Führerschule der Deutschen Ärzteschaft
Die Führerschule der Deutschen Ärzteschaft war eine von 1935 bis 1943 bestehende Einrichtung des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes (NSDÄB) im Dorf Alt Rehse bei Neubrandenburg. Sie diente der Fort- und Charakterbildung von Ärzten, Zahnärzten, Apothekern sowie Hebammen zur Steigerung der Wertigkeit als wichtiger Bestandteil und eine der tragenden Säulen der deutschen Volksgemeinschaft.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte

Von Mai 1935 bis 1943 fanden in Alt Rehse an der „Führerschule der Deutschen Ärzteschaft“ im nationalsozialistischen Musterdorf Fortbildungslehrgänge für 12.000 Heilberufler aus dem gesamten Reichsgebiet statt, bis Ende 1940 unter der Leitung von Hans Deuschl. Die Führerschule entstand auf einem ehemaligen Rittergut.
War Dr. Deuschl der „geistige Vater” der Kaderschmiede für die künftigen Ärzteführer des Deutschen Reiches, so lag die bauliche Ausführung des Gesamtprojektes Alt Rehse in den Händen des Architekten Hans Haedenkamp ( 10. November 1886), Bruder von Dr. Karl Haedenkamp. Dem Architekten Hermann Grothe wurde die Bauleitung vor Ort übertragen. Jede Einzelheit bis zum letzten Türgriff hat der Baumeister Haedenkamp nach alten Bauernmotiven entworfen und sinngemäß in neuzeitliche Formen gebracht.
- „Das Bauprogramm bestand einmal aus der Sanierung und dem Umbau der vorhandenen Bauten (des Gutshofes, des neuen Schlosses usw.) und sodann aus der Errichtung neuer Gebäude für die Schulung und die Unterbringung von etwa 100 Schulungsteilnehmern und des dazugehörigen Lehr- und Betriebspersonals. [...] Es lohnt sich, den wuchtigen Bau des Gemeinschaftshauses etwas näher zu betrachten. Es steht auf dem höchsten Punkte des großen Parks mit der Längs- und Aussichtsseite zum Tollensesee. Von außen betrachtet bietet es das typische Bild des niedersächsischen Bauernhauses mit dem steilen Rohrdach und den am Giebel gekreuzten Pferdeköpfen. Das Fachwerk besteht aus dunkel gestrichenem Kiefernholz, das mit roten Ziegelsteinen ausgemauert ist. In die Außenwand eingelassen sind weiß gestrichene bleiverglaste Fenster. In der Mitte der Längsseite öffnen sich fünf hohe Flügeltüren auf eine große Terrasse, von der sich ein wunderbarer Blick auf den See und das gegenüberliegende Ufer bietet. Vom leicht abfallenden grünen Rasen leuchten Blutbuchen und Kastanien mit ihren roten und weißen Kerzen herauf. Im Innern betreten wir eine riesige Halle, in der die gemeinsamen Mahlzeiten eingenommen werden und die auch als Unterrichtsraum dient. Hier hat der Baumeister überall das schwere Kiefernholzgefüge sichtbar gelassen. Nur roh behauen ragen die riesigen Träger in die Höhe. Sie stützen, durch wuchtige schmiedeeiserne Klammern zusammengehalten, das tragende Gebälk der Decke. An langen schweren weiß gescheuerten Holztischen stehen die schlichten Stühle in altertümlichen Formen mit geflochtenem Sitz. In die Deckenbalken als Schnitzwerk eingegraben ist uralte bäuerliche Spruchweisheit in heimatlich niederdeutscher Mundart. In den Nebenräumen dieser großen Halle sind auf der einen Seite der Küchenbetrieb, auf der anderen die Lesezimmer untergebracht. Es wurde nach Möglichkeit sowohl innen wie außen nur bodenständiges Material verarbeitet: Schilf aus dem See für die Dachdeckung, Kiefernhölzer für das Fachwerk des Hauses, Ziegelsteine aus Mecklenburger Ziegeleien, Feld- und Bruchsteine für den Sockelunterbau, Eichen- und Buchenholz für Hausgerät und Vertäfelung und für die Beleuchtungskörper. [...] Alle technischen Neuerungen: Warmwasser, Zentralheizung, Normaluhren, Radio, Tonfilm, Feuersirenen, Feuerlöscheinrichtungen sind angebracht, ohne die künstlerische Wirkung der Architektur zu beeinträchtigen. Als besondere Neuerung hat der Architekt eine Berieselungsanlage für die Schilfdächer konstruiert, die es gestattet, das ganze Rohrdach in wenigen Minuten unter Wasser zu setzen.” — Bericht im „Deutschen Ärzteblatt“, wo Hans Haedenkamps Bruder Karl Schriftleiter war
