L’Estocq, Anton Wilhelm von
Anton Wilhelm von L’Estocq ( 16. August 1738 in Celle, Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg; 5. Januar 1815 in Berlin, Königreich Preußen) war ein deutscher Offizier der Preußischen Armee, zuletzt General der Kavallerie im Befreiungskrieg.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Anton Wilhelm, Sohn des einstigen Hauptmanns der Kur-Hannoverschen Armee und preußischen Oberstleutnants a. D. Ludwig Justus August von L’Estocq[2] ( 14. April 1688; 3. Januar 1747) und dessen Ehefrau Ilsabetha „Ilse“ Sophie, geborene von Grabow aus dem Hause Suckwitz, verwitwete von Hohenhorst[3] ( 1700; 20. August 1738), trat 1757 als Standartenjunker in das elitäre Kürassierregiment „Gens d'armes“ unter Generalmajor Nicolaus Andreas von Katz(e)ler ein. Schon im Jahr daraur, 1758, trat er zu den Zieten-Husaren über, wo er während des Siebenjährigen Krieges an den Schlachten von Zorndorf, Kunersdorf und Torgau teilnahm, seit 1760 Kornett bzw. Sekondeleutnant. Nach dem Gefecht bei Langensalza wurde er im Februar (am 15. zur Verleihung eingereicht) 1761 von Friedrich dem Großen mit dem Orden Pour le Mérite ausgezeichnet. Im März 1762 wurde er zum Adjutanten von Hans Joachim von Zieten erhoben.
Im Jahre 1768 wurde er Premierleutnant. In kürzester Zeit durchlief er die Stationen Stabsrittmeister, Major und Oberstleutnant, schließlich ernannte König Friedrich Wilhelm II. 1790 den Husarenoffizier L’Estocq zum Obersten und Bataillonskommandeur im Regiment „von Eben“ (Husarenregiment Nr. 2). Ende 1793, nach anderen Quellen erst im März 1794, erhielt er das Kommando über das Regiment. Im Feldzug gegen Frankreich 1793/94 nahm er an den Gefechten bei Kaiserslautern, Morsbrunn und Trippstadt teil. Nach dem Frieden von Basel (1795) war das Regiment Nr. 2 Bestandteil des Armeekorps in Westfalen, das die Demarkationslinie zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich überwachte.
Am 26. Januar bzw. 2. Februar 1797 wurde er Kommandeur („Chef“) des Husarenregiments H 1 als Nachfolger des schon am 8. Mai 1796 verstorbenen Generals der Kavallerie Georg Oswald Freiherr von Czettritz. Sein Nachfolger wurde wiederum am 15. Mai 1803 Oberst Ernst Philipp von Gettkandt, der fünf Tage später zum Generalmajor befördert wurde. Von L’Estocq wurde am 5. Juni 1798 zum Generalmajor befördert, 1805 zum Generalleutnant und schließlich 1812 zum General der Kavallerie. Seit dem 30. April war er Chef des Husarenregiments H 9 (Towarczys), das einst aus mohammedanischen Bosniaken aufgestellt wurde und berüchtigt für den kleinen Krieg mit den leichten Taktiken des schnellen Zuschlagens berüchtigt war. Zugleich wurde er zum Gouverneur von Neu-Ostpreußen und zum Oberkommandierenden aller in diesem Gebiet stationierten preußischen Truppen ernannt. 1806 gehörte das Regiment zum Reservekorps „L‘Estocq“ – zu dem auch das Husarenregiment H 5 (Schwarze Husaren) unter Siegmund Moritz von Prittwitz gehörte – und kämpfte tapfer bei Preußisch-Eylau und Heilsberg.
