Ich möglichst wenig opfern, weil er fürchtete, in einer allgemeinen Linie nicht die schöpferische Kraft zu finden, die er bisher sich ständig wieder aus eigenem zu erobern vermocht hatte. In diesem natürlichen Kampf, der im deutschen Film die Jahre etwa von 1933 bis 1937 erfüllt, mussten zwei zum Siege kommen: die Führung von oben und jeder einzelne in der Masse der Filmschaffenden, der Verwaltende, der Theaterleiter und der Theaterbesitzer, von unten her. Nur dann konnte der Film mitten in die Front der Vorkämpfer einer revolutionären Zeit einrücken. Dr. Goebbels hatte solche Gedanken, die sich in dem Ringen der ersten Jahre nach 1933 ausbildeten, am deutlichsten in einer Rede zum Ausdruck gebracht, die er auf dem Ersten Internationalen Filmkongress im nationalsozialistischen Deutschland im Jahre 1935 hielt. Er erteilte auf der feierlichen Schlußsitzung dieses Kongresses Antwort auf die in den Reden und Erörterungen gestellten Fragen mit der Formulierung folgender sieben Grundsätze:

  • Der Film hat wie jede andere Kunst seine eigenen Gesetze. Nur im Gehorsam gegen diese ihm eigenen Gesetze wird er sein eigenes Gesicht wahren können. Diese Gesetze stammen nicht von der Bühne. Der Primat der Bühne über den Film muss gebrochen werden. Die Bühne spricht ihre Sprache, und der Film spricht seine Sprache. Was im Dämmerlicht der Kulisse noch erträglich wirkt, das wird unter dem harten Licht der Jupiterlampen vollends demaskiert. Zwar wird die Bühne, fußend auf ihrer jahrhundertealten Überlieferung, mit aller Kraft versuchen, ihre Vormundschaft über den Film zu halten. Es ist eine künstlerische Lebensfrage für den Film, sie dennoch zu brechen und -sich auf seine eigenen Füße zu stellen.
  • Der Film muss sich frei machen von der vulgären Plattheit des bloßen Massenamüsements, darf dabei aber nicht die starke innere Beziehung zum Volke verlieren. Der Geschmack des Publikums ist keine unabänderliche Tatsache, die man als gegeben hinnehmen muss. Er ist erziehbar im guten wie im bösen Sinne. An dem Willen, diese Erziehung auch praktisch und, wenn nötig, mit materiellen Opfern durchzuführen, entscheidet sich das künstlerische Gesicht des Films.
  • Das soll nicht heißen, dass der Film die Aufgabe habe, einem blassen Ästhetizismus zu dienen. Im Gegenteil: Gerade auf Grund seiner unerhört umfassenden Reichweite weite muss er, mehr noch als alle anderen Kunstarten, Vo1kskunst im besten Sinne des Wortes sein. Volkskunst aber hat die Freuden und Leiden, die das Volk bewegen, künstlerisch zur Darstellung zu bringen. Der Film darf also nicht vor der Härte des Tages entweichen und sich in einem Traumland verlieren, das nur in den Gehirnen wirklichkeitsfremder Regisseure und Manuskriptschreiber, sonst aber nirgendwo in der Welt liegt.
  • Es gibt keine Kunst, die sich selbst ernährte; materielle Opfer, die der Kunst dargebracht werden, gleicht sie ideell wieder aus. Für jede Regierung ist es selbstverständlich, große Staatsbauten zu finanzieren, in denen sich der architektonische Schöpferwille einer Zeit in Stein verewigt, ist es selbstverständlich, Bühnen zu subventionieren, auf denen die tragischen und komischen Leidenschaften dieser Zeit darstellerisch abgewandelt werden, ist es selbstverständlich, Galerien anzulegen, in denen der malerische Kulturbesitz eines Volkes seine Heimstätte findet. Es muss für jede Regierung ebenso selbstverständlich werden, dem Film durch materielle Opfer seine künstlerische Existenz zu sichern, wenn anders sie nicht überhaupt darauf verzichten will, den Film als Kunst zu werten und einzureihen. Dann aber ist die Klage über Kitsch und Verwilderung des filmkünstlerischen Schaffens nur heuchlerisches Hinwegreden über eigenes Versäumnis.
  • Der Film muss wie jede andere Kunst zeitnahe bleiben, um zeitnahe zu wirken. Seine Probleme, er mag ihre Vorwürfe aus andern Ländern und fernen Geschichtsepochen nehmen und holen, müssen dem Geist der Zeit angeglichen werden, um den Geist der Zeit ansprechen zu können. In diesem Sinne trägt auch der Film, wie jede andere Kunst, so paradox und widersinnig das klingen mag, die Tendenz der Zeit, an die er sich wendet und für die er schöpferisch wirkt.
  • Der Film, aus diesen Gegebenheiten heraus entwickelt, wird die Völker, die, stolz auf ihre Eigenart, auch dieser Eigenart in ihm das Gesicht geben, nicht trennen, sondern verbinden. Er ist Kulturbrücke zwischen den Nationen; er fördert das Verständnis unter ihnen, weil er mithilft, sie aus sich heraus verstehen zu lernen.
  • Der Film hat die Aufgabe, aus der Ehrlichkeit und natürlichen Selbstverständlichkeit seines eigenen Wesens heraus zu wirken. Hohles Pathos ist ihm ebenso fremd wie kitschiger Zauber einer Kulissenwelt, die ihm als schwere Bürde von seiner Stiefmutter Bühne zwar mit auf den Lebensweg gegeben wurden, die aber nur lästiges und ihm nicht gehöriges Reisegepäck darstellten. Der ehrliche und natürliche Film, der unserer Zeit lebendigen und plastischen Ausdruck gibt, kann eins der wertvollsten Mittel zum Aufbau einer besseren, reineren und realistischeren Welt künstlerischer Möglichkeiten werden.

