Deutsches Turn- und Sportfest
Das 1. Deutsche Turn- und Sportfest Breslau 1938 (18. Turnfest seit 1860) war ein nationales Sportfest der Leibesübungen, ein Volksfest und eine völkische Kundgebung für die sudetendeutschen Volksgenossen vom 27. bis 31. Juli 1938.
Inhaltsverzeichnis
Im Vorfeld
Der Vertrag zum Turnfest wurde im Mai 1935 unterzeichnet. Bildpostkarten wurden aufgelegt, 700 Werbeveranstaltungen im Reich durchgeführt. Die 650-Jahrfeier Hirschbergs mit der Riesengebirgswoche wurden bis zum Ende des DTSF verlängert. Das Reichsministerium des Innern genehmigte zur Finanzierung des Sportfestes eine Lotterie. Die 1 Million Doppellose zu 1 RM und die 2 Millionen Doppellosen zu 0,50 RM wurden am 1. April aufgelegt und am 2. Juli gezogen. 81.806 Gewinne und vier Prämien von zusammen 250.000 RM wurden ausgeschüttet. Höchstgewinn waren 2x 25.000 RM[1]. Der Reichssender Breslau führte mehrere Wunschkonzerte durch, um über Zuhöreraufrufe Übernachtungsmöglichkeiten für Festbesucher zu bekommen.
Bei dem ersten Konzert wurden 1.164 Betten gemeldet. Alle wichtigen staatlichen Stellen und Sportorganisationen waren im Großen Ausschuß zur ideellen Planung des Festes vertreten. Den Vorsitz führte der Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten. Der Kleine Ausschuß zur direkten materiellen Organisierung wurden von Arno Breitmeyer geleitet. Im Januar eröffnete die Geschäftsstelle des DTSF am Salvatorplatz 6. Leiter der anfänglich 60 Mitarbeiter war Frieder Körner. Reichsfachamtsleiter Carl Steding war der technische Leiter des Festes. 35.000 Sportler und 4.000 Kampfrichter mußte sein Amt koordinieren; an einem Tag. Richard Konwiarz war als Stadtoberbaurat u. a. für die Platzanlagen verantwortlich.
Kurt Münch war als Reichsdietwart, in Turnvereinen für verschiedene Aufgaben verantwortlich, für die Fahrtenstelle zuständig. Werner Gärtner, Leiter der Presse- und Propagandaabteilung des Deutschen Reichsbundes für Leibesübungen, plante die Werbung. Nach den ersten Meldungen zum Fest im März und der notwendigen Besucherzahl im Juni konnte von der materiellen zur ideellen Werbung übergegangen werden. Es wurde nicht mehr für, sondern mit Breslau geworben.
Organisation
177.568 Quartiere wurden gefunden. Der Reichsnährstand, die Stadtverwaltung und das Wirtschaftsamt der Stadt, der Hilfszug Bayern und die Gauküche der NSDAP sorgten für die Verpflegung. Die Studenten der Reichsakademie für Leibesübungen stellten den Ehrendienst. Der Nahverkehr wurde hauptsächlich durch die Breslauer Straßenbahn bewältigt. Dafür sorgten 300 Triebwagen, 500 Anhängerwagen und 3.000 Schaffner. Die Reichsbahn unter Leitung von Dr. Semmler stellte 240 Sonderzüge. Die Gauamtmänner und Sonderzugbearbeiter in allen Gauen des Reiches organisierten vor Ort die zeitlich gestaffelten Fahrten nach Breslau und faßten Straßenzüge und Stadtviertel zu Gau-Standquartieren für jeden einzelnen Gau zusammen.
Kulturelle Veranstaltungen des DTSF wurden durch Guido von Mengden, dem Generalreferenten des DRL, organisiert. Das waren u. a. die Eröffnung am 27. mit der Weihe von 6.000 DRL-Fahnen, zuvor die schlesische Feierstunde am 24. und der Appell des Deutschtums im Ausland am Abend des 29. Juli. Das nächtliche Festspiel im Hermann-Göring-Stadion (eigentlich Hermann-Göring-Sportfeld mit Schlesier- und Jahnkampfbahnen) wurde mit achtzig Scheinwerfern beleuchtet.
