Stülpnagel, Carl-Heinrich von
Carl-Heinrich Rudolf Wilhelm von Stülpnagel ( 2. Januar 1886 in Darmstadt; 30. August 1944 in Berlin-Plötzensee) war ein deutscher Offizier der Preußischen Armee, des Deutschen Heeres, der Reichswehr und der Wehrmacht, zuletzt General der Infanterie und Militärbefehlshaber in Frankreich. Von Stülpnagel wurde zum Hoch-, Landes- und Kriegsverräter. Wegen seiner Beteiligung an dem gescheiterten Putschversuch vom 20. Juli 1944 verurteilte ihn der Volksgerichtshof zum Tode und ließ ihn hinrichten.
Inhaltsverzeichnis
Leben und Wirken
Familie und Erster Weltkrieg
Von Stülpnagel stammt aus einen alten Adelsgeschlecht und war der Sohn des preußischen Generalleutnants Hermann von Stülpnagel (1839–1912) und seiner Frau Luise Sophie Albertine Anna Freiin von der Tann-Rathsamhausen (1856–1907), die Tochter des Generals der Infanterie Ludwig Freiherr von und zu der Tann-Rathsamhausen.
Er legte 1904 das Abitur in Frankfurt am Main ab. Am 1. Oktober 1904 trat er in Darmstadt im Rang eines Fahnenjunkers in das 1. Großherzoglich Hessische Infanterie-(Leibgarde-)Regiment Nr. 115 der Preußischen Armee ein. Nach bestandenem Offiziersexamen am 18. Mai 1905 erfolgte am 21. Januar 1906 die Ernennung zum Leutnant (mit Patent vom 21. Juli 1904). Vom 1. Oktober 1911 bis zum 30. Juni 1914 besuchte er die Preußische Kriegsakademie; am 19. Juli 1913 wurde er zum Oberleutnant ernannt. Bei Kriegsausbruch 1914 war er Chef der 12. Kompanie seines Regiments und Regimentsadjutant. Am 19. Juli 1915 wurde er zum Hauptmann befördert. Am 20. Januar 1916 heiratete er auf Gut Brandis Helene Freiin von Pentz (1889–1965), die Tochter des Gutsbesitzers Friedrich Freiherr von Pentz, Familienfideikommiß und Herr auf Gut Brandis, und der Marie Steinmetz. Den Ersten Weltkrieg beendete von Stülpnagel als Erster Generalstabsoffizier der 18. Division an der Westfront.
Drittes Reich und Zweiter Weltkrieg
Nach dem Kriege wurde er wiederum vorwiegend im Generalstab verwendet, befehligte zeitweise ein Infanterie-Regiment und wurde am 1. Februar 1930 zum Oberstleutnant sowie dann am 1. Dezember 1932 als Oberst Abteilungsleiter im Reichswehrministerium, am 1. Oktober 1935 Generalmajor, darauf Kommandeur einer Division und am 1. Oktober 1937 Generalleutnant und 1938 Oberquartiermeister I im Generalstab des Heeres.
Bereits ab Mitte der 1930er Jahre war er an konspirativen Treffen zum Sturz der Regierung von Reichskanzler Adolf Hitler beteiligt. Nach dem siegreichen Westfeldzug war er Chef der Wehrmachtsdelegation bei der deutsch-französischen Waffenstillstandskommission. Bis Oktober 1941 kommandierte er die 17. Armee, ab Februar 1942 wirkte er als Militärbefehlshaber in Frankreich.[1] Als einer der Hauptbeteiligten am Umsturzversuch gegen das Staatsoberhaupt des Reiches ließ er am 20. Juli 1944 in Paris und Umgebung sämtliche 1.200 Mann von SS, SD und Gestapo verhaften.
