Handloser, Siegfried
Siegfried Adolf Handloser ( 25. März 1885 in Konstanz; 3. Juli 1954 in München) war ein deutscher Sanitätsoffizier der Preußischen Armee, des Deutschen Heeres, der Reichswehr und der Wehrmacht, zuletzt Generaloberstabsarzt, Heeres-Sanitäts-Inspekteur und Chef des Wehrmacht-Sanitätswesens im Zweiten Weltkrieg. Er war Angeklagter im Nürnberger Ärzteprozeß.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Werdegang und militärische Karriere
Siegfried Handloser wurde am 25. März 1885 in Konstanz geboren. 1904 trat er in die Kaiser-Wilhelms-Akademie in Berlin ein, legte 1910 das medizinische Staatsexamen ab und wurde Assistenzarzt. Seit dem Antritt seines Medizinstudiums stand Handloser im Sanitätsdienst des Deutschen Heeres. Seine Promotion erfolgte 1911 über eine Forschungsarbeit über die „Spezifische Behandlung des Typhus abdominalis“.
Juni 1912 wurde er zum Oberarzt befördert und leistete während des I. Weltkrieges seinen sanitätsärztlichen Dienst. Nach Kriegsende war er in der medizinischen Universitätsklinik in Gießen tätig, darauf übernahm er die Leitung der Inneren Abteilung eines Lazaretts.
1928 avancierte Handloser zum Oberstabsarzt und trat als Referent in den Dienst der Heeressanitätsinspektion des Reichswehrministeriums. Im Jahre 1932 wurde er zum Korps- und Wehrkreisarzt V in Stuttgart ernannt, darauf wurde Handloser 1935 zum Heeresgruppenarzt III in Dresden befördert. 1938 wurde er nach Wien versetzt und 1939 zum Honorarprofessor ernannt. Nach Kriegsausbruch war Handloser als Armeearzt tätig, bis er am 6. November 1940 in die Sanitätsinspektion des Heeres kommandiert wurde. Am 1. Januar 1941 rückte Handloser als Nachfolger seines Vorgesetzten Generaloberstabsarzt Prof. Dr. Anton Waldmann (den er schon seit dem 17. Dezember 1940 krankheitsbedingt vertrat; „beauftragt mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Heeressanitätsinspekteurs“) in die Position des Heeressanitätsinspekteurs auf, im Anschluß erfolgte seine Ernennung zum Heeresarzt beim Generalquartiermeister des Oberkommandos des Heeres.
Chef des Wehrmachtssanitätswesens
Im Range des Generaloberstabsarztes bekleidete Siegfried Handloser ab dem 28. Juli 1942 das Amt des Chefs des Wehrmachtsanitätswesens im Oberkommando der Wehrmacht (OKW), welches den Sanitätsdienst von Heer, Luftwaffe und Kriegsmarine sowie derjenigen Teile der Waffen-SS umfaßte, die der Wehrmacht als kämpfende Truppe zugeordnet worden waren.
Er hatte hier als ranghöchster militärischer Mediziner die Zusammenfassung aller gemeinsamen Aufgaben auf dem Gebiet des Sanitätswesens der Wehrmacht, der Waffen-SS und der der Wehrmacht unterstellten oder angeschlossenen Organisationen vorzunehmen, diese zu koordinieren und zu leiten. Er zeichnete sich aus für die Dienstaufsicht und Ausbildung sämtlichen Sanitätsdienstpersonals der Wehrmacht.
Ausschlaggebend für diesen Schritt zur Vereinheitlichung der Tätigkeit der unterschiedlichen Dienststellungen des Bereiches des Sanitätsdienstes von Wehrmacht und (teilweise) der Waffen-SS war die sich verschärfende Kriegssituation, die ein reibungsloses Funktionieren der Sanitätsversorgung erforderlich machte. In dieser Eigenschaft war Handloser dem Bevollmächtigten bzw. Generalkommissar und späteren Reichskommissar für das Sanitäts- und Gesundheitswesen, Prof. Dr. Karl Brandt , unterstellt.
