Stamer, Fritz

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Weltkriegsflieger SA-Sturmführer (später DLV-Schwarmführer) Fritz Stamer (links), früherer Leiter der Weltensegler-Fliegerschule auf der Wasserkuppe, und sein Schwager Alexander Lippisch, beide Angehörige des SA-Fliegersturms 2 der Flieger-SA.

Fritz Stamer (Lebensrune.png 28. November 1897 in Hannover; Todesrune.png 20. Dezember 1969 in Oberursel (Taunus)) war ein deutscher Kriegsfreiwilliger des Deutschen Heeres, Flugzeugführer der Fliegertruppe, Fluglehrer und Flugzeugkonstrukteur. Stamer war nach dem Ersten Weltkrieg maßgeblich an der Einsitzerschulung auf Gleitflugzeugen in Deutschland beteiligt. Dem „Herr der Gleiter“ gelang aber auch am 11. Juni 1928 den ersten Flug mit dem von Alexander Lippisch konstruierten Raketenflugzeug „Ente“ der Rhön-Rossitten-Gesellschaft (RRG). Im Zweiten Weltkrieg trug er als Erprobungsflieger maßgeblich zur Erforschung des Mistel-Schlepp-Verfahrens bei.

Werdegang

FA A 242 w.jpg
In seiner Funktion als Schulleiter entwickelte Stamer, seit 1. August 1932 Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnummer: 1.145.800), die Methode der Ab-initio-Flugzeugführerausbildung im Einsitzer mit A-, B- und C-Prüfung, welche bis in die 1960er Jahre praktisch unverändert praktiziert wurde. In diesem Zusammenhang kreierte Stamer auch die Segelflugabzeichen mit einer, zwei und drei silbrigen Möwen auf blauem Grund.

Erster Weltkrieg

Von links: Der bekannte belgische Segelflugrekordmann Masseaux, Stamer, Dr. Graf Isenburg aus Frankfurt, Generalsekretär der Internationalen Studienkommission für den motorlosen Flug (ISTUS), von Höppner und „Rhönvater“ Oskar Ursinus im Gespräch auf der Wasserkuppe
Anfang der 1950er Jahre nahm Fritz Stamer, wie schon 20 Jahre zuvor, noch einmal in einem der alten Schulgleiter Platz; Fritz Stamer kann zu Recht als Vater der Einsitzer-Schulung auf Gleitflugzeugen bezeichnet werden.

Fritz Stamer sollte eigentlich in die Fußstapfen seines Vaters treten, der ihn 1912 nach Bremen auf die Kunstgewerbeschule schickte, um Innenarchitekt werden. Daraus wurde aber nichts, weil er nach dem Notabitur in vaterländischem Geist an der Seite seiner Klassenkameraden im August 1914 als Kriegsfreiwilliger zur Infanterie ging. Ein Wechsel zur Fliegertruppe kam schließlich drei Jahre, nach dem er zweimal verwundet wurde (unter anderem bei Langemarck während der zweiten Flandernschlacht) und im Bodenkampf eingeschränkt war.

Fliegertruppe

Zuerst kam er zur Ausbildung an die Flieger-Ersatz-Abteilung 5 (FEA 5) nach Hannover, dann zur Fliegerschule Halberstadt. Sein Flugzeugführer-Patent für Zweidecker vom 27. November 1917 hat die Nummer 3390. Vom Armee-Flug-Park (AFP) Saargemünd im Reichsland Elsaß-Lothringen ging es dann mit dem Kampfzweisitzer im April 1918 zur am 16. August 1916 aufgestellten Flieger-Abteilung (Artillerie) 242 w (FA A 242) an die Kriegsfront. Während eines Feindfluges im Morgengrauen des 14. August 1918 seinen drei französischen Verfolgern der Escadrille 90 nicht mehr entrinnen und wurde gemeinsam mit seinem Beobachter, Leutnant Georg Kolb, in seiner alten, aber bewährten DFW C.V (Kampfflugzeug der Deutschen Flugzeug-Werke) unweit Nancy bei Lune­ville abgeschossen. Die nächsten beiden Jahre verbrachte er in französische Kriegsgefangenschaft im Fliegergefängnis Etranches, bevor er mit 22 Jahren am 28. Februar 1920 wieder in die Heimat entlassen wurde, wo er dann bei der Vorläufigen Reichswehr ordnungsgemäß aus dem Militärdienst entlassen wurden, nach vereinzelten Quellen als Leutnant der Reserve.

Wasserkuppe

1921 wurde Stamer als Hilfskraft bei der reichswehrnahen Weltensegler GmbH auf der Wasserkuppe eingestellt. Während seiner Tätigkeit als Fluglehrer bzw. Leiter der Flugschule, erlangten etliche Reichswehrangehörige in „Zivil“ die Befähigung zur Führung eines Gleitflugzeuges.

