Gefecht um die Wittenberger Elbbrücke
Das Gefecht um die Wittenberger Elbbrücke fand auf den Elbwiesen zwischen Wahrenberg und Losenrade am 12. April 1945 statt. Es war die wichtigste und größte Schlacht in der Altmark im Zweiten Weltkrieg. Die Brücke konnte vor den VS-amerikanischen Invasoren erfolgreich verteidigt und kurz darauf gesprengt werden.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Nach der Einschließung der Heeresgruppe B unter Generalfeldmarschall Walter Model im Ruhrgebiet am 1. April 1945 war die Westfront praktisch zusammengebrochen. Der Weg nach Berlin war geöffnet, allerdings erkannten die VS-amerikanischen Frontstäbe erst am 8. April die Möglichkeit, die Elbbrücken in der Altmark erobern zu können. Zu detaillierten Planungen mit Luftwaffe und Luftlandetruppen blieb jedoch keine Zeit. Die Bodentruppen operierten allein und sogar ohne Luftunterstützung, da einerseits die Jagdbomber den schnell vorstoßenden Panzerverbänden nicht folgen konnten und andererseits sie nicht verfügbar waren, weil sie die neuen frontnahen Flugplätze beziehen und einrichten mußten. Eisenhower hatte zwar nicht die Absicht, Berlin einzunehmen, aber davon hatten die Frontkommandeure jedoch Kenntnis. Sie stürmten mit ihren Panzerspitzen in ungestümen Vormärschen Richtung Altmark.
Ausgangssituation
Der Weg zur Brücke
Das Kampfkommando R (CCR) unter dem Kommando von Oberst Glen W. Anderson überschritt am Morgen des 9. April die Leine. Am 10. April wurde Peine eingenommen und die Oker überquert. Bei Edemissen trafen die Panzer des CCR auf einige Jagdpanther vom 2. Bataillon Panzer-Lehrregiment 130. Nach einem zweistündigen Feuergefecht war die Vormarschstraße wieder frei. Bei Meinersen traf die Kolonne erneut auf einen Jagdpanther, zwei Sherman-Panzer wurden abgeschossen. Bei diesen Gefechten zerstörten die VS-Amerikaner fünf Jagdpanther. In Wesendorf schließlich traf die Kolonne erneut auf Widerstand. Versprengte deutsche Soldaten und Luftwaffensoldaten versuchten, das CCR zu stoppen. Das Ergebnis waren über 70 tote Deutsche und ein stark zerstörtes Dorf.
Am 11. April teilte sich das CCR in zwei Kampfgruppen. Unter Führung des 10. Panzer-Bataillons marscheirte eine von ihnen von Wesendorf Richtung Knesebeck und die zweite unter Führung des 47. Panzer-Grenadier-Bataillons auf der Strecke Ehra-Boitzenhagen. Von dort ging der Vormarsch über Radenbeck – Gladdenstedt – Jübar, wo der Dorfpolizist erschossen wurde, – Lüdelsen und Stöckheim weiter nach Rohrberg, das um 22.00 Uhr erreicht wurde. In Rohrberg versuchte der Volkssturm noch, eine Panzersperre zu errichten, es kam zu einem kurzen Gefecht, in dessen Verlauf ein Volkssturmmann fiel und eine Scheune in Brand geriet.
Befehlsgemäß setzte das CCR seinen Angriff am 12. April Richtung Wittenberge fort. Auf Widerstand trafen die Amerikaner nur in Winterfeld, wo gegen 10.00 Uhr einige Landser die Panzer aufzuhalten versuchten. Acht tote und drei schwerverwundete Soldaten waren das Ergebnis sowie ein Wohnhaus und fünf Scheunen, die in Brand gerieten. Der Vormarsch wurde durch das Gefecht nur unwesentlich behindert. Bereits gegen 12.00 Uhr erreichte die Kolonne Fleetmark und fuhr über Lohne Richtung Elbe. Gegen 16.00 Uhr erreichte das CCR Seehausen, dort teilte sich das Kampfkommando. Die A- und C-Kompanien fuhren weiter Richtung Elbbrücke, während die B-Kompanien den Aland überquerten und in Richtung Werben davonrollten. Gegen 20.00 Uhr eroberte die Kampfgruppe über Neukirchen und Wendemark Werben, um die Fährstelle zu blockieren.
