Scheidemann, Philipp

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Philipp Scheidemann verkündet vom Fenster des Reichstagsgebäudes die deutsche Republik
Scheidemann, Philipp-Unterschrift.jpg

Philipp Heinrich Scheidemann (Lebensrune.png 26. Juli 1865 in Kassel; Todesrune.png 29. November 1939 in Kopenhagen) war ein deutscher Buchdrucker, später Journalist, Publizist, sozialdemokratischer Politiker, Reichsbanner-Angehöriger und Aktivist der Novemberrevolte. Scheidemann gilt als nachhaltiger Präger des Schlagwortes „Lügenpresse“, als er die konservative und parteiliche Presse des Deutschen Kaiserreiches in seinen Publikationen zwischen 1910 und 1915 derart kennzeichnete. Von ihm stammt gleichfalls die Parole „Der Feind steht rechts!“.[1]

Werdegang

Zeitgenössische Karikatur: Scheidemann führt den Dolchstoß in den Rücken der kämpfenden Truppe. Im Hintergrund stehen feixende Juden.
Wahlplakat der DNVP, das Scheidemann und Bismarck gegenüberstellt
Die Freiburger Zeitung vom 16. 8. 1933: „Volksverräter Scheidemann!“

Politisches Wirken

Philipp Scheidemann, Sohn eines Tapezierer- und Polsterermeisters, war 1903-1918 Mitglied des Reichstags, als Sekretär wurde er 1911 in den Parteivorstand der SPD berufen, seit 1913 einer er der Führer der SPD-Fraktion im Reichstag. Im Ersten Weltkrieg hetzte er gegen den Alldeutschen Verband und rief am 9. November 1918 (Novemberrevolution) die Republik in Deutschland aus und wurde damit zum Hauptverräter der Monarchie.

Von November 1918 bis Januar 1919 war Scheidemann Mitglied des Rats der Volksbeauftragten, von 1918 bis 1920 Mitglied der Weimarer Nationalversammlung, danach bis 1933 Mitglied des Reichstags und von Februar bis Juni 1919 Ministerpräsident der „Weimarer Koalition“ Von Letzterer trat er später zurück, da er den Versailler Vertrag für unannehmbar hielt, er trat vehement für einen Verständigungsfrieden ohne Kriegsentschädigungen und Annexionen zum Nachteil Deutschlands ein.

„Reichskanzler[2] Philipp Scheidemann (SPD) gab in einer flammenden Rede vor der Nationalversammlung in der Berliner Universität am 12. Mai 1919 seiner Empörung gegen diesen ‚Mordplan‘ Ausdruck. Welche Hand müsse nicht verdorren, die ihn unterschriebe. Scheidemanns ‚Unannehmbar!‘ entsprach der Meinung der großen Mehrheit des deutschen Volkes. Der spätere preußische Ministerpräsident (1921–1932), der Sozialdemokrat Otto Braun, nannte die Alleinschuld Deutschlands ‚die größte Geschichtslüge, die verhängnisvollste, die jemals erfunden worden ist‘.“[3]

Scheidemann war von 1920 bis 1925 Oberbürgermeister von Kassel und wurde 1933 ausgebürgert.

Ausrufung der Republik

Philipp Scheidemann rief am 9. November 1918 vom Balkon des Reichstages die Republik aus. Scheidemann erklärte später, daß er mit diesem Schritt einer bolschewistischen Revolution in Deutschland zuvorkommen wollte:

Liebknecht will die Sowjetrepublik ausrufen. Was? Nun sah ich die Situation klar vor Augen. Deutschland eine russische Provinz? Eine Sowjetfiliale? Nein! Tausendmal Nein! Kein Zweifel, wer jetzt die Massen vom Schloß her bolschewistisch oder vom Reichstag zum Schloß hin sozialdemokratisch in Bewegung bringt, der hat gesiegt.“[4]

Scheidemanns Worte „Das alte Morsche ist zusammengebrochen; der Militarismus ist erledigt,“ sowie „das Alte und Morsche, die Monarchie ist zusammengebrochen! Es lebe das Neue; es lebe die deutsche Republik!“ trafen offenbar eher die damalige Stimmung im Volke. Dagegen kam Karl Liebknecht zwei Stunden später nicht mehr an, als er zum „Kampf für die freie sozialistische Republik Deutschland und die Weltrevolution“ aufrief.[5]

Das Verhalten des SPD-Politikers Scheidemann kam trotz seiner später geäußerten Gründe einem Hochverrat gleich, da ihm jegliche Legitimation für einen solchen Schritt fehlte. Wohl aber wurde durch diesen verhindert, daß die radikaleren Kräfte des linken Spektrums im Reich an die Macht kamen, was sich deutlich negativer auf den Staat ausgewirkt hätte. Bei den Film- und Fotoaufnahmen seiner Ansprache vom Balkon des Reichstages soll es sich jedoch um nachgestellte Szenen handeln, die erst Monate später angefertigt wurden.[6]

Organisierter Landesverrat

Am 16. Dezember des Jahres 1926 hielt Scheidemann eine Rede im Reichstag, in welcher er der Öffentlichkeit genaue Angaben jeder Waffen- und Munitionslieferung bekanntgab. Kleinkaliber-Vereine werden von ihm bezichtigt nur geheime Truppenteile darzustellen und der Heeresleitung wirft er einen offenen Bruch des Versailler Diktats vor. Die Grundlage eines solchen Handelns legte der durch die SPD legalisierte Landesverrat, der aus dem § 92 Abs.1 Nr.1 Reichsstrafgesetzbuch hervorgeht:

