Erstürmung einer mittelalterlichen Stadt um das Jahr 1350
Filmdaten | |
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Deutscher Titel: | Erstürmung einer mittelalterlichen Stadt um das Jahr 1350 |
Produktionsland: | Drittes Reich |
Erscheinungsjahr: | 1944 |
Stab | |
Regie: | Ferdinand Diehl |
Produktion: | Gebrüder Diehl-Filmproduktion |
im Auftrag: | Reichsanstalt für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht |
Produzent: | Ferdinand Diehl |
Erstürmung einer mittelalterlichen Stadt um das Jahr 1350 ist ein Film aus dem Jahre 1944 und zeigt mittels Puppentrick-Technik die rekonstruierte Eroberung einer von Befestigungen umgebenen Stadt des 14. Jahrhunderts in den letzten beiden Tagen der Belagerung. Der Film wurde im Auftrag von der Reichsanstalt für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht hergestellt und ist somit sowohl ein Lehrfilm für den Unterricht, als auch eine historische Studie über die mittelalterliche Waffentechnik und die Bekleidung von Waffenträgern. Er wurde ohne Ton, also als Stummfilm produziert, zu dem ein Begleitheft herausgegeben wurde, aus dem im Unterricht bzw. bei der Vorführung vorgelesen werden konnte.
Inhaltsverzeichnis
Kurze Inhaltsangabe des Films
Der Film zeigt die Eroberung einer von Befestigungen umgebenen Stadt des 14. Jahrhunderts in den letzten beiden Tagen der Belagerung. Der Zuschauer nimmt bald an den Ereignissen außerhalb der Stadtumwallung, bald an den Vorgängen auf den Zinnen und im Wehrgang der eingeschlossenen Stadt teil. Im Mittelpunkt des Geschehens steht der Einsatz der Belagerungsmaschinerie, wie sie kurz vor der Umgestaltung des Kriegswesens durch die Erfindung des Schießpulvers in Europa allgemein verwendet wurde. Es werden zunächst Angriffe mit Hilfe von „Katzen“, einer Art beweglicher Schutzhütten, vorbereitet, die eine Auffüllung des Wehrgrabens und die Aufstellung von Sturmleitern gestatten. Die Verteidiger wehren sich gegen die Angriffe, indem sie die Katzen in Brand schießen oder durch Steinwürfe zu zerstören versuchen. Zunächst gelingt es den Angreifern, Sturmleitern anzulegen.
Als die ersten Kriegsknechte die Zinnen der Mauer beinahe erreicht haben, wird von den Belagerten ein schwerer Baumstamm hinabgewälzt, der die Stürmenden mitsamt den Leitern in die Tiefe reißt. Die zweite Katze, mit deren Hilfe die Belagernden ein Loch in die Stadtmauer gebrochen haben, wird bei einem nächtlichen Ausfall in Brand gesteckt. Wir erleben, welche Zerstörungen Bliden, Mangen und Standarmbrüste anrichten können; der Wehrgang z. B. wird teils durch geschleuderte Steinblöcke, teils durch Brandpfeile so stark beschädigt, daß an der entstandenen Bresche schließlich ein fahrbarer Belagerungsturm eingesetzt werden kann, über dessen Zugbrücke die Sturmtruppen einbrechen und den letzten Widerstand brechen.
Ausführliche Beschreibung des Films
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in Gestalt eines Feldberichts des Jörg Landschaden an Matz Dick über die Erstürmung der Stadt Stoltenberg im Jahre 1345
„... Das will ich dir nun genau beschreiben, was sich anno Domini 1345 zugetragen, als unsere Herren die Stadt Stoltenberg berannten und schließlich mit großem Ruhm einnahmen. Ich traf zu guter Stunde im Heerlager vor den Mauern der Stadt ein. Wagen, bewaffnete Knechte, Ritter und Fahnen sammelten sich an dem Platz, an dem ich mich befand. Weiter links von uns hatte sich ein anderer Haufen eingefunden, und nser Blick schweifte voll Verlangen üb r die stattlichen Kirchen und Gebäude inter , der Umwallung, freilich des fast sicher , daß auch dort in Gassen und Plätzen mit Geschütz, Schirm und Schild auf den bevorstehenden Kampf gerüstet werde. Es wurden die ersten Tartschen und Belagerungsmaschinen herangefahren, wahrhaftige Ungeheuer, wie ich sie nie zuvor gesehen, bedient von kundigen Geschützmeistern. Vor uns stand der Torturm, hinter ihm erstreckte sich die Stadtmauer — rechts der Wehrgang und ein wenig entfernt die Klosterkirche. Bis an den Wehrgraben rollten die Tartschen, ohne daß sich drüben etwas rührte; nur den Wächter vor der Standarmbrust vermochten einige auf dein Wehrturin zu erblicken, wie er hinter den Zinnen hervorspähte. Und siehe da! Der Wächter kehrte sich um und stieß ins Horn, daß es schauerlich über die Stadt hintönte. Tröstlich erschien ihm die Blide, die die Städter auf dem Platz vor der Stadtkirche aufgestellt hatten; im Wehrgang tauchten die ersten Stadtknechte auf, wie sie auf seinen Hornruf mit Armbrüsten und Bogen bewaffnet an die Schießscharten eilten und uns ihre Willkommen-Grüße herübersandten. Hui! wie die Pfeile pfiffen! Manch einer versicherte sich des Heiligen Georg im Stoßgebet, und mir wars, als sei mein letztes Stündlein gekommen. Aber die Städter fehlten das Ziel öfter, als daß sie es trafen, und langsam schob sich eine „Katze“ dem Torturm zu, Tartsche um Tartsche wurde zum Schutze der Belagerer aufgestellt, und wir schleppten Reisigbündel und Sandsäcke in die „Katze“ hinein, um mit solcherlei allmählich den Graben auszufüllen. Das war nun freilich denen drüben zu viel. Fffft! zischte der, erste Brandsatz auf die „Katze“ hernieder. Dicht neben mir prasselte das Feuer auf, aber nicht faul riß ich den Brand mit einem Haken vom Dach. Dann deutete ich mit dem Haken nach der Mauerstelle, von der aus der Brand geschleudert worden war. Da stand sie, die Mange, die uns übel wollte! Wieder wurde ein Brandsatz abgeschossen; einer an den Zinnen deutete nach unserer Katze: es war klar, ihr galten, die Brandpfeile der Belagerten.