Eröffnung der Führerschule der Deutschen Ärzteschaft
Die erste Schulung fand vom 13. bis 23. Mai 1935, die zweite, parallel zu den Einweihungsfeierlichkeiten, vom 26. Mai bis 6. Juni 1935 statt. Schon im Jahr 1936 fanden mindestens 16 Kurse statt – Funktionäre (vier Kurse), Jungärzte (drei Kurse), Altärzte (drei Kurse), Hebammen (ein Kurs), Ärztinnen (ein Kurs), Sonstige (zwei Kurse) und Apotheker (zwei Kurse), 1937 ebenso mindestens 16 Kurse. Bei einem vom 20. bis 27. Juni 1937 dauernden Kurs wurden Leiter aus verschiedenen für das Gesundheitswesen verantwortlichen Stellen zusammengezogen. Dies waren Reichs- und Gauamtsleiter des Hauptamtes für Volksgesundheit sowie Reichsärzte der SA, der SS und der HJ. Während dieser Tagung wurden die Richtlinien für die weitere Arbeit festgelegt und Fragen der Gesundheitsführung der deutschen Jugend besprochen. Am Schluß fand eine Besprechung aller Gebietsärzte der HJ statt.[1]
Es gab in Alt Rehse das Hauptanwesen, vier Schlafhäuser, ab 1936 eine Turnhalle und diverse Nebengebäude. Das feierliche Abschlußfest war obligatorisch, es entstanden nicht selten lebenslange Freundschaften unter den Teilnehmern aus dem gesamten Reichsgebiet.
Die ersten Kurse richteten sich an die 600 Gau- und Kreisamtsleiter des „Amtes für Volksgesundheit“. Zusätzlich zu den allgemeinen Medizinern wurde ab September 1935 auch Hebammen (jährlicher Hebammenkurs) in Alt Rehse eingeladen und geschult; ab April 1936 Apotheker; ab Juli 1936 Dozenten; ab September 1936 auch Ärztinnen (bis Kriegsbeginn gab es acht Kurse speziell für Ärztinnen; am ersten Ärztinnenlehrgang nahmen 130 zumeist im BDM beschäftigte Ärztinnen teil) und ab April 1937 Altärzte gemeinsam mit Apothekern; 1941 einmalig Zahnärzte, aber auch Universitätsdozenten. 12.000 Heilberufler nahmen an den Kursen teil, darunter 10.000 Jung- und Altärzte. Man konnte sich in der Regel nicht selbst bewerben, sondern es fand eine Auswahl durch Obmänner statt. Damit konnte die Teilnahme den elitären Charakter der Auslese tragen. Nach der kriegsbedingten Schließung der Reichsärzteschule 1943 diente das Gelände als Lazarett. Leitbild für die Alt Rehser Schulungsteilnehmer war die verschworene Kameradschaft der Frontsoldaten. Reichsärzteführer Wagner gab bei der Eröffnungsveranstaltung im Juni 1935 das Leitbild vor:
- „Wer führen will, muß gelernt haben, sich unterzuordnen. Wer erziehen will, muß selbst durch die Schule strammer Disziplin und Selbstzucht gegangen sein. Darum wird hier ein soldatischer Geist der Einfachheit, des Gehorsams und der selbstlosen Pflichterfüllung herrschen.“
Nur zehn Monate nach dem ersten Spatenstich fand am 1. Juni 1935 die feierliche Eröffnung der Führerschule der Deutschen Ärzteschaft in Anwesenheit bedeutender Repräsentanten aus „Partei, Staat und Wehrmacht“, wie man damals sagte, in Alt-Rehse statt. So hatte sich insbesondere der „Stellvertreter des Führers“, Rudolf Heß, zu den Feierlichkeiten eingefunden. Begleitet wurde er von seinem damaligen Stabsleiter Martin Bormann. Die Bedeutung dieser einzigartigen nationalsozialistischen Schulungsstätte für künftige Ärzteführer des Reiches dokumentierte sich nicht allein in der Anwesenheit des „Stellvertreters des Führers“, sondern darüber hinaus auch darin, dass die Eröffnungsveranstaltung von allen deutschen Radiosendern unter der Regie des Hamburger Rundfunks live übertragen wurde.
