Sand, Karl Ludwig

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Karl Ludwig Sand in Deutscher Nationaltracht

Karl Ludwig Sand (auch: Carl; Lebensrune.png 5. Oktober 1795 in Wunsiedel, Preußen; Todesrune.png 20. Mai 1820 in Mannheim) war ein deutscher Burschenschafter und Student der Theologie. Er ermordete den deutschen Dichter August von Kotzebue, was als Anlaß für die Einsetzung und Durchführung der Karlsbader Beschlüsse sowie der „Demagogenverfolgung“ genutzt wurde. Sands Tat wurde von vielen verklärt, so nannte der Historiker Karl Alexander von Müller Sand einen „Mörder aus Sittlichkeit“.

Leben

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Karl Ludwig Sand auf dem Blutgerüste zu Mannheim am 20. Mai 1820 (Ausschnitt).jpg

Karl Ludwig Sand wurde 1795 als Sohn eines Juristen in Wunsiedel geboren. Er erlebte die französische Besetzung seiner Heimat, die 1810 an den Rheinbundstaat Bayern fiel. 1814 begann er ein Studium der Theologie in Tübingen und zog 1815 als Freiwilliger gegen die französischen Aggressoren zu Felde während des Siebten Koalitionskrieges. Erst setzte er seine Studien in Erlangen fort, wo er mit Freunden die burschenschaftliche Verbindung „Teutonia“ gründete, dann bewegte ihn 1817 die Teilnahme am Wartburgfest, auf dem er die patriotisch und freiheitlich gesinnten Burschenschaften kennenlernte. Dort forderte Hans Ferdinand Maßmann eine Bücherverbrennung von Schriften, die als reaktionär, antinational oder undeutsch galten. Symbolisch den Flammen übergeben wurden 26 Schriften, darunter Werke der Schriftsteller August von Kotzebue, August Friedrich Wilhelm Crome, Saul Ascher und Karl Leberecht Immermann, sowie der „Code Napoléon“. Dies war zu jener Zeit nichts außergewöhnliches, doch wurden auch Symbole der Fremd- und Fürstenherrschaft, wie ein Schnürleib, ein Soldatenzopf und ein Korporalstock verbrannt, was nach damaliger Auffassung die eigentliche Sensation war. Auf dem Fest wurde auch festgelegt, daß

„Jeder Bursche aller Kleinstaaterei und Ausländerei, allem Kastengeist und Despotendienst abschwören muß.“

Sand wechselte danach ins „progressivere“ Jena, wo er später zum Vorstand der „Allgemeinen Deutsche Burschenschaft“ gehörte. Dort schloß er sich der radikalen Burschenschaftsbewegung um Karl Follen an. Den „Unbedingten“ predigte Follen, daß zur Verwirklichung des revolutionären Ziels einer geeinten deutschen Republik alle Mittel erlaubt seien. Die Revolutionäre hätten sich in ihrem Handeln nur der Vernunft unterzuordnen, nicht einer staatlichen Legalität.

Im Winter 1817/18 erregte die Auseinandersetzung zwischen dem den Burschenschaften nahestehenden Jenenser Professor Heinrich Luden und dem populären Theaterdichter August von Kotzebue die Gemüter der Studenten. Der reaktionär gesinnte von Kotzebue, ein erbitterter Gegner der deutschen Nationalbewegung, stand in russischen Diensten und hatte in seinen Berichten an den russischen Kaiser die romantisch-patriotischen und liberalen Tendenzen in Deutschland kritisiert und lächerlich gemacht.