Eine Leiter nach der anderen wurde herangetragen. Dem Schild gegen die unablässig schwirrenden Bolzen und Pfeile erhoben, gelang uns das Werk ohne große Verluste. Die Tartschen boten Deckung, und Armbrustschützen nahmen die verwegenen Burschen an den Zinnen aufs Korn, die uns das Leben so sauer machten. Endlich waren die Sturmleitern in den Graben gebracht. Die Stadtknechte schoben die Mange beiseite, und während ein Teil der Schützen fleißig weiter die Armbrust spannte, schleppten andere einen dicken, schweren Balken heran und legten ihn längs der Zinnen nieder. Wieder andere warfen heimtückische Fußangeln in den Graben, die uns die Fersen zerschneiden sollten. Aber all das schien uns fast noch Kinderspiel. Grimmer Ernst wurde es, als die ersten Männer in den Graben stiegen, um sich unter dem Schirm ihrer Schilder zum Angriff zu ordnen. Ich stand bei der „Katze“ als Wache und konnte alles trefflich sehen. Immer dichter wurde der Pfeilregen, und die Steine prasselten von oben auf die Tapferen, die — an die Mauer gepreßt — zunächst wehrlos Deckung suchten, denn erst mußten ja die Sturmleitern mit langen Stangen gegen die Umwallung gedrückt werden. Als das geschehen, begannen die Stürmenden die Leitern empor - zu klimmen — nun ganz den Geschossen der Feinde preisgegeben. Als erster stürzte zu Tode getroffen Jobst Waldmüller in den Graben. Da ward mir sehr weh ums Herz, denn er war mir ein viellieber Freund gewesen. Die anderen ließen sich nicht beirren — aber da kam das Schreckliche:
Schon hatten die Ersten die Mauerzinnen fast erreicht, als die Stadtknechte den Stamm, der an beiden Enden von einem Seil gehalten wurde, auf die Zinnen hoben und über sie wegwälzten. Wie das Schwert des Todes fegte dieser die Männer von den Leitern, die Leitern zerbrachen, und unter donnerndem Getöse stürzten unsere Tapfersten in den Wehrgraben. Während also hier der Angriff abgeschlagen wurde, war die Berennung der Stadt an anderen Stellen in vollem Gange. Eine zweite „Katze“, die gerade auf die Mitte der Mauer mit dem Wehrgang vorgetrieben wurde, bedrohte den Feind so ernstlich, daß er seine Standarmbrust schußfertig machte und von neuem Brandpfeile abschickte. Ich stürzte mit anderen zu Hilfe. Die Katze brannte, und wieder rissen wir Bretter und Felle mit Haken herunter, um das Feuer zu ersticken. Der Kampf um die Katze hatte seinen Höhepunkt erreicht. Unter dem Schutz der Tartschen schafften wir unablässig Bretter, Balken und Säcke in die Katze, um von da aus den Graben für den nächsten Sturmangriff zu füllen. Der Versuch, die „Katze“ in Brand zu schießen, mißlang schließlich, da die Nacht hereinbrach und dem Kampfe ein Ziel setzte. Ich hatte mich an einem entfernter gelegenen Lagerfeuer dem Schlaf überlassen, da an meiner Stelle - ein alter, erfahrener Kriegsknecht bei der „Katze“ Wache bezogen. So hab ich erst später erfahren, was sich nächtlicherweile zugetragen. Stadtknechte waren mit Fackeln die Treppe zum Torturm hinangestiegen. Kurze Zeit darauf wurde zwischen den Zinnen eine Strickleiter hinabgelassen, an der einige Soldaten in den Graben stiegen.
Nachdem sie durch den Brückenbogen geschlichen, auf dem die erste „Katze“ gestanden, erreichten sie die zweite „Katze“. Der Wind blies ihnen entgegen, und so wurde unsere Wache überwältigt, noch ehe sie das Geringste wahrgenommen hatte. Die Stadtknechte steckten die zweite „Katz“ in Brand und eilten weiter. Ganz ohne Geräusch war es indessen nicht abgegangen. Die Wache auf dem nahen Wandelturm schöpfte Verdacht und schlug Lärm. Es kam zu einem kurzen Handgemenge im Schein der wie eine Fackel brennenden „Katze“. Der Ausfall war geglückt, der Brand nicht mehr zu löschen. Sie brannte die ganze Nacht hindurch. Als der Tag wieder graute, war von der „Katze“ ein klein Häuflein Asche geblieben. Zugleich aber verriet ein z. T. mit Balken abgestütztes Loch in der Stadtmauer, welche Gefahr die zweite „Katze“ für die Stadt heraufbeschworen hatte. Hier war der Verteidigungsring geschwächt worden, und deshalb richtete sich die Wucht des Angriffs nun auf diese Stelle. Das Belagerungsheer besaß eine schwere Blide, die ihre Felsblöcke in die Stadt schleudern konnte. Sie griff jetzt in den Kampf ein und zerschmetterte mit einem wohlgezielten Schuß einen Teil des Wehrgang-Daches. Jetzt wurde eine Mange aufgefahren, der Blide schwesterlich beizustehen. Tartschen deckten das Manöver, die Mange wurde mit einem Brandsatz geladen, abgeschossen, und im Nu stand der Wehrgang in Flammen. Dort entstand eine schreckliche Verwirrung. Das Feuer griff mit Windeseile um sich, Verwundete wurden weggeschafft, die Verteidiger suchten den Brand zu löschen, wer noch kampffähig war, schoß wie ein Verzweifelter, aber ein zweiter Schuß vollendete die Zerstörung des Wehrganges. So hatten die Verteidiger nicht verhindern können, daß nunmehr die erste „Katze“ unmittelbar an die Zugbrücke herangerückt war. Unter ihrem Schutze trat jetzt ein Sturmbock in Tätigkeit, der unablässig gegen die Zugbrücke donnerte. Nicht lange, und einige Bohlen zersplitterten. Gleich liefen Beherzte hinzu und erweiterten die Bruchstellen mit Axthieben.
Die Verteidiger kämpften jetzt um ihr Leben, schwere Steinbrocken wurden aus den Fenstern unter dem Dach und aus der Pechnase geworfen und richteten im Vorderteil der „Katze“ Verheerungen an. Ein Teil der Seitenwand stürzte ein; trotzdem hörte das Dröhnen des Sturmbocks, der; wie man jetzt sehen konnte, am Firstbalken der Katze befestigt war, nicht auf; der hintere Teil des Daches bot noch soviel Schutz, daß die todesmutigen Angreifer das Rammholz immer von neuem vorstoßen konnten. Schon war die Zugbrücke an einer Stelle so zertrümmert, daß das Tor sichtbar wurde — noch wenige Stöße, und der letzte Widerstand wäre gebrochen gewesen, wenn sich jetzt nicht von oben Eimer voll glühheißer Flüssigkeit und Pech auf die Angreifenden ergossen hätten. Das war zu viel für die Männer, die den Widder bedienten. Sie gingen in Deckung. Neue Verluste traten ein, und schließlich verfing sich zu allem Unglück der Balken des Widders im Gebälk der Zugbrücke. Alle Versuche, ihn mit Axtschlägen aus seiner Verklemmung zu lösen, waren vergeblich. Die Verteidiger nahmen den günstigen Augenblick wahr und ließen aus der Pechnase einen Fanghaken (Wolf) herunter, mit dem sie den Widder nach oben zogen, obwohl sich unsere Leute dagegenstemmten. Gleichzeitig ergossen sich neue Pechwellen und Wolken von Pfeilen auf die Angreifer. Sie mußten loslassen. Steine prasselten auf die Katze hernieder, und auch dieser Angriff wurde abgeschlagen. Das Gewicht des Angriffs verschob sich nunmehr wieder dorthin, wo die schwelenden Trümmer der zweiten „Katze“ lagen. Die Bresche im Dach des Wehrgangs schien tief genug, in einem letzten Angriff den Einbruch zu erzwingen.
So wurde endlich der Belagerungsturm eingesetzt und mit langen Hebelstangen an die Mauer herangeschoben. Inzwischen beschossen Armbrustschützen von neuem den 'Wehrgang, dessen Verteidiger die Antwort nicht schuldig blieben. Die Standarmbrust lag unter dem Beschuß, einer Mange, die neben dem Belagerungsturm ein esetzt worden war. Vielleicht wären ihre Geschosse für den Turm zum Verhängnis geworden, wenn nicht ein Volltreffer die Standarmbrust außer Gefecht gesetzt hätte. Unter dem Geschoßhagel der Verteidiger sammelten sich unsere Leute hinter den Tartschen seitlich des Belagerungsturmes zum letzten Angriff. Dann erstiegen sie unter wütendem Pfeilhagel den Belagerungsturm und drängten sich auf der Plattform zusammen. Hinter der Bresche im Wehrgang, notdürftig auf seinen Trümmern verschanzt, erwartete sie die todbereite Besatzung mit schußfertigen Armbrüsten und Bogen. Die Zugbrücke des Turmes rasselte nieder, und dann stürmten unsere Männer im Pfeilregen der Feinde vorwärts. Hier fielen dann die meisten meiner Kameraden; ich sah sie mit Grauen, von Geschossen durchbohrt, in den Abgrund stürzen.