Streben nach einem volksnahen, nationalsozialistischen Film, Italien mit dem Streben nach einem Film, welcher der Größe der faschistischen Politik gerecht wird, und Japan mit der bewussten Abwendung vom amerikanischen Film und dem Versuch einer eigenen, gleichfalls volksnahen Produktion. Auf der anderen Seite standen die USA mit den Filmen für die Betäubung der Massen, der Bolschewismus mit der Produktion, die das Ziel der Gewöhnung der Massen an die Entseelung hat und die auf den primitivsten Betrug hinausläuft, und eine englische und französische Produktion, die entweder in der seichtesten Agitation stecken blieb oder es mit dem Grundsatz „l'art pour l'art" versuchte. Hier wurde um den vollendeten künstlerischen Einsatz des Films zur Volksführung mit Wochenschauen gerungen. Dort wurde nur die banale Photographie der französischen Aktualitäten oder der so genannte bolschewistische Lehrfilm oder aber in den USA die oberflächliche Sensation geboten. Man steigerte sich bis zu den „Triumphen" eines Boxkampfes im Schlamm oder eines mit der Zeitlupe aufgenommenen selbstmörderischen Sprungs vom 15. Stockwerk eines Wolkenkratzers auf den Asphalt. An der Spitze der gegnerischen Front stand Hollywood, das nicht nach künstlerischen Gesetzen, sondern nach Gebräuchen produziert, die man in Katalogen der wirksamen und geschäftlich besonders ertragreichen „Sujets" verzeichnet hat. Dort konnte und kann der Film Geschäft und Mittel einer oberflächlichen Agitation zugleich sein, weil sich eine Verführung Minderjähriger, vor allem einer Masse geistig dauernd Minderjähriger, immer bezahlt gemacht hat. Volksführung und Propaganda dagegen erfordern materielle Opfer der Gemeinschaft, nicht anders als Rüstung und sozialistische Fürsorge. Dort werden die Menschen durch Verführung zum Wohlleben abwärts-, im dritten Reich wurde durch Darstellung der großen Probleme höher entwickelt. In den VSA wurde nicht eine völkische, nicht eine amerikanische, sondern eine jüdische Produktion gemacht. Das Reich diente dem deutschen Film. In den VSA wurde und wird durch Heldentum Pathos als Abenteuer dargestellt, im Reich wurde das Heldentum mit Mut und Sieg im Kampf mit dem Natürlichen, das immer gut und böse zugleich ist, vermittelt. Die technische Erdenschwere des Films lässt ihn aber immer wieder hinter dem zurückbleiben, was von dem einzelnen Dichter, Regisseur und Darsteller erstrebt wird. Seine Volksnähe bringt jedoch auf der anderen Seite die großen Probleme der Zeit im Spiegel des Films früher zur Klarheit als in den auf das Denken des einzelnen abgestellten Artikeln der öffentlichen Auseinandersetzung. Sobald der Film aus der Sphäre des Oberflächlichen befreit wird und mit Ernst und Kraft vor das Volk tritt, ist er nicht so gefügig wie das Wort. Der einzelne, der sich des Buches oder der Rede zur Darstellung der Probleme seiner Zeit bedient, kann über die Fronten, die sich gebildet haben Hinwegschreiten. Er formt die weltanschaulichen Gegensätze inmitten einer Fülle von positivem und negativem Material. Er musste und sollte das Streben haben, über die großen geistigen Konflikte der Menschheit hinweg die höhere Lösung zu finden, vor allem, wenn er damit die Gefahr eines immer schwere Vernichtung in sich tragenden Krieges vermeiden kann. Ob Dichter oder Politiker: Wer das Wort benutzt, steht im Dienste der Menschheit mit dem Auftrag, das natürliche Gesetz des Fortschritts durch Überwindung der Gegensätze zu erfüllen. Er macht sich Gedanken, lässt sie gegeneinander wirken. Er kämpft mit dem geschmeidigen und spitzen Florett der Überzeugung gegen einen einzelnen Gegner oder eine Gruppe, vor der ein fassbarer Gegner steht, der seine gute oder schlechte „Weltanschauung" verteidigt",

