Platzeck, Matthias
Matthias Platzeck ( 29. Dezember 1953 in Potsdam) ist ein deutscher Ingenieur und Politiker der BRD-Blockpartei SPD sowie ehemaliger Ministerpräsident Brandenburgs.[1]
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Herkunft
Matthias Platzeck, evangelisch (Wiedereintritt 2003), wurde am 29. Dezember 1953 als Sohn eines HNO-Arztes und einer medizinisch-technischen Assistentin in Potsdam geboren. Dort am Tiefen See wuchs er auch mit zwei Schwestern auf. Seine Mutter Christa Platzeck stammt aus einer Pastorenfamilie. Über Platzecks stadtbekannten und beliebten Vater Hans Platzeck berichtete die Süddeutsche Zeitung, er habe wohl jedem dritten der alten Potsdamer die Mandeln herausgenommen. Platzecks Urgroßvater war Mitbegründer der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) in Nordhausen. Auch der Großvater war schon SPD-Mitglied.[2]
Ausbildung
Von 1960 bis 1966 besuchte Platzeck in Potsdam die Grundschule, danach ab der 7. Klasse die Erweiterte Spezialoberschule für Mathematik und Physik in Kleinmachnow. Trotz Aktivismus in der sozialistischen Freien Deutschen Jugend (FDJ) ließ sich Platzeck konfirmieren. Nach dem Abitur 1972 leistete er bis 1974 seinen Grundwehrdienst in der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR ab. Nach seiner Entlassung studierte er biomedizinische Kybernetik an der TH Ilmenau in Thüringen und beendete 1979 die akademische Ausbildung mit dem Grad eines Diplom-Ingenieurs. Später (1982–1987) absolvierte er noch berufsbegleitend ein postgraduales Studium der Umwelthygiene an der Akademie für Ärztliche Fortbildung Berlin.[2]
Wirken
Seine Berufslaufbahn begann Platzeck 1979 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Lufthygiene in Karl-Marx-Stadt. Diese Tätigkeit vermittelte ihm einen ersten Einblick in die teilweise verheerende Luftverschmutzung in der DDR. 1980 wechselte er an das Kreiskrankenhaus Bad Freienwalde, wo er bis 1982 als Direktor für Ökonomie und Technik arbeitete. Anschließend war er bis 1990 als Abteilungsleiter Umwelthygiene bei der Hygieneinspektion Potsdam tätig.
Im Frühjahr 1988 gründete der politisch aufgeschlossene Platzeck mit Gleichgesinnten die Potsdamer Bürgerinitiative ARGUS (Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung), die sich gegen die Vernachlässigung des Umweltschutzes und der Stadtsanierung durch die Behörden und Betriebe der DDR wandte. Als das SED-Regime im November 1989 nach der Maueröffnung zusammenbrach, beteiligte sich Platzeck an der Gründung der „Grünen Liga“ und wurde deren Sprecher. In dieser Eigenschaft nahm er von Dezember 1989 bis Februar 1990 an den Verhandlungen des Zentralen Runden Tischs teil und war danach als Parteiloser bis April 1990 Minister ohne Geschäftsbereich in der von Hans Modrow geleiteten Übergangsregierung. Wie Platzeck später bekannte, strebte er damals eine demokratisierte DDR, aber keine Vereinigung mit der Bundesrepublik an.[3]
Er war seit dem 26. Juni 2002 bis August 2013 Ministerpräsident des BRD-Landes Brandenburg und war vom 15. November 2005 bis zum 10. April 2006 Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD).
Israel-Reise 2007, 2009
Platzeck war 2007 zu Besuch in Israel. Am 16. März 2009 besuchte er Israel und die palästinensischen Autonomiegebiete. Am 19. März 2009 fanden Gespräche mit Staatspräsident Shimon Peres, dem Nahost-Beauftragten Tony Blair, dem Bürgermeister von Jerusalem, Nir Barkat, und dem Vorsitzenden des palästinensischen Industrieverbandes statt. Bei dem Besuch ging es um Kooperationsvereinbarung zu Sicherheitsrichtlinien für Reisende (bewaffneten Begleitschutz), von und nach Israel, zwischen dem Flughafen Berlin-Schönefeld und dem Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv (→ David Ben-Gurion). Außerdem wurden Projekte der Gedenkstätten Ravensbrück und Sachsenhausen vorgestellt.[4]
MfS-Vergangenheit im Brandenburger Landtag
Anders als in den anderen mitteldeutschen BRD-Bundesländern und in Berlin hatte die SPD schon unter Platzeck-Vorgänger Manfred Stolpe darauf verzichtet, Landtagsabgeordnete regelmäßig auf eine mögliche Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR zu überprüfen. Im Bundesland Brandenburg holte nach der Landtagswahl 2009 die MfS-Vergangenheit Personen des öffentlichen Lebens ein. Sieben der 26 Linke-Abgeordneten hatten MfS-Kontakte.