In der Bresche kam es zu einem wütenden Handgemenge, aber inzwischen hatten frische Kämpfer den Turm erstiegen. Viele Verteidiger fielen, und über sie hinweg jagten die Unsrigen, um die Fahne, den Preis des Sieges, auf dem Wehrturm niederzuholen. Sie wurde heruntergerissen, und wenige Augenblicke später flatterte unser Panier über der Stadt. Da war aller Widerstand gebrochen. Die umkämpfte Zugbrücke am Wehrturm ging nieder, und nachfolgende Truppen drangen auch an dieser Stelle in die Stadt ein. Ritter in schimmerndem Waffenschmuck rüsteten sich zum Einzug. Triumphierend stand mein Herr hoch zu Roß im Stadttor. Auf dem Turm der Stadtkirche wehte die weiße Fahne. Dieses habe ich dir berichtet, mein Freund — nicht aus Freude über das Unglück, das die feindliche Stadt betroffen, und nicht aus Stolz, daß der Sieg uns zuteil wurde, sondern auf daß du sähest, wie eitel alles Menschenwerk ist, wie unser Leben dahingeht gleich dem Gras und nicht uns armen Sündern, sondern Gott allein die Ehre gebührt.
Kampf- und Verteidigungswesen im 14. Jahrhundert
I.
Durch die Geschichte des deutsches Volk zieht sich von den ältesten Zeiten bis hin zu unseren Tagen die altgermanische Auffassung, daß es dem Manne freistehe, ob er sein Recht vor den Gerichtsschranken suchen oder sich mit der Waffe in der Hand selbst schaffen wolle. Dadurch, daß diese Frage nie endgültig und für immer entschieden worden ist, kam unsägliches Unheil über unsere Voreltern und nicht nur über sie: wir selbst haben im letzten Kriege gesehen, wohin es führt, wenn sich der Mensch zum Beherrscher des Gesetzes aufwirft und der Meinung ist, wer die Macht habe, der verfüge auch über das Recht.
In den Jahrhunderten, in denen die staatliche Ordnung der Deutschen noch in den Anfängen steckte und zunächst nur in kleinen Gemeinwesen wie Städten, Bistümern, Grafschaften usf. die Beziehungen zwischen Individuum und Gesellschaft einigermaßen regeln konnte, fehlte eine zentrale Gewalt, die dem gemeinen Marin, dem Bauern auf der Scholle oder dem wirtschaftlich aufstrebenden Städter Ruhe und Ordnung sicherte. Die Bewohner schlossen sich zu berufsständischen oder religiösen Gruppen zusammen, um sich gegen die Obergriffe mächtiger Herren, gegen Wegelagerer oder neidische Konkurrenz zu verteidigen. Eine Stadt, die nicht von Marodeuren und Schnapphähnen, oder von den Burgherren der Nachbarschaft gebrandschatzt, gedrückt oder auseplündert werden wollte, mußte sich durch Wall und Graben gegen plötzliche Überfälle verwahren. Als die Bürger wohlhabender geworden waren, während gleichzeitig das Rittertum, in dem sich zur Stauferzeit die Blüte der Nation versammelt hatte, mehr und mehr verfiel und die wirtschaftlichen Verhältnisse Mitteleuropas über das primitive Feudalwesen der alten Zeit hinauszuwachsen begannen, reichte der einfache Schutz durch Umwallung und Torwache, in Zeiten der Gefahr durch die waffenfähigen Bürger der Stadt verstärkt, nicht mehr aus. Man mußte damit rechnen, daß der eigne zunehmende Reichtum zur persönlichen Gefahr wurde, daß er zu Belagerungen durch größere Heere führen konnte, denen nur durch entsprechende Verteidigungsmittel (Anwerbung kriegsgeübter Söldner, Beschaffung von Kriegsmaschinen, Anlage von Waffen- und Munitionsvorräten, Versorgungsmaßnahmen für die Einwohnerschaft) begegnet werden konnte. Die Geldlasten, die sich damit eine Stadtgemeinde aufbürdete, wenn sie rüstungsmäßig auf der Höhe der Zeit sein wollte, waren bedeutend, aber sie wurden im allgemeinen bereitwillig getragen, weil die Folgen einer Eroberung durch fremde Truppen für die wohlhabende Schicht fast immer den wirtschaftlichen Ruin, wenn nicht Schlimmeres bedeuteten. Erst nach der Herausbildung größerer Territorialherrschaften, in denen der Landesherr ein stehendes Heer und feste Plätze im ganzen Lande einrichtete und damit eine allgemeine Rechtssicherheit schuf, wurden auch die Städte von den Ausgaben eines dauernden Selbstschutzes mehr und mehr befreit. Immerhin endete diese Entwicklung erst im 18./19. Jahrhundert.
Wirtschaftliche Umstände und Zufälle der verschiedensten Art, aber auch die romantische Neigung des Deutschen zum Altertümlich-Geheimnissvollen haben dazu geführt, daß uns auch heute noch eine Anzahl Städte mehr oder weniger in der Gestalt erhalten geblieben sind, die sie schon vor über einem Halbjahrtausend besaßen. Jedermann kennt Nürnberg, dessen Stadtbefestigungen selbst nach den Bombenangriffen des zweiten Weltkrieges noch eindrucksvoll sind; aber auch Städte wie Nördlingen, Rothenburg oder Dinkelsbühl, Bautzen oder Goslar, Ochsenfurt oder die altertümlichen Wein- und Handelsstädte am Rhein sind noch zum Teil umwallt und durch Wehrtürme ausgezeichnet. So ist es nicht schwer, eine ideale und doch der Wirklichkeit entsprechende mittelalterliche Stadt vor unseren Augen wieder erstehen zu lassen. Zur Befestigung gehörte vor allem die zur Verteidigung eingerichtete Stadtmauer mit den Tor- und Wehrtürmen und der die ganze Stadt umgebende, möglichst mit Wasser gefüllte Wehrgraben. Vor der Erfindung der Feuerwaffen waren die Wälle und Mauern noch nicht so stark wie dreihundert Jahre später, als der berühmte französische Festungsbaumeister Sébastien Le Prestre de Vauban seine klassischen Wehranlagen baute. Aber es wäre ein Irrtum zu glauben, daß die Kampfmittel jener Zeit von geringer Zerstörungskraft gewesen seien. An der Innenseite der Stadtmauer lief der Wehrgang, eine mit Holzschindeln oder Dachziegeln gedeckte Galerie, von der aus die Verteidiger durch Schießscharten den, sich nähernden Feind mit ihren Armbrüsten und Bogen bis auf etwa 50 m wirkungsvoll bekämpfen konnten. War es den Belagerern gelungen, bis an den Fuß der Mauer vorzudringen, dann traten die Nahkampfmittel der Verteidigung in Tätigkeit. Aus Scharten und Luken wurden heiße oder ätzende Flüssigkeiten, aus den eingebauten Pechnasen kochendes Pech und von den Zinnen schwere Feldsteine abgeworfen, die zwischen den Zinnen aufgeschichtet waren. Die Wehrtürme boten den Vorteil, daß von ihnen aus tote Winkel bestrichen und flankierend geschossen werden konnte. Die Türme gewährten überdies einen weiten Ausblick; von der Plattform konnte man den Stand der Kämpfe in anderen Abschnitten beobachten. Endlich bildeten sie das geeignete Fundament für Standarmbrüste, Mangen, Bliden, Ballisten und anderes Geschütz, von denen nachher einiges zu sagen ist. Diese Maschinen standen übrigens nicht nur in vorderster Linie, um den Gegner mit direktem Schuß zu bekämpfen; man stellte große Geschütze auch auf Plätzen im Zentrum der Stadt auf und schoß indirekt.