Eingebettet war die feierliche Eröffnung in den laufenden zweiten Alt-Rehser Schulungskurs. Deshalb befanden sich auch etwa hundert Teilnehmer dieses Schulungskurses unter den Gästen der Eröffnungsveranstaltung. Reichsärzteführer Gerhard Wagner hatte den „Stellvertreter des Führers“ am nahegelegenen Flugplatz Tollenhagen abgeholt und ihn zum Schauplatz der Feierlichkeiten geleitet. Neben Heß und Bormann nahmen weitere hochrangige Vertreter des Staates und des Landes Mecklenburg sowie der Reichsministerien und der Ärzteschaft an dem Festakt teil.
Der gesamte Arbeitsstab des Reichsärzteführers war angetreten und selbstverständlich auch der Initiator und künftige Leiter der Führerschule, SS-Standartenführer Hans Deuschl, zusammen mit seinem „Schulungsleiter“ Johannes Peltret. Die Terrasse des neuerbauten Gemeinschaftshauses diente als Ehrentribüne. Hier hatten sich neben den bereits erwähnten Ehrengästen auch der Reichsstatthalter von Mecklenburg, Gauleiter Hildebrandt, sowie der Gauleiter von Düsseldorf, Florian, und verschiedene Kreisleiter der Region aufgestellt; daneben auch der Chef des Sanitätswesens der SA, Emil Ketterer, Heeressanitätsinspekteur Generalstabsarzt Professor Waldmann, der Marine-Sanitätsinspekteur Admiralstabsarzt Moosauer und der Geschwaderarzt Riege. Fast alle Reichsministerien waren durch eine Vielzahl maßgeblicher Beamter vertreten. Unter den Gästen war außerdem der Präsident des Reichsgesundheitsamtes, Professor Reiter, und der Leiter des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP, Walter Groß, Ministerialdirektor Professor Walter Schultze vom Bayerischen Ministerium des Innern und die Gesundheitskommissare Klipp (Weimar), Wegener (Dresden), Prof. Pakheiser (Mannheim) und Senator Professor Kluck (Danzig) anwesend. Auch fehlten bei diesem Anlass nicht diverse medizinische Ordinarien, Vertreter der Fakultäten und der medizinischen Fachschaften, der Ärztekammern, des Amtes für Volkswohlfahrt der NSDAP, des NSDÄB, des NSDStB, der Kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands sowie Vertreter der Verbände der Zahnärzte und Dentisten, der Apotheker und der übrigen Heilberufe, u. a. die Reichsführerin der Deutschen Hebammen, Frau Nanna Conti. Das Rote Kreuz war vertreten durch Generaloberstabsarzt a. D. Hocheisen, der Arbeitsdienst durch den Reichsarbeitsarzt Generalarzt Schuster, die Arbeitsfront u. a. durch den Leiter der Reichsbetriebsgemeinschaft der Freien Berufe, Strauß, die Hitlerjugend durch den Reichsjugendarzt Kondeyne. Persönlich begrüßte Reichsärzteführer Wagner seine alten ärztlichen Mitkämpfer und Weggenossen sowie seine Vertrauensmänner, Amtsleiter und Gauobleute. Selbstverständlich war auch der Architekt der Führerschule, Hans Haedenkamp, anwesend, der den Rundfunkhörern zu Beginn der Radioübertragung einen Überblick über die Entstehung der Führerschule und ihre künftigen Aufgaben gab.
Vor der Tribüne hatte ein Ehrensturm der SS Aufstellung genommen, der für den Ordnungsdienst zuständig war, daneben Verbände der Hitlerjugend, SA und des Arbeitsdienstes. Mitten unter diesen Formationen befanden sich auch „die Ärzte des Schulungskurses in Reih und Glied, mit sonnenverbrannten Gesichtern, in strammer soldatischer Haltung. Der große grüne Platz leuchtet von Uniformen, Fahnen und Wimpeln. Außerhalb des Vierecks dräng[t]en sich die Menschen, Bauern und Landarbeiter, Handwerker, Bauarbeiter, Vertreter der Presse [und, W.B.] Photographen.”