Die Lage in Wittenberge
Wie überall, so war auch in Wittenberge der Volkssturm aufgerufen. Das Volkssturm-Bataillon 16/299 mit seinen vier Kompanien hatte eifrig geübt, doch zum Einsatz kamen diese Kompanien nicht. Sie hatten bis zum Einmarsch der Sowjets am 3. Mai 1945 lediglich Sicherungsaufgaben zu erfüllen. In Wittenberge selbst wurden Panzersperren an allen wichtigen Straßen errichtet. Sie bestanden aus eingerammten Baumstämmen, in deren Zwischenräume Erde und Steine gefüllt wurden.
Das Eisenbahn-Flak-Bataillon 418 war zum Kriegsende mit 16 Flakgeschützen vom Kaliber 12,8 cm aus dem Raum Mannheim nach Wittenberge verlegt worden. Die auf Waggons montierten schweren Flakgeschütze pendelten ständig zwischen Weisen und Perleberg und zwischen Wittenberge und Kuhblank. Weitere Batterien befanden sich in den Wäldern bei Cumlosen und Kuhblank. Am 10. April erlebte Wittenberge zur Mittagszeit den letzten Bombenangriff. Über den Stadtzentrum wurden vor allem Spreng- und Brandbomben abgeworfen.
Anfang März war Major Friedrich Rauterberg mit seinem Pionier-Ersatz- und Ausbildungs-Bataillon 30 von Küstrin nach Wittenberge verlegt worden. Die Mannschaftsstärke belief sich nach Zuführung junger Rekruten des Jahrganges 1928 auf 250 bis 300 Mann. Rauterberg wurde zugleich auch Kampfkommandant von Wittenberge. Er zeigte unbedingten Willen zur Verteidigung und lehnte jegliches Geschwätz zur Kapitulation der Stadt ab. Verräter, wie beispielsweise der Seehäuser Arzt Dr. Albert Steinert und der Wahrenberger Bürgermeister Ewald Fredrich, ließ er durch ein Standgerichtsurteil sofort erschießen. Der Kampfkommandant Rauterberg verschanzte sich während des Gefechtes mit seinem Stab in der Nähmaschinenfabrik.
Aufbau der Verteidgungslinie
Am 9. April wurde eine Gruppe von etwa 30 Mann nach Losenrade und eine Gruppe von etwa 20 Mann nach Wahrenberg verlegt, um am Elbdeich Schützenlöcher auszuheben. Auch der 10. April diente dem Ausbau der Schützenlöcher und dem Bau von Panzersperren. Am 11. April abends wurde die Panzersperre vor der Eisenbahnbrücke erstmals geschlossen.
Am Vormittag des 12. April bauten die deutschen Soldaten ihre Stellungen erneut aus und besetzten die Straßensperren, die schon Tage vorher von den Hitlerjungen und dem Volkssturm errichtet worden waren. Die Panzersperren waren nicht vermint, offenbar standen keine weiteren zur Verfügung. Sie wären ein effektives Mittel gewesen, die Panzer aufzuhalten. Es ist aber auch zu bedenken, daß bis kurz vor der Sprengung der Brücke diese von zurückflutenden Soldaten und Resteeinheiten mit und ohne Fahrzeuge passiert wurde. Am Nachmittag kamen dann von Wittenberge etwa 200 Soldaten, die in vier Gruppen unterteilt waren, als Verstärkung in den Brückenkopf. Zwei davon blieben in Losenrade und die beiden anderen Gruppen wurden in Wahrenberg stationiert.
Truppenstärke
Auf deutscher Seite standen in etwa 720 Soldaten, die nur mangelhaft ausgerüstet waren. Panzer, Artillerie und Halbkettenfahrzeuge waren nicht vorhanden.