Am 1. August 1944 wurde durch Erlaß Adolf Hitlers die Personalunion zwischen dem Chef des Wehrmachtssanitätswesens und dem Heeressanitätsinspekteurs aufgehoben, woraufhin Handloser im September desselben Jahres durch den Generalleutnant (Generalarzt) Dr. Paul Walter in seiner Eigenschaft als Heeressanitätsinspekteur/Heeresarzt abgelöst wurde.
Nach Kriegsende
Als die Regierung Dönitz von den Siegern völkerrechtswidrig zerschlagen wurde, geriet Handloser in Flensburg-Mürwick am 28. Mai 1945 in britische Kriegsgefangenschaft. Siegfried Handloser zählte ab dem 25. November bzw. 9. Dezember 1946 zu den dreiundzwanzig Angeklagten des Nürnberger Siegerprozesses gegen deutsche Mediziner und Verwaltungsbeamte 1946/47 (→ Ärzteprozeß) .
Handloser wurde der Verantwortlichkeit für die Höhen-, Wiedererwärmungs- und Meerwasserversuche der Luftwaffe im KL Dachau sowie der Experimente mit Sulfonamiden und den Impfstoffversuchsreihen beschuldigt.
In einer seiner ersten Befragungen vor Prozeßbeginn wurde Handloser, nachdem er mit dem Beweismaterial zu Humanexperimenten konfrontiert worden war, durch den vernehmenden US-Offizier sinngemäß versichert:
- „Sie sind der Chef des Wehrmachts-Sanitätswesens gewesen. Ob Sie von den unzulässigen Versuchen etwas gewußt haben oder nicht, spielt keine Rolle. Als Chef sind Sie für alles verantwortlich. Kommen Sie nicht mit der Ausrede, bei anderen Nationen sei ähnliches oder gleiches geschehen. Das steht gar nicht zur Diskussion. Die Deutschen stehen unter Anklage, nicht die anderen.“
In seinem Schlußwort gab Prof. Dr. Handloser an, er habe sich als Arzt stets von den Grundsätzen Scientiae – Humanitati – Patriae leiten lassen. Am 19. Juli 1947 wurde Handloser für schuldig befunden, für die kriminalisierten Wiedererwärmungs-, Sulfonamid- und Fleckfieberversuche mitverantwortlich gewesen zu sein und daraufhin zu lebenslänglicher Haft verurteilt.
Das US-amerikanische Siegertribunal stellte fest, Handloser hätte in seiner Position als Chef des Wehrmachtsanitätswesens Kenntnis gehabt haben müssen und selbst wenn er keine Kenntnis von den vermeintlich verbrecherischen Experimenten gehabt hätte, so habe er dennoch
- „die positive Pflicht (verletzt), alle die in seiner Macht stehenden und den Umständen entsprechenden Schritte zu unternehmen, um diejenigen in seiner Befehlsgewalt stehenden Personen von der Begehung von Handlungen abzuhalten, welche Verletzungen des Kriegsrechts darstellen.“
Der Verteidiger Handlosers, Dr. Otto Nelte, beantragte nach dem Urteilsspruch eine Überprüfung des Richtspruches in einem „Gesuch auf Versagen der Bestätigung des Urteils“ an den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Der Gerichtshof lehnte mit einem Stimmverhältnis von 5:3 eine Urteilsüberprüfung ab.
Am 31. Januar 1951 wurde die lebenslängliche durch den US-Hochkommissar John J. McCloy in eine zwanzigjährige Haftstrafe umgewandelt. 1954 erfolgte seine Entlassung aufgrund einer schweren Krebserkrankung.
Tod
Generaloberstabsarzt a. D. Prof. Dr. med. Siegfried Adolf Handloser verstarb nach nur kurzer Zeit in Freiheit am 3. Juli 1954 in einer Münchener Klinik.