„Landesverrat im Sinne des Abs. 1, Nr. 1, begeht nicht, wer gesetzwidrige Zustände bekanntmacht, um ihre Abstellung durch deutsche Behörden zu veranlassen.“

Dadurch wurde schlichter Landesverrat zur Darlegung „gesetzwidriger Zustände“. Die Rede Scheidemanns im Deutschen Reichstag wurde von nun an zum Instrument zur Begründung des gigantischen Wehretats Frankreichs, wie in einer Kundgebung des „Nationalkomitees für soziale und politische Studien" von Senator Eccard im November 1930, und einer angeblichen deutschen Aufrüstung. Der Wehretat Frankreichs wurde somit nach Angaben des Kammerabgeordneten Professor Antonelli im Jahre 1931/32 auf 19,19 Milliarden Goldfranken gesteigert. Frankreich rüstete entgegen den im Versailler Diktat genannten Forderungen an das Deutsche Reich zur Abrüstung als „Voraussetzungen zur internationalen Abrüstung" also sogar auf.[7] Der jüdische Genosse der französischen Kammer, Léon Blum, bestätigte dieses Streben Frankreichs nach Aufrüstung nochmal mit dem Ausruf am 12. November 1930:

„Wir wünschen die bewaffnete Nation!“

Ausweisung

Scheidemann wurde nach der im August 1933 veröffentlichten „Ersten Ausbürgerungsliste des Deutschen Reichs“ die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Er verließ Deutschland und ging zunächst nach Prag, ehe er über die Schweiz, Frankreich und die USA nach Dänemark gelangte. Obwohl sich seine gesundheitliche Lage verschlechterte, veröffentlichte er unter einem Pseudonym Beiträge gegen Deutschland in der dänischen Arbeiterpresse.

Tod

Am 29. November 1939 starb Scheidemann in Kopenhagen.

Ruhestätte

1953 ließ die Stadt Kopenhagen Scheidemanns Asche nach Kassel überführen. Das Grab von Philipp Scheidemann befindet sich seitdem auf dem alten Teil des Kasseler Hauptfriedhofes und wird als „Ehrengrab“ von der Stadt Kassel unterhalten.

Familie

Seine Eltern waren der Kasseler Friedrich Scheidemann und dessen Ehefrau Wilhelmine, geborene Pape. 1889 heiratete Scheidemann in Kassel Johanna Dibbern (1864–1926). Aus dieser Ehe sind die Töchter Lina (1889–1933), Liese (1891–1955) und Hedwig (1893–1935) entsprossen.

Zitate

  • „Alle sind erschienen bis auf die Elsaß-Lothringer, denen man das Recht, hier vertreten zu sein, jetzt schon ebenso genommen hat, wie ihnen das Recht genommen werden soll, in freier Abstimmung ihr Selbstbestimmungsrecht auszuüben. Wenn ich in Ihren Reihen Kopf an Kopf die Vertreter aller deutschen Stämme und Länder sehe, die Erwählten vom Rheinland, vom Saargebiet, von Ost- und Westpreußen, Posen, Schlesien, von Danzig und Memel, neben den Abgeordneten der unbedrohten die Männer aus den bedrohten Ländern und Provinzen, die, wenn der Wille unserer Gegner zum Gesetz wird, zum letzten Male als Deutsche unter Deutschen tagen sollen, dann weiß ich mich von Herzen eins mit Ihnen in der Schwere und Weihe dieser Stunde, über der nur ein Gebot stehen darf: Wir gehören zusammen!“ [8]

Filmbeitrag

Literatur



Amt Vorgänger Regierungszeit Nachfolger
Deutscher Reichskanzler Friedrich Ebert 1919 Gustav Bauer

Fußnoten

  1. Laut Der Große Brockhaus. Handbuch des Wissens in zwanzig Bänden. 15. Auflage von Brockhaus' Konversations-Lexikon. 1928–1935, mit Erg.-Bd. A–Z (1935), Artikel zu Joseph Wirth (Fassung 1935), welch letzterer als ein Kurzzeitkanzler der Weimarer Republik die Parole erneuerte. Wirth zeigte sich früh als christlicher Kommunistenfreund und wurde schließlich zum reichsverräterischen Emigranten.
  2. Statt des traditionellen Titels „Reichskanzler“ war Scheidemanns Amtsbezeichnung Präsident des Reichsministeriums oder Reichsministerpräsident.
  3. Ruin einer Republik von Klaus Hornung, Junge Freiheit, 25. Juni 1999
  4. Tondokument Philipp Scheidemann: Bericht über den 9. November 1918, aufgenommen ca. 1924.
  5. Heinrich August Winkler: Weimar 1918–1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie. Beck, München 1998, ISBN 3-406-44037-1, S. 30ff.
  6. vgl.: Geschichte und Mythen um den Berliner Reichstag
  7. Alfred Ingemar Berndt- „Gebt mir vier Jahre Zeit" (1938)
  8. Philipp Scheidemann gegen die Annahme des Versailler Vertrages (12. Mai 1919) (PDF-Datei) S. 1