Konservatismus

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Der Konservatismus – auch Konservativismus – (von lat. conservare „erhalten, bewahren“ oder auch „etwas in seinem Zusammenhang erhalten“) gehört neben dem Liberalismus und dem Sozialismus zu den drei großen politischen Strömungen, die sich im 18. und 19. Jahrhundert in Europa herausgebildet haben.

Erläuterung

Die Initialzündung für die Formulierung des Konservatismus gaben die Französische Revolution und das Erschrecken über die Terrorherrschaft von Robespierre und anderen Revolutionären. In Deutschland ist der Begriff konservativ seit 1831 in seiner Funktion als politisches Schlagwort belegt und wurde noch in demselben Jahrzehnt auch ins Deutsche als Parteiname eingeführt, wo er dann das Gegenstück zu liberal bildete.[1] Gegen den Umsturz der bestehenden Verhältnisse und eine damit verbundene Diktatur vertritt der Konservatismus eine stetige Entwicklung und den Verzicht auf Gesellschaftsexperimente.

Konservatismus bedeutet, das Bewährte zu bewahren und darauf aufbauend ein immer stärker werdendes Fundament von Wertgrundsätzen zu schaffen und zu erhalten. Es bedeutet demzufolge nicht Rückschrittlichkeit oder Erstarrung. Der Konservatismus lehnt marxistische und sozialistische Gesellschaftsexperimente ab, da diese über keine organische Grundlage verfügen. Da der Konservatismus seinem Wesen nach grundsätzlich kein revolutionäres Element beinhalten kann, befindet sich diese politische Erscheinungsform prinzipiell in der Defensive. Diesen Umstand versuchten Vordenker der sogenannten konservativen Revolution wie Oswald Spengler und Edgar Julius Jung zu durchbrechen, indem sie dem Konservatismus eine eigene, spezielle Dynamik zuzuschreiben versuchten.

„Fundamentalopposition ist nicht die Sache politischer Konservativer von heute: Die BRD wird als Staat akzeptiert, als ein auf Funktionstüchtigkeit angelegtes, Sicherheit gewährendes, den Ordnungsraum der Nation bildendes Gehäuse – und wo wäre der konservative Übermut, es zu zerschlagen und ein besseres an seine Stelle zu setzen? Verändern: ja! Reformieren: ja! Erneuern im Sinne einer fundamentalen Gegen-Aufklärung: ja! Aber revolutionieren? Umstoßen, weil es fällt? Hier kann der Konservative nicht mehr mit, hier wird er von seinem Respekt vor dem, was die Abläufe regelt (leidlich zwar, aber immerhin), ausgebremst, hier scheut er das Chaos nach dem Zusammenbruch so sehr, daß er auf die Chance eines radikalen Neubeginns verzichtet.“Götz Kubitschek, in: „Sezession“, Nr. 44, S. 9

Weltanschauliche Grundhaltung

Grundsätzlich trägt der politische Konservatismus – im Gegensatz zum linken politischen Spektrum – pessimistische Züge; er vertritt damit die Anschauung, daß die Masse der Menschen sowohl in moralischer als auch in intellektueller Hinsicht von Geburt an in ihrer überwiegenden Mehrheit zum Schlechten neigt („homo homini lupus est[2]), und diesem Umstand entgegengetreten werden muss durch Erziehung, Ordnung, Zucht, gesamtgesellschaftlich ethisch verbindliche Regeln (verankert u. a. in den völkischen Traditionen, den Sitten und in allgemein verankerten Tabus) sowie durch eine hieraus erwachsende Autorität des Staatswesens und der politischen Führung.

Ebenso ist der klassische politische Konservatismus in der Vergangenheit grundsätzlich pessimistisch gegenüber dem Fortschrittsglauben gewesen – hier scheinen sich allerdings die Fronten verkehrt zu haben, da heutzutage sich diejenigen BRD-Parteien, welche sich – zumindest dem Namen nach – als konservativ bezeichnen, im Gegensatz zur Linken deutlich fortschrittsgläubiger zeigen (z. B. in Fragen der Kernkraft, Genmanipulation, Verkehrsplanung, Wirtschaft). Tatsächlich vertreten diese, nur noch dem Namen nach konservativen Parteien mittlerweile jedoch einen optimistischen Materialismus und Liberalismus; während die BRD-Linksparteien schon seit jeher materialistisch sowie liberalistisch gesinnt waren, seit einigen Jahrzehnten dort aber ausgeprägte allgemein-lebensfeige Züge hinzugetreten sind.