Mit dem Bau der ersten Flugschule auf der Wasserkuppe wurde bereits im Jahr 1924 begonnen – im August stand das Gebäude der „Martens Flugschule“ (Arthur Martens, Jagdflieger im Weltkrieg, war schon seit 1922 als Segelflugpionier der Wasserkuppe treu), wie die Flugschule damals hieß. Die Wasserkuppe als baumlose Kuppe mit allseits abfallenden Hängen und weiten Landefeldern war dafür der ideale Ort.[1] Zwischen 1922 und 1945 kamen zigtausend Jugendliche so zu ihrem ersten Flugerlebnis. Als erster Lehrer wurde Fritz Stamer eingestellt, der auch die „Weißen Möwen“ als Emblem der Wasserkuppe entwarf. Die Trägerschaft der Schule wechselt in der Folgezeit zur „Rhön-Rositten-Gesellschaft“ (RRG), einer Vorläuferin der heutigen „Gesellschaft zur Förderung des Segelflugs auf der Wasserkuppe e. V.“ (GFS). Die Erfolge der Segelflugschule ließen auch nicht lange auf sich warten: 91 A-, 95 B- und 17 C-Prüfungen wurden bereits 1927 absolviert. Die Schule wurde am 1. Oktober 1925 durch die Rhön-Rossitten-Gesellschaft (RRG) übernommen.

Stamer und Lippisch

Fritz Stamer und Alexander Lippisch lernten sich 1921 auf der Wasserkuppe kennen. Im Laufe der Jahre konstruierten sie zahlreiche Segelflugzeuge und waren maßgeblich am Fortschritt des Segelflugs beteiligt. Gemeinsam schrieben sie auch das dreiteilige Fachbuch: „Der Bau von Flugmodellen“. Seit 1926 waren sie dann auch verschwägert, als Lippisch Käthe Stamer, Fritz’ jüngere Schwester heiratete.

Lippisch-Ente

Stamer war Erprobungsflieger für Lippsich, weshalb er dessen Vertrauen genoß Als es darum ging, die von Fritz von Opel finanzierte „Raketen-Ente“ zu fliegen, ließ er sich nicht zweimal bitte. Der erste bemannte Raketenflug fand dann auch am 11. Juni 1928 auf der Wasserkuppe statt. Ein erster Startversuch an diesem Tag scheiterte. Das Flugzeug hob nicht ab und die Rakete brannte einfach aus. Beim zweiten Versuch flog Stamer in dem mit zwei von Friedrich Wilhelm Sander gebauten Feststoffraketen ausgerüsteten Flugzeug zwischen 1.400 und 1.500 m weit. Der Start erfolgte war mit einem Gummiseil erfolgt. Die beiden mit 4 kg Pulver ausgestatteten Raketen wurden durch Schalter in der Führerkanzel nacheinander elektrisch gezündet und lieferten für jeweils 30 Sekunden Schub. Ein Gegengewicht unter dem Rumpf glich die Schwerpunktverlagerung durch das Abbrennen des Brennstoffs aus. Der Flug dauerte insgesamt nur etwa 80 Sekunden.

Beim dritten Flugversuch wurde versucht, beide Raketen zugleich zu zünden, dabei explodierte jedoch eine der Raketen und das Flugzeug geriet in Brand. Stamer konnte aus 20 Metern Höhe jedoch unversehrt landen und entkommen, während das Flugzeug komplett verbrannte. Daraufhin wurden keine weiteren Versuche mehr mit einer Ente unternommen. Ziel dieser Versuche war es, ein alternatives Startverfahren für Segelflugzeuge zu entwickeln.

Drittes Reich

Als Stamer den renommierten Flugmeteorologen und seit 1926 Leiter des Forschungsinstitutes der Rhön-Rossitten-Gesellschaft – 1933 in Deutsches Forschungsinstitut für Segelflug und 1937 in Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug (DFS) umbenannt – Prof. Dr. phil. Walter Georgii festsetzenließ, da er seit geraumer Zeit eine persönliche Fehde mit ihm hatte, kam es zum Eklat. Kurzzeitig festgesetzt und von der SA bewacht, gelang es Prof. Georgii dennoch, der unter dem Schutz des Ministerialbeamten Dr.-Ing. E. h. Ernst Bruno Brandenburg stand, eine Nachricht an Staatssekretär Erhard Milch abzusetzen, der für seine umgehende Freilassung sorgte. Stamer wurde sofort nach Berlin strafversetzt und kam in die Zentrale des Deutschen Luftsport Verbandes (DLV) zur Abteilung Segelflug (unter Rittmeister Paulfranz Roehre).