Besonders gut gesichert werden mußten die Stadttore, die empfindlichsten Stellen im Verteidigungssystem. Meist erhoben. sich Türme über ihnen; dicke Bohlentüren, oft zwei hintereinander, in mächtigen Eisenscharnieren mit dem Steingewände fest verklammert, wurden durch die in Kampfzeiten hochgezogene Zugtür noch zusätzlich gesichert. Die Belagerungskunst und der Einsatz von Maschinen, die zur Bekämpfung von Verteidigungsanlagen, Gebäuden oder geschlossenen Kampfgruppen dienten, war schon im frühen Altertum entwickelt worden und wurde vom Osten her im Abendland heimisch. Die Römer besaßen noch keine Wurfgeschütze, als sie sich mit den Karthagern in die großen Kriege des 3. und 2. Jahrhunderts vor Christus verstrickten. Hannibal und seine Unterführer verwendeten bereits Maschinen, die der große Techniker und Physiker Archimedes, ein Grieche aus Unteritalien, zum Teil für die Karthager konstruiert haben soll. Der Stand, den dann später die Belagerungsartillerie unter den römischen Kaisern erreichte, blieb ast tausend Jahre unverändert. Die im mittelalterlichen Deutschland übliche Kriegsmaschinerie hieß bis über die Erfindung der mit Pulver zu ladenden Geschütze hinaus das „Antwerk“, später das „Zeug“ (wie uns noch in den militärischen Bezeichnungen „Feldzeugmeister“ oder „Zeughaus“ geläufig ist), und schließlich seit dem Dreißigjährigen Krieg etwa die „Artillerie“. „Antwerk“ ist eine Nebenform des Wortes „Hand werk“, die das Neuhochdeutsche nicht mehr kennt. Die Artillerie stammt aus dem romanischen Wortschatz; es ist ein französisches Wort, das verschieden erklärt wird, aber doch wohl auf die beiden italienischen Bestandteile „arte" Kunst, Handfertigkeit und „tirare“ schießen zurückgeht. Die Artilleristen waren also insofern „Kunstschützen“, als sie ihre körperliche Leistung durch die künstliche Einschaltung physikalischer Kräfte steigerten. Zu diesen gehörte vor allem die sogenannte „Torsions-Elastizität“, d. h. die Spannfähigkeit zusammengedrehter Stricke, Haare oder Sehnen. Im Grunde war jede mittelalterliche Belagerungsmaschine entweder eine große Armbrust oder eine einarmige Schleuder, deren langer Arm, in einem löffelförmigen Endstück zur Aufnahme des Geschosses auslaufend, durch eine Winde gespannt wurde. Die schweren Gegengewichte, die dabei hochgezogen wurden (bei manchen Typen standen sie fest oder wurden durch menschliche Kräfte ersetzt), verliehen dem Arm, wenn er ausgeklinkt wurde, einen so kräftigen Schwung, daß Felsstücke bis zu mehreren Zentnern oder Baumstämme hundert und mehr Meter weit geschleudert werden konnten. Die Torsionselastizität wurde übrigens schon im Altertum gelegentlich durch Metallfedern oder komprimierte Luft ersetzt.
Von den Belagerungsgeschützen, die zugleich auch als Verteidigungsmaschinen verwendet werden konnten, zeigt uns der Film, die als typisch gelten können: die Standarmbrust, die Bleide oder Blide und die Mange. Die Standarmbrust war ein Schuß-Zeug im Unterschied zu den Wurfzeugen. In unserem Film steht sie auf dem Wehrturm der Stadtbefestigung — eine maschinell gespannte, feststehende Armbrust, mit der Pfeile in flacher Geschoßbahn abgeschossen wurden. Gegen Volltreffer halfen keine Harnische oder Panzerhemden mehr, und die Treffsicherheit ließ dank einer sorgfältigen Zieleinrichtung nichts zu wünschen übrig. So war die Standarmbrust keine zu verachtende Abwehrwaffe, und auch in unserem Film ist ihre Unschädlichmachung eine wichtige Voraussetzung für den erfolgreichen Sturmangriff. Das Wort „Armbrust“, das so kerndeutsch aussieht und dessen Bestandteile ganz gut in einen sinnvollen Zusammenhang mit der Handhabung der Waffe durch den Schützen gebracht werden können, hat in Wirklichkeit weder mit dem Arm, noch mit der Brust etwas zu tun. Es ist eine volkstümliche Umgestaltung des antiken Fachwortes „arcubalista“ aus dem 12. Jahrhundert: lat. arcus heißt deutsch „Bogen" und griech. balista „Wurfmaschine". Man sagte bei uns im Mittelalter die oder das Armbrust; das sächliche Geschlecht wird heute nicht mehr gebraucht. In Luthers Bibelübersetzung kommt „Armbrust“ merkwürdigerweise nicht vor, dagegen haben es die nordgermanischen Völker übernommen. Auch die Slawen, die sonst so viele militärische Fachausdrücke aus dem Deutschen entlehnt haben, kennen es nicht. Auch die Blide, Blyde oder Bleyde ist kein deutsches Wort, obwohl es sprachgeschichtlich mit mhd. blide — fröhlich zusammenhängen mag und in Ausdrücken wie „die Tür zublitzen lassen“ oder „blitzsauber“ vielleicht fortlebt. Auf deutsch wurden die Wurfmaschinen in das hohe und das niedere „Gewerffe" eingeteilt. Zum hohen Gewerffe gehörten die Bliden, zum niederen die Mangen. Das Wort ist uns heute noch ganz geläufig, aber freilich in einem anderen Zusammenhang, wo es alle kriegerischen Schrecken verloren hat: die Mange ist zur Wäschemange (-mangele oder auch -mandel) geworden, wie sie noch heute auf Dörfern und in Kleinstädten zum Glätten der Wäsche verwendet wird. Das Wort stammt aus dem griechischen „manganon" und bezeichnet auch dort eine Kriegsmaschine.
Blide und Mange setzten in ihrer Konstruktion schon erhebliche technische Kenntnisse voraus. Da sie vorwiegend aus Holz bestanden und nach Einführung der Feuerwaffen schnell wertlos wurden, sind wir uns über ihr Funktionieren (das gilt v. a. für die Mangen) nicht in allen Einzelheiten sicher. Unsere Kenntnisse stützen sich auf die Miniaturen alter Handschriften; um sorgfältige Rekonstruktionen hat sich besonders der französische Architekt und Kunsthistoriker Viollet-le-Duc (1814-1879) verdient gemacht. Nach seinen Zeichnungen sind z. T. die Bliden und Mangen unseres Films aufgebaut worden. Neben den Angriffs- und Verteidigungsmaschinen mit Fernwirkung begegnen wir zwei anderen Arten von Maschinen, die zum Schutze bei der Vorbereitung von Angriffen dienen. Es sind die „Katzen“ und die Wandel- und Belagerungstürme. Unter „Katze" verstand man in erster Linie ein bewegliches Schutzdach, das eine gedeckte Annäherung an die Befestigungen gestattete. Die Verwendung solcher „vineae" oder „testudines" (Weinlauben oder Schildkröten) wird schon von dem römischen Feldherrn Caesar in seinem „Gallischen Krieg" beschrieben. Die „Katze" gleicht einer vorn und hinten offenen Hütte aus Holz, die mit (Schindeln und Fellen abgedeckt war und auf; Rädern lief. Ihren Namen erhielt sie wegen ihres schleichenden Vorgehens; er bezeichnete aber auch das Werkzeug, das unter ihrem Schutze an die Stadtmauern herangebracht wurde, um diese zu zerstören (Sturmkatze). Endlich wurde eine besondere Art schwerer Belagerungsgeschütze so genannt, die große Steinkugeln („Katzenköpfe“ — noch heute bei einer bestimmten Art von Pflasterung üblich) im Stile der Mörser verschoß. Selbst die erhöhten Schanzen, auf denen die Bliden aufgestellt wurden, sind „Katzen“ genannt worden. Wandeltürme waren fahrbare Aufbauten, oft viele Stockwerke hoch, die dazu dienten, die auf den Mauern kämpfenden Gegner zu überhöhen oder von der Plattform aus Sturmbrücken auf die feindlichen Mauern niederzulassen. Auch sie spielten schon im Altertum eine große Rolle. Der Sturmleiter des Angreifers entsprach die Strickleiter des Verteidigers, deren er sich bei Ausfällen bediente. Meist gab es auch geheimgehaltene Ausfallspforten, aus denen nachts plötzlich die Belagerten in die Zeltstadt einbrachen, um Verheerungen anzurichten oder Verbindung mit Entsatztruppen oder Außenwerken herzustellen. Die Belagerer wiederum suchten durch die Minengänge unbemerkt in die Stadt einzudringen — doch damit- berühren wir bereits Kampfformen, die in unserem Film nicht mehr gezeigt werden.