Der unter demokratisch aufgehetzten Studenten verhaßte von Kotzebue wurde bald zum Inbegriff allen antivaterländischen Übels. Bereits zuvor äußerte Sand den Gedanken, den „Landesverräter“ und „Verführer der Jugend“ zu ermorden. Er sah den geplanten Mord als eine Mission für eine höhere Sache an und beabsichtigte, mit der Ermordung Kotzebues einen größeren Aufstand herbeizuführen, „einen Brand (zu) schleudern in die jetzige Schlaffheit“, wie es in seiner Rechtfertigungsschrift „Todesstoß dem August von Kotzebue“ hieß. Schon im Mai 1818 schrieb Sand: „Es sollte doch einer es mutig über sich nehmen, dem Kotzebue oder sonst einem solchen Landesverräter das Schwert ins Gekröse zu stoßen.“

Das Attentat

Den Dolch ließ er eigens für die Bluttat anfertigen. Durch Stoßübungen und den Besuch von Anatomievorlesungen bereitete er sich ein Jahr auf die Tat vor, die er am 23. März 1819 in Mannheim mit den Worten „… hier, Du Verräter des Vaterlandes.“ vor den Augen des vierjährigen Eduard, dem jüngsten Sohn von Kotzebue, beging.

Der Stoß erfolgte mit ungeheurer Wucht, er durchdrang fünf Kleidungsstücke, durchtrennte eine Rippe und bohrte sich ins Herz. Kotzebue war fast auf der Stelle tot, tödlich verletzt an Lunge, Herzbeutel und Lungenarterie. Als dem Täter die Flucht aus dem Hause seines Opfers unmöglich erscheint, versucht er sich mit einem mitgeführten kleinen Schwert an Ort und Stelle das Leben zu nehmen, ging dabei jedoch weniger konsequent zu Werke und wurde nur leicht verletzt. Der Bewußtlose, dessen Wunde bis an sein Lebensende nicht verheilte, wird von der Wache ins Krankenhaus gebracht, dann – nach Operation und Genesung – ins Gefängnis verlegt.

Mehr als ein Jahr nachdem er selbst diesen Stoß ausgeführt hatte, fällte das Hofgericht des Niederrheins das Urteil über Sand. Dessen Verteidigung hatte ohne Aussicht auf Erfolg für einen Freispruch plädiert, da das Attentat der „Ideenverwirrung“ eines gemütskranken Menschen entsprungen sei. Die Leidenschaft für die Befreiung des Vaterlandes mündete in einen tiefen Haß gegen alle, die dem entgegenzustehen schienen, insbesondere die inneren Feinde Deutschlands. Dieser Haß fand sein Ziel unschwer in Kotzebue, dem „Vaterlandsverräter“, dem man – so notierte Sand in seinem Tagebuch – „das Schwert ins Gekröse“ stoßen solle. Einstimmig befand das Gericht jedoch den Angeklagten für schuldig und verurteilte ihn zum Tod durch das Schwert; das sonst zur tiefgreifenderen Abschreckung verhängte Aufstecken des Kopfes auf eine Stange sollte in Sands Fall unterbleiben. Lediglich zwei Richter erhoben ihre Stimme für eine Begnadigung.

Charakterstudie

Die Studie der Persönlichkeit, der Ideale und der Legitimation der Bluttat Sands sorgen auch im 21. Jahrhundert noch für Diskurs, so schrieb der Historiker Jan von Flocken im März 2019 über den Attentäter:

„Sand war auch ein Wirrkopf, der kaum einen sinnvollen Satz zustande brachte. Ein enger Bekannter äußerte über ihn: ‚Seine Auffassungsgabe war beschränkt, das Gedächtnis nahm nur mit Mühe an, schwer oder gar nicht war mit Gründen dem beizukommen, was er erfaßt zu haben meinte, und er konnte dabei sehr erregt und bitter werden; aber seine Gesinnung war höchst edel.‘“[1]

Prof. Dr. Markus Bernauer vom Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften schrieb 2011 in seinem Werk „Heinrich von Stein“ differenziert:

