Hannoversche Armee
Die Hannoversche, Kurhannoversche und schließlich Königlich-Hannoversche Armee existierte von 1617, bzw. als stehendes Heer ab 1631, bis 1866. Nach dem gegen Preußen und dessen Verbündeten verlorenen Deutschen Bruderkrieg, bei dem Hannover als Bundeskontingent an der Seite des vom Kaisertum Österreich beherrschten Deutschen Bundes stand, wurden am 23. August 1866 das Königreich Hannover, das Kurfürstentum Hessen, das Herzogtum Nassau, die Freie Stadt Frankfurt sowie die Herzogtümer Schleswig und Holstein von Preußen einverleibt. Das Heer der nunmaligen Provinz Hannover ging im X. Armee-Korps[1] der Preußischen Armee auf, die Garde wurde aufgelöst, wenngleich ihre Tradition weitergeführt wurde.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Ursprünge des hannoverschen Militärs aus der Lehnsmiliz und dem Heerbann gehen auf das Jahr 1617 für die Fürstentümer Grubenhagen und Calenberg zurück. Allerdings militärhistorisch ausschlaggebend ist die Entwicklung eines stehenden Heers ab 1631 während des Dreißigjährigen Krieges. Jeder Ritter war gehalten, sich beim Aufgebote zu einem Reichskriege bewaffnet mit seinem Gefolge zu stellen. Ferner war jeder Freie verpflichtet, dem allgemeinen Aufgebot des Heerbannes (das Fußvolk, bestehend aus den Pflichtigen auf dem Lande: die fürstlichen und die den besonderen Gutsherren angehörenden Landbewohner) im Kriege mit den Waffen Folge zu leisten.
Entwicklung der Stärke der Kurhannoverschen Armee im 18. Jahrhundert:
Jahr | 1714 | 1724 | 1731 | 1741 | 1744 | 1747 | 1748 | 1755 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Soldaten | 17.380 | 15,282 | 19.936 | 24.982 | 25.564 | 26.468 | 26.471 | 29.130 |
Das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg, inoffiziell auch Kurfürstentum Hannover (Chur-Hannover, Kurhannover oder Hannover) genannt, wurde 1692 (bis 1814 mit Unterbrechung durch die napoleonische Besatzung) das neunte Kurfürstentum des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. 1705 wurden die kurfürstlichen Truppen mit Regimentern des Fürstentums Lüneburg/Celle erweitert. Vor allem als Teil der Reichsarmee auf römisch-deutsche kaiserlicher Seite kämpften kurfürstlich hannoversche Truppen in unterschiedlichen Kriegen, so im Großen Türkenkrieg 1685–1699 und im Spanischen, Polnischen (1733–1738) und Österreichischen Erbfolgekrieg.
Bedingt durch die engen Beziehungen zur britischen Armee des Königs und Kurfürsten, kämpften hannoversche Truppen häufig an der Seite britischer Truppen. Im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) bestand eine Allianz neben hannoverschen und britischen Truppen aus Braunschweig-Wolfenbütteler, Hessen-Kasseler und preußischen Truppen. Im Vorfeld des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges ersetzten 1775 kurhannoversche Truppen die nach Übersee abgerückten britischen Truppen auf Menorca und in Gibraltar. Die hannoverschen Truppen in Gibraltar verteidigten die Stellungen erfolgreich gegen spanische Angriffe. Hannoversche Truppen nahmen auch am britischen Krieg gegen Frankreich in Ostindien teil (1782–1792). Ebenfalls unter britischem Sold nahmen kurfürstliche Truppen im Ersten Koalitionskrieg (1792–1797) gegen das revolutionäre Frankreich teil (1793–1795).
Die Armee des Kurfürstentums wurde 1803 nach der Kapitulation des Oberbefehlshabers Feldmarschall Johann Ludwig von Wallmoden-Gimborn und nach der Besetzung durch die Franzosen aufgelöst, aber ein großer Teil der Offiziere und Soldaten ging nach Großbritannien und wurde dort als King’s German Legion wieder aufgestellt. Sie war die einzige deutsche Truppe, die sich kontinuierlich im Kampf gegen die Tyrannei Napoleons in den Befreiungskriegen befand und nahm an den Gefechten auf der iberischen Halbinsel, in Norddeutschland (Göhrde) und Kopenhagen teil. In der Schlacht bei Belle Alliance im Sommerfeldzug von 1815 verteidigten sie den wichtigen Vorposten La Haye Sainte.