II. Wie schon im antiken Geschützpark alle wesentlichen Formen vorgebildet waren, mit denen man das ganze Mittelalter über auskam, so finden wir auch die Hauptteile der Ausrüstung des Einzelkämpfers bereits im römischen Heer. „Die fünf Arten der Schutzrüstung, sagt G. Freytag im II. Bande seiner „Bilder aus der deutschen Vergangenheit", Lederkoller mit Metallplatten, aufgenähte Eisenschuppen, Kettenpanzer, bewegliche Eisenringe und gerundete Schienen, sind sämtlich bereits in der letzten Römerzeit vorhanden. Sie haben sich nebeneinander erhalten und werden bis in das 17. Jahrhundert hinab der Reihe nach von Mode und Bedürfnis aufgenommen. Nach langen Zwischenräumen kommen wieder einmal uralte Formen in neuer Umbildung auf.
In unserem Film begegnen uns besonders drei Arten von Kämpfern: der leichtgerüstete und bewegliche Bogenschütze, der bereits stärker gesicherte Armbrustschütze und der schwergerüstete Schwertkämpfer. Die nach Einnahme der Stadt kurz sichtbar werdenden Ritter bleiben während der Handlung durchaus im Hintergrund. Während wir über die einzelnen Teile der Ritterrüstung sehr gut unterrichtet sind, da die großen Stein- und Bronze-Platten der Erbbegräbnisse den verstorbenen Edelmann oft mit pedantischer Genauigkeit gestiefelt und gespornt darstellen, besteht über die Ausrüstung des gemeinen Mannes mancherlei Unklarheit. Gustav Freytag meint, im 14. Jahrhundert habe die Rüstung des schwerbewaffneten Reisigen im allgemeinen aus der Halsberge, einem Kettenpanzerrock mit Ärmeln, Handschuhen und Kapuze bestanden, über den ein Schienenharnisch geschnallt wurde. Die Füße, Waden und Schenkel wurden von Eisenhosen(Panzerstrümpfen) bedeckt. Auf dem Kopfe trug man entweder den Eisenhut (Metallkappe mit breitem Rand) oder den Helm, dessen Formen stark der internationalen Mode unterworfen waren und bald wie umgestürzte Blumentöpfe, bald wie Zuckerhüte mit schmalen Sehschlitzen aussahen — nach unserem heutigen Geschmack alles andere als formschön. Der Schild war kleiner geworden. Noch im 12. Jahrhundert hatte er die ganze Gestalt des Kämpfenden in sich bergen können; im 14. Jahrhundert war er dreieckig und reichte etwa von der Schulter bis zur Hüfte. In älterer Zeit wurde er allgemein „die Tartsche" genannt, ein Wort, das uns französisch als targe und altnordisch als targa begegnet. Es bezeichnete, wie wir bereits gesehen haben, nicht nur den tragbaren Schild des Kämpfenden, sondern auch den aus Reisig oder Holz hergestellten Schutzschild, hinter dem der Soldat des Belagerungsheeres Schutz gegen Sicht von der Mauer suchte. Das Schwert, das für gewöhnlich in einer ledernen Scheide steckte, war ebenso wie der Dolch durch starke Ketten mit dem Träger verbunden. über dem Kettenhemd wurde eine Art Hemdhose (Wams) aus derbem Zeug gezogen.
Die Bogenschützen des Films tragen offene Eisenkappen (ohne Visier), das Kettenhemd, einen langärmeligen Mantel aus derbem Loden, einen langen Dolch am Ledergürtel, den abgerundeten, ursprünglich dreieckigen Schild, an einem quer über die Brust laufenden Tragriemen auf dem Rücken befestigt, in der einen Hand Bogen und Pfeile, in der anderen Hand den kurzen, gefiederten Wurfspieß. Die Füße stecken in Wollstrümpfen und Stoffschuhen. Die Armbrustschützen tragen Helm, Halsberge, Wams und Hose. An einem Leibgurt hängt der Dolch und ein an einer Lederzunge befestigter Metallhaken, der zum Spannen der Armbrust dient. Der Schild besteht aus Holz mit einem Leinwandbezug, auf dem das Wappen des Trägers oder seines Herren bunt aufgemalt ist. Grün ist die Grundfarbe des Schildes. Häufig sind Metallplatten und -buckel aufgelegt, wodurch der Widerstand des Schildes erhöht wird. Im Unterschied zum Ritter trägt der Knappe den offenen Helm, er führt weder das Ritterschwert, noch darf er sich mit Gürtel oder Waffenrock zieren.
Im Vergleich zu heute war der Knappe wahrscheinlich schwerer beweglich als unser Infanterist. Dafür war er besser gegen Hieb und Stich geschützt. Von den militärischen Insignien, die der Film zeigt, seien schließlich noch die Fahne und das Horn erwähnt. Feldzeichen hat es bei allen Völkern und zu allen Zeiten gegeben, aber die Fahne in der uns vertrauten Form haben die Germanen von den Römern übernommen. Die Fahne war das Sinnbild militärischer, nationaler oder sozialer Zusammengehörigkeit; sie zeigte bestimmte Farben und führte häufig ein Symbol (Tier, Pflanze, Kreuz, Stern und ähnliches) im Felde. Um die Fahne scharte sich vor allem die Kompagnie, die daher auch Fähnlein genannt wurde. Beinahe jede Gemeinschaft in Deutschland legte sich eine eigene Fahne zu, und dadurch wurde das Zeichen der Zusammengehörigkeit schließlich wieder zum Sinnbild der Absonderung. Wer die Fahne tragen durfte, fühlte sich vor anderen ausgezeichnet; sie bis zum letzten Atemzuge zu verteidigen, galt schon in früher Zeit als höchste Pflicht des Kriegsmannes. Ging die Fahne verloren, bedeutete das Schmach für die, die sie sich entwinden ließen; wurde eine Stadt erobert, so fand das seinen feierlichen Ausdruck in der Niederholung der fremden und dem Hissen der eigenen Fahne, die auch Banner oder Panier genannt wurde. In der Fahne wurde die Einheit einer militärischen Gruppe sichtbar, im Horn wurde sie hörbar. Das Hornsignal diente ebensogut zur Warnung, wie zum Angriff, es verkündete den Zustand der Ruhe oder weckte die Kräfte des Einzelnen zum Einsatz gemeinsamen Handelns. Solange es eine germanische Überlieferung gibt, hat das Horn eine wichtige Rolle gespielt; der Wächter Walhalls, Heimdall, trägt das Horn, mit dem er die Götter zum letzten Kampf aufruft. Im Ethnographischen Museum von Kopenhagen kann man die gewaltigen nordgermanischen „Luren" sehen, die aus Zeiten stammen, von denen uns keine schriftliche Kunde kommt. Sie sind jetzt noch spielbar und geben eigenartige, wohllautende Töne von sich, die an Mächtigkeit die unserer modernen Blasinstrumente weit übertreffen. Das Horn ist in erster Linie ein Signalinstrument, mit dem Meldungen und Befehle weitergegeben werden, wenn die menschliche Stimme dazu nicht mehr ausreicht. Feierliche, musikalisch ausgestaltete Hornstöße bei der Entrollung der Fahnen wurden und werden „Fanfaren“ genannt — das Wort, das uns heute fremdartig klingt, bedeutet nichts anderes als „die Fahne fahren lassen“. Zum Horn traten Trommel, Pfeife und andere Instrumente; ohne klingendes Spiel und Gesang ist kriegerisches Leben zu keiner Zeit denkbar gewesen, und in der ersten Schilderung germanischen Lebens, die uns der römische Schriftsteller Tacitus in seinem Büchlein „Germania“ geschenkt hat, wird berichtet, wie erschütternd der Kriegsgesang oder „barditus“ der anstürmenden Germanen auf die römischen Legionen wirkte.
III. Kaufleut sind edel worden, Das merkt man täglich wohl, Dann kommt der Reiterorden, Macht ihren Adel voll. Heraus soll man sie klauben Aus ihren fuchsnen Schauben Mit Brennen und mit Rauben Dieselben Kaufleut gut Mit ihrem Übermut.