„Der Held handelt gegen den Geist seiner Zeit; so sagt Sand von Kotzebue, dieser sei der ‚Abgott Deutschlands‘ gewesen; er beschuldigt jenes Deutschland, das er erretten will, es sei einem „Verderber und Verführer“ erlegen. Als Idealist besitzt Sand das „bessere Wissen“, das es ihm erlaubt, diesen Verderber und „Verräter“ zu entlarven; er findet in sich, in seinem Gefühl eine Wahrheit, die den Akt des Terrors rechtfertigt! […] nicht daß Sand hier ein Wirrkopf wäre, aber sein Gedanke, Ideale und Leben sich durchdringen zu lassen, entbehrt jeder Vorstellung, wie ein ideales Leben aussehen müßte. […] Der Dichter ist mehr als der Anstifter zu politischem Handeln; er führt vielmehr das Leben zur Kunst zurück. Diesen Gedanken hat Sand unmittelbar in die Tat umgesetzt; in Kotzebue hat er nämlich den falschen Dichter, den Verführer, ermordet, der den Menschen ein falsches Leben vorgegaukelt hat, der sie von den Idealen, von der Kunst und damit von sich selbst abgebracht hat. Die Tat ist zuerst ästhetisch motiviert, nicht politisch; Kotzebue hat schlimmes Theater gemacht, das die Menschen zu einem falschen Leben verführt hat. […] Wenn Sand dann an die gewaltsamen Germanen bei Tacitus erinnert, die ‚eine Welt zu Trümmern‘ zerschlugen, dann stellt sich doch die Frage, ob dieser martialische Teutonismus in der Rede die Figur nicht ins Zwielicht rückt. […] Die sanften Helden […] (und ein sanfter Held, gewiß kein Fanatiker, ist auch Sand) sind keine Weltzertrümmerer; […] Vielmehr zeigt sich an Sand die Problematik des handelnden Heroen, jenes Helden, der nicht nur als Dichter und Musiker eine ästhetische Idealität entwickelt.“[2]

Andere hingegen sahen in seinem Abschiedsbrief Schönheit und betrachteten seine Tat als eine ausschließlich edle Handlung:

„So wie die Tat geschehen ist durch diesen reinen und frommen Jüngling, mit diesem Glauben, mit dieser Zuversicht, ist sie ein schönes Zeichen der Zeit [...] der Irrtum ist entschuldigt und gewissermaßen aufgehoben durch die Festigkeit und Lauterkeit der Überzeugung.“Wilhelm Martin Leberecht de Wette, deutsch-schweizerischer Theologe, an Frau Justizrätin Sand, Karls Mutter

Biographische Details

Karl Ludwig Sand von seiner frühesten Jugend bis zu seiner Hinrichtung nebst dem aktenmäßigen Urtheil und seinem Bildniß, 1820[3]

Karl Ludwig Sand auf dem Blutgerüste zu Mannheim am 20. Mai 1820
Sands Ende auf dem Schafott
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Tod

Die Hinrichtung erfolgte am 20. Mai 1820 schon 5 Uhr Morgens, um einen Menschenauflauf zu vermeiden. Dennoch fanden sich Tausende ein, um Sand auf dessen letztem Gang beizuwohnen. Zeugenaussagen zufolge soll Sand das Urteil gefaßt aufgenommen haben, in einem Brief an seine Eltern nannte er seine Gemütsverfassung „sehnsuchtsvolle Heiterkeit“. Der junge Märtyrer bat seinen späteren Henker Wittmann in seine Zelle und hatte versucht, diesen sogar zu trösten. Den Gang aufs Schafott stilisierte der junge Patriot und Idealist zum Aufbruch nach Golgatha (Jesus' Todesweg), indem er laut aus Theodor Körners Bundeslied zitierte:

„Alles Irdische ist vollendet, und das Himmlische geht auf!“

Sofort nach der Exekution von Sand stürzten zahlreiche Gesinnungsgenossen zur Richtstätte und tauchten Taschentücher in sein Blut oder schnitten ihm Haarlocken ab. Bald schon galt er in gewissen (vor allem demokratischen) Kreisen als politischer Heiliger. Der bekannte Publizist Joseph von Görres sah in Sands Tat die gewitterhafte Entladung des Konflikts zwischen der alten und der neuen Zeit: Wesentlich an den Mannheimer Ereignissen sei nicht die Handlung, sondern die Fügung gewesen, das „prophetische Zeichen“, das den Zeitgenossen ihr „verhülltes Schicksal im Bilde“ vorgespielt und drohendes Unheil angekündigt habe.