Einen der Höhepunkte der militärischen Karriere des Generals von L’Estocq bildete die Berufung zum Gouverneur der Residenz Berlin am 12. November 1808. Wie auch andere besiegte deutsche Länder mußte auch Preußen vertraglich ein „Hilfscorps“ bilden, welches für französische Interessen kämpfen mußte. Viele preußische Offiziere verweigerten sich diesem erzwungenen Befehl des Königs von Preußen und bildeten Freikorps im Freiheitskampf Deutschlands. Diese Schmach sollte erst Jahre später nach der Konvention von Tauroggen berichtigt werden. Zu den bekanntesten dieser Helden gehörte Ferdinand Baptista von Schill, der im April 1809 mit Duldung von Generalleutnant Bogislav Friedrich Emanuel von Tauentzien und Generalleutnant von L’Estocq mit seinen 600 Reitern aus dem Potsdamer Tor von Berlin hinauszog, um gegen die französische Tyrannei zu kämpfen. Die beiden Generäle wurden durch den König vom Dienst suspendiert, allerdings nur bis zum 22. Juli 1809.
Am 15. März 1813 wurden auf oberste Kabinettsorder aus Breslau zur Führung des Krieges gegen Frankreich vier Militärgouvernements (1813–1815) gebildet. Die Behörde als 1. Militärgouvernement zwischen Elbe und Oder bezeichnet, sollte von Militärgouverneur von L’Estocq und Zivilgouverneur und Geheimen Staatsrat Dr. Johann August Sack geleitet werden. Hier ging es um die Reorganisation der Generalkommission für das Einquartierungs-, Verpflegungs- und Marschwesen. Für die Angelegenheiten der Einquartierungen setzten sie den Regierungsbauinspektor Salomo Sachs ein. 1814 wurde Anton Wilhelm zum Gouverneur von Breslau ernannt. Zum 13. August 1814 gewährte man ihm den Abschied mit einer jährlichen Pension von 6.000 Talern.
Allgemeine Deutsche Biographie
- „L'Estocq: Anton Wilhelm v. L., preußischer General der Cavallerie, wurde am 16. August 1738 zu Celle, wo sein Vater, welcher im selben Jahre als Oberstlieutenant in preußische Dienste getreten war, als kurhannoverscher Hauptmann in Garnison gestanden hatte, geboren, kam aber bald, nachdem seine Eltern früh gestorben waren, in das Haus eines Verwandten, welcher Kriegsrath und Kanzler der Akademie zu Königsberg in Preußen war. Dieser bestimmte ihn für die Civilcarrière, und erst die Anwesenheit der Russen in Königsberg brachte, seinen eigenen Wunsch, Soldat zu werden, zur Erfüllung. Der Kanzler war der Bruder des Grafen L., des Günstlings der Kaiserin Elisabeth, ein Umstand, welcher zur Folge hatte, daß General Fermor den jungen L. in den russischen Dienst zu ziehen trachtete und daß dieser, der mit Leib und Seele Preuße war, heimlich entwich und zur Armee des Königs ging, die er bei der Belagerung von Olmütz traf. Er wurde zunächst beim Regiment Gensd'armes angestellt, trat aber bald nachher zu Zieten's Husarenregiment über und nahm in diesem an den hervorragendsten Ereignissen der folgenden Kriegsiahre, wie an den Schlachten bei Zorndorf, Hochkirch, Kay, Kunersdorf, Liegnitz und Torgau theil. Nach dem Ueberfall von Hochkirch wird der Fahnenjunker L. zum Kornet vorgeschlagen und ernannt. Bei Langensalza, am 15. Februar 1761, erwirbt er den Orden pour le mérite; im März des folgenden Jahres wählt Zieten ihn zu seinem Adjutanten. Dieser befand sich während des Restes der Kriegszeit meist in der Umgebung des Königs, so daß L. das Glück hatte, sich unter den Augen jener beiden Kriegsmeister für seinen Beruf fortbilden zu können, ein Streben, welches er in der folgenden Friedensperiode eifrigst fortsetzte. Der baierische Erbfolgekrieg, welchem die Zietenhusaren mit der Armee des Königs beiwohnten, und die Expedition nach