Truppenteil | Ort der Stationierung | Mannschaftsstärke |
---|---|---|
30. Pionier-Ersatz Bataillon | Wittenberge | 300 Mann |
NSKK-Ersatz Regiment „Luftwaffe“ | Kuhblank | 150 Mann |
4. Batterie, 104. Sperrballon-Bataillon | Wittenberge | 75 Mann |
mot. Instandsetzungspark Perleberg | Perleberg | 120 Mann |
Matrosen und Versprengte | im Wittenberger Raum | etwa 75 Mann |
Die Truppen der VSA umfaßten 30 Shermans M4, 60 Halbkettenfahrzeuge M3, 18 Artilleriepanzer M7 und 20 gepanzerte Munitionstransporter. Unterstützung aus der Luft erhielten die VS-Truppen nicht.
Schlachtverlauf
Kampf um die Brücke und Losenrade
Am späten Nachmittag des 12. Aprils bewegte sich die Panzerkolonne (CCR) von Seehausen nach Wittenberge zu der in der Wische gelegenen Elbbrücke. Unterwegs traf die Panzerkolonne auf einige Panzersperren, die sie aber schnell überwinden konnte. Ungefähr 500 Meter vor der südlichen Brückenauffahrt stießen die VS-Amerikaner auf eine Panzersperre, die hartnäckig verteidigt wurde. An die Panzersperre schloß in Richtung Losenrade ein Panzergraben an. Ungefähr gegen 18.00 Uhr begann das Gefecht.
Nachdem die Panzer einige Straßensperren beseitigt hatten, trafen sie auf eine, die mit Infanteristen besetzt war. Die Verteidiger eröffneten das Feuer, die ersten Panzerfahrzeuge trafen die Spitzenfahrzeuge. Mindestens drei Shermans wurden sofort abgeschossen. Nach der ersten Überraschung schossen die VS-Amerikaner aus allen zur Verfügung stehenden Rohren auf jede verdächtige Bewegung und jedes Loch. Die Panzergrenadiere saßen ab und stürmten die Widerstandsnester. Das Gefecht dauerte ungefähr eine halbe Stunde, dann flog die Wittenberger Elbbrücke in die Luft. Im weiteren Verlauf wurden drei Halbkettenfahrzeuge zerstört sowie zwei Shermans und zwei Halbkettenfahrzeuge beschädigt.
Kampf um Wahrenberg
Damit war der Kampf sinnlos geworden und wurde von VS-amerikanischer Seite abgebrochen. Der Rückzug sollte über drei Stationen organisiert ablaufen. Eine Gruppe der Panzerkolonne sollte über Beuster nach Schönberg und die andere direkt nach Seehausen zurückkehren. Die dritte Gruppe sollte sich über Wahrenberg und Scharpenhufe nach Groß Garz zurückziehen. Was die VS-amerikanische Einheit durch die fehlende Luftaufklärung nicht wußte, war, daß in der Ortschaft Wahrenberg noch rund 50 Soldaten der Wehrmacht stationiert waren.
Es entwickelte sich ein kleines Scharmützel, in dessen Folge ein Halbkettenfahrzeug zerstört wurde. Da die VS-Amerikaner kein Interesse an weiteren Verlusten hatten, änderten sie ihre Route über Krüden nach Groß Garz. Die in Wahrenberg stationierten Soldaten zogen sich danach nach Wittenberge zurück, von wo sie aus nach Havelberg verlegt wurden.
Verluste
Es gibt nur aus VS-amerikanischen Berichten verläßliche Quellen über die Verluste: 70 gefallene und rund 280 verwundete VS-Soldaten. Trotz des harten Kampfes waren die Verluste auf VS-amerikanischer Seite nicht besonders hoch. Insgesamt wurden drei Shermans und vier Halbkettenfahrzeuge abgeschossen, zwei Shermans und zwei Halbkettenfahrzeuge beschädigt.