Nach dem Scheitern des Attentates wurde er nach Berlin befohlen. Ein Selbsttötungsversuch durch Erschießen scheiterte, wobei von Stülpnagel bei dem Versuch erblindete. Der Volksgerichtshof unter dem Vorsitz von Roland Freisler verurteilte ihn wegen Hochverrates zum Tode.[2]
Verrat
In der Nachkriegszeit wurde durch russische Enthüllung bekannt, daß General der Infanterie von Stülpnagel durch seinen Vertrauten Dr. Hans Buwert, der durch das Auswärtige Amt mit der Führung des französischen Verlagshauses der Hachette-Gruppe beauftragt worden war, Verbindungen in Madrid und Lissabon anknüpfte, um mit den Alliierten Verhandlungsmöglichkeiten zu erörtern. Von Stülpnagel war sogar noch weiter gegangen und hatte mit den Terroristen der französischen Résistance Kontakte aufgenommen, in einem Fall sogar unter Hinzuziehung eines Obersten von de Gaulles Armee, und verhandelte mit ihnen, um nach einem gelungenen Staatsstreich zu einer Zusammenarbeit mit dem Feind zu gelangen.[3]
- „Nach dem Scheitern des ‚Generalsputsches‘ wurde von Stülpnagel vom damaligen Oberbefehlshaber West, Generalfeldmarschall von Kluge, seines Dienstes enthoben und erhielt von ihm den Rat, sich in Zivil zu kleiden und unterzutauchen. Er tat dies nicht, sondern kehrte nach Paris zurück und begründete später die Massenverhaftungsaktion in seinem Befehlsbereich mit einer Alarmübung der Pariser Garnison. Sein Schicksal ließ sich aber nicht mehr ändern. Er wurde ‚zur Berichterstattung‘ nach Berlin befohlen und trat diese Reise in voller Uniform auch an. Bei Verdun – wo er im I. Weltkrieg gekämpft hatte – unternahm er einen Selbstmordversuch, an dessen Folgen er erblindete. Vor dem Volksgerichtshof wurde ihm der Prozeß gemacht, der erwartungsgemäß mit dem Todesurteil endete.“ — Ritterkreuz.de
Aberkannte Auszeichnungen (Auszug)
- Eisernes Kreuz (1914) II. und I. Klasse[4]
- Ritterkreuz des Königlichen Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern[4]
- Hessische Tapferkeitsmedaille[4]
- Hanseatenkreuz Hamburg[4]
- Orden Heinrichs des Löwen IV. Klasse[4]
- Österreichisches Militärverdienstkreuz III. Klasse mit der Kriegsdekoration[4]
- Verwundetenabzeichen (1918) in Schwarz[4]
- Ehrenkreuz für Frontkämpfer
- Wehrmacht-Dienstauszeichnung, IV. bis I. Klasse
- Wiederholungsspange (1939) zum Eisernen Kreuz II. und I. Klasse (1914)
- Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes am 21. August 1941 als General der Infanterie und Oberbefehlshaber der 17. Armee an der Ostfront
- Deutsches Kreuz in Silber am 14. Februar 1944 als General der Infanterie und Militärbefehlshaber Frankreich
Literatur
- Hans Meiser:
- Verratene Verräter: Die Schuld des „Widerstandes“ an Ausbruch und Ausgang des Zweiten Weltkrieges, Druffel-Verlag, Stegen am Ammersee, 2. Aufl. 2008, ISBN 9783806111798
- Zu Landes- und Hochverrat, in: Rolf Kosiek / Olaf Rose (Hgg.): Der Große Wendig, Bd. 3, Grabert Verlag, Tübingen, 3. Aufl. 2010, S. 449–458
- Rolf Kosiek:
- Legenden zum Attentat vom 20. Juli 1944, in: Rolf Kosiek / Olaf Rose (Hgg.): Der Große Wendig, Bd. 3, Grabert Verlag, Tübingen, 3. Aufl. 2010, S. 467–472
- Weitere Legenden zum 20. Juli 1944, in: Rolf Kosiek / Olaf Rose (Hgg.): Der Große Wendig, Bd. 3, Grabert Verlag, Tübingen, 3. Aufl. 2010, S. 473–479
- Hans Paar: Dilettanten gegen Hitler – Offiziere im Widerstand. Ihre Worte, ihre Taten, Verlag K.W. Schütz, Preußisch Oldendorf, 1985, ISBN 9783877251126
- Heinz Roth: Widerstand im Dritten Reich, 1976
Fußnoten
- Geboren 1886
- Gestorben 1944
- Deutscher Adliger
- Deutscher General der Infanterie
- Deutscher Verräter
- Hauptmann (Preußen)
- Hauptmann (Heer des Deutschen Kaiserreiches)
- Oberst (Reichswehr)
- General der Infanterie (Heer der Wehrmacht)
- Person im Ersten Weltkrieg (Deutsches Reich)
- Attentat vom 20. Juli 1944
- Träger des Hausordens von Hohenzollern
- Träger des Ordens Heinrichs des Löwen
- Träger des Eisernen Kreuzes I. Klasse (1914)
- Träger des Ritterkreuzes des Eisernen Kreuzes
- Träger des Deutschen Kreuzes in Silber
- Träger des Hanseatenkreuzes (Hamburg)
- Träger des Österreichischen Militärverdienstkreuzes III. Klasse