Strukturkonservatismus – Wertkonservatismus

Seit den 1980er Jahren wird differenziert zwischen Strukturkonservatismus und Wertkonservatismus. Strukturkonservatismus bezeichnet eine Weltanschauung, die die Notwendigkeit von Institutionen und Ordnung an sich hervorhebt. Der Wertkonservatismus betont den Gewinn einer wertorientierten Lebensform.

Eine konservative Konsumgesellschaft ist weder vorstellbar, noch kann sie auf irgendeine Weise wirkliche Gestaltung oder wirkliche Normsetzung vornehmen. Der von BRD-Konservativen seit je aufdringlich zu Markte getragene Begriff der „Leistungsgesellschaft“ ist eine wirre Fiktion, die mit der bundesrepublikanischen Realität eines gänzlich ausgewucherten Sozialstaates und einer leistungsfeindlichen Maximalbesteuerung keinerlei Berührung hat. Schon in der Ära Kohl (1982–1998) gab es keinerlei ernstzunehmende konkrete politische Normsetzung, die konservative Gestalt oder konservativen Geist hatte. Weder die Privatisierung der Telekommunikation (Abschaffung des Postministeriums) noch die Einführung des Privatfernsehens oder die Ausweitung der Vollmachten eines Subventionsmonstrums EU – lauter Kohlsche Hinterlassenschaften – haben irgendeine Verbindung zu dem Gedanken, bewährte Traditionsbestände politisch zu sichern.

US-Amerika

Autoren wie M. E. Bradford, Joseph Sobran, Pat Buchanan und Russell Kirk und Institutionen wie das Chronicles Magazine, das Rockford Institute, die Philadelphia Society und das Intercollegiate Studies Institute gehörten zu den angesehensten und bedeutendsten Namen im US-amerikanischen Konservatismus.

Artikel aus dem Staatspolitischen Handbuch


Quelle Folgender Text stammt aus dem Staatspolitischen Handbuch, Band 1: Begriffe.

Konservatismus bezeichnet jenen Teil der politischen Rechten, der sich – wie der vom lateinischen conservare für „bewahren“ abgeleitete Name schon sagt – der Erhaltung bestimmter Überlieferungen verpflichtet fühlt. In diesem Sinn ist der K. zuerst am Ende des 18. Jahrhunderts aufgetreten und hat eine Formierungsphase bis zum Beginn der Restauration durchlaufen: Bekanntermaßen trat die Parteibezeichnung „konservativ“ erst 1818 in Ableitung von der Zeitschrift Chateaubriands Le Conservateur auf.

Allerdings gab es und gibt es die Auffassung, daß man die Entstehung des K. nicht nur auf die damaligen Zeitumstände, das heißt die Auseinandersetzung mit der Französischen Revolution, zurückführen könne. Das hat zur Entstehung verschiedener Deutungen des Ursprungs konservativer Weltanschauung beigetragen:

1. Am weitesten geht die Annahme einer bestimmten anthropologischen Anlage, die von vornherein Menschen zu konservativen oder revolutionären Auffassungen disponiert; damit verwandt ist die Idee, daß es sich beim K. um eine Haltung handelt, die in der Jugend schwach ist und mit zunehmendem Alter stärker wird.

2. Davon zu trennen ist die These einer »ewigen Rechten«, die im Grunde seit jeher Ordnung und Ungleichheit gegen die „Ewige Linke“ verteidigte. Mehr in polemischer Absicht entstand die Bezeichnung jeder Positionsverteidigung als „konservativ“, selbst dann, wenn so Kommunisten plötzlich als Träger eines K. erscheinen.

3. Im allgemeinen dürften die Anhänger solcher Positionen mit den Angehörigen der herrschenden Klassen oder der ehemals herrschenden Klassen identisch sein, gelegentlich ergänzt um jene, die aus prinzipiellen Gründen linken Programmen feindlich gegenüberstehen, womit eine Traditionslinie von Platon über Cato bis zum K. der Gegenwart gezogen werden könnte.