Die Verluste auf deutscher Seite sind nicht vollends bekannt. Bekannt ist lediglich, daß 25 Gefallene in Margraten (Niederlande) und neun Gefallene in Buschkamp auf einem Soldatenfriedhof beerdigt wurden. Die Zahl der Gefallenen dürfte jedoch weitaus höher sein (mehr als 34).
Folgen
Durch die zerstörte Brücke konnte man den Einfall VS-amerikanischer Besatzer in die Prignitz und in die Stadt Wittenberge unterbinden. Da zwischen Wahrenberg und Wittenberge eine noch intakte Fähre fuhr und Wahrenberg erst Anfang Mai besetzt wurde, konnten viele Zivilisten aus dem Osten in Richtung Westen fliehen. Der Offizier Bodo Knersch konstatierte zum Flüchtlingsstrom:
- „In der Nacht vom 1. zum 2. Mai und am 2. Mai ergoß sich der Flüchtlingsstrom der zusammengebrochenen deutschen Wehrmacht auch durch Wittenberge. Generale, Offiziere, Soldaten zogen in wilder Flucht durch die Stadt zur Elbe [mit der Fähre nach Wahrenberg] und Richtung Dömitz. Panzer und Sturmgeschütze bahnten sich rücksichtslos ihren Weg in all dem Tohuwabohu. Alles will sich zum Amerikaner retten. Ein furchtbares Bild des Elends. Rette sich, wer kann!“
Zeitzeugenberichte
Deutsche Sicht
Von deutscher Seite gibt es einen Zeitzeugenbericht des Soldaten Josef Egert. Er war Jahrgang 1928, seiner vormilitärischen Ausbildung im Wehrertüchtigungslager mit nachfolgendem Reichsarbeitsdienst (RAD) folgte Anfang März die Einberufung zum Militär. Am 15. März kam er in Wittenberge an und wurde dem Pionier-Ersatz- und Ausbildungsbataillon 30 zugewiesen. Beim Kampf um Losenrade verteidigte er in der Nähe von Eickerhöfe (zwischen Losenrade und Wahrenberg) seine Stellung.
„Es sind viele junge Rekruten zu unserer Einheit gekommen. Da wir in der Ausbildung standen, waren wir meist von den Älteren der Einheit getrennt, so daß ich keine genauen Angaben zur Bataillonsstärke machen kann. Die Stärke von 300 Mann könnte stimmen. Ich erhielt eine Erkennungsmarke. Nach ein paar Tagen wurde ich zusammen mit einem Teil der Einheit zur weiteren Ausbildung in die Bürgerschule verlegt. Die Ausbildung bestand aus Drill und Unterricht. Die Nachtruhe wurde regelmäßig durch Fliegeralarm unterbrochen. Wir gingen zum Stadtpark und warteten, bis Entwarnung gegeben wurde. Bei den nächtlichen Fliegeralarmen im Stadtpark hatten wir ungedeckte Splitterschutzgräben. Wir hörten aber davon, daß auf der anderen Seite vom Stadtpark gedeckte Schutzgräben vorhanden seien. Etwa am 9. April wurden einige Gruppen nach Losenrade verlegt, um am Deich Schützenlöcher auszuheben. So auch am 10. April, wo wir den Bombenangriff auf Wittenberge beobachten konnten. Am Abend des 11. April herrschte Alarmbereitschaft. Wir warteten die durchziehenden Soldaten ab und schlossen dann die Panzersperre. Danach gingen wir mit zwei Gruppen nach vorne und legten an drei Stellen am Straßenrand jeweils drei Tankminen. Anschließend suchten wir unsere flachen Schützenlöcher am Straßenrand sowie in der Wiese hinter der Straße, die von Losenrade zum Bahndamm führte, auf. Zusammen mit einem Kameraden bezog ich Stellung in einem Schützenloch in der Wiese. Die nächste Gruppe ging hinter dem Panzergraben, hinterm Elbdeich und am Bahndamm in Stellung.
Am Nachmittag des 12. April 1945 kam von Wittenberge Verstärkung. Es waren etwa 50 bis 60 Mann.