So lautete die erste Strophe eines alten Reiterliedes, aus der wir entnehmen können, welches eigentlich die Ursachen zu den ungezählten Fehden zwischen den Städten und den adligen Herren waren. Wir erwähnten bereits, daß sich das Rittertum im 14. Jahrhundert im Niedergang befand, während die Bürger an Wohlstand, höherer Kultur und Weltkenntnis zunahmen. Neid und Minderwertigkeitsgefühl waren es vor allem, die zu den örtlichen Raufereien führten — das zunehmende Gefühl, daß die Zeit des Rittertums abgelaufen sei, daß eine neue Gesellschaftsordnung heraufziehe, in der sich Recht auf Leistung und nicht auf Geburt gründete, in der nicht die rohe Gewalt, sondern die gleichmäßig für jedermann geltende Rechtsordnung entschied. Rechtsbräuche hatte es auch bisher gegeben, aber sie waren ständisch gebunden; was innerhalb einer sozialen Gruppe mit Sorgfalt beobachtet wurde, galt nicht für die Angehörigen eines anderen Standes. Der Adlige verachtete den handeltreibenden Städter, der Städter suchte den Adligen zu übertrumpfen; hätte er ihr nur gehaßt, wäre es vielleicht nie zu solcher Erbitterung gekommen, wie sie in unserer Liedstrophe laut wird.
Daß sich der Städter Rechte anmaßte, die der Adel für sich beanspruchte, gründen sich nicht nur auf seine wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung, sondern auch auf sehr viel ältere germanische Anschauungen von der Freiheit des Einzelnen, wer er auch sei. Deshalb geriet der Ritter doppelt ins Unrecht: er konnte mit der städtischen Machtentfaltung nicht mehr Schritt halten und wollte außerdem dem Bürger den Anspruch versagen, aus dem er einst den Aufstieg des eignen Standes hergeleitet hatte. So mußte er zähneknirschend ein Zugeständnis nach dem anderen machen und ritterliche Kampfregeln auch für seine Beziehungen zu den Städten anerkennen.
Im allgemeinen wurden Belagerungen nicht vom Zaune gebrochen. Die Fehde mußte drei Tage vor Beginn des Kampfes durch Boten angesagt werden, die Fehdebriefe an der Spitze ihrer Speere trugen; sie waren in gespaltene Hölzer, die sogenannten Kluppen, eingeklemmt. Bei Angriffen auf große Reichsstädte konnte es vorkommen, daß an einem Tage Tausende und mehr Fehdebriefe am Stadttor abgegeben wurden. Sache der Stadtverwaltung war es, so schnell wie möglich den Zugehörigen außerhalb der Stadt: Bauern, Vasallen, Hintersassen, befreundeten Rittern und anderen Gemeinden kund zu tun, mit wem sie sich im Kriegszustand befanden. Zu diesem Zweck mußten u. U. große Listen angelegt werden, die öffentlich angeschlagen und über das Land verteilt wurden; wußte man nicht, mit wem man sich in Fehde befand, konnte das sehr schlimme Folgen haben. Die Bauern, die auf städtischem Grund saßen, taten gut, Zuflucht hinter den Mauern oder an festen Plätzen und Außenwerken der Stadt zu suchen. So hart es war, mit Kind und Kegel und dem Notwendigsten an beweglicher Habe in Notquartieren auf den städtischen Friedhöfen Monate, ja manchmal, gar Jahre zu leben — wer sich nicht von Haus und Hof trennen konnte, mußte sich bald genug als Bettler davonschleichen, denn der Kampf begann gewöhnlich damit, daß die umliegenden Dörfer niedergebrannt wurden.
So grausam nach Kriegsausbruch verfahren wurde, so war doch auch die Grausamkeit geregelt. Tötung der Gefangenen war erlaubt, wenn anders man für die eigene Sicherheit fürchten mußte. Harnisch und Pferd blieben Beute des Siegers, doch wurde manchmal vor Beginn der Feindseligkeiten die Rückgabe ausgemacht und dann auch eingehalten. Dasselbe galt, wenn sich einer im Kampfe gegen das Versprechen leiblicher Unversehrtheit ergab. Gefangenen wurde in bestimmten Fällen Urlaub gewährt, wenn sie versprochen hatten, sich zur vereinbarten Zeit wieder einzufinden. Erfuhren sie jedoch, daß man sie an einem Glied oder am Leben strafen wollte, dann brauchten sie ihre Zusage nicht zu halten.
Gegen Frauen und Kinder zu kämpfen oder ihnen Schaden zuzufügen, widersprach der allgemeinen Sitte. Man ließ ihnen die Kleidung (Höhergestellten sogar den Schmuck), wie man sie anderseits zu keinerlei Kriegsdienst zwang. Dasselbe galt für die Kinder unter sechzehn und die Männer über sechzig Jahre. Übrigens war es der Frau nicht grundsätzlich verboten, an der Verteidigung der Stadt teilzunehmen; häufig genug standen die Weiber auf den Mauerzinnen und warfen Steine oder gossen Pech auf die Angreifer.
Der Hauptgewinn, den solche Fehden erbrachten, waren Hab und Gut der Bauern außerhalb der Stadt und das Lösegeld, das man für Gefangene erpreßte. Nur wenn die Stadt im Sturm genommen wurde, sprang ein wirklicher Gewinn heraus, aber das geschah verhältnismäßig selten. Bemerkenswert ist eine Sitte, deren letzte Spuren sich noch in einem Kinderlied unserer Tage vermuten lassen: Die deutschen Soldaten hielten es für unehrenhaft, Hühner und Gänse mitzunehmen. Deshalb singen die Kinder auch heute noch:
- Wer eine Gans gestohlen hat,
- Der ist ein Dieb,
- Doch wer sie mir dann wiederbringt,
- Den hab ich lieb.
- Da steht der Gänsedieb,
- Den hat kein Mensch mehr lieb
- Viel Glück zu deinem neuen Orden,
- Daß du bist ein Gänsedieb geworden
- Viel Glück, Meister Gänsdieb.
Das Federvieh überließ man den Troßbuben und liederlichen Frauenzimmern, die sich im Gefolge der Landsknechte befanden. War der Ring um eine Stadt noch nicht fest geschlossen, so fielen auch die Verteidiger der Stadt aus und plünderten feindliches Gebiet in der Nachbarschaft, — nicht zuletzt deshalb, um die schwindenden Lebensmittelvorräte zu ergänzen. Auch bei der Verteilung des Raubes herrschte Ordnung. Beute war Gemeinbesitz, .sie wurde beim Passieren des Stadttores abgenommen und auf dem Markte meistbietend versteigert. Der Erlös wurde dann unter die Beteiligten nach Waffengattung und Dienstrang verteilt. Für den mittellosen Gefangenen wurde ein Gulden Fangprämie gezahlt. War der Gefangene begütert, so wurde er von öffentlich anerkannten Schätzern taxiert; den Erlös erhielt die Stadt oder die Hauptleute.
