Chodorkowski, Michail

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Michail Borissowitsch Chodorkowski

Michail Borissowitsch Chodorkowski (russisch Михаил Борисович Ходорковский, wiss. Transliteration Michail Borisovič Chodorkovskij; geb. 26. Juni 1963 inMoskau) ist ein jüdischer Wirtschaftsverbrecher aus Rußland und ehemaliger Vorstandsvorsitzender des inzwischen zerstückelten Ölkonzerns Jukos (YUKOS). Mit Wirkung vom 20. Dezember 2013 wurde der Häftling Chodorkowski vom Präsidenten Rußlands, Wladimir Putin, begnadigt und flog an diesem Tag in die BRD aus.[1]

Werdegang

Michail Chodorkowski ist einer der Hauptprofiteure des Wildwest-Kapitalismus in den 1990er Jahren. Der Oligarch wurde am 25. Oktober 2003 verhaftet und am 16. Mai 2005 wegen Steuerhinterziehung und planmäßigen Betrugs (er soll 350 Millionen Tonnen Öl gestohlen[2] und die Erlöse reingewaschen haben[3]) zunächst zu neun, in einem Revisionsverfahren dann zu acht Jahren Haft verurteilt, die er ab Oktober 2005 im Gefängnis von Krasnokamensk (bei Tschita nahe der chinesischen Grenze) verbüßte. Jukos gehörte zu den größten nicht-staatlichen Konzernen weltweit. Nach Chodorkowskis Festnahme geriet Jukos in finanzielle Nöte und wurde zerschlagen.

Herkunft

Michail Borisowitsch Chodorkowskij wurde am 26. Juni 1963 in Moskau geboren. Sein Vater Boris Moiseewitsch Chodorkowskij und dessen Frau Marina Filippowna arbeiteten als Konstrukteur bzw. Ingenieurin in der Moskauer Meßinstrumentefabrik „Kalibr“.[4]

Ausbildung

1986 beendete Chodorkowski seine Hochschulausbildung als Chemiker am Moskauer chemisch-technischen Institut (Mendelejew-Institut). 1988 schloß er eine weitere Ausbildung am Moskauer Plechanow-Institut für Volkswirtschaft ab.

Aktivitäten

Wegen seiner jüdischen Herkunft fand Michail Chodorkowski in der von ihm favorisierten Rüstungsbranche keine Arbeit. Seine Wirtschaftskarriere begann er in einer Zeit der politischen und wirtschaftlichen Öffnung der damaligen Sowjetunion, die schließlich im Zerfall der UdSSR und in einer Phase der schnellen, turbulent-chaotischen Privatisierung gipfelte. In der Endphase des Kommunismus war Chodorkowski zunächst Funktionär in der kommunistischen Jugendorganisation Komsomol gewesen, der Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow erste kapitalistische Experimente erlaubte. Chodorkowski war zeitweise mit dem Import von Rechnern, aber auch mit anderen Geschäften befaßt. 1987 gründete er mit einer Gruppe Gleichgesinnter das „Zentrum für wissenschaftlich-technische Kreativität der Jugend“ (NTTM), eine private Firma, die u. a. wissenschaftliche Entwicklungen für Betriebe (vor allem im Verteidigungsbereich) durchführte. Später wurde die Firma in „Zentrum für branchenübergreifende wissenschaftlich-technische Programme“ (MENATEP) umbenannt. 1988 gehörte er zu den Gründern einer der ersten Privatbanken Rußlands, der MENATEP-Bank, und übernahm deren Leitung. MENATEP verwaltete u. a. staatliche Einlagen aus dem Fonds für „Tschernobyl“-Opfer und Budget-Gelder der Stadt Moskau.

Aufstieg vom kommunistischen Funktionär zum Multimilliardär

Chordorkowski war einer der Hauptprofiteure des Wildwest-Kapitalismus der 1990er Jahre in Jelzins Rußland. Im Jahre 2003 verhandelte Chodorkowski auch über das potentiell größte Geschäft der russichen Geschichte. Exxon, der größte Ölkonzern der Welt, sollte 40 % an Yukos Oil übernehmen.[5]

Der Komsomolsekretär auf geschäftlichen Wegen

Der Aufstieg von Chodorkowski beruhte auf einem speziellen Privileg, das der kommunistischen Jugendorganisation KOMSOMOL zu Beginn der Perestroika gewährt wurde. Als einzige Organisation durfte Komosomol Transferrubel in Bargeld umtauschen und konnte damit Riesenprofite[6] erzielen.