Die amerikanischen Panzer kamen in einer langen Reihe angefahren. Zum Teil waren sie mit Panzerschützen besetzt. Nachdem die ersten Panzer die Querstraße nach Losenrade überschritten hatten, begann das Gefecht. Der Beobachter aus der ersten Panzerluke, der mit einem Fernglas die Brücke beobachtet hatte, fiel in seinen Panzer zurück. der Panzer wendete sofort und fuhr zurück. Die anderen Panzer schossen mit ihren Kanonen und MGs auf die Wiese und die Straße. Unsere Minen gingen durch den Beschuß hoch, so daß die Masten der Freileitung abgeschlagen wurden oder herumhingen. Unsere ersten Panzerfäuste fanden ihr Ziel. das Haus an der Straßenkreuzung brannte. Etwa drei Panzer bogen auf der Straßenkreuzung Richtung Bahndamm ab. ich konnte nur kurz sehen, daß hinter dem Haus zwischen der Straße und dem Bahndamm Granatwerfer in Stellung gingen. Neben meiner Stellung [Anmerkung: Schützenloch rechts auf der Wiese neben der Straßenkreuzung Wittenberge–Losenrade, links von den Eickerhöfe] bekamen drei Panzer fast gleichzeitig Treffer. Zwei dieser Panzer blieben liegen, während der dritte Panzer Schwierigkeiten mit dem Drehturm hatte. Die nachrückenden Panzer schoben sich langsam an den zerstörten Panzern vorbei. Seitlich hinter mir bog ein Panzer quer zur Straße ab und ließ den Panzer an der Böschung nach vorne kippen. Der Drehturm des Panzers schwenkte, so daß ich in die Rohrmündung des Panzers sah. Er schoß zunächst mehrere Male neben meine Deckungsmulde und dann ein paar Mal kurz über mich hinweg, so daß mir der Dreck auf den Rücken fiel.
Die weiter vorrückenden Panzer und Panzergrenadiere waren rechts von mir. Eine Gruppe Panzergrenadiere kam von vorn über die Querstraße auf uns zu. Bei diesem Gefecht erhielt ich zuerst einen Schuß durch die Gasmaske, dann einen Schuß durch die Feldflasche und schließlich noch einen durch meinen Karabiner. Vor mir in der Wiese blieben die Amerikaner hinter einen kleinen Erhebung liegen. Die Panzer schossen immer noch auf die Panzersperre, auf die Panzergräben, auf die Wiese und die Brücke. Die Panzer warfen die Kartuschen ihrer abgeschossenen Granaten neben mir auf die Straße.
Plötzlich flog die Eisenbahnbrücke über die Elbe in die Luft. Sie war von deutschen Truppen gesprengt worden. So, wie ich es sehen konnte, hielt die Panzersperre immer noch. Der Panzergrabenauswurf wurde jetzt durch Amerikaner von deutschen Soldaten geräumt, die zum Teil in Gefangenschaft gerieten. Die Panzergrenadiere lagen noch immer vor mir. Etwa zehn bis zwölf deutsche Soldaten kamen auf der Straße an mir vorbei. Es wurde bereits dunkel. In einer hohen Feuersäule flog der von uns gelagerte Sprengstoff in die Luft. [Anmerkung: Der Sprengstoff war am 11. April durch die Gruppe von Josef Eggert in einer Scheune am Elbdeich eingelagert worden. Sinn und Zweck dieses Sprengstofflagers sind nicht bekannt.]