Beim Einsatz des Films gibt es keinen einzelnen Gegner. Der Film steht nicht einem einzelnen zur Verfügung. Er ist kollektiv. Er kann nur da, wo er gegenständlich ist, die Auseinandersetzung zwischen Gemeinschaften, Völkern oder gar Fronten kennen, welche die Menschheit in zwei große Heerlager einer revolutionären Auseinandersetzung zerteilen. Nur der Kitsch im Film verträgt das Kompromiss, weil er der gegenständlichen Natürlichkeit bewusst ausweicht. Jeder ehrliche oder auch nur ehrlich gewollte Film ist kompromisslos. Daraus entsteht eine fast tragische Schwierigkeit für alle Filmschaffenden. Sie stehen unter dem Druck der technischen Breite des Films. Sie müssen kollektiv arbeiten. Sie benötigen dadurch viel Zeit und viel Mühe, ehe es ihnen gelingt, die Erkenntnisse, die sie sich erobert haben, auf die Leinwand zu bringen und dem Zuschauer in den Filmtheatern vor Augen zu führen. Der Film aber zwingt als Kunstform der Masse wieder den einzelnen zu einer wesentlich härteren und klareren Deutung des Zeitgeschehens als das Wort. Der Filmschaffende sieht, wenn er die Fähigkeit besitzt, sich mit den großen geistigen und künstlerischen Problemen seiner Zeit 'auseinanderzusetzen; durch die Brille seiner Kunstform die Entwicklung deutlicher als der Dichter oder der Politiker. Aber er vermag, was ihm seine Kunstform mit oft erschreckender Deutlichkeit vor Augen führt, bei weitem nicht so schnell zu gestalten wie etwa der Dichter oder der Politiker, die in Höhepunkten ihrer schöpferischen Leistung in einer Stunde das entscheidende Kapitel eines Buches zu schreiben oder die Rede der Erkenntnis zu halten vermögen. Um 1935 herum waren aus den Fronten des Films schon die Fronten der kommenden schicksalsschweren Jahrzehnte zu erkennen. Aber die Filmschaffenden mußten noch mit der Darstellung der Weltanschauung und damit des Wesens des deutschen Volkes ringen. Beim Film stehen die Werke vor unserer Erinnerung, die sich durchsetzten. Das hinter ihnen stehende Streben ist der geistige und künstlerische Inhalt des Filmschaffens der einzelnen Jahre oder Abschnitte.