Als stellvertretender Komsomolführer seiner Universität erkannte Chodorkowski schnell die sich bietende Möglichkeit und gründete einen sog. „Wissenschaftliches Technikzentrum“ (LINK), das Firmen technische Hilfe und Forschungen anbot. So bekam er u. a. einen lukrativen Auftrag vom sehr reichen und führenden „Institut of High Temperatures“ (Präs.: Alexander Sheindlin).

Die Dienstleistungen wurden von den Instituten mit relativ wertlosen „Transferrubeln“[7] bezahlt, die Chodorkowski dann in Bar-Rubel, die de-facto zehnmal mehr wert waren, umwandeln konnte. Die Gewinne gingen an die Wissenschaftler, an das Institut, an den Komsomol und an Chodorkowski.

Zahlreiche junge Wissenschaftler kamen zu Chodorkowski, um über seine Kanäle Dienste anzubieten und viel Geld zu erhalten. Alle beteiligten Seiten profitierten vom Austausch der Geldarten. Diese Vorgehensweise war jedoch nur möglich durch sehr gute politische Kontakte.[5]

Sehr profitable Import-/Exportgeschäfte

Chodorkovski ging noch einen Schritt weiter: Er sammelte alle verfügbaren virtuellen Gelder, um sie später umzuwandeln. Er fand Exportfirmen, die die virtuellen Gelder in Auslandswährungen eintauschten. Chodorkowski kaufte im Fernen Osten große Mengen Holz auf und bot den Firmen höhere virtuelle Beträge als die offiziellen Raten. Danach konnte er das Holz für Devisen exportieren.

Mit einigen Gefolgsleuten und Kommilitonen gründete er die MENATEP-Handelsgesellschaft, die mit sehr großem Erfolg die Nischen der Sowjetunion nutzte und mit Gütern aller Art handelte und profitable Arbitragegeschäfte tätigte. Besonders lukrativ war der Handel mit Rechnern: Er kaufte mit Devisen Rechner im Ausland und verkaufte sie über seine Kooperative an Institute für virtuelle Rubel. Danach wandelte er die Gelder in echte Rubel um.[5]

Der Bankier Chodorkowski

1990 nutzte Chodorkowski seine Handelsgewinne zur Gründung der Menatep-Bank. Sein schneller Aufstieg ist zu einem großen Teil auch auf die Gelder zurückzuführen, die die kommunistische Jugendorganisation Komsomol, die kommunistische Partei und staatliche Stellen ihm zur Verfügung stellten. So half zum Beispiel die staatliche Zhiltsotsbank Chodorkowski bei der Gründung seiner Bank und gab ihm auch großzügige Kredite für seinen Rechnerhandel.

Der Zusammenbruch der Sowjetunion zeichnete sich ab und die staatlichen Organisationen suchten nach Wegen, ihre Gelder zu sichern. Von Anfang an besetzte Chodorkowski den Aufsichtsrat mit einflußreichen Personen und baute auf allen Ebenen ein enges Beziehungsnetz zu staatlichen Behörden auf.

Dies sollte sich schnell auszahlen. Als authorisierte Bank für zahlreiche Regionalregierungen und die Stadt Moskau wickelte Menatep alle Banktransaktionen für diese Stellen ab, samt Verfügung über alle Depositen. Der größte Coup war jedoch die Verwaltung von 600 Millionen Fed-Dollar des Finanzministeriums, Gelder, mit denen Chodorkowski spekulieren konnte. Durch verzögerte Weiterleitung der Gelder ergaben sich durch Währungsspekulationen große Gewinne.[5]

Mit einem großen Werbefeldzug wandelte er seine Mentep-Bank schon Ende 1990 in eine AG um und entwickelte sich damit zum Pionier des Finanzwesens. Das Öffentlichkeitsbild erschien im Ausland dennoch lange Zeit sehr trübe. Ein CIA-Report von 1995 bezeichnete die Menatep-Bank als eine der korruptesten der Welt, mit engen Verbindungen zur Organisierten Kriminalität. Für VS-Banken waren geschäftliche Kontakte mit der Bank untersagt.