4. Es bleibt dann die Position zu nennen, die den K. als konkrete historische Erscheinung betrachtet, die in Verteidigung der alten societas christiana entstand und seitdem eine Reihe von Metamorphosen erlebt hat, bis mit dem Niedergang ihrer Trägerschichten, vor allem des Adels, nur noch bedeutungslose Reste übriggeblieben sind.

5. Schließlich sei noch die Interpretation erwähnt, die meint, daß der K. wie jede politische Strömung der Moderne verschiedene Entwicklungsstadien durchlaufen hat und sich nach einer „Achsenzeit“ (Karl Jaspers beziehungsweise Armin Mohler) von der ursprünglichen Bindung an korporative und religiöse Bestände lösen konnte, um ein Konzept zu entwickeln, das mit dem des traditionellen K. zwar gewisse Übereinstimmungen aufweist (Ablehnung des Egalitarismus und der Utopie, Bejahung von Institution und historischer Existenz), diese aber argumentativ und unter Einbeziehung moderner Erkenntnisse und Begründungsverfahren vertritt.

Was für diese letzte Interpretation spricht, ist vor allem das Phänomen einer kulturellen Rechten, die – unbeeindruckt vom geschichtlichen Wandel – die Auffassung vertritt, daß spätestens seit der großen „Erwartungsenttäuschung“ (Hermann Lüb­be) am Ende des 19. Jahrhunderts die Verheißungen der Aufklärung und damit die des Sozialismus und des Liberalismus erledigt wurden und einer anderen, gleichermaßen älteren wie moderneren, weil wirklichkeitsgerechteren, Sicht der Dinge Platz machen müßten.

Zitate

Siehe auch

Literatur

Titel eines Buches von Alex Kurtagic
  • Adam Röder: Der deutsche Konservatismus und die Revolution, 1920 (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
  • Russell Kirk, The Conservative Mind, 7th Ed., 2001. ISBN 0-89526-171-5
  • Panajotis Kondylis: Konservatismus. Geschichtlicher Gehalt und Untergang. 1986
  • Armin Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland. 2 Bde. 1989
  • Günter Rohrmoser: Geistige Wende. Christliches Denken als Fundament des Modernen Konservativismus. Olzog, München 2000. ISBN 3-7892-8025-9
  • Caspar von Schrenck-Notzing (Hg.): Lexikon des Konservatismus. Leopold Stocker Verlag, Graz 1996. ISBN 3-7020-0760-1
  • Johann Baptist Müller: Konservativismus – Konturen einer Ordnungsvorstellung. Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-12336-0
  • Frank-Lothar Kroll (Hrsg.): Die kupierte Alternative. Konservativismus in Deutschland nach 1945, Berlin 2005
  • Gerd-Klaus Kaltenbrunner: Der schwierige Konservatismus, Herford 1975
  • Peter Richard Rohden: Deutscher und französischer Konservativismus, in: Dioskuren, 3 (1924), S. 90–138
  • Georg Quabbe: Tar a Ri. Variationen über ein konservatives Thema [1927], zuletzt Toppenstedt 2007
  • Caspar von Schrenck-Notzing: Art. „Konservatismus, konservativ“, in ders. (Hrsg.): Lexikon des Konservatismus. Graz und Stuttgart 1996, S. 319–323
  • Günter Rohrmoser: Konservatives Denken im Kontext der Moderne. Gesellschaft für Kulturwissenschaft, Bietigheim/Baden 2006. ISBN 3-930218-36-4
  • Karlheinz Weißmann: Das konservative Minimum. Edition Antaios 2007. ISBN 978-3-935063-71-5

Verweise

Fußnoten

  1. Otto Ladendorf: Historisches Schlagwörterbuch (1906)
  2. Frei nach Titus Maccius Plautus: „Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.“
  3. In: Monologe im Führerhauptquartier - die Aufzeichnungen Heinrich Heims, herausgegeben von Werner Jochmann, Wilhelm Heyne Verlag, München 1980, ISBN 3-453-01600-9 (Aufzeichnung vom 27. Januar 1942, S. 237)
  4. Pseudonym von João Augusto Almeriz de Lima, eines brasilianischen Intellektuellen