Seine Verdienste waren jedoch groß, so daß der Ausfall schnell verziehen wurde. 1934 wurde er Abteilungsleiter beim Deutschen Forschungs-Institut für Segelflug in Griesheim und 1937 Leiter des Instituts für Flugversuche in Ainring, wohin 1944 die gesamte Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug ausgelagert wurde. Bekannt wurde Stamers Flugversuche u. a. mit dem Mistelgespann (Aggregaten) DFS 230/Kl 35, DFS 230/Fw 56 und DFS 230/Bf 109 E.

Nachkriegszeit

Der Deutsche Aero-Club

Der Deutsche Aero Club e. V. (DAeC) wurde am 3. August 1950 in Gersfeld (Rhön) auf der Wasserkuppe neu gegründet. Vizepräsident und Generalsekretär wurde bis 1962 Fritz Stamer. Zu dieser Zeit unterlag der Luftsport noch den strengen Auflagen der Besatzer. Die ersten Treffen der Vereinsmitglieder waren deshalb teilweise illegal, aber sie ließen sich nicht beirren. Schon der Versailler Schandvertrag konnte die deutsche Fliegerei nicht aufhalten. Mit dem Wahlspruch „Einigkeit mach stark“ sollten alle Segelflieger, Motorflieger, Modellflieger und Ballonfahrer ein gemeinsames Dach bekommen.

Fest der Freude (1950)

Dem Aufruf zum Treffen bei einem „Fest der Freude“ folgten am 26. August 1950 nicht weniger als 50.000 Freunde des Segelfluges. Es gab zwar ein Bauverbot für Segelflugzeuge, daß erst zum 19. Juni 1951 aufgehoben wurde, trotzdem standen schon einige Flugzeuge am Start, darunter Fritz Stamer mit einem Schulgleiter SG 38, eine ES 49, ein vergrößertes „Baby“ und der „Doppelraab“ von Fritz Raab. Und innerhalb von Jahresfrist zählte der neue Deutsche Aero-Club bereits weit über 10.000 Mitglieder. Der Segelflug wurde aber erst ab dem 28. April 1951 wieder zugelassen.

Familie

Ob Fritz Oskar Helmut Stamer (Lebensrune.png 19. August 1920) Stamers Neffe ist, wie vereinzelt dargestellt, konnte nicht mit Gewißheit ermittelt werden. Der junge Fritz Stamer war Obergefreiter der Luftwaffe und ist am 18. bzw. nach dem Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge am 27. Juli 1944 an der deutschen Westfront bei der Schlacht um Caen gefallen. Er ruht auf der Kriegsgräberstätte La Cambe; Endgrablage: Block 14, Reihe 6, Grab 221.

Auszeichnungen (Auszug)

Bildergalerie

Schriften (Auswahl)

„Jungen werden Flieger“; im Hintergrund das Fliegerdenkmal auf der Wasserkuppe.
  • Der Bau von Flugmodellen, Berlin 1927
  • Gleitflug und Gleitflüge, Volckmann, Berlin
    • Bd. 1. Konstruktion und praktische Flugversuche, 1927
    • Bd. 2. Bauanweisungen und Bauzeichnungen, 1928
  • Ein Gleitflugkursus in Bildern, Berlin, Klasing & Co, 1928, 2. Aufl. 1934
  • Handbuch für den Jungsegelflieger, Berlin 1930
    • Bd. 1. Ausbildung, Maschinen, Werkzeuge, Instrumente, 1930
    • Bd. 2. Aerodynamik, Statik, Fachausdrücke, 1931
  • Gleit- und Segelflugschulung, Volckmann, Berlin 1931
  • Zwölf Jahre Wasserkuppe, Reimar Hobbing, Berlin 1933
  • Zahlreiche Beiträge für Das Fliegerbuch der deutschen Jugend, Enßlin & Laiblins Verlagsbuchhandlung, Reutlingen 1933
    • Vier Welthöchstleistungen in zwei Tagen
    • Die Rhön international!
    • Segelflugpost Wasserkuppe – Berlin
    • Ein Tag in der Segelfliegerschule Wasserkuppe
    • Die ersten bemannten Raketenflüge
    • Ein Flugzeug fliegt in der Halle
    • Selbst ist der Mann!
  • Segelflieger, Teubner, Berlin 1936
  • Jungen werden Flieger, Stuttgart, Franckh, 1937
  • Der Luftkampf, Beitrag in „Durch die weite Welt“ Band XV-1937
  • Wege über Wolken, München, Pohl, 1951
  • Der Segelflug und das Segelfliegen, Wuppertal, Spohr, 1953

Filme

Fußnoten

  1. Daher kommt übrigens auch der Name Wasserkuppe, der nichts mit Wasser zu tun hat: Es war die „Wasenkuppe“ (Wasen als niederdeutscher Begriff für Wiesen): also die Kuppe mit den vielen Wiesen.