Althoff, Friedrich Theodor
Friedrich Theodor Althoff ( 19. Februar 1839 in Dinslaken; 20. Oktober 1908 in Steglitz) war ein deutscher Jurist und Kulturpolitiker im Königreich Preußen. Er zählt neben Wilhelm von Humboldt (1767–1835) und Carl Heinrich Becker (1876–1933) zu den bedeutenden Gestaltern des preußischen und deutschen Bildungswesens. Als „Bismarck des Hochschulwesens" legte er mit seiner modernen Kultur- und Bildungspolitik den Grundstein für die internationale Führungsrolle der deutschen Wissenschaft am Beginn des 20. Jahrhunderts.
Inhaltsverzeichnis
Bedeutung
Bei der Vielzahl der von ihm gegründeten wissenschaftlichen Institute ist der Neubau der Berliner Charité besonders hervorzuheben. Außerdem zeichnete er für die Gründungen der Universität Münster, der Technischen Hochschulen in Danzig und Breslau, der Akademie in Posen sowie einer kaum zu überschauenden Anzahl verschiedenster wissenschaftlicher Institute verantwortlich. Allein die Universität Berlin wurde während seiner Amtszeit von 38 auf 81 Institute ausgebaut. Auch die Gründung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, der späteren Max-Planck-Gesellschaft, im Jahr 1910 geht im Wesentlichen auf eine Initiative Althoffs zurück.[1] Ebenfalls gehört er zu den größten Reformern des deutschen Bibliothekswesens.
Leben
- „Friedrich Theodor Althoff wurde als Sohn des gleichnamigen protestantischen Domänenrats Friedrich Theordor Althoff (gestorben 1852) und dessen zweiter Frau Julie von Bugenhagen geboren. In Wesel machte er 1856 das Abitur und studierte anschliessend bis 1861 Jura in Bonn und Berlin. Er war Mitglied der schlagenden Verbindung Corps Saxonia Bonn, zu der auch der spätere preußische Kultusminister Konrad Heinrich Gustav von Studt (1838–1921) gehörte, der dann einige Jahre sein Vorgesetzter war. Seine praktische Ausbildung als Rechtsreferendar absolvierte Althoff an rheinischen Gerichten sowie am Berliner Kammergericht. […] 1867 legte er in Ehrenbreitstein sein Prädikatsassessorenexamen ab. Danach war er an rheinischen Gerichten tätig und nahm 1870 am Frankreichfeldzug als Sanitäter teil. 1871 ging er als Referent für Kirchen- und Schulangelegenheiten nach Straßburg,[2] wo er, obwohl weder promoviert noch habilitiert, ab 1872 als Ordinarius Jurisprudenz mit Schwerpunkt auf französischem und Zivilrecht lehrte. Er wirkte an der Gründung, dem Aufbau und der wissenschaftlichen Profilierung der Straßburger Kaiser-Wilhelm-Universität mit, die 1872 eröffnet wurde. 1882 folgte er einem Ruf als Universitätsdezernent in das ‚Preußische Ministerium der Geistlichen, Unterrichts- und Medicinalangelegenheiten‘ (Kultusministerium), wo er für Personalangelegenheiten zuständig war. 1897 wurde er innerhalb des Kultusministeriums zum Leiter der Abteilung für Universitäten und Höhere Schulen im Rang eines Ministerialdirektors ernannt. Somit unterstanden ihm nicht nur das gesamte höhere Unterrichtswesen, sondern auch die Kunst- und Denkmalpflege, die Bibliotheken und die wissenschaftlichen, nichtuniversitären Forschungseinrichtungen einschließlich (ab 1900) die medizinischen Wissenschaften mit ihren Institutionen. Da er weitere Beförderungen ablehnte, konnte er in den nächsten fünfzehn Jahren relativ unbehelligt von den politischen Machtkonstellationen unter fünf preußischen Kultusministern wirken und über Preußen hinaus einen kaum zu unterschätzenden Einfluß auf den Ausbau und die Zentralisierung des Hochschulwesens im Deutschen Reich, seine Wissenschaftsverwaltung und -förderung sowie die internationalen Wissenschaftsbeziehungen nehmen.