Im Zuge der Gutschein-Privatisierung[8] konnten Chodorkowski und seine Partner sich über die ROSPROM-Holding Anteile an zahlreichen ehemaligen Staatsfirmen aus den Sektoren Chemie, Bau, Textil, Metalle und Öl sichern. 1996 startete Chodorkowski vergeblich den ersten feindlicher Übernahmeversuch in Rußland. Sein Ziel war der größte Süßwarenproduzent „Roter Oktober“.[5]

Yukos Öl: Das (Räuber-)Geschäft seines Lebens

Michail Chodorkowskis große Stunde schlug 1995 mit dem berüchtigten Programm „Aktien gegen Kredit“.[9] Als Berater von Ölminister Wladimir Lopukhin (unter Gaidar) hatte er einen sehr wertvollen Einblick in die Strukturen der Ölindustrie erhalten und nahm bei der Privatisierung die Ölgesellschaft Yukos ins Visier.

Im Dezember 1995 kaufte seine Menatep-Handelsgesellschaft im Rahmen der Auktion von Yukos einen 45%igen Anteil für lächerliche 159 Mio VS-$, nachdem die Konkurrenten wegen technischer Fehler im Angebot nicht zugelassen wurden. Yukos saß zu diesem Zeitpunkt zwar auf einem 1,6 Milliarden großen VS-$-Schuldenberg, doch unter diesem Berg lagen die größten Erdölserven Rußlands.[5]

Weitere 33 % erwarb Menatep direkt von der Regierung. Das Pikante: Die Bank, die die Auktion durchführte und den Zuschlag für Chodorkowski erteilte, war die Menatep-Bank, Besitzer: Michail Chodorkowski.

Das Besondere an diesem Geschäft war, daß Chodorkowski schon vor der Auktion sehr gute Kontakte zum amtierenden Yukos-Präsidenten Murawlenko aufgebaut hatte, der ihm für den Kauf von Yukos-Aktien sogar Kredit von Yukos gab. Mit anderen Worten: Chodorkowski kaufte den Yukos-Konzern mit Yukos-Geldern und mit Geldern des Finanzministeriums, deren Depositen seine Bank verwaltete.[5]

Schmierige Geschäfte

Der Kern von Yukos waren die Produktionsgesellschaften Yuganskneftegaz (ab 1994 an der Börse) und später Samaraneftegaz. Diese Produktionsfirmen verkauften ihre Produktion zu sehr niedrigen russischen Preisen an Vertriebsgesellschaften von Yukos, die dann zu Weltmarktpreisen verkauften und die Gewinne ins Ausland transferierten. Wie bei vielen anderen Konzernen flossen die Gewinne aus den Kassen von Yukos auf ausländische Konten von Firmen, die die Yukos-Manager privat kontrollierten.

Als der VS-amerikanische Milliardär Kenneth Dart mit 10 % an der Produktionsgesellschaft Yuganskneftegaz einstieg und Rechte einforderte, trickste Chodorkowski ihn mit sehr zweifelhaften Methoden aus. Durch Ausgabe neuer Aktien, die nur von speziellen Offshore-Firmen der Yukos-Manager gekauft werden konnten, holte sich Yukos die fehlende Mehrheit zurück und transferierte dann die Werte des Konzerns auf Holdings im Ausland. Die Aktien des VS-Investors waren nahezu wertlos.

Erst nach langjährigen Prozessen einigten sich beide Seite außergerichtlich. Auch der VS-Ölkonzern Amoco war machtlos, als Yukos einen unterzeichneten Vertrag einfach nicht erfüllte und vor russischen Gerichten erfolglos blieb.[5]

Freunde an den richtigen Plätzen

Chodorkowski suchte früh die Kontakte zum aufsteigenden Jelzin und 1990 wurde er der führende Wirtschaftsberater des langjährigen Premierministers Tschernomyrdin.

Die Menatep-Bank war eng verbunden mit solch illustren Namen wie Oleg Soskovets (Vize- Premier), Aleksander Korschakow (enger Vertrauter Jelzins), Yuri Schafranik (ehemaliger Öl- und Gasminister) und Dubinin (Zentralbankchef).