Regimenter (bis 1866)
- Kavallerieregimenter mit je vier Schwadronen
- Garde du Corps (Hannover, Hildesheim, Hameln)
- Garde-Kürassier-Regiment (Northeim, Göttingen, Goslar)
- Garde-Husaren-Regiment (Verden, Osterholz, Nienburg)
- Königin-Husaren-Regiment (Lüneburg, Lüchow, Harburg, Stade)
- in Preußen als Husaren-Regiment „Königin Wilhelmina der Niederlande“ (Hannoversches) Nr. 15 gefürht
- Regiment Herzog von Cambridge-Dragoner (Celle, Walsrode, Gifhorn, Uelzen)
- Regiment Kronprinz-Dragoner (Osnabrück, Lingen, Quakenbrück, Aurich)
- Infanterieregimenter
- Garde-Regiment (Hannover)
- 1. oder Leib-Regiment (Hannover)
- 2. Infanterie-Regiment „Waterloo“ (Celle)
- 3. Infanterie-Regiment (Einbeck, Northeim)
- 4. Infanterie-Regiment (Stade)
- 5. Infanterie-Regiment (Lüneburg)
- 6. Infanterie-Regiment (Hannover)
- 7. Infanterie-Regiment (Osnabrück)
- Garde-Jäger-Bataillon (Hannover)
- ging in Preußen mit den weiteren drei Jäger Bataillone in das Hannoversche Jäger-Bataillon Nr. 10 auf
- 1. Jäger-Bataillon (Goslar)
- 2. Jäger-Bataillon (Hildesheim)
- 3. Jäger-Bataillon (Hannover)
- Ingenieurkorps (Hannover)
- Artillerie-Brigade (Wunstorf, Stade)
- ging in Preußen in das Feldartillerie-Regiment „von Scharnhorst“ (1. Hannoversches) Nr. 10 auf
- Train-Corps (Hannover)
- Königlich hannoversches Landdragonerkorps (als Gendarmerie)
Schlacht bei Langensalza
Die Schlacht bei Langensalza war das erste größere Gefecht auf dem westlichen Kriegsschauplatz während des Deutschen Bruderkrieges. Die Schlacht fand am 27. Juni 1866 statt. Auf diesem Kriegsschauplatz standen Preußen und sein norddeutscher Verbündeter Sachsen-Coburg und Gotha den Truppen des Königreichs Hannover unter Generalmajor Alexander Carl Friedrich von Arentschildt gegenüber. Auf die Nachricht von der Niederlage hin ordnete die oberste preußische Heeresleitung (König Wilhelm I., General von Moltke) an, die hannoversche Armee energisch von allen Seiten anzugreifen und sie dadurch zur Kapitulation zu zwingen. Bereits am folgenden Tag war die Armee weitgehend umstellt. Dem hannoverschen König Georg V. und der militärischen Führung wurde klar, daß jetzt kein anderer Ausweg mehr blieb als die Kapitulation. Die Verhandlungen führte auf preußischer Seite überraschenderweise nicht der Oberbefehlshaber General Vogel von Falckenstein, sondern der ihm untergeordnete General von Manteuffel. Gemäß der am 29. Juni 1866 abgeschlossenen Kapitulationsvereinbarung mußten die Unteroffiziere und Mannschaften ihre Waffen niederlegen und wurden in die Heimat entlassen. Pferde und sämtliches Kriegsgerät waren der Preußischen Armee zu übergeben. Die Offiziere durften ihre Waffen behalten, mußten sich jedoch auf Ehrenwort verpflichten, nicht mehr gegen Preußen zu kämpfen. Dem hannoverschen König Georg V. und seinem Gefolge stand es frei, einen Aufenthaltsort seiner Wahl aufzusuchen. Die Entwaffnung der Königlich-Hannoverschen Armee bedeutete den ersten größeren preußischen Erfolg auf dem westdeutschen Kriegsschauplatz. Diese Schwächung der Gegner Preußens hatte jedoch keinen Einfluß auf das Gesamtergebnis des Krieges.