- Ihm sind so unterschiedliche Verdienste wie die Mitwirkung am Ausbau der Berliner Charité zur führenden Klinik, die Gründung der Deutschen Medizinschule Shanghai (1907), der Deutsch-Chinesischen Hochschule Tsingtau (1909), der Aufbau der Universitäten Münster (1902) und Posen (1903), der Technischen Hochschulen Breslau (1910) und Danzig (1904) zuzuschreiben, aber auch Ausbau und Reform des preußischen Hochschulbibliothekswesens, nach dem sich die übrigen reichsdeutschen wissenschaftlichen Bibliotheken bald orientieren sollten, 1887 die Einführung der jährlichen Universitätschroniken, 1888/1889 die der Hochschulstatistik, und ab 1898 die im Jahresturnus tagende ‚Konferenz deutscher Universitätsverwaltungen in Hochschulangelegenheiten‘ als Vorläufer der späteren Kultusministerkonferenzen. Zu seinen bildungspolitischen Leistungen zu rechnen sind ausserdem die Gleichstellung des Real- mit dem humanistischen Gymnasium sowie der Technischen Hochschulen mit den Universitäten, die Vereinheitlichung des Hochschulrechts und der Prüfungsordnungen, seine Bemühungen um die generelle Zulassung von Frauen zum Hochschulstudium und 1905 der erste deutsch-amerikanische Professorenaustausch mit der Harvard-Universität in Cambridge, Massachusetts, der zu einem Aufschwung der internationalen Wissenschaftsbeziehungen führte. Wenn Althoff auch indirekten Anteil an der Häufung von Medizinnobelpreisen hat, die am Anfang des Jahrhunderts deutschen Forschern zugesprochen wurden, so fand seine Omnipräsenz in hochschulpolitischen Fragen und vor allem seine Berufungs- und Beförderungspolitik, die er wiederholt mit Androhungen seines Rücktritts durchsetzte, nicht immer und überall Anklang. Zwar hat er unzweifelhaft viele wissenschaftliche Karrieren in Preußen befördert, einige aber auch behindert und in Einzelfällen sogar beendet. Zu den schärfsten Kritikern zählte neben Theodor Mommsen auch Max Weber, der das von Althoff geschaffene enge persönliche Beziehungsgeflecht zwischen Ministerien, Parteien und Wirtschaft als ‚System Althoff‘ bezeichnete. Ungeachtet dessen erhielt Althoff zahlreiche Auszeichnungen und wurde 1900 als Ehrenmitglied in die Akademie der Wissenschaften und 1907 ins Preußische Herrenhaus aufgenommen.“[3]
Kurzchronologie
- Taufe, 21. März 1839
- Abitur in Wesel, Ostern 1856
- Studium der Rechtswissenschaften in Bonn (ab 1856) und Berlin (ab Oktober 1857 bis 1861)
- 1856 schloß er sich dem Corps Saxonia Bonn an, das ihm später die Ehrenmitgliedschaft verlieh.
- Bestehen des juristischen Assessorexamen, 1867
- mit der damals wie heute seltenen Note „sehr gut“
- Advokat in Köln, 1870
- Sanitäter im Deutsch-Französischen Krieg, 1870–1871
- Justitiar und Dezernent für Kirchen- und Schulsachen in der Verwaltung des Reichslandes Elsaß-Lothringen, 1871
- Mitbegründer der Reichsuniversität Straßburg, 1871/72
- außerordentlicher (ao.) Professor, 1872
- ordentlicher (o.) Professor an der Universität Straßburg, 1880
- Ernennung zum Geheimen Regierungsrat und vortragenden Rat im Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinalangelegenheiten, 1882
- später auch als „Kultusministerium Preußen“ ekannt
- Ernennung zum Mitglied des Kuratoriums der Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin, 1882
- Verleihung des Kronenordens, III. Klasse, 1885
- Verleihung des Roten Adlerordens, III. Klasse mit der Schleife, 1887
- die Schleife zeigt, daß ihm zuvor die IV. Klasse verliehen wurde.