Holland, an welcher er mit der 1. Schwadron des Regiments theil nahm, boten wenig Gelegenheit zu kriegerischer Auszeichnung. Um so reichlicher wurde ihm solche in den Feldzügen gegen Frankreich, während deren er im März 1794 das Commando des Regiments erhielt, zu theil. Fast beständig zu abgesonderten Commandos und speciellen Aufträgen verwendet, that er sich vielfach hervor; mit besonderem Ruhme wird sein Name in der Maischlacht von Kaiserslautern (v. Ardenne, Geschichte des Zieten-Husarenregiments, Berlin 1874), bei der Vertheidigung von Kirchheim-Bolanden, beim Ueberfall von Morsbrunn und bei der Affaire von Trippstadt genannt. Nach Friedensschluß blieb er bei den zur Besetzung der Demarkationslinie verwendeten Truppen, durch sein humanes und tactvolles Auftreten manche Schwierigkeiten geschickt beseitigend. Schon am 2. Februar 1797 hatte er das grüne Czettritz'sche Husarenregiment in Schlesien erhalten; anderweite Verwendungen, welche ihm übertragen wurden, wie die Reinigung der Grafschaft Mark von dem dort hausenden Raubgesindel im J. 1801 und die Theilnahme an der Occupation des Bisthums Paderborn im J. 1802 hielten ihn von dort fern und nach dem Tode des General v. Günther im Frühjahr 1803 wurde er auf den schwierigen Posten eines commandirenden Generals in Neu-Ostpreußen berufen, zugleich wurde er Chef des Regiments Towarczys. — Bei Ausbruch des Krieges von 1806 wurde er für das Reservecorps bestimmt, welches sich zwischen Küstrin und Frankfurt sammeln sollte; als der Gang der Ereignisse dessen Aufstellung unmöglich machte, übernahm er im November das Commando der Avantgarde der am rechten Weichselufer unter dem General Graf Kalkreuth stehenden preußischen Truppen. Von Anfang an trat er hier den unverschämten Forderungen der durch das Benehmen anderer preußischer Generale verwöhnten Franzosen energisch und mit dem Anspruch auf Gleichberechtigung entgegen, und, wie er auf solche Weise das Selbstgefühl der Seinen hob, so stellte er durch die ganze Art seiner Kriegführung, nachdem er den Oberbefehl der im Osten der Monarchie im Felde stehenden Preußen übernommen hatte, und durch die Leistungen seiner Truppen den altpreußischen Soldatenruf dem Feinde und der Welt gegenüber her. Wenn er in seinen Maßregeln durch seine Unterstellung unter das russische Commando vielfach behindert wurde, so hatte er dagegen bei Entwerfung und Ausführung seiner Pläne in Scharnhorst einen trefflichen Gehülfen. Durch die rückgängigen Bewegungen des General en chef Bennigsen zum Aufgeben der Weichsellinie gezwungen, wurde er im December durch die Gefechte von Biezun (23.) und von Soldau und Mlawa (25.) genöthigt, sich hinter der Seenlinie von Angerburg zu sichern. Bennigsen's am 18. Januar 1807 begonnener Versuch einer Offensive und Napoleons Gegenmaßregeln führten für L'Estocq's kleine Truppe (5—6000. Mann) bald den Befehl herbei, sich mit der Hauptmacht zu vereinigen. Im Verfolg dieses Auftrages gelang es ihm, sich seinem Gegner, dem Marschall Ney, unter steten Gefechten zu entziehen und mit Aufbietung aller Kräfte rechtzeitig zur Schlacht von Preußisch-Eylau am 8. Februar einzutreffen. Durch sein erfolgreiches Eingreifen gab er dieser die möglichst glückliche Wendung. An den Kämpfen bei Heilsberg und bei Friedland hatte er keinen Antheil (E. v. Höpfner, Krieg von 1807, 2. Aufl. Berlin 1855). Nach Friedensschluß war er Mitglied der Kommission, welche mit den Untersuchungen über das Verhalten der Offiziere während des Krieges beauftragt war, wurde dann Gouverneur von Berlin und verlor diesen Posten wegen Schill's Ausmarsch. In dem auf französisches Andringen, wegen seiner bei dieser Gelegenheit beobachteten Haltung, gegen ihn eingeleiteten gerichtlichen Verfahren wurde er freigesprochen, fungirte während der Befreiungskriege als Gouverneur von Breslau und starb am 1. Januar 1815 zu Berlin.“[4]