Vor dieser versammelten „Festgemeinde“ aus Politik, Militär, Ärzte- und Wissenschaft sowie der gesamten deutschen Öffentlichkeit an den Volksempfängern skizzierte Reichsärzteführer Wagner die Hauptaufgaben der Führerschule der deutschen Ärzteschaft: „Der Name ‚Führerschule der Deutschen Ärzteschaft’ umreißt schon das Programm dieser Schule. Es sollen hier ärztliche Führer herangebildet werden, die vorher schon ihre weltanschauliche Schulung in der Partei erhalten haben.“
Weiter führte er aus: „Weil der Arzt unpolitisch war und unpolitisch bleiben wollte, übersah er die Notwendigkeit einer wirklichen Volksgesundheitspflege; er verzichtete darauf, sich mit den für das Schicksal der Nation so ungeheuer bedeutsamen Problemen der Erbbiologie zu beschäftigen, er bewies eine gefährliche Instinktlosigkeit gegenüber den Forderungen der Rassenpflege und sah mit Voreingenommenheit und Geringschätzung auf die im Volke längst verwurzelten Lehren einer natürlichen biologischen Heilkunst herab. Ein neues ärztliches Führertum hat inzwischen das vergangene abgelöst. Es ist begründet auf dem Fundament unserer nationalsozialistischen Weltanschauung.“
Gedichte und Lieder (Auswahl)
Gedicht
Der Ärztinnenkurses des Jahres 1936 dichtete zum Abschlußfest:
- Alt-Rehse, bisher nur lockender Schall,
- Uns ward es erlebtes Glück.
- Wir kamen hierher von überall,
- Und kehren nun wieder zurück.
- Doch was uns in Arbeit und Frohsinn verband,
- Das stärkt uns zu neuer Pflicht.
- Wir vergessen, nun wieder verstreut im Land,
- Den Geist von Alt-Rehse nicht.
- Und steht vor der Seele das große Ziel;
- Wir setzen uns freudig mit ein.
- Nun sei uns kein Werk, kein Opfer zu viel:
- Deutschland muß ewig sein!
Alt-Rehse-Lied

Das von Teilnehmern der Ärzteführerschule gedichtete „Alt-Rehse-Lied“ war „Dem Herrn Reichsärzteführer Pg. Dr. Gerh. Wagner gewidmet“ und wurde in den Folgejahren als Lagerhymne und Erkennungslied gebraucht:
- Es steht zwischen Elbe und Oder
- In norddeutscher Heide ein Haus,
- Dort schult man der Ärzte Garde
- Und bildet als Führer sie aus.
- Kehrreim:
- Den Glauben an Deutschland im Herzen
- Steht fest zu des Führers Gebot
- Der Deutschen Ärzte Garde
- Im Frieden und Krieg bis zum Tod
- Kehrreim:
- Wer sind die treuen Kam’raden?
- Wer geht aus Alt-Rehse hervor?
- Das ist der Deutschen Ärzte
- Verschworenes Führerkorps.
- Kehrreim
- Wir schreiben nicht lange Rezepte,
- Das können die anderen auch,
- Wir heilen des Volkes Seele –
- Das ist Alt-Rehser Brauch.
- Kehrreim
- Laßt meckern verkalkte „Kollegen“,
- Sie kennen nur sich und das Gold,
- Alt-Rehser sind Sozialisten,
- Das Volk gilt mehr als der Sold.
- Kehrreim
- Und holt einst der Tod uns zur Ruhe,
- Der niemals gesehen uns feig,
- Alt-Rehser, die bleiben Kämpfer
- Fürs dritte, fürs ewige Reich.
- Kehrreim
Siehe auch
Verweise
- Eröffnung der Führerschule der Deutschen Ärzteschaft aus Alt-Rehse, Tondokument; es spricht Rudolf Heß (Ausschnitt der Rede)
- Eröffnung der Führerschule der Deutschen Ärzteschaft aus Alt-Rehse, Tondokument; Meidenberichterstattung