Langensalza-Medaille 1866
- „Diese Medaille wurde durch König Georg V. (reg. 1851–1866) vordatiert am 27. Juni 1866 gestiftet. Ausgezeichnet wurden die Soldaten, die bei den Kämpfen gegen die preußischen Truppen (Division Fließ) tapfer gekämpft haben. Zum Andenken seiner Truppen in deren letztem Gefecht bei Langensalza, für alle welche in dieser Schlacht tapfer, wenn auch ohne Erfolg, gekämpft haben. […] Die hannoverschen Soldaten, die in preußischen Diensten standen durften die Medaille weitertragen. Verleihungszahlen werden mit ca. 16.000 Stück angegeben. Diese entspricht der ungefähren Truppenstärke.“[2]
Die bronzene Medaille zeigt das nach links gewandte Profil des Stifters. Umlaufend GEORG V v. G. G. KOENIG v. HANNOVER.[3] Rückseitig von einem Lorbeerkranz umgeben die dreizeilige Inschrift LANGENSALZA 27. JUNI 1866. Getragen wurde die Auszeichnung an einem weißen Band mit gelben Seitenstreifen auf der linken Brust. Der Verleihungszeitraum war von 1866 bis 1898.
Königlich Preußisches Militär-Reit-Institut
Das Königlich Preußisches Militär-Reit-Institut entstand 1866 durch Verlegung der preußischen Militärreitschule aus Schwedt/Oder nach Hannover. Im Militärreitinstitut Hannover wurden zahlreiche Kavalleristen und hervorragende Reiter ausgebildet. Die Militärreiter des Instituts in Hannover beteiligten sich ab 1906 erfolgreich an Pferderennen auf der Pferderennbahn Große Bult in Hannover, mit denen sie sich einen Namen machten. Das Militärreitinstitut Hannover galt im Deutschen Kaiserreich als Eliteschule der Reiterei, in der die talentiertesten Offiziere ausgebildet wurden.
- „Hannover ist eine sehr hübsche Stadt. Sie hat zweimal hunderttausend Einwohner und führt den Namen einer Königlichen Residenzstadt. Sie besitzt große Theater, eine Rennbahn, Wälder, Parks, eine exquisite Meute und das beste und berühmteste Reitgelände der Monarchie. Sie ist das Paradies der Kavallerie-Offiziere, und was Heidelberg für die Studenten, das ist Hannover mit seiner Militärreitschule für Leutnants.“[4]
Neben dem Institut in Hannover gab es Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts weitere Reitinstitute in Soltau, Paderborn, Dresden und München.
Hannoversche Regimenter im Heer Preußens (Auswahl)
- Königs-Ulanen-Regiment (1. Hannoversches) Nr. 13
- Mit Allgemeiner Kabinettsorder (AKO) vom 3. Oktober 1866 erhielt es den Namen „Ulanen-Regiment Nr. 13“. Im Jahre 1867 wurde ein 5. Escadron aufgestellt. Am 13. September 1889 übernahm Kaiser Wilhelm II. als König von Preußen die Inhaberstelle und verlieh dem Regiment seinen endgültigen Namen „Königs-Ulanen-Regiment (1. Hannoversches) Nr. 13“. Um 1890 wurde dem Regiment durch Kaiser Wilhelm II. das exklusive Recht verliehen, „die alten Präsentier- und Parademärsche der ehemaligen hannoverschen Garde du Corps bei besonderen Anlässen auszuführen.“ Wilhelm, der vor Offizieren „im monarchischem Staatswesen“ die Tradition als „des Staats größte Stütze“ gepriesen hatte, wollte durch solche vermeintliche Kontinuität den ehemals alleinig möglichen „Adel [... durch] Geburt“ durch den „Adel der Gesinnung“ ersetzen, „der das Offizierskorps zu allen Zeiten beseelt“ habe. Es führte die Tradition des „Königlich Hannoverschen Regiments der Garde du Corps“ fort, das aus dem „1. schweren Dragoner Regiment“ der King’s German Legion von König Georg III. und Kurfürst von Hannover hervorgegangen war.
- Husaren-Regiment „Königin Wilhelmina der Niederlande“ (Hannoversches) Nr. 15
- Das Regiment wurde ursprünglich am 19. Dezember 1803 (Stifttungstag) als Kavallerieverband der Streitkräfte des Königreichs Hannover gebildet. Nach dem verlorenen Krieg von 1866 und der Annexion des Landes durch das Königreich Preußen wurde der Verband als Husaren-Regiment (Hannoversches) Nr. 15 in die Preußische Armee übernommen. Im Zusammenhang mit der Gründung des Deutschen Reichs am 18. Januar 1871 in Versailles und dem Inkrafttreten der Verfassung vom 16. April 1871 wurde das Regiment im Juni 1871 in die damalige Stadt Wandsbek (bzw. Marienthal) verlegt. Dieser Standort sorgte für die volkstümliche Bezeichnung „Wandsbeker Husaren“. Kaiser Wilhelm II. ernannte die niederländische Königin Wilhelmina am 31. August 1898 zum Regimentschef und benannte den Verband nach ihr.