Tod
General der Kavallerie a. D. von L’Estocq verstarb am Donnerstag, dem 5. Januar 1815, an Pneumonie und wurde am Sonntag, dem 8. Januar 1815, in den Grüften der Garnisonkirche mit feierlichen Ehren bei Anwesenheit der königlichen Prinzen und der Berliner Generalität beigesetzt (er ruht inzwischen auf dem Friedhof der Berliner Garnisonkirche). Am Dienstag, dem 10. Januar 1815, meldeten die „Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen“:
- „Am 5ten dieses, früh um ein Viertel auf 6 Uhr, endigte eine Lungen-Entzündung das thatenvolle Leben Sr. Exzellenz des Generals der Cavallerie, Ritters des Königl. großen schwarzen und des rothen Adler-, imgleichen des Verdienst-Ordens, auch des Russischen St. Alexander-Newsky und St. Georgen-Ordens zweiter Klasse, Domprobst zu Brandenburg etc. etc., Herrn Anton Wilhelm von L’Estocq, im 77sten Jahre seines Alters.“
Familie
1775 heiratete Anton Wilhelm von L’Estocq in Wredenhagen seine Verlobte Hedwig Gottliebe Maria von Brandt (1752–1776). Aus der Ehe ist eine Tochter entsprossen, aber wie schon seine Mutter ist auch seine Ehefrau am 22. September, acht Tage nach der Geburt, im Kindbett verstorben:
- Albertine von L'Estocq ( 14. September 1776; 4. Mai 1861), Hofdame der Prinzessin Friederike Wilhelmine Luise zu Solms-Baruth (1755–1832) und Stiftsdame zu Heiligengrabe
Am 16. Juni 1780 heiratete der Witwer in Möllenbeck Franziska Friederike von Koppelow (1759–1856). Aus dieser Ehe sind sechs Kinder (drei Söhne und drei Töchter) entsprossen, darunter:
- Friedrich Joachim Bernhard Magnus ( 1. April 1781; 17. April 1810), preußischer Husarenoffizier
- Emilie ( 17. April 1782; 27. März 1807), Stiftsdame von Drübeck
- Johann „Hans“ Wilhelm ( 13. Dezember 1784; 1. September 1856), Rittmeister
- Ludwig Emil Karl Georg[5] ( 8. März 1788; 22. Oktober 1864), Oberst und Mecklenburg-Strelitz'scher Hofmarschal[6]
- ⚭ 1817 Charlotte von Wülknitz ( 29. Mai 1796; 27. März 1834), Eltern von Anton Wilhelm Karl von L’Estocq (1823–1913), zuletzt Generalleutnant sowie Ritter des Ordens Pour le Mérite
- ⚭ 1837 Eveline von Matuschka ( 22. Januar 1818; 15. Oktober 1900), Schwester von Hugo Graf von Matuschka-Greiffenclau[7]
- Luise ( 7. November 1798; 15. Juni 1879), Stiftsdame zu Heiligengrabe
Auszeichnungen und Ehrungen (Auszug)
- Pour le Mérite am 19. Februar 1761 (583. Verleihung) als Kornett (Sekondeleutnant) im Regiment der Zieten-Husaren für das Gefecht bei Langensalza
- Schwarzer-Adler-Orden im Mai 1807 als Generalleutnant für die Schlacht bei Preußisch Eylau
- Roter Adlerorden (zu diesem Zeitpunkt gab es nur eine Klasse)
- 1810 in I. Klasse umbenannt
- Eisernes Kreuz (1813), II. Klasse am weißen Bande
- Russischer Orden des Heiligen Georg, II. Klasse
- Alexander-Newski-Orden
- Kriegsdenkmünze für die Befreiungskriege (Preußen), 1814
Ehrungen
- Domprobst zu Brandenburg/Havel
- Mitglied der Immediatkommission zur Untersuchung der Kapitulationen
Fußnoten
- Geboren 1738
- Gestorben 1815
- Person im Siebenjährigen Krieg
- Person in den Koalitionskriegen (Preußen)
- Deutscher General der Kavallerie
- General der Kavallerie (Königreich Preußen)
- Träger des Schwarzen Adlerordens
- Träger des Pour le Mérite (Militärorden)
- Träger des Roten Adlerordens 1. Klasse
- Träger des Großkreuzes des Eisernen Kreuzes