Billinger, Richard

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Richard Billinger

Richard Billinger (Lebensrune.png 20. Juli 1890 in St. Marienkirchen; Todesrune.png 7. Juni 1965 in Linz) war ein deutscher Schriftsteller aus Österreich. Sein Werk kennzeichnet den Wandel von der naturalistischen Bauerndichtung des 19. Jahrhunderts zu einer mythisch-religiösen Darstellung der dämonischen Kräfte der Natur und ist stark beeinflußt durch seine Innviertler Heimat in Oberösterreich.

Leben

Am Anfang seines Schaffens war er der gläubige Bauernsohn, der sich im Gedicht ursprünglich und überströmend offenbarte. 1923 erschienen die Gedichte „Über die Äcker“, und später folgten die schmalen Bände „Sichel am Himmel“, „Der Pfeil im Wappen“ und die „Nachtwache“. Diese Verse sind das Kraftvollste und Echteste in seiner dichterischen Produktion.

Richard Billinger wurde als Sohn eines Bauern in St. Marienkirchen bei Schädling in Oberösterreich geboren. Er sollte zunächst Priester werden und kam auf die Lateinschule. Danach studierte er an der Innsbrucker Universität. Er ging dann nach Kiel und huldigte dem Sport. Dann packte ihn das Heimweh. Er wurde in Wien wieder Student. Hier entdeckte ihn die Tänzerin Grete Wiesenthal als Dichter. Billinger verfaßte seine ersten Gedichte und versuchte sich „dramatisch“. Drei kleine bäuerliche Schauspiele waren die ersten Ergebnisse seiner dramatischen Bemühungen: das „Perchtenspiel“, das „Spiel vom Knecht“ und „Die Reise nach Ursprung“. Schon in diesen Kleindramen spürt man Billingers Phantasie entfesselt. Der dämonische Geisterspuk regiert die Szene. 1931 entstand die „Rauhnacht“, die wilde Moritat von dem abtrünnigen Afrikamissionar Simon Kreuzhalter, der, zurückgekehrt in die Innheimat, in der Rauhnacht die Geliebte und sich selbst dem dunklen Dämon opfert. Mit dem Losbrechen der Dämonen aus heiliger Bauernerde, mit den Saturnalien der Rauhnacht und dem Rausch urtümlich barbarischer Wildheit war eine neue dramatische Ebene gefunden. Für dieses Stück erhielt Billinger 1932 den Kleist-Preis.

Viel klarer im dramatischen Aufbau sind die „Rosse“. Das Schicksal des Roßknechts Franz Zinnhobel, sein Konflikt mit dem ins Dorf gekommenen Maschinenbändler, der verzweifelte Kampf des Roßknechts gegen die Vernichter seiner Welt, gegen die Traktoren, ist das Thema eines echten Dramas. Im Staatlichen Schauspielhaus Berlin sah man damals die „Rosse“ in einer denkwürdigen Aufführung seit Walter Franck. Um die gleiche Zeit entstand sein wuchtiges und dichterisch durchglühtes, in einer barocken poetischen Sprache geformtes Buch „Die Asche des Fegefeuers“. Schon hier griff Billinger zu dem Konflikt, der in seinen späteren Dramen und Komödien immer wiederkehren sollte: der Zusammenprall der Großstadtzivilisation mit dem Bauerntum. Dieses Buch ist die Schöpfung eines echten Dichters. In ihm sind noch kraftvolle Menschen mit einem gesunden und heiligen Glauben an die Naturkräfte lebendig.

Später gestaltete Billinger in seiner „Windsbraut“, die der Komponist Winfried Zillig als Oper beendet hat, noch einmal die Motive seines Perchtenspiels und machte die ganze bäuerliche Welt und die vom Volksglauben fabelhaft oder märchenhaft belebte und beseelte Natur lebendig. Ganz anders wie in seinen Komödien „Lob des Landes“, dem Satyrspiel auf die „Rauhnacht“, „Das Verlöbnis“, der Tragödie eines schuldbeladenen Liebesbundes, und „Stille Gäste“, jener stimmungsmäßig zerrissenen Sommerkomödie vom vornehmen Wiener Brautpaar und seinen grotesken Erlebnissen in einem mysteriösen Schloß, dem spukhafte Ahnen entsteigen und wo „schöne Bucklige“ das Lied vom Glück singen. Im Deutschen Theater war die Aufführung eine Sehenswürdigkeit.

Billinger betrat mir seinem Schauspiel „Die Hexe von Passau“ (Deutsches Theater, Berlin) das Gebiet des historischen Schauspiels. Das Werk ist eine bäuerliche Historie von der Rebellion der Bauern gegen den Fürstbischof von Passau. Im Mittelpunkt der Handlung steht die schöne Komödiantin Valentine Ingold, der Käthe Dorsch die leidvollen Züge der Dulderin und Kämpferin verlieh. Zu seiner dichterischen Ursprünglichkeit fand Billinger in seinem Schauspiel „Der Gigant“ wieder zurück.