So sehen wir rückwärts, wie sich die Erfahrungen im Filmschaffen einmal auf dem Streben einzelner aufbauen, wie die Ufa dann mit ihren großen Mitteln sicher zupackt und ein Meisterwerk schafft und wie die größte Leistung in der Darstellung des nationalsozialistischen Kampfes fast von selbst aus der Masse des Volkes erwächst.

Der Nationalsozialismus hatte soeben den Bolschewismus in Deutschland geschlagen. Die Reichspropagandaleitung der NSDAP setzte sich zum Ziel, dem bolschewistischen Film, dem „Potemkin" oder „Sturm über Asien", einen deutschen Film entgegenzustellen. Der Dichter Werner Kortwich, Peter Hagen, der Kameramann Sepp Allgeier schufen mit dem Schauspieler Friedrich Kayßler und einigen anderen Darstellern ein Werk, das eine durchgreifende politische und erzieherische Wirkung erreichte. Technische Schwächen im Einzelnen sind dabei gleichgültig. Es gibt kein besseres Zeichen für die Wirkung zum dem Film "Friesennot" als die Wiederaufführung nach Jahren; zu einer Zeit, in der die Erkenntnis über den Bolschewismus durch die persönliche Anschauung von Millionen deutscher Soldaten sich inzwischen für uns geklärt hatte. Der Film war genau so frisch und jung wie am Tage seiner Uraufführung.

Die Ufa griff gleich nach der Durchsetzung der nationalsozialistischen Revolution zu einem Thema, das die Gefahr, in den Kitsch auszugleiten, ebenso in sich barg wie die Möglichkeit eines großen Fortschritts des Spielfilms. Das Werk gelang. „Hitlerjunge Quex“ wurde der erste große zeitnahe Film aus dem Bereich der deutschen Revolution. Der Regisseur Hans Steinhoff legte seinem Werk den Roman von K. A. Schenzinger zugrunde. Der Produktionsleiter Karl Ritter, der später der große Schöpfer vieler zeitnaher Filme werden sollte, wählte die Darsteller zum ersten Mal nicht nach den geschäftlichen Erfahrungen der Filmproduktion, sondern nach dem Gesichtspunkt, daß das Volk Menschen des Volkes auf der Leinwand sehen soll. Die schwierige Besetzung der Hauptrolle gelang nach vielen vergeblichen Versuchen mit Angehörigen der Hitlerjugend durch den zufälligen Hinweis der Frau eines Mitglieds der Staatsoper, die einen Jungen mit dem ihr richtig dünkenden Gesicht und der ihr richtig erscheinenden Haltung irgendwo im Südwesten Berlins auf der Straße- hatte spielen sehen. Heinrich George, Berta Drews, Hermann Speelmans, Claus Clausen bewiesen ihre später oft erprobte schauspielerische Kraft an dem Problem, nicht Star, nicht Bühnendarsteller, sondern Mensch vor der Kamera zu sein. Die künstlerische Aufgabe lief darauf hinaus, jedes Pathos auszuschalten und hier genau so wie in dem Soldatischen des U-Boot-Films „Morgenrot" die Wahrheit mit Licht und Schatten zur Geltung zu bringen. Es war nicht vorauszusehen, ob die Kraft der Regie und der Darstellung ausreichen würde, um mit ehrlichen Mitteln einen Proletarier seinem Jungen sagen zu lassen, weshalb er zur Kommune gegangen sei. Als diese Szene geschafft war, konnte der Film „Hitlerjunge Quex" als gelungen gelten.

Kriegszeit

Muß noch erstellt werden.

Siehe auch