Die amerikanischen Panzer zogen sich jetzt zurück. Sie waren nur noch schemenhaft zu sehen. Auf der Straße stand eine Reihe brennender Panzer und Fahrzeuge. Sie waren rotglühend. Nachdem die ersten Wracks langsam ausgebrannt waren, stand ich zusammen mit meinen Kameraden auf. Es herrschte Stille. Es sah aus, als hätten wir als einzige der zwei Gruppen überlebt. Wir gingen langsam zurück in Richtung Deich. Kurz vor dem Panzergraben sahen wir einen Soldaten im Schein der brennenden Wracks. Er sagte uns, er sei bewußtlos gewesen. Seine Ausrüstung lag noch unter dem Sand begraben. Nun waren wir zu dritt und wußten immer noch nicht, ob unsere Einheit am Deich noch da war. Vor dem Deich riefen wir: 'Nicht schießen!'. Hinter dem Deich fanden wir unsere Einheit wieder und gingen in die Schützenlöcher. Nach einiger Zeit gingen zwei etwas ältere Soldaten und suchten das Gelände ab. Sie kamen etwas später wieder zurück. Bis nach Mitternacht saßen wir in unseren Löchern und gingen dann lautlos den Deich entlang in Richtung Scharpenlohe [Anmerkung: bei Beuster], wie weit, kann ich nicht mehr sagen. Unsere Privatsachen ließen wir in Losenrade zurück. Wir überquerten dann mit Booten die Elbe.
13. April: Während einer kurzen Ruhepause wurden die Verluste aufgenommen, sie wurden nicht bekannt gegeben. Es waren zwei Gruppen auf der Wiese am Straßenrand. Von diesen Gruppen, etwa 26 Mann, haben nur zwei überlebt. Ob von diesen beiden Gruppen jemand in Gefangenschaft geraten ist, kann ich nicht sagen. Die Brücke und die Aufbauten [Brückentore] auf Losenrader Seite lagen unter Artilleriebeschuß. in den Aufbauten befanden sich noch ein Paar deutsche Soldaten, die später versuchten, Wittenberge über die zerstörte Elbbrücke zu erreichen.“
VS-amerikanische Sicht
Es folgt ein Bericht aus VS-amerikanischer Sicht.
„Am selben Tag [12. April] um 16 Uhr erhielt die Streitmacht von Colonel Hamberg den Befehl, zur Elbe vorzustoßen und die Brücke bei Wittenberge einzunehmen. Die A-Kompanien führten die Panzerkolonne an. Bevor die Nacht hereinbrach, wurden sie in einen der härtesten Kämpfe des gesamten Vorstoßes verwickelt. Die A-Kompanien schlugen sich also von Seehausen, verhielten dort nur solange, wie sie brauchten, um ihre Marschrichtung festzulegen und strebten dann in Richtung Brücke , die nur 6,5 Meilen entfernt war. Der Panzerbekämpfungszug wurde in Seehausen zurückgelassen, um die Stadt zu säubern. Leutnant Molnar, Feldwebel Henry White und Feldwebel Jack Bastin führten die ersten Panzer der Kampfkolonne, als Panzer und Panzergrenadiere zur Elbbrücke rasten. Straßensperren auf den letzten drei Meilen gab es häufig. Molnar stieg vor einer Straßensperre aus, befestigte ein Seil an seinem Panzer und an der Barrikade und zog diese fort. Die riesige, betongefüllte Trommel rollte in den Straßengraben. Eine andere Sperre ein paar hundert Yards weiter wurde auf die gleiche Weise beseitigt. Aber dann begannen die Deutschen zu kämpfen.
Eine dritte Straßensperre wurde von etwa 100 SS-Männern[1] mit Panzerfäusten verteidigt. Auf kürzeste Schußentfernung eröffneten sie das Feuer aus Schützenlöchern. Ein Panzerfaustgeschoß prallte von Molnars Geschützturm ab und beschädigte den Drehmechanismus. Jedes Geschütz der angreifenden Panzer schoß sofort. In Molnars Panzer lud der gefreite Richard Vicknair die 76-mm-Kanone, sprang dann an das Halbzoll-Maschinengewehr in den Turm, um die Deutschen zu beharken. Molnars Kanonier, Corporal Elmer E. Hoffstetter, schoß absichtlich in den Dreck vor den Schützenlöchern und auch hinein und erledigte dadurch die Insassen. Charles Stoeckeln, der Fahrer von Molnars Panzer, bewältigte die Arbeit von drei Männern vorn im Panzer. Er fuhr, lehnte sich zum Beifahrer-MG hinüber und schoß und händigte darüber hinaus Munition aus den Vorratsbehältern nach oben zu den Männern im Turm.