Auszeichnungen und Ehrungen (Auszug)
Beförderungen
- Assistenzarzt (17. Mai 1910)
- Oberarzt (Juni 1912)
- Stabsarzt (3. September 1916)
- Oberstabsarzt (1. April 1924)
- Generaloberarzt (1. April 1929)
- Generalarzt (1. Mai 1932)
- Bei der Neugliederung der Sanitätsoffizierslaufbahn zum 1. April 1934 wurde sein Dienstgrad in Oberstarzt umbenannt
- Generalarzt (1. Januar 1935)
- Generalstabsarzt (1. April 1938)
- Generaloberstabsarzt (1. Januar 1941)
- Eisernes Kreuz (1914) II. und I. Klasse[1]
- Fürstlich Hohenzollernsches Ehrenkreuz, III. Klasse mit Schwertern[1]
- Ritterkreuz II. Klasse des Großherzoglich Badischen Ordens vom Zähringer Löwen mit Schwertern[1]
- Hanseatenkreuz Hamburg[1]
- Friedrich-Kreuz, I. Klasse[1]
- Großherzoglich Oldenburgisches Friedrich August-Kreuz, II. und I. Klasse
- Ritterkreuz des k. u. k. Franz-Joseph-Ordens mit der Kriegsdekoration[1]
- Österreichisches Ehrenzeichen vom Roten Kreuz, II. Klasse mit der Kriegsdekoration[1]
- Ehrenkreuz für Frontkämpfer
- Ehrenzeichen des Deutschen Roten Kreuzes, 1. Klasse mit Stern
- Wehrmacht-Dienstauszeichnung, IV. bis I. Klasse
- Medaille zur Erinnerung an den 13. März 1938
- Medaille zur Erinnerung an den 1. Oktober 1938 mit der Spange „Prager Burg“
- Wiederholungsspange (1939) zum Eisernen Kreuz II. und I. Klasse (1914)
- Kriegsverdienstkreuz (1939), II. und I. Klasse mit Schwertern
- Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes mit Schwertern am 21. September 1943 als Generaloberststabsarzt und Heeres-Sanitäts-Inspekteur und Chef des Wehrmacht-Sanitätswesens
- Honorarprofessor der Universität Wien, September 1939
- Honorarprofessor der Universität Berlin, 9. September 1943
- In das Kuratorium des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Hirnforschung berufen
Werke
- Die spezifische Behandlung des Typhus abdominalis. Straßburg 1911
- Innere Wehrmedizin. Dresden/Leipzig 1944
- mit Wilhelm Hoffmann: Wehrhygiene unter Mitwirkung von Prof. Dr. A. Fikentscher und Prof. Dr. Hippke
Literatur
- Alexander Mitscherlich / Fred Mielke (Hrsg.) : Medizin ohne Menschlichkeit. Frankfurt a. M. 1960
- Ulrich-Dieter Oppitz (Hrsg.): Medizinverbrechen vor Gericht. Erlangen/Jena 1999
- Gerd R. Ueberschär: (Hrsg.): Hitlers militärische Elite. Vom Kriegsbeginn bis zum Weltkriegsende Bd. 2, Primus Verlag, Darmstadt 1998
Fußnoten
- Geboren 1885
- Gestorben 1954
- Deutscher Arzt
- Mediziner (20. Jahrhundert)
- Person im Ersten Weltkrieg (Deutsches Reich)
- Angehöriger der Wehrmacht
- Sanitätsoffizier (Deutsches Reich)
- Träger des Eisernen Kreuzes I. Klasse (1914)
- Träger des Ordens vom Zähringer Löwen (Ritter)
- Träger des Hausordens von Hohenzollern
- Träger des Franz-Joseph-Ordens (Ritter)
- Träger des Hanseatenkreuzes (Hamburg)
- Träger des Ritterkreuzes des Kriegsverdienstkreuzes