Das Grab

Nach der Exekution wurden Holzstückchen aus dem Richtplatz geschnitten in Erinnerung an Sands Ideen von deutscher Einheit und Freiheit. Die Beerdigung fand heimlich des Nachts statt, dennoch fanden sich mehrere Hundert Trauernde ein, die zuvor stundenlang vor dem Friedhof ausgeharrt hatten. Bei der Beerdigung Kotzebues ein Jahr zuvor fand sich, außer aus dem engsten Familienkreis, niemand aus dem Volk zu dessen letztem Geleit. Begraben wurde Karl Ludwig Sand auf dem Hauptfriedhof Mannheim. Bei der Auflösung des alten Friedhofes wurden die Gräber des August von Kotzebue und seines Mörders Karl Ludwig Sand umgebettet. Sands Grab hat die Nr. 83.

Karl Ludwig Sands Bekenntnis

Quelle
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An Vater, Mutter, Brüder, Schwestern, Schwager, Lehrer und alle Freunde.

Treue, ewig theure Seelen!

Warum Euch den Schmerz noch lange mehren? Dachte ich und schwankte, Euch über dieses zu schreiben. Zwar möchte, wenn Ihr die Nachricht von dem Geschehenen mit einmal erführet, der herbe Gram leichter und schneller vorübergehen; doch die Liebestreue wäre dadurch verletzt, und ganz gebrochen kann dieser Schmerz nur dadurch werden, daß wir den ganzen Kelch von Wermuth rein ausleeren und dabei fromm zu unserm Freunde halten, dem treuen, ewigen Vater im Himmel. Also heraus aus der umschloßnen Brust, hervor du lange große Qual der letzten Rede, die, aufrichtiger Art, einzig den Abschiedsschmerz versüßen kann!

Euch bringt dies Blatt des Sohns, des Bruders letzten Gruß zurück. Gesagt, gewünscht habe ich immer viel, es ist an der Zeit, daß ich die Träumereien lasse und die Noth unsers Vaterlandes drängt mich zum Handeln. - Dies ist ohnstreitig der höchste Jammer in diesem Erdenleben, wenn die Sache Gottes durch unsre Schuld in ihrer regen Entwickelung Stillstand nimmt; das für uns der entehrendste Schimpf, wenn all das Schöne, das von Tausenden kühn erstrebt wurde, und wofür sich Tausende freudig geopfert haben, als Traumbild ohne bleibende Folge nun in trübem Mißmuth wieder erschlaffen, wenn die Reformation des alten Lebens jetzt auf halbem Wege verknöchern sollte – unsre Enkel würden diese Trägheit zu bejammern haben. Der Anfang zur Erneuerung unsers deutschen Lebens wurde in den letzten 20 Jahren besonders in der heiligen Zeit 1813 mit Gott getrosten Muthe begonnen; das väterliche Haus ist von Grund aus erschüttert; vorwärts, laßt es uns wieder aufführen, neu und schön, recht einen Tempel Gottes, wie ihn unsere Herzen ersehnen!

Nur wenige stemmen sich als ein Damm gegen den Strom der Entwickelung des höhern Menschlichen im deutschen Volke, warum beugen sich ganze Schaaren nieder unter das Joch dieser Argen, soll uns das erst erwachte Heil wieder ersterben? Viele der ruchlosesten Verführer treiben ungehindert mit uns ihr Spiel bis auf's völlige Verderben unsers Volks hin. Unter ihnen ist Kotzebue der feinste und boshafteste, das wahre Sprechwerkzeug für alles Schlechte in unsrer Zeit, und seine Stimme ist recht geeignet, uns Deutschen allen Trotz und Bitterkeit gegen die ungerechtesten Anmaßungen zu benehmen und uns einzuwiegen in den alten feigen Schlummer. Er treibt täglich argen Verrath am Vaterland, und steht dann geschützt durch seine heuchlerischen Reden und Schmeichlerkünste, und gehüllt in den Mantel eines großen Dichterruhms, trotz seiner Schlechtigkeit, da als ein Abgott für die Hälfte Deutschland's, die von ihm geblendet gerne das Gift einnimmt, das er in seinen Zeitschriften für russischen Gold darreicht. Soll nicht das größte Unglück über uns kommen, soll die Geschichte unsrer Tage nicht mit ewiger Schmach behaftet seyn, so muß er nieder!