Die Teilnahme
Wettkämpfe um den Turn- und Sportfestsieg wurden durchgeführt in Boxen, Fechten, Kanu, Kegeln, Radfahren, Rollschuhlaufen, Schießen und Schwimmen. Als Spielreihen gab es Basketball, Faustball, Fußball (Vorrunden in acht schlesischen Städten), Handball, Hockey, Korbball, Schlagball, Ringtennis, Tennis und Tischtennis. Beim DTSF wurden auch Deutsche Meisterschaften in Leichtathletik, die Tischtennis-Bundesspiele, Freistilringen und Gewichtheben, Kegeln, Tennis-Medenspiele (Saisonspiele Mannschaft), Vereins-Mannschafts-Radfahren 100 km, Zwölfkampf der Turner und Zehnkampf der Turnerinnen ausgetragen. 200.000 deutsche Teilnehmer waren ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit zu allen Wettkämpfen zugelassen. Davon allein 30.000 als Helfer. Im Faustball, Korbball, Kricket, Schlagball und Schleuderball nahmen 547 Mannschaften am Fest teil. Die sächsischen und schlesischen Bergsteiger führten Wanderfahrten in die benachbarten Mittelgebirge durch.
Veranstaltungen
Die Festkarte für alle Veranstaltungen auf dem Festplatz gab es für 5 RM. Damit bekam man den Festführer kostenlos geliefert, verbilligte Fahrten mit dem Nahverkehr und Nachlässe bei Ausstellungen. Bei der Reichsbahn gab es 75 % Ermäßigung auf den Fahrpreis (nur in den Sonderzügen?). Z. B. Berlin-Breslau Hin-und Rückfahrt für 6,80 statt 27,20 RM (2. Klasse). Ein Platz in einem Sammelquartier kostete mit Morgenkaffee 7 RM für die fünf Tage und Verpflegung Mittag und Abend für fünf Tage 5 RM. Mit weiteren Nebenkosten als Berliner zusammen ca. 30 RM (120 Euro) bei einem Monatseinkommen von ungefähr 150 für einen Arbeiter, gegen 200 RM für Schwerstarbeiter.
Eine Theater-Festwoche fand in Breslau mit Filmtheater, Oper und Schauspiel statt. In einer Sportausstellung gab es eine Übersicht zur Organisation und den Zielen der Leibesübungen in Deutschland, dem Grenzdeutschtum, Kunstwettbewerbe als Qualifizierung zum Olympischen Kunstwettbewerb für die geplante Olympiade Tokio 1940 und einem weiteren olympischen Teil. Darin u. a. die Mitte 1937 begonnenen deutschen Ausgrabungen im griechischen Olympia und Filme zu den Himalaya/Nanga-Parbat-Expeditionen.
Obwohl offiziell erst am 27. eröffnet, fanden die ersten Großveranstaltungen schon am 24. mit der schlesischen Feierstunde auf dem Schloßplatz und dem Großflugtag auf dem Flugplatz Breslau-Gandau statt. Es gab mehrere Tage, den Tag des Bundes, der Gemeinschaft, der Mannschaft, der Volksdeutschen (Appell des Deutschtums im Ausland), des Wettkämpfers auf dem Schloßplatz. Dort spielte am 30. die Wehrmacht auf zum Wunschkonzert mit großem Zapfenstreich. Die Schlußfeier am 31. Juli begann mit drei Festzügen durch die Innenstadt zu je 50.000. Der DRL organisierte im Anschluß an das DTSF für 1500 Teilnehmer des Festes eine Seefahrt nach Norwegen. Dafür wurde der Dampfer „Columbus“ gechartert. Die Preise der Gruppen 2 bis 4 betrugen zwischen 166 und 230 RM inklusive Bahnfahrt Breslau-Bremerhaven. Die Wehrmacht sicherte den Teilnehmern Hochseebegegnungen mit Teilen der Kriegsmarine zu[2].
Die Polizei
Die Schutzpolizei war in Breslau im großen Aufsichtsdienst im Einsatz mit dem Schutzpolizeikommando Breslau (Skd.) bestehend aus zwei Schutzpolizei-Hundertschaften (Sh.) und zwei noch geringwertigen Ausbildungs-Hundertschaften (Ah.). Zur Verstärkung der Einheiten und oft nur zu 1/1 oder ½ besetzten Reviere forderte der Regierungspräsident in Breslau vom Inspektionsbereich Berlin 5 Sh. und 2 Revier-Hundertschaften (Rh.), vom Skd. Gleiwitz 2 Sh., von den Skds. Dresden, Leipzig und Stettin je eine Sh. Zusammen zwölf Hundertschaften je drei Offiziere und 100 Wachtmeister. Ganz am Rande, alleine 200 Schutzpolizisten waren als Sportler auf dem DTSF, die vermutlich auch geschlossen untergebracht wurden. Ähnliches ist auch anzunehmen für die Sportler der Gestapo (möglicherweise gemeinsam mit der Polizei oder SS in einem Block), SS usw. Der Kameradschaftsbund deutscher Polizeibeamten richtete eine Betreuungsstelle für die Polizeisportler in der Höfchenstraße 16 ein. Die Berliner Einheiten wurde zur Verstärkten motorisierten Schutzpolizei-Abteilung Berlin (V. mot. SAbt. Berlin) zusammengefaßt und in zwei Fahrabteilungen nach Deutsch-Lissa/Breslau gesandt.