Platzeck hatte Kritik an der MfS-Vergangenheit der Linkspartei scharf zurechtgewiesen und nannte im Februar 2010 „Stasi“-Kritiker „Revolutionswächter“: „Wir haben eine Schar von Revolutionswächtern, die gehen mir auf den Keks.“ Die Darstellung in der Öffentlichkeit sei völlig überzogen: „Es waren zwei Stasi-Abgeordnete, gefühlt sind es zwanzig.“[5] Eine sozialistische „Revolution“ werde es [mit ihm] nicht geben.[6]
Israel-Reise 2010, 2011
Auf Platzecks Israel-Reise zum „Holocaust-Gedenken“ im April 2010 gab es einen diplomatischen Zwischenfall. Israelische Sicherheitskräfte verweigerten Platzeck auf der Rückreise vom palästinensischen Ramallah nach Tel Aviv die Wiedereinreise im Dienstwagen. Platzeck mußte die Grenze zu Fuß passieren und im Bus nach Tel Aviv zurückfahren. Die Fahrzeuge des Konvois wurden stundenlang festgehalten.[7] Auf seiner Reise im Mai/Juni 2011 wurde Platzeck von brandenburgischen Unternehmensvertretern begleitet.[8]
EU Ost-Erweiterung
Platzeck sah die ab Mai 2011 geltende volle „Arbeitnehmer-Freizügigkeit“ innerhalb der EU als Chance für Brandenburg. Bei der Zuwanderung von Osteuropäern forderte er wirkungsvolle Kontrollen gegen Lohndumping, um sicherzustellen, daß es nicht zu einem Verdrängungswettbewerb komme.[9]
Israel-Reise 2012
Bei seiner sechsten Nahost-Reise (2012) übergab Platzeck in Jerusalem einen Scheck über rund 16.000 Euro für zwei Sommerlager für benachteiligte jüdische und arabische Jugendliche.[10]
Im Mai 2012 ehrte Platzeck die Roten Armee. Mit einer Kranzniederlegung am sowjetischen Ehrenmal im Berliner Tiergarten hat Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) anläßlich der deutschen Kapitulation am 9. Mai 1945 gegenüber der Sowjetunion der Opfer der Roten Armee gedacht. Platzeck, der gegen den Nationalstaat ist, betonte, die Europäische Union (EU) sei die politische Antwort der Völker des Kontinents auf die Katastrophe der beiden verheerenden Weltkriege des vergangenen Jahrhunderts. Dies dürfe trotz aller derzeitigen Schwierigkeiten nie vergessen werden.[11]
Beim Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI/BER) mit dem faden Beinamen „Willy Brandt“ sitzen Platzeck und Klaus Wowereit (SPD) im Aufsichtsrat. Der Erweiterungsbau (erster Spatenstich am 5. September 2006) wurde nicht fertig. Die Eröffnungsfeier rutschte vom 30. Oktober 2011 zum 3. Juni 2012, dann auf den nicht haltbaren 17. März 2013 und weiter auf den 27. Oktober 2013.
Rücktritt
Am 29. Juli 2013 kündigte Platzeck an, Ende August aus gesundheitlichen Gründen vom Amt des Ministerpräsidenten von Brandenburg zurückzutreten.[12] Damit trat einer der dienstältesten Ministerpräsidenten der BRD zurück. Sein Rücktritt wurde auch als schwerer Verlust für seine Partei, die SPD, betrachtet. Sie verlor damit einen ihrer profiliertesten Vertreter. Sein Nachfolger wurde der weithin unbekannt gebliebene, damalige Landesinnenminister Dietmar Woidke (SPD).