Ich spreche immer: soll etwas Heilbringendes werden, so laßt uns Kampf und Mühe nicht scheuen; die rechte Freiheit des deutschen Volkes erwächst uns nur dann, wenn von Braven gewettet und gewagt wird, wenn der Sohn des Vaterlandes in dem Streit für Recht und für die höchsten Güter mit Hintansetzung alles Lieben, nur den Tod liebt. Wer soll, da es seyn muß, auf diesen erbärmlichen Wicht, auf diesen bestochenen Verräther Kotzebue losgehen? In Angst und bitteren Thränen zum Höchsten gewendet, warte ich schon eine geraume Zeit auf einen, der mir zuvorkomme und mich, nicht zum Morde geschaffen, ablöse, der mich erlöse aus meinem Schmerz und mich lasse auf der freundlichen Bahn, die ich mir erwählt habe. Es zeigt sich trotz allen meines Gebetes keiner, und es hat auch jeder so gut wie ich das Recht, auf einen andern zu warten. Zögerung macht unsern Zustand immer schlimmer und erbärmlicher und wer soll uns von der Schande befreien, wenn Kotzebue ungestraft den deutschen Boden verlassen und in Rußland seine durch Verrath gewonnenen Schätze verzehren wird?

Wer soll helfen, retten aus dieser unseligen Lage, wenn nicht jeder, und in meinem Gebiete zunächst ich, den Beruf fühlt, Gerechtigkeit zu verwalten und zu handhaben, was für's theure Vaterland geschaffen werden soll? Also nur muthig daran! Auf ihn will ich gottgetrosten Muthes losgehen, (erschreckt nicht) ihn den Schänder und Verführer unsrer Brüder, den grausen Verräther niederstoßen, daß er aufhöre, uns von Gott und der Geschichte abzuwenden und uns in die Hände der arglistigen Feinde zu geben. Dazu treibt mich ernste Pflicht; seit ich erkannt habe, welch Hohes in dieser Zeit für unser Volk zu erstreben ist, und seit ich ihn kenne, den falschen, feigen Schurken, ist dies für mich, wie für jeden Deutschen, der das Wohl des Ganzen beachtet, ein strenges Muß geworden.

Möchte ich alle Regen und Gemeinsinnigen darauf hinverweisen, wo Falschheit und Gewalt droht, und bei Zeiten die Furcht Aller und die rüstige Jugend gegen die rechte Spitze kehren, um das gemeinsame Vaterland, Deutschland, den immer noch zerrissenen, unwürdigen Staatenbund, aus der nahen Gefahr zu retten.

Möchte ich Schrecken über die Bösen und Feigen, Muth über die Guten verbreiten! - Schriften und Reden wirken nicht, nur die That kann jetzt einen; möchte ich wenigstens einen Brand schleudern in die jetzige Schlaffheit, und die Flamme des Volksgefühls, das schöne Streben für Gottes Sache in der Menschheit, das seit 1813 unter uns lodert, unterhalten und mehren helfen; so wären alle meine höchsten und letzten Wünsche erreicht. Deshalb bin ich, obgleich aufgescheucht aus allen schönen Träumen für mein künftiges Leben, dch auch ruhig in Gott voll Zuversicht, ja selig, seit ich durch Nacht und Tod mir die Bahn vorgezeichnet weiß, meinem Vaterland heimzuzahlen, was ich ihm schulde. - So lebet wohl, ihr treuen Seelen, es fällt die schnelle Trennung schwer und Euere Erwartungen, wie meine Wünsche sind wohl getäuscht; doch mag das Eine vorbereitet haben und trösten, was die Noth des Vaterlandes erheischt, zuerst von uns selbst zu verlangen, was sich bei mir zum unverbrüchlichsten Grundsatz eingelebt hat. Ihr mögt hier unter euch sprechen und denken: „hat er doch durch unsere Opfer das ganze Leben auf dieser Erde, die Freude in dieser Menschengesellschaft kennen gelernt und schien mit Innigkeit dies Land und den erwählten Beruf zu lieben!“