Die Abteilungsführer hatten für ihren Stab einen PKW und Krafträder mit Beiwagen, jede Hundertschaft einen Kübelsitzer, zwei Streifenkraftwagen (StkW) und fünf Mannschaftslastkraftwagen (MLkW). Vor Ort wurden die Berliner Kameraden in der Anderssenstraße (Anderssenschule mit Fernsprechzentrale), Wilhelmsruher Straße, Revaler Straße und der Westend-Kaserne untergebracht. Die innere Disziplin der Beamtenschaft bei möglichen Entgleisungen in den zumeist wegen Überfüllung gesperrten Lokalen wurde durch das Skd. Breslau mit Wirtshausstreifen zu 1/6 plus einem Zivilbeamten sichergestellt. Angehörige der Ausbildungs-Hundertschaften wurden den auswärtigen Einheiten als ortskundige Führer zugeteilt und führten am 22. Juli Orientierungsfahrten in Kolonnen durch. Für den 24./25. Juli wurden bei den Schutzpolizei-Abschnitten (SAs.) West und Süd ein Lautsprecherwagen zur Lenkung der Massen bei den Großveranstaltungen eingesetzt. Mit den S.-Abschnitten Nord und Sportfeld plus der S-Reserve wurden vier Abschnitte vom 21. Juli bis 1. August gebildet.
Vorbild waren die Erfahrungen aus dem 12. Deutschen Sängerfest (Sängerbundesfest) Breslau 1937. Der SAs. Süd richtete noch den eigenen Abschnitt für den unübersichtlichen Schloßplatz ein. Zwischen dem 24. und 28. Juli sowie dem 31. bis 2. August wurde der Ablauf fast nur durch die Ordnungspolizei gesichert, vom 29. bis 31. Juli rückten zusätzlich SS-Verbände zur Sicherung der Funktionäre zum Schloßplatz und dem Hotel Metropol an. Hier stiegen u. a. Goebbels, Konrad Henlein, Himmler, Hitler und Robert Ley ab. Am 27. Juli dem eigentlichen Eröffnungstag, wurden zuerst die Polizeireviere der Innenstadt verstärkt. Bei den folgenden Veranstaltungen wurde hauptsächlich der Verkehr geregelt, eine Überfüllung vermieden und das feuerpolizeiliche Rauchverbot durchgesetzt.
Ein besonders schwerer Dienst war es für die Polizisten, wenn sie bei überfüllten Großveranstaltungen tausende weitgereiste Auslandsdeutsche nicht durch die Sperrketten lassen konnten. Kritisiert wurde die SS, die bei Ankündigung der Führerwagenkolonne die Polizisten hinter die Absperrung verwiesen und nach dem Ende der Fahrzeugkolonne schlagartig ihrer Sperrkette auflösten. Die Wagenkolonne wurde angekündigt durch zwei SS-Wagen mit einmal blauer Flagge für In 10 Minuten folgt der Führer. und einmal gelb für Die Wagenkolonne folgt im kurzen Abstand. Den Abschluß durfte dann wieder die Polizei mit einmal grüner Flagge übernehmen.
Literatur
- Aus der deutschen Polizei-Sportbewegung - Das Deutsche Turn- und Sportfest 1938 in Breslau. In: Die Deutsche Polizei. Heft 2. 1938. S. 37f.
- Aus der deutschen Polizei-Sportbewegung – Großveranstaltungen: Deutsches Turn- und Sportfest in Breslau – Polizeifünfkampfmeisterschaften in Wuppertal. In: Die Deutsche Polizei. Heft 4. 1938.
- Billion, Jan: Deutsches Turn- und Sportfest 1938 - Die Sondermarken waren nur anfangs knapp! In: Deutsche Briefmarken-Revue. Heft 8. 2013. S. 34-36.
- Rühle, Gerd: Das Dritte Reich. Band VI. 1938. S. 167-170.
- Wagner: Der Einsatz der Schutzpolizei Berlin beim Deutschen Turn- und Sportfest in Breslau. In: Die Deutsche Polizei. Heft 19. 1938. S. 674-678.