Darin lag vor allem das Elend der Zeit, daß Fehde und Raub zu „ehrlichen“ Berufen geworden waren. Vollzog sich beides in geordneten Formen, dann verstieß es nicht, eigentlich gegen die sittlichen Auffassungen der Menschen. Merkwürdigerweise fand sich auch die Kirche mit diesem Zustande ab. Die öffentliche Sicherheit war in ganz Deutschland fragwürdig geworden, nicht nur deshalb, weil der Begüterte überall Gefahr lief, beraubt zu werden, sondern weil eine solche Handlungsweise mit den spitzfindigsten Gründen gerechtfertigt werden konnte. Der Handel im großen Stil, der nur in einem weiträumigen Güteraustausch gedeihen kann, wurde vor allem dadurch lahmgelegt, daß der Grundbesitzer durch Zölle, Geleitschutz und Vernachlässigung der Straßen schon im Frieden einen willkürlichen Anteil am Handelsgewinn beanspruchte. Stürzte der Lastwagen um, gehörte das, was auf die Straße fiel, dem Grundbesitzer; lief ein Schiff auf, so half der Schutz des Kaisers nichts, denn dieser war nur im fahrenden Schiffe wirksam. Verjährte Ansprüche, nicht selten genug frei erfundene, sollten die Stadt vor dem Grundherrn ins Unrecht setzen, und da es meist weniger verlustreich war, der unbilligen Forderung zu entsprechen als es zum Kampfe kommen zu lassen, wurden die Dreisten ermutigt, ihr Handwerk fortzusetzen, und die Schüchternen veranlaßt, sich darin zu versuchen. Im 14. Jahrhundert war das Land voll von Glücksrittern, Strauchdieben und fahrenden Leuten, die nicht daran dachten, ihren Lebensunterhalt durch ehrliche Arbeit zu verdienen. So fand jede Fehde einen Zulauf, wie man sich ihn heute kaum vorstellen kann, und weil unter den Raufbolden der Auswurf der Bevölkerung (oft genug aus vornehmsten Familien!) das Wort führte, so breiteten sich Roheit und Unmenschlichkeit aus, die uns noch heute entsetzen. Das Abhacken der Gliedmaßen, das Verhungernlassen in Burgverließen, das Blenden, Verbrennen, Rädern und Henken war auf beiden Seiten nichts Ungewöhnliches. All das steigerte den Haß bis zur Bestialität und führte dazu, daß die Begleiterscheinungen einer Belagerung oder Feldschlacht schlimmer waren als das Gefecht von Mann zu Mann.
Während die Städte sich immer besser zu verteidigen lernten und im 15. Jahrhundert die endgültige Überlegenheit über den Dorfjunker und Stegreif-Ritter gewannen, wurde die Notlage der Bauern so verzweifelt, daß sie sich schließlich in den Bauernkriegen Luft machte. Aber auch mit der Ritterherrlichkeit war es zu Ende. Leise wurden die ersten Regungen eines deutschen Nationalgefühls spürbar. Die unaufhörlichen Kämpfe in der gleichen Sprach- und Blutsgemeinschaft wurden mehr und mehr als unnatürlich empfunden, und als sich die Städte innerlich vom Zwang der Zünfte, äußerlich von Wall und Graben befreien durften, wurde nach einem Jahrtausend zunehmender persönlicherUnfreiheit zum ersten Male wieder individuelle Unabhängigkeit zu den unveräußerlichen Menschenrechten gezählt. Die offenen, nicht die geschlossenen Stadttore bezeugten die Sicherheit ihrer Bewohner.
Die Belagerung einer Stadt im Stile des Mittelalters schien endgültig der Vergangenheit anzugehören. Selbst die Festungen, die die Stützpunkte einer Landes-und Grenzverteidigung bildeten, hatten sehr an Bedeutung verloren, obwohl im ersten Weltkrieg die jahrelang belagerte Festung Verdun niemals erstürmt werden konnte. Im zweiten Weltkrieg haben wir jedoch erlebt, daß unter günstigen Umständen sogar unbefestigte Städte erheblichen Widerstand leisten und, wie einst, nach wochenlanger Belagerung erst zu Fall gebracht werden konnten. Denn wenn auch den furchtbaren Zerstörungsmitteln der Gegenwart keine Aufbauten über der Erde standhalten können, so ist doch zur Eroberung eines Platzes immer wieder der lebendige Mensch unentbehrlich, und damit kehren die Probleme von einst wieder. Zäher Widerstand der Verteidiger und Bereitschaft, für die städtische Gemeinschaft notfalls das Leben einzusetzen, Wagemut und Zielbewußtsein der Angreifer und geniale Planung einer umfassenden Belagerung sind männliche Eigenschaften, die auch in Zukunft in die Waagschale fallen werden. Ganze Völker sind im 20. Jahrhundert von der Außenwelt abgeschlossen und ähnlich wie einst die Städte blockiert worden. Wenn sie sich behauptet haben, dann nur dadurch, daß sie dem Beispiel der Vorväter folgten. Aber wie heute ein Waffengang zwischen Städten innerhalb der Nation kaum noch vorstellbar ist, so dürfen wir hoffen, daß, es zu einem solchen Gottesfrieden eines Tages auch innerhalb größerer Völkergruppen kommen wird. An die Stelle der äußeren Gewalt wird die innere Überwindung treten, an die Stelle des Waffensieges der Sieg der Vernunft und Menschlichkeit.
IV. Pädagogische Auswertung
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Unser Film ist als handlungsreicher und spannender Bildstreifen für alle Altersstufen fesselnd. Er wurde in den unteren Klassen als rein stofflich anziehend und wirksam eine für das Kind romantisch erregende Zeit ferner Vergangenheit illustrieren; in den Oberstufen war er geeignet, in kulturgeschichtliche Zusammenhänge der verschiedensten Art einzuführen. In erster Linie bietet er Lehrstoff für den Geschichts- und Deutschunterricht.
Geschichte
Bei der Behandlung des deutschen Mittelalters bringt unser Film Anschauungsmaterial für die ausgehende Ritterzeit und für das Aufblühen des Städtewesens. Da die einzelnen Figuren des Puppenfilms auf Grund umfassender wissenschaftlicher Vorstudien in Bewaffnung, Gewandung und Rüstung historisch treu nachgebildet worden sind, vermitteln sie ein zuverlässiges Bild der kämpfenden Truppe im 14. Jahrhundert. Dasselbe gilt vom Belagerungsgeschütz. Wenn auch Waffenkunde in der damaligen Zeit im Schulunterricht nur am Rande behandelt werden konnte, so war es doch für den älteren Schüler zum Verständnis der mittelalterlichen Dichtung und darstellenden Kunst nötig, die wichtigsten Teile der Rüstung unterscheiden zu können, sowie die Hauptarten der Belagerungsmaschinen und die Verteidigungsmittel belagerter Städte kennenzulernen. Im Anschluß an die Belagerungstaktik kann die offene Feldschlacht und das Reitergefecht behandelt werden — letzteres als eine Kampfform, die dem Deutschen ursprünglich fernlag und vor allem von den Steppenvölkern des Ostens bevorzugt wurde. Da wir uns mit unserem Film in der Zeit unmittelbar vor Einführung der Feuerwaffen befinden, sind die umstürzenden Folgen der Entdeckung des Pulvers für die Kriegführung undnamentlich für die Verteidigung fester Plätze zu schildern. Im Unterrichtsgespräch tauchten die verschiedensten Fragen auf: Waren die Verluste bei der Verwendung von Feuerwaffen größer als bei der von Handwaffen? War die Kriegführung grausamer, solange sie noch in einem unmittelbaren Kampf von Mann zu Mann bestand? Gab es im 14. Jahrhundert bereits eine geregelte Verwundeten-Fürsorge? Was geschah mit den Gefangenen? Kannte man schon den künstlichen Ersatz amputierter Gliedmaßen? Wie wurden die Soldaten geworben? Wie hoch war ihr Sold? Wurde der Krieg als unvermeidliches übel betrachtet oder kannte das Mittelalter bereits Bestrebungen, die Kriegführung menschlicher zu gestalten? Gab es internationale Abmachungen, nach denen sich die kriegführenden Parteien richteten? Welche Folgen hatten die ununterbrochenen Fehden für das geistige und sittliche Leben der Bevölkerung? Gab es Länder in Europa und Übersee, bei denen kriegerische Auseinandersetzungen eine geringere Rolle spielten als in Deutschland? Für die Beantwortung vieler dieser Fragen sei auf das erschienene Buch von Georg Stadtmüller „Geschichte des Völkerrechts“[1] hingewiesen, das einen ausgezeichneten Überblick über die Stellung der Völker zum Kriegsrecht von den ältesten Zeiten bis zum Wiener Kongreß gibt.
