Kahrs, Johannes
Johannes Kahrs ( 15. September 1963 in Bremen) ist ein schwuler Politiker (SPD)[1] und ehemaliges Mitglied des Deutschen Bundestages.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Johannes Kahrs, evangelisch, entstammt einer alten sozialdemokratischen Familie. Seine Mutter Bringfriede, eine Lehrerin und 1995–1999 Senatorin für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Sport, und sein Vater Wolfgang, Staatsrat und Senator für Rechtspflege und Strafvollzug, waren im Bremer Senat als SPD-Mitglieder politisch aktiv. Kahrs wuchs zusammen mit zwei Brüdern auf.
Nach dem Abitur leistete Kahrs seinen Wehrdienst als Reserveoffiziersanwärter ab, war zwei Jahre lang Zeitsoldat als Panzergrenadier und studierte anschließend Jura an der Universität Hamburg.
Wirken
Nach dem Studium arbeitete er bei der Hamburger städtischen Wohnungsbaugesellschaft SAGA, dessen Aufsichtsratschef, der Hamburger Bausenator Eugen Wagner, ihn politisch protegierte. Bereits 1982 war Kahrs, der sich schon als Kind von seinen sozialdemokratischen Eltern für Wahlkampfarbeiten einspannen ließ, SPD-Mitglied geworden. Er verstand dies als Unterstützung für den abgewählten SPD-Kanzler Helmut Schmidt und Zeichen gegen die vom neuen CDU-Kanzler Helmut Kohl propagierte „geistig-moralische Wende“. Er engagierte sich zunächst bei den Jungsozialisten, deren Hamburger Landesvorstand er zwei Jahre lang angehörte. Von 1993 bis 1998 war er Bezirksabgeordneter in Hamburg-Mitte. Er arbeitete in der Jugendhilfepolitik mit, war von 1994 bis 2012 Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses Hamburg-Mitte und jahrelang Vorsitzender der Ehrenamtsagentur in Hamburg. Seit 2002 ist er SPD-Kreisvorsitzender in Hamburg-Mitte. Zuletzt wurde Kahrs im Juni 2014 in diesem Amt wiedergewählt, allerdings nur mit 65,6 % Ja-Stimmen. Dieses verhältnismäßig schlechte Ergebnis war nach der Einschätzung von langjährigen Beobachtern auch darauf zurückzuführen, daß Kahrs in dieser Position immer wieder versucht habe, mit persönlichen Seilschaften seine Machtposition zu festigen.[2]
Nachdem die Hamburger SPD mit Freimut Duve und Henning Voscherau zwei ihrer bundesweit angesehenen Politiker selbst demontiert hatte, wurde Kahrs Anfang 1998 mit knapper Mehrheit zum Direktkandidaten der SPD für die Bundestagswahl im Wahlkreis 19 Hamburg-Mitte gewählt und zog anschließend mit der Regierungsübernahme von SPD-Kanzler Gerhard Schröder in den Bundestag ein. „An den Rändern wohlhabende Bürgerlichkeit, im Zentrum aber Stadtteile wie Billstedt, Horn und Hamm, Finkenwerder, St. Pauli und Steinbek. Da leben Menschen, die über die 10 Euro Praxisgebühr verzweifeln“,[3] den mit 380.000 Einwohnern größten Wahlbezirk der BRD, in dem Kahrs zunächst ein Votum von 50,9 % erzielte. Mit diesem Ergebnis verschaffte sich der Abgeordnete, der in seinem Wahlkreis engagiert die Wähler umwarb und dazu auch viele Hausbesuche mit lockeren Plauderrunden machte, eine starke Ausgangsposition für manche Querschüsse und von der Mehrheitsmeinung seiner Partei abweichende Positionen. In seiner ersten Legislaturperiode bis 2002 war er Mitglied des Verteidigungsausschusses, später dort Stellvertreter und ab 2002 Mitglied des Haushaltsausschusses. In die Schlagzeilen kam er 2006,[4] weil Kahrs für seinen SPD-Unterbezirk hohe Spenden von zwei Rüstungsfirmen, darunter 25.000 Euro von Rheinmetall, erhalten hatte. Damit sei Kahrs’ Unterstützung für ein Joint Venture zur Umsetzung des Schützenpanzers Puma verbunden gewesen.[5] Auch wegen weiterer Spenden und Beschlüssen zu Waffenexporten beanstandeten Kritiker eine zu große Nähe des SPD-Politikers zu Rüstungsfirmen. So war Kahrs der einzige SPD-Politiker, der im Juli 2011 gegen den Antrag stimmte, keine Kriegswaffen an Saudi-Arabien zu liefern.