- Verleihung des Kommandeurkreuzes II. Klasse des Ordens Heinrich des Löwen, 1887
- Verleihung des Kommandeurkreuzes II. Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen, 1888
- Verleihung des Ordens der Eisernen Krone, II. Klasse, 1888
- Ernennung zum Geheimen Oberregierungsrat, 1888
- Verleihung des Kronenordens, II. Klasse, 1889
- Ernennung zum ordentlichen Professor in der Juristischen Fakultät der Universität Bonn, 1891
- Verleihung des Roten Adlerordens, II. Klasse mit Eichenlaub, 1893
- Verleihung des Komturkreuzes 1. Klasse des Herzoglich Sachsen-Ernestinischen Hausordens, 1893
- Verleihung des Titels „Geheimer Medizinalrat“ an Emil Behring, 1895
- im selben Jahr wurde Behring auf Veranlassung des preußischen Ministerialrats Friedrich Althoff Ordentlicher Professor für Hygiene und Direktor des Hygiene-Instituts der Universität Marburg
- Verleihung der Großen Goldenen Medaille für Wissenschaft, 1895
- Ernennung zum ordentlichen Honorarprofessor in der Juristischen Fakultät der Universität Berlin, 1896
- Ernennung zum Ministerialdirektor und zum Wirklichen Geheimen Oberregierungsrat, 1897
- als Ministerialdirektor im Kultusministerium Preußen erhielt er den Beinamen „Bismarck des Hochschulwesens“
- Ernennung zum Vorsitzenden des Kuratoriums der Königlichen Bibliothek in Berlin, 1897
- Verleihung des Komturkreuzes I. Klasse des Königlich Sächsischen Albrechtsordens, 1898
- Verleihung des Kommandeurkreuzes I. Klasse des Königlich Schwedischen Nordstern-Ordens mit Stern, 1898
- Verleihung des osmanischen Medschidie-Ordens [Mecidiye-Orden] I. Klasse, 1899
- Verleihung des Sterns zum Roten Adlerorden II. Klasse mit Eichenlaub, 1899
- Verleihung des Kommandeurkreuzes I. Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen, 1899
- Ernennung zum Ehrenmitglied der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften, 1900
- Ernennung zum Direktor der Wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen, 1900
- Ehrenmitglied der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften, 1901
- Verleihung der Rote Kreuz-Medaille des DRK, III. Klasse, 1901
- Verleihung des Kronenordens, I. Klasse, 1902
- Verleihung des Großkreuzes des Ordens des heiligen Gregor des Großen (Gregoriusorden), 1903
- Marmorbüste Althoffs von Ferdinand Hartzer von der Berliner Charité aufgestellt
- Verleihung des Großkreuzes des Dannebrog-Ordens, 1905
- Ernennung zum Mitglied des Kuratoriums der „Koppel-Stiftung zur Förderung der geistigen Beziehungen Deutschlands zum Auslande“, 1906
- Verleihung der Brillanten zum Kronenorden I. Klasse, 1906
- Verleihung des Wilhelm-Ordens, 1906
- Ehrenbürger der Stadt Marburg am 23. Mai 1906
- gemeinsam mit seinem Vorgesetzten, preußischer Kultusminister Heinrich Konrad von Studt
- Althoff-Straße, die im Althoffplatz mündet, Steglit, 1906
- Althoffstraße in Dinslaken, 1907
- Ernennung zum Wirklichen Geheimen Rat mit dem Prädikat Exzellenz, 1907
- Marmorbüste Althoffs von Ferdinand Seeboeck für die Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften
- steht heute im Sitzungszimmer der Akademie im Aula-Gebäude der Universität am Wilhelmsplatz
- Demissionsgesuch vom 24. August 1907
- Genehmigung der Demission und Ernennung zum Mitglied des Preußischen Herrenhauses auf Lebenszeit sowie Ernennung zum Kronsyndikus, 1907
- Verleihung des St. Annen-Ordens, I. Klasse, 1908
- Ehrengrab der Stadt Berlin, 1908
- Büste Althoffs von Prof. Fritz Schaper, 1909 in der Nationalgalerie enthüllt
- Bronze-Büste Althoffs im Stegliter Park, 1910
- im Zweiten Weltkrieg zerstört, im Mai 1991 wurde die neu gegossene Büste dort wieder aufgestellt
- Marmorbüste Althoffs von Hans Krückeberg für die Deutsche Bücherei in Leipzig bei der Einweihung ihres Bibliotheksgebäudes
- Die Deutsche Bücherei war im Jahre 1913 auf eine Anregung Althoffs vom Börsenverein der Deutschen Buchhändler eröffnet worden. Sie wurde damals vom Deutschen Reich, vom Königreich Sachsen und der Stadt Leipzig unterhalten.