Ja dies war, dies that ich unter Eurem liebreichen Schutze, und durch Eure unzähligen Opfer sind mir Land und Leben so innig lieb geworden. In die Wissenschaften ließet Ihr mich einführen, in freier Geistesbeschäftigung habe ich gelebt, habe in die Geschichte geschaut und bin wieder zurückgekehrt in mein eignes Gemüth, um mich an dem festen Pfeiler des Glaubens zu dem Ewigen hinzuranken und durch freie Forschung des Verstandes mir über mich selbst und die Größe meiner Umgebungen klarer zu werden. Ich habe die Wissenschaften in gewöhnlicher Ordnung nach Kräften betrieben, wurde in den Stand gesetzt, das Gebiet unsers menschlichen Wissens zu überschauen und habe mich wieder ausgesprochen darüber mit Freunden und Männern, habe das Land bereist, Menschen und ihr Getreibe kennen gelernt. Als ein Prediger des Evangeliums wollte ich freudig dies Leben bestehen und bei allenfalsigem Umsturz unserer Lebensformen und der Wissenschaft sollte mir auch Gott helfen, daß ich meines Amtes treu mich bewährte.

Aber sollte mich dies Alles abhalten, der nahmen Gefahr des Vaterlandes selbst abzuwehren? Muß mich Eure unsägliche Liebe nicht grade anfeuern, den Tod einzusetzen für das gemeinsame Wohl und unser Aller Streben? - So viele der jetzigen Griechen sind schon gefallen; um ihr Volk von der Strafruthe der Türken zu befreien und sind fast ohne allen Erfolg, ohne alle Aussicht gestorben, und Hunderte, auch unter uns durch Bildung sich weihend, lassen dennoch den Muth nicht sinken und sind bereit, sogleich wieder das Leben für das Heil ihres Landes dahin zu geben, und ich wollte nicht sterben?! Und wir, denen die Rettung und Erschaffung der höchsten Güter so nahe liegt, wollten nichts dafür thun? Ob ich Eure Liebe verkenne oder dagegen leichtfertig wäre? Glaubt's nicht! Was sollte mich ausrüsten zum Tode, wenn nicht gerade jene Liebe zu Euch und dem Vaterland, die mich treibt, sie Euch zu beweisen?

Mutter, Du wirst sagen: warum habe ich einen Sohn großgezogen, den ich lieb hatte, der mich liebte, für den ich tausend Sorgen und steten Kummer litt, der durch mein Gebet empfänglich wurde für das Gute, und von dem ich auf meiner müden Lebensbahn in den letzten Tagen Ruhe und kindliche Liebe verlangen konnte. Warum verläßt er mich nun? Theure Mutter, möchte nicht auch die Pflegerin eines andern so klagen, wenn er für das Vaterland hinginge? Und wenn es keiner thun wollte, wo bliebe das Vaterland? Gewiß aber, Du klagest nicht und kennest dergleichen Rede nicht, edle Frau! Schon einmal habe ich Deinen Ruf vernommen, und wenn mein Land jetzt hereintreten wollte für die deutsche Sache, so würdest Du auch diesmal zum Kampfe mich fortschicken. Noch zwei Brüder und zwei Schwestern, alle rechtschaffen, edel, habe ich vor mir; sie bleiben Euch; - ich folge meiner Pflicht! Meine Stelle werden die Jünglinge vertreten, die es mit dem Vaterlande redlich meinen, sie sind auch Eure Kinder. In der Welt haben wir Angst, aber in Gott können wir diese, wie Christus, überwinden! O daß uns in vollem Maße sein Friede werde!