Erzielte Kahrs bei seiner dritten Direktwahl im September 2005 noch beachtliche 49,5 %, so errang er zwar später immer noch das Direktmandat, mußte aber angesichts der rückläufigen SPD-Erfolge 2009 mit 34,6 % und 2013 bei seiner fünften Wiederwahl im Wahlkreis Hamburg-Mitte mit 39,2 % der Erststimmen starke Verluste hinnehmen. 2008 wurde der bekennende Homosexuelle Beauftragter für die Belange von Lesben und Schwulen in der SPD-Bundestagsfraktion. 2011 übernahm er den Vorsitz der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe. Er blieb Stellvertreter im Verteidigungsausschuß, war zuletzt (18. Wahlperiode ab Oktober 2013) haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, Mitglied im Rechnungsprüfungsausschuß, im Ältestenrat und im Vertrauensgremium des Bundestages sowie in der Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“, in der Parlamentarischen Versammlung der OSZE und der NATO.
Kahrs kritisierte den damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler. Aufsehen erregte Kahrs im März 2008 bei der aktuellen Debatte der SPD über ihre Haltung zur „Linkspartei“, bei der er die Haltung der hessischen SPD-Politikerin Andrea Ypsilanti, die mit dem Vorhaben einer von der „Linkspartei“ tolerierten Landesregierung ins politische Abseits geraten war, als „dumm“ kritisierte. Des weiteren bezeichnete Kahrs im Januar 2015 die Partei Alternative für Deutschland (AfD) und deren Vorsitzenden Bernd Lucke als „Vollpfosten“.[6]
Kahrs legte mit Ablauf des 5. Mai 2020 sein Bundestagsmandat nieder und gab seine politischen Ämter auf.[7] Angesichts der Ermittlungen gegen die Privatbank M. M. Warburg fanden am 28. September 2021 Razzien in den privaten und geschäftlichen Räumlichkeiten des SPD-Politikers Johannes Kahrs statt.[8][9][10]
„Gegen Rechts“
Kahrs agiert „Gegen Rechts“. Er ist Gegner der Alternative für Deutschland (AfD) und Unterzeichner des „Berliner Manifests“.
Kahrs bezeichnete die demokratisch gewählten Abgeordneten der Alternative für Deutschland als „rechtsradikale Arschlöcher“, forderte gar ein Verbot der AfD und wäre es nach ihm gegangen, wären Beamte, die sich zur AfD bekennen, aus dem Staatsdienst entlassen worden.