Anderseits ist zu fragen, welche Wege die Städte beschritten, um sich die nötige Sicherheit für Handel und Wandel zu schaffen. Hier sind die Städtebünde zu erwähnen; es ist die Entwicklung der Befestigungskunst, der Scharwachen und Bürgermilizen zu behandeln. Aus der Geschichte des damaligen Jahrhunderts sind berühmte Beispiele von Städtebelagerungen anzuführen. Psychologische Fragen wollen beantwortet werden: Warum ist der Bürger im Rahmen einer rechtlich geordneten Gemeinschaft friedliebender als der auf seiner Burg hausende Ritter (Sicherungsbedürfnis des Bürgers zur Wahrung des materiellen Besitzes und der auf ihm ruhenden höheren Kultur-Standesvorurteile, Ehrgeiz und Kampffreude auf seiten des Ritters, der allein im Waffenhandwerk Würde und Ehre des Mannes erblickt, — allerdings auch Armut und Demoralisierung infolge tiefgreifender Wandlungen wirtschaftlicher Art im 14. Jahrhundert.
Deutschunterricht
Bedenkt man, wie stark das Kriegswesen zu allen Zeiten in das Leben des Einzelnen wie der Gemeinschaft eingriff, so wird sich niemand wundern, daß unsere Sprache eine beinahe unübersehbare Fülle von Redewendungen und Bildern aus dem kriegerischen Leben der alten Zeit übernommen hat. Der Krieg ist von jeher ein großer Sprachbildner gewesen, und wir sind selbst Zeugen für das Eindringen vieler Hunderter von Wörtern in neuer Bedeutung während der beiden Weltkriege gewesen. Sie stammen vor allem aus der Welt der Technik, was dem entpersönlichenden Charakter heutiger Feldzüge entspricht. Manche sind Eintagsfliegen, die rasch wieder verschwinden werden, — das ist auch früher so gewesen. Aber da der Kampf vor der Einführung der Feuerwaffen einen persönlicheren Charakter trug, haben sich die Sprachfügungen der älteren Zeit viel enger unserer Nationalsprache an- und eingefügt; bei zahlreichen Ausdrücken haben wir ganz vergessen, daß sie ursprünglich der Soldatensprache angehörten. Oder denkt jemand wirklich noch an die eigentliche Bedeutung des Wortes, wenn er von seinem Freunde sagt, „der führe etwas im Schilde?“ Wer etwas im Schilde führt, möchte es den anderen nicht sehen lassen: eine geheime Waffe vielleicht, mit der er unversehens losschlagen will. So bedeutet die Redensart schließlich nichts weiter als „insgeheim einen Plan vorbereiten“ — freilich mit dem Unterton einer nicht ganz lauteren Absicht. Wer etwas im Schilde führt, ist natürlich „entrüstet“, wenn sein Plan vorzeitig entdeckt wird; er „gerät dann womöglich in den Harnisch", und da haben wir wieder zwei altertümliche Soldatenausdrücke. Wer in den Harnisch (die Rüstung) gerät, ist so wütend wie der Ritter, der den Panzerrock anlegt, um dem Gegner „auf dem Leib zu rücken“. Das Bild stammt abermals aus dem Landknechtsleben. Solange es keine Fernfeuerwaffen gab, mußte man in Reichweite des Gegners kommen und mit ihm „handgemein werden" — auch dies eine Vorstellung aus dem Kriegsleben. Wie das Wort „entrüsten“ = jemand die Rüstung ausziehen, zu der Bedeutung über etwas empört sein“ kommt, ist ziemlich verwickelt: Wer der Rüstung beraubt ist, fühlt sich verwirrt und beunruhigt — er ist außer sich geraten und daher nicht imstande, seine Erregung zu meistern.
Daß die deutschen Landsknechte des Mittelalters eine Gesellschaftsschicht bildeten, wie sie bei anderen Nationen nicht so deutlich ausgeprägt war, ist bekannt. Nationale Überlegungen bestimmten den Landsknecht kaum, wenn er sich entschloß, bei einem Herren Kriegsdienste zu nehmen; er wollte „Fortüne" machen, d. h. Gut und Ehre gewinnen. So ist das Wort Landsknecht als „1 ans quenet" ins Französische übergegangen, während im allgemeinen wir Deutsche technische Ausdrücke des Kriegs- und Militärwesens von den Franzosen ausliehen. Gleich aber fallen uns noch zwei weitere Wörter ein, die aus der Umwelt unserer belagerten Stadt stammen: das „Bollwerk" der Belagerten wird nach der Schleifung der Stadtbefestigungen zum „boulevard" und damit zur Bezeichnung großstädtischer Hauptstraßen schlechthin. Die „Beiwacht" der Belagernden aber wurde zum französischen „bivoua und kehrte in der Form „Biwak" zu uns zurück.
Unsere Alltagssprache ist von Wendungen. aus dem mittelalterlichen Kriegsleben durchsetzt. Wir panzern uns mit Strenge, wir wappnen uns mit Zuversicht; wir lauf en gegen eine Verordnung Sturm, wir halten mit unserer Meinung hinter dem Berge, wir blasen dem Manne, der zu Unrecht etwas behauptet, den Marsch und bringen seine Spießgesellen, die mit ihm in das gleiche Horn stoßen, vor Gericht, wir zielen mit unserer Bemerkung auf etwas ab, und wenn wir uns geirrt haben, treten wirdenRückzug an oder strecken die Waffen. Kommt der Postbote ans verschlossene Gartentor, so läutet er Stur m; tadeln wir ihn deshalb, so wird er ausfällig und bekommt womöglich den Koller — aber dieses Wort hat nichts mit dem Koller der Landsknechte zu tun, dessen Hals und Oberkörper er bedeckte und der sprachlich mit dem lateinischen collare = Halsband oder dein beim Goldschmied ausliegenden collier zusammenhängt. Der Koller, der so viel wie ausbrechende Wut bedeutet, ist von dem Worte „Cholera" abzuleiten, jener ansteckenden Krankheit, die im Mittelalter so oft unter den Belagerungsarmeen wütete und gelegentlich zur Rettung der eingeschlossenen Stadt führte.
Daß gerade im Kriegswesen viele Fremdwörter ins Deutsche eindrangen, hängt, wie wir sahen, mit der ununterbrochenen Verbindung zwischen antiker Kampfweise, Ausrüstung und Militärorganisation und mittelalterlichem Heerwesen zusammen — aber auch damit, daß sich die Truppen der verschiedensten Völker auf dem Schlachtfelde begegneten und Einrichtungen und Bezeichnungen voneinander übernahmen. Da wurden dann fremde Wörter der deutschen Zunge angepaßt: der „lieutenant" (eigentlich „Stellvertreter" des Hauptmanns) wurde zum. Leutnant; wer nicht Französisch verstand, brachte das Wort mit „Leute" in Verbindung. Der „Sergeant", den es als Zwischenrang zwischen Unteroffizier und Feldwebel noch im ersten Weltkrieg gab, wurde der „Herr Schaut", und aus dem althochdeutschen marahschalc, das ursprünglich nichts anderes als „Pferdeknecht" hieß, wurde über das französische „marèchal" der Höchstkommandierende einer ganzen Armee. Fand man zum fremden Wort keine unmittelbare Anknüpfung in der eigenen Sprache, dann begann die Phantasie zu spielen. Als sich das aus dem Französischen stammende „marode" = müde, halbkrank im 17. Jahrhundert ausbreitete, wurde es mit dem Namen eines bekannten Truppenführers der Zeit, Oberst Merode, in Verbindung gebracht; aus den Maroden wurden die Merode-Brüder, unter denen man fußkranke, plündernde Nachzügler verstand.
Filmbeitrag
Schriften
- Gustav Freytag: Bilder aus der deutschen Vergangenheit. Illustrierte Ausgabe, II. Band; Paul List-Verlag, Leipzig o. J.
- Deutsches Wörterbuch, von Jakob und Wilhelm Grimm, Verlag S. Hirzel, Leipzig 1854 ff.
- Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1900-1901.
- E. E. Viollet-le-Duc: Essai sur l'architecture militaire au Moyen Age. Paris 1854; ferner die einschlägigen Artikel im Brockhaus, XIV. Aufl.
- Georg Stadtmüller: Geschichte des Völkerrechts. Verlag H.. Schrödel, Hannover 1951, 218 S.
- Archivmaterial der Gebrüder Diehl-Puppenfilm A.G. in Gräfelfing.