- Infanterie-Regiment „von Voigts-Rhetz“ (3. Hannoversches) Nr. 79
- Der Verband wurde durch A.K.O. vom 27. September 1866 aus verschiedenen Regimentern der 7. Division in Magdeburg gebildet und führte ab 5. November 1866 (Stiftungstag) die Bezeichnung „Infanterie-Regiment Nr. 79“. Es war der 39. Infanterie-Brigade (X. Armee-Korps) unterstellt und hatte seine Garnison in Hildesheim. Durch A.K.O. vom 7. November 1867 erhielt das Regiment die Provinzialbezeichnung „Hannoversches“ und hieß ab diesem Zeitpunkt 3. Hannoversches Infanterie-Regiment Nr. 79. In Erinnerung an Konstantin Bernhard von Voigts-Rhetz verlieh Wilhelm II. am 27. Januar 1889 dem Regiment den Namen des verstorbenen Generals der Infanterie, das bis zur Auflösung des Verbandes Infanterie-Regiment „von Voigts-Rhetz“ (3. Hannoversches) Nr. 79 hieß. Der deutsche Kaiser bestimmte ferner am 24. Januar 1899, daß in Tradition und zur Erinnerung an das Hannoversche Leib-Regiment der Stiftungstag des Infanterie-Regiments „von Voigts-Rhetz“ (3. Hannoversches) Nr. 79 auf den 3. Januar 1838 festzulegen sei.
- Hannoversches Jäger-Bataillon Nr. 10
- Auf Schloß Babelsberg erließ König Wilhelm am 27. September 1866 per Allgemeiner Kabinettsorder (AKO) den Befehl zur Formation des 10. und 11. Jäger-Bataillons. Durch Allerhöchste Ordre vom 24. Januar 1899 gab der Kaiser den ruhmvollen Traditionen der ehemaligen hannoverschen Armee neues Leben. Er zeichnete das Hannoversche Jäger-Bataillon Nr. 10 dadurch aus, daß sie die Geschichte der ehemaligen hannoverschen Jäger fortan als die ihre ansehen durften.
- 1. Hannoversches Infanterie-Regiment Nr. 74
- 2. Hannoversches Infanterie-Regiment Nr. 77
- 4. Hannoversches Infanterie-Regiment Nr. 164
- 5. Hannoversches Infanterie-Regiment Nr. 165
Siehe auch
- Königlich Deutsche Legion (nach der Besetzung Hannovers durch die Franzosen)
- Kriegsdenkmünze 1813 (Hannover)
Literatur
- Exercier-Reglement für die Infanterie der Königlich-Hannoverschen Armee, Hannover, Erste und Zweite Abtheilung in einem Band, Carl Friedrich Kius (Druck), Hannover 1818
- später mehrere Abteilungen, u. a. 1842 und 1843
- Carl Renouard: Geschichte des Krieges in Hannover, Hessen und Westfalen von 1757 bie 1763, Erster Band, Kassel 1863
- Zweiter Band, 1864
- Dritter Band, 1864 (Opac)
- Louis Heinrich Friedrich Sichart von Sichartshoff: Geschichte der Königlich-Hannoverschen Armee, Hahn'sche Hofbuchhandlung, Hannover 1866 bis 1871
- Viktor von Diebitsch:
- Die Königlich Hannoversche Armee auf ihrem letzten Waffengange in Juni 1866 (auf den letzten 45 Seiten die letzte Rangliste der Offiziere und Ärzte), Bremen 1897 (PDF-Datei)
- Die kurhannoverschen Truppen in Ostindien. 1782–1792. Kapitel VI. Vorkommnisse während der letzten Jahre in Indien. Rückkehr der Truppen in die Heimath, in: „Hannoversche Geschichtsblätter“, Nr. 14, 1898, S. 106–108
- Bernhard von Poten: Die Generale der Königlich Hannoverschen Armee und ihrer Stammtruppen, Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Berlin 1903
Verweise
- Königreich Hannover bis 1866, Abbildungen von Uniformen, u. a. von Richard Knötel