Gegen Rechts
Platzeck ist „Gegen-Rechts“-Aktivist u. a. beim Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“.[13] Er ist gegen „Fremdenfeindlichkeit“ und „Intoleranz“.[14]
Platzeck sieht die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Hotelverbot für den früheren NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt als Ermutigung für Zivilcourage. Die „rechtsextremen Demokratiefeinde“ müßten wissen und auch täglich spüren, daß sie in der Gesellschaft nicht willkommen seien.[15]
Mitgliedschaften
Matthias Platzeck wurde Aufsichtsratsmitglied der Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH (FBS). Im Dezember 2005 trat er der IG Bergbau Chemie Energie bei. Im Juli 2007 wurde er in den Verwaltungsrat des ZDF berufen. Außerdem ist Platzeck Zweiter Vorsitzender der Jerusalem Foundation,[16] die danach strebt, „die Lebensqualität der Einwohner Jerusalems zu verbessern“.[17]
Familie
Matthias Platzeck ließ sich schon zu DDR-Zeiten in einer Wohnung in Potsdam-Babelsberg nieder. Er hat aus einer geschiedenen Ehe (1977–1984) mit der Potsdamer Kommunalpolitikerin Ute Bankwitz (BürgerBündnis Freier Wähler e. V.), die er noch während seines Studiums kennengelernt hatte, drei Töchter (die Zwillinge Erika und Katharina, 1978 sowie Maria, 1980). Im September 2007 heiratete er auf dem Potsdamer Standesamt „klammheimlich“[18] seine langjährige Lebensgefährtin, die Potsdamer Stadtangestellte Jeanette Jesorka, die er während seiner Zeit als Oberbürgermeister kennengelernt hatte und die eine erwachsene Tochter (Sarah) mit in die Ehe brachte. Im Juni 2008 folgte unter medialer Teilnahme die traditionell gehaltene kirchliche Trauung in der Dorfkirche von Ringenwalde in Platzecks neuem Wahlkreis in der Uckermark. Der Rotweinliebhaber und Hobbykoch „joggt“, rudert, spielt „Badminton“, ist leidenschaftlicher Bergwanderer und Fußballfreund, der früher selbst aktiv spielte (Linksaußen). Nach einem ersten Hörsturz im November 2005, einem Kreislauf- und Nervenzusammenbruch am 11. Februar 2006 – damals zunächst als „Grippe“ kaschiert – folgte am 29. März ein zweiter, ernsthafter Hörsturz, der ihn in stationäre medizinische Behandlung zwang, und einen bleibenden Tinnitus hinterließ.[2]
Verweise
- Liebeserklärung mit Musik – „Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen“, zitierte Platzeck Staatsinitiator Theodor Herzl., Jüdischen Nationalfond, 12. Februar 2008
Karikaturen
Fußnoten
Alwin Gerisch (1890–1892) • Paul Singer✡ (1890–1913) • August Bebel (1892–1913) • Hugo Haase✡ (1911–1916) • Friedrich Ebert (1913–1919) • Philipp Scheidemann (1917–1919) • Hermann Müller (1919–1928) • Otto Wels (1919–1933) • Arthur Crispien (1922–1933) • Johann Vogel (1931–1933) • Kurt Schumacher (1946–1952) • Erich Ollenhauer (1952–1963) • Willy Brandt (1964–1987) • Hans-Jochen Vogel (1987–1991) • Björn Engholm (1991–1993) • Rudolf Scharping (1993–1995) • Oskar Lafontaine (1995–1999) • Gerhard Schröder (1999–2004) • Franz Müntefering (2004–2005) • Matthias Platzeck (2005–2006) • Kurt Beck (2006–2008) • Franz Müntefering (2008–2009) • Sigmar Gabriel (2009–2017) • Martin Schulz (2017/18) • Andrea Nahles (2018/19) • Saskia Esken & Norbert Walter-Borjans (2019–2021) • Saskia Esken & Lars Klingbeil (seit 2021)
- Geboren 1953
- LDPD-Mitglied
- Vorsitzender der SPD
- Umweltminister (Brandenburg)
- Deutscher Politiker
- Deutscher Ingenieur
- Bürgermeister (Potsdam)
- Abgeordneter der Volkskammer
- Landtagsabgeordneter (Brandenburg)
- Bundestagsabgeordneter (Brandenburg)
- Ministerpräsident (Brandenburg)
- Bundesratspräsident (BRD)
- Selbsthassender Deutscher
- Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern und Schulterband
- Träger des Verdienstordens des Landes Brandenburg
- DDR-Bürger