Zitate
- „Diese Vollpfosten von Gewalttätern sind weder links noch autonom, die sind nur gefährlich und dumm.“[11] — nach der gewalttätigen „Rote-Flora“-Demonstration am 21. Dezember 2013 in Hamburg
- „Mit solchen peinlichen Figuren wie diesem Herrn Gauland ist keine inhaltliche Diskussion möglich.“[12] — zur Fußball-Europameisterschaft 2016
Über Kahrs
- „Er hat über zweieinhalb Jahrzehnte lang ein weitverzweigtes Netzwerk in der Hamburger SPD aufgebaut. Die Kahrsianer stehen klar im rechten Lager der SPD. Doch letztlich gäbe es „keinen inhaltlichen politischen Zusammenhalt“, sagt ein prominentes Parteimitglied, das den Aufstieg von Kahrs seit mehr als 20 Jahren beobachtet: „Das System Kahrs basiert auf Postenverteilung und auf Zuwachs. Man muss immer neue Positionen erobern, um wieder Posten verteilen zu können.““ — DIE ZEIT Nr. 53/2014, 23. Dezember 2014[13]
Mitgliedschaften/Ämter
- Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, Mitglied des Kuratoriums
- Deutsch-Aserbaidschanisches Forum e. V., Mitglied des Kuratoriums
- Deutsche Atlantische Gesellschaft e. V., Mitglied des Präsidiums und Schatzmeister
- Fröbel e. V., Mitglied des Vorstandes
- Förderkreis Deutsches Heer e. V., Mitglied des Präsidiums
- Förderverein Sicherheitspolitik an Hochschulen e. V., Mitglied des Beirates
- Kurt-Schumacher-Gesellschaft e. V., Vorsitzender
- Otto-von-Bismarck-Stiftung, Stellv. Mitglied des Kuratoriums
- Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund aktiver Demokraten e. V., Vorsitzender
- Stiftung Schifffahrtsstandort Deutschland, Mitglied des Kuratoriums
- Deutsche Rockwool GmbH + Co. OHG, Mitglied des Politischen Beirates jährlich Stufe: 4 (über 15.000 Euro)
- Rebuild and Relief International RRI gemeinnützige GmbH, Mitglied des Aufsichtsrates
- Deutsches Nationalkomitee für Denkmalschutz, Mitglied des Präsidiums
- Stiftung Jüdisches Museum Berlin, Stellv. Mitglied des Stiftungsrates
- Parteispende an die SPD (2007 mit 10.150 Euro)
- Förderkreis Deutsches Heer e. V., Vorstand
- Ausschuss für Kultur und Medien, Stellvertretendes Mitglied
- Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, Stellvertretendes Mitglied
- Der Ältestenrat, Ordentliches Mitglied
- Deutscher Bundestag, Mitglied
- Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft, Mitglied
- Haushaltsausschuss, Obmann, Ordentliches Mitglied
- SPD-Bundestagsfraktion, Mitglied
- Verteidigungsausschuss, Stellvertretendes Mitglied
- Arbeiterwohlfahrt (AWO), Mitglied
- ver.di, Mitglied
- Jugend gegen AIDS, Mitglied des Beirates
- Deutsch-Israelische Gesellschaft
- Oberst der Reserve, seit 2012
- Reservistenverband der Deutschen Bundeswehr
- Nationalkomitee für Denkmalschutz, Mitglied
- Europa Union, Mitglied
- Wingolfsbund (christliche Studentenverbindung)
- Vorwärts Wacker, Mitglied
- Bürgerverein zu St. Georg von 1880
- FC St. Pauli, Mitglied
- Deutsch-türkische Parlamentariergruppe, Vorsitz seit 2011
Auszeichnungen
- Bundesverdienstkreuz am Bande (2010)
Privates
Kahrs heiratete 2018 seinen langjährigen Lebensgefährten Christoph Rohde.[14]
Filmbeiträge
Verweise
- Karikaturen
- Götz Wiedenroth: FFF. Frisch-Fleisch Frei Haus., 15. Februar 2020
Fußnoten
- Geboren 1963
- Bundestagsabgeordneter (Hamburg)
- Politiker (21. Jahrhundert)
- SPD-Mitglied
- Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande
- Mitglied im Reichsbanner
- Träger des Verdienstordens Pro Merito Melitensi (Kommandeur)
- Person (Bremen)
- Homosexuelle Person
- BRD-Politiker
- Ver.di-Mitglied
- Mitglied des Haushaltsausschusses (Deutscher Bundestag)