Tod
1907 wurde Althoff, der schon 1904 und 1906 aus gesundheitlichen Gründen um seinen Abschied eingekommen war, pensioniert. Ein Jahr nach seinem Eintritt in den Ruhestand starb Dr. h. c. mult. Friedrich Althoff am 20. Oktober 1908 „vollkommen gewiß über seinen Tod und in heiterster Ruhe“ an den Folgen eines Blutsturzes. Sein Grab befindet sich in dem von ihm neu begründeten botanischen Garten in Berlin-Dahlem.
Ehrengrab
Hans Krückeberg ist, zusammen mit Louis Tuaillon (1862–1919), der Bildhauer des 1911 eingeweihten Grabmals im Botanischen Garten in Berlin-Dahlem. Auf einem Steinpostament, das an einen klassizistisch gestalteten Sarkophag erinnert, befindet sich auf einem Sockel aufgestützt eine trauernden Frauengestalt aus Marmor, welche die trauernde Wissenschaft verkörpert. Das Steinpostament zieren ein Medaillon mit dem Kopf Althoffs im Profil und die Inschrift: „In omnibus caritas. Friedrich Althoff.“ Das Grabmal wurde aus Mitteln eines zur Gründung einer „Friedrich-Althoff-Stiftung“ ergangenen Spendenaufrufs errichtet. Der Spendenaufruf war am 16. Januar 1909 anläßlich seines 70. Geburtstages erfolgt und von Reichskanzler Bernhard von Bülow und 136 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens unterzeichnet worden
Familie
Althoffs Mutter, Julie Luise Auguste Wilhelmine Alexandra Franziska Manon von Buggenhagen (1802–1871), war die Tochter des Staatsministers Julius Ernst von Buggenhagen. Ihre Familie entstammte dem pommerschen Uradel; zu ihren Vorfahren zählte der Reformator Johannes Bugenhagen. Der Vater, der preußische Domänenrat Friedrich Theodor Althoff (1785–1852), stammte aus einer westfälischen Beamten- und Pastorenfamilie bäuerlichen Ursprungs. 1865 heiratete Althoff die aus Neuwied stammende Marie Ingenohl (1843-1925). Die harmonische Ehe blieb kinderlos. Marie war eine Cousine des gleichfalls aus Neuwied stammenden kaiserlichen Admirals Friedrich von Ingenohl (1857–1937).
Literatur
- Wilhelm Münch: Friedrich Althoff, der preußische Ministerialdirektor. Eine psychologische Studie. Zur ersten Wiederkehr seines Todestages, aus: „Die Grenzboten. Zeitschrift für Politik, Literatur und Kunst“, IV. [Vierteljahr], [Jahrgang] 1909. [Berlin] 1909
- Wilhelm Erman: Friedrich Althoff, in: „Deutsche Hochschule. Zeitschrift des Burschenbunds-Convent, B. C. und der Deutschennational-freiheitlichen Studentenschaft“, 17. Jahrgang, Heft 1. Berlin / Wien 1928
- Planung, Organisation und Ausrichtung einer Gedenkfeier anläßlich des 100. Geburtstages Friedrich Althoffs, 1939
- Althoff, Friedrich Theodor, Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 222–224
- Bernhard von Brocke: Friedrich Althoff und sein Werk – nach 100 Jahren, 2008
Verweise
- Friedrich Althoff: Münsters unbekannter Ehrenbürger, in: „Auf Roter Erde“, Oktober 2008
Fußnoten
- Geboren 1839
- Gestorben 1908
- Deutscher Verwaltungsjurist
- Deutscher Hochschullehrer
- Deutscher Kulturpolitiker
- Deutscher Rechtswissenschaftler
- Politiker (19. Jahrhundert)
- Mitglied des Preußischen Herrenhauses
- Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften
- Ehrenbürger von Münster
- Corpsstudent (19. Jahrhundert)
- Rechtswissenschaftler (19. Jahrhundert)
- Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
- Ehrendoktor der Universität Straßburg
- Ehrendoktor der Harvard University
- Hochschullehrer (Universität Straßburg)
- Wirklicher Geheimer Rat
- Ministerialdirektor