In seinem Schauspiel „Am hohen Meer“ treibt der Naturalismus wieder seltsame Blüten. Das Schicksal einer Wiener Modistin wird noch einmal zum Madonna-Schicksal früher Liebe. Gerade an diesem Schauspiel spürt man, wie Billinger bereits durch seine Filmarbeit die szenischen Voraussetzungen des Theaters aufgibt und die Charakterdarstellung durch „filmische Einfälle“ zu verdichten versucht. Nach der Mitarbeit an dem Drehbuch zu dem Film „Peer Gynt“ schrieb Billinger erst 1938 sein nächstes Drehbuch mit Luis Trenker und Hans Saßmann: „Der Berg ruft“. Auch dieser Film ist noch von dem dichterisch-phantasieüberströmenden Willen der Autoren diktiert. Durch Becces eindringliche Musikkulisse wurde dieser Film einer der schönsten Bergfilme, die der deutsche Film hervorbrachte.

1939 schrieb Billinger mit Werner Eplinius und Philipp Lothar Mayring das Drehbuch zu dem Paula-Wessely-Film „Maria Ilona“. 1940 waren es bereits drei Filme, die des Dichters Mitarbeit aufweisen. Mit Eplinius wurde der phantastische und ins Kolportagehafte abschweifende Film „Brand im Ozean“ geschrieben, mit Georg Klaren und J. B. Malina entstand der Film „Traummusik“, der versuchte, die Wandlung eines ernsten Komponisten zum Revuekomponisten und sein Zurückfinden zum künstlerischen Ursprung zu verdeutlichen, und „Die keusche Geliebte“ zeigt Billinger und seinen Mitarbeiter Werner Eplinius abermals an einem absonderlichen und im psychologischen Grundriß auseinanderstrebenden Drehbuch.

Man kann nicht behaupten, daß Billinger in seinen Drehbüchern die Stoffe angepackt hat, die seine dichterische Phantasie im Drama befruchtet haben. Viel eindringlicher hat es Billinger in seinen Romanen „Das Schutzengelhaus“, „Leben aus Gottes Hand“ und „Das verschenkte Leben“ verstanden, wieder zum Ursprung zurückzufinden. In „Melusine“ (1941), der Modernisierung eines alten Märchenstoffes zu einem Ehedrama Ibsenscher Prägung, operierte Billinger wie im Heimatfilm, der die Wechselhaftigkeit des Wetters auf menschliche Schicksale und Befindlichkeit überträgt, mit Metaphern und Vergleichen, welche seelisches Ringen, Entscheidungsfindung und sinnlich-triebliche Verführungsgefahren signalisieren.

Mit der Komödie „Die Fuchsfalle“ (1942) kehrte Billinger wieder in Bereich des Skurrilen und Dämonischen zurück, den Sieg des Landes über die Stadt, angesiedelt im Salzburgischen Lungau. Uraufgeführt wurde das Stück in München und kurz darauf am 19. November 1943 von der Exl-Bühne, die schon 1928 Billingers Erstling aufgeführt hatte.

Billinger ließ sich in Niederpöcking am Starnberger See nieder und lebte dort mit seinem Lebensgefährten inmitten prächtiger Bauernmöbel, Madonnenstatuen und Masken, wurde alkoholabhängig. Er verfaßte nach dem Krieg auch zahlreiche Hörspiele. Den Lebensabend verbrachte er in Linz, wo er in den Gasthäusern seine Gedichte in die Runde hineinzubrüllen pflegte, die keine Ahnung hatte, wer es war, der ihnen diese gereimten Gebete, Flüche und Visionen entgegenschrie.

Auszeichnungen und Ehrungen

Werke

Drehbuch
Literarische Vorlagen für Filme
Liedtexte
Dramen
  • 1924: Das Spiel vom Knecht
  • 1928: Das Perchtenspiel
  • 1931: Rauhnacht
  • 1931: Rosse
  • 1935: Die Hexe von Passau
  • 1937: Der Gigant
  • 1941: Melusine
  • 1942: Das Spiel vom Erasmus Grasser
  • 1943: Paracelsus, Festspiel
  • 1953: Der Plumpsack
  • 1955: Das Augsburger Jahrtausendspiel
  • 1955: Die Bauernpassion
  • 1959: Donauballade
Lyrik
  • 1923: Über die Äcker
  • 1931: Sichel am Himmel
  • 1935: Die Nachtwache
  • 1942: Holder Morgen
Gesamtausgaben
  • Gesammelte Werke, 12 Bände, 1955–60
  • Gesammelte Werke, 7 Bände, 1972–83

Veröffentlichungen auch in den Zeitschriften Das Innere Reich, Jugend, Der weiße Rabe und Die Kolonne