Im ohrenbetäubenden Krach und Lärm des Kampfes läutete neben der Straßensperre plötzlich ein Telefon. Während die Panzergrenadiere absprangen, um die 50 in ihren Schützenlöchern verbliebenden Deutschen zu bekämpfen, und die Panzergeschütze auf die Widerstandsnester hinter der Panzersperre schossen, bimmelte dieses Telefon. Schließlich hob der Obergefreite William Austin den Hörer von der Gabel und lauschte. Ein deutscher Offizier aus Wittenberge sprach äußerst aufgeregt irgendetwas, wollte wohl wissen, was da vorging. Austin brüllte in den Hörer: 'Schnürt mal schnellstens eure Bündel! In einer Minute werde ich dort sein!'
Das Gefecht begann nun in ein völliges Durcheinander auszuarten und entwickelte sich zu einem Nahkampf Mann gegen Mann. Oberfeldwebel Helms und die Feldwebel Lewis Ahlin und Jodie Vaughn ließen Bajonette aufpflanzen, sie besetzten das jenseitige Ufer eines kleinen Kanals, um die Deutschen zu vertreiben. Feldwebel Pittsinger brachte die MG- und Granatwerfergruppen entlang der Eisenbahngleise in Stellung, die parallel zur Straße verliefen. Die Granatwerfer unter Befehl von Perlie Bowman feuerten auf äußerst kurze Distanz zur Unterstützung der Panzergrenadiere. Captain Whitley, Feldwebel Chester Redding und Feldwebel Erwin Welti fuhren durch dichtes Feuer, um Munition zur Kolonnenspitze zu bringen.
Molnars Panzer feuerte so schnell, daß sie mit dem Munitionsnachschub nicht nachkamen. Molnar sprang aus seinem Turm und kletterte in den zweiten Panzer, mit dem er den Angriff fortsetzte. Mit diesem Panzer stieß Molnar vor bis hinter die letzte Panzersperre und weiter in Richtung Brücke. Aber SS-Männer eröffneten das Feuer aus einem Backsteingebäude neben der Straße. 'Blast das Haus weg!', rief der Panzerkommandant. Worauf die Panzer ihr Feuer auf das Gebäude konzentrierten. Granaten krachten durch die Steinwände. Danach pflügten die Panzer weiter vorwärts und schwenkten nach rechts ab. Die Kolonne röhrte neben einem hohen Eisenbahndamm entlang und Panzerfäuste wurden von der gegenüberliegenden Bahndammseite abgefeuert. MGs beharkten den Kamm des Damms. Ein Panzerfaustschütze erhob sich, um seine Panzerfaust abzufeuern. Bevor er jedoch den Panzer beschießen konnte, erwischte ihn eine MG-Salve und der Mann fiel vorüber auf das Gesicht. Die Kolonne mahlte weiter vorwärts. Molnars Panzer war nur noch eine halbe Meile von der Brücke entfernt.
'Wumm!' – die Explosion übertönte alle Kampfgeräusche. Panzerleute und Panzergrenadiere blickten nach vorn und sahen Bretter, Gitter, Geländer in der Luft herumfliegen und danach in die Elbe stürzen. Eine Wolke von Staub erhob sich an der Stelle, wo der Brückenbogen gewesen war. Die letzte Elbbrücke, die die Division zu erobern gehofft hatte, war in die Luft gejagt worden!
Oberstleutnant Hamberg rief daraufhin seine Kompanien zurück nach Seehausen. Der Vorstoß zur Elbe und die Schlacht war somit für beendet.“
Siehe auch
Literatur
- Heimatbeilage der Altmark Zeitung (24. Jahrgang – Nr. 26)
- Heimatbeilage der Altmark Zeitung (24. Jahrgang – Nr. 27)
- Heimatbeilage der Altmark Zeitung (24. Jahrgang – Nr. 28)