Verlassen auf dem einsamen Weg, den ich wandeln soll, habe ich keine Aussicht, als auf den ewigen Vater; in Ihm fasse ich aber auch Muth und Stärke, die letzte Bangigkeit zu überwinden und meine ernste That zu vollführen. Seinem Schutze, seiner Tröstung empfehle ich Euch; Euch möge er zu der Freude erheben, die Unfälle nicht zu trüben vermögen! Gebet selbst den Harm auf gegen die dauernde Freude in Ihm, und achtet nicht so sehr meinen Thränengruß, als vielmehr auf die Liebe, die zwischen uns besteht und nie untergehen wird. Dann aber stehet weiter mit dem Vaterlande und führet Eure Kleinen, denen ich so gerne ein leitender Freund geworden wäre, baldigst hinaus auf die gewaltigen Berge, und lasset sie dort auf dem erhabenen Altar, in Mitte des Vaterlands sich weihen und gelübden, nie ruhen und vom Schwerte lassen zu wollen, bis die Brüder in Freiheit geeinigt, bis alle Deutsche, wie das Eine Volk, so auch in Einem Reiche freier Verfassung, groß vor Gott und mächtig gegen die Nachbaren, auf's Innigste verbunden sind!

In freudigem Aufblick zu dir, ewiger Gott, bestehe mein Vaterland! Gesegnet sei im deutschen Volke die kampfrüstige Schaar, die deine große Gnade erkennend, die Sache der reinen Menschheit, dein Abbild auf Erden zu fördern muthig entschlossen ist, und unter ihnen möchte ich sie sehen, deren Liebe ich mich rühme bis an mein Ende.

Das letzte Heil, das Höchste liegt im Schwerte,

Drück dir den Speer in's treue Herz hinein,

Der (deutschen) Freiheit eine Gasse!

Jena, Anfang März 1819

Euer
in Liebe Euch ewig verbundener
Sohn und Bruder und Freund
Carl Ludwig Sand

Quelle: Das vollständige Bekenntnis Sands in: „Actenauszüge aus dem Untersuchungsprozeß über Karl Ludwig Sand“, 1821, S. 119ff. (PDF-Datei)


Literatur

  • „Die wichtigsten Lebensmomente Karl Ludwig Sand's aus Wunsiedel“:
    • „...Nebst seinem wohlgetroffenen Bildnisse“, 1819 (PDF-Datei)
    • „Nachtrag mit der vollständigsten Erzählung seiner Hinrichtung“, 1820 (PDF-Datei)
  • „Ausführliche Darstellung von Karl Ludwig Sand's letzten Tagen und Augenblicken“:
  • Levin Karl von Hohnhorst: „Vollstaendige Uebersicht der gegen Carl Ludwig Sand, wegen Meuchelmordes, veruebt an dem k. Russischen Staatsrath v. Kotzebue, gefuehrten Untersuchung“, 1820 (PDF-Dateien: Band 1, Band 2)
  • Robert Wesselhöft: „Carl Ludwig Sand. Dargestellt durch seine Tagebücher und Briefe von einigen seiner Freunde“ (1821) (PDF-Datei)
  • Karl Ernst Jarcke: „C.L. Sand und sein, an dem kaiserlichrussisch Staatsrath v. Kotzebue verübter Mord. Eine psychologisch-criminalistische Erörterung“, 1831 (PDF-Datei)
  • Prof. Lehmann: „Beleuchtung einiger Urtheile über Kotzebue's Ermordung“, 1819 (PDF-Datei)
  • Ludwig de Marées: „Über Kotzebue's Ermordung und deren Veranlassung. Mit einigen Bemerkungen über Deutschlands Universitäts- und Gemein-Wesen“, 1819 (PDF-Datei)

Verweise

Fußnoten

  1. Jan von Flocken: Ermordung August von Kotzebues - Attentat mit weitreichenden Folgen, Junge Freiheit, 23. März 2019
  2. Markus Bernauer: Heinrich von Stein, Walter de Gruyter, 2011, S. 489–491
  3. „Karl Ludwig Sand von seiner frühesten Jugend bis zu seiner Hinrichtung nebst dem aktenmäßigen Urtheil und seinem Bildniß“, 1820 (PDF-Datei)