Für Yukos waren die Energieminister und Gouerneure in ölreichen Regionen von großer Bedeutung.

Der „Rote Direktor“ Leonid Filimonow, 1987 bis 1991 Energieminister, wechselte 1999 zum Yukos-Konzern und stieg zum 1. Vizepräsidenten auf.

Yukos-Vizepräsident Sergej Generalow amtierte 1998/99 als Energieminister.

Der langjährige Menatep- und Yukos-Mann Boris Solotarjow ließ sich 2001 zum Gouverneur der Autonomen Region Evenk wählen, eine wichtige Ölregion, in der Yukos tätig war.

In der Ölregion Samara wurde der Präsident der Ölproduktionsfirmen von Yukos, Viktor Kazakow, 2000 zum Vize-Gouverneur gewählt.

Die Kontakte zu den Sicherheitskräften wurden durch den ehemaligen russischen KGB-Chef Iwanow abgedeckt, der 1998 als 1. Vizepräsident von Yukos antrat und zu den Kommunisten durch den alten YUKOS-Chef und Roten Direktor Sergei Murawlenko. Auch nach der Privatisierung blieb er bis 1996 Konzernchef und er hält bis heute Anteile am Yukos-Konzern (Ende 2004: 0,4 % Anteil). Interessanterweise sitzt Murawlenko für die Kommunisten im Parlament.[5]

Die russische Krise 1998

1997/98 brach der russische Markt zusammen und der Rubel sank ins Bodenlose. Zahlreiche große Banken mußten daraufhin Konkurs anmelden oder suchten Staatsunterstützung. Chodorkowskis Menatep-Bank konnte einen Kredit in Höhe von 236 Mio VS-$ bei ausländischen Banken nicht begleichen. Als Absicherung für den Kredit diente ein 30-%-Anteil an Yukos.

Doch Chodorkowski hatte die wichtigsten Werte schon vorher in Sicherheit gebracht, sehr zum Nachteil der Gläubiger und Anleger. Er entzog die Produktionsstätten und die Vertriebsfirmen durch ein kompliziertes Firmengeflecht der ursprünglichen YUKOS AG, so daß die eigentlichen Werte von Offshore-Firmen kontrolliert wurden. Die eigentliche Yukos AG, die als Absicherung diente, war nur mehr eine Hülle.

Yukos setzte alle Hebel in Bewegung, um die folgenden Ermittlungen erfolgreich zu verhindern. Die ausländischen Banken schrieben die Hälfte der Kredite ab und warfen ihre Yukos-Aktien zu niedrigen Preisen auf den Markt, wo sie im Stillen von einer Investorengruppe aufgekauft wurden: Menatep und Chodorkowski.[5]

Vom Saulus zum Paulus

Das Öffentlichkeitsbild von Chodorkowski litt zunehmend unter seinen dubiosen Methoden. Er orientierte sich zunehmend an seinem amerikanischen Vorbild John D. Rockefeller, der Anfang des Jahrhunderts ähnlich beleumundet war. Wie Rockefeller zog er Public-Relations-Manager zu Rate und engagierte sich in großem Stil im wohltätigen Bereich.

Chodorkowski spendete Millionen VS-$ für Museen, Hospitäler, Universitäten und für seine „Open Russian Foundation“. Er ließ nun auch seine Bilanzen nach westlichen Maßstäben prüfen und unterwarf sich freiwillig allen Regeln westlicher Aktiengesellschaften. Dadurch gewann er auch wieder das Vertrauen der Investoren und Anleger. Das Ergebnis: ein rasanter Vermögenszuwachs und Anerkennung in den westlichen Welt.

Yukos verfügte über riesige Erdölvorräte und fuhr seit Jahren Milliardengewinne ein. Nur mit den Steuern nahm es Yukos nicht so genau. Dies sollte sich rächen.[5]

Der Absturz des Gipfelstürmers

Wladimir Putin hatte bei seinem Amtsantritt ein Abkommen mit den führenden Oligarchen ausgehandelt: keine strafrechtliche Verfolgung der vorher begangenen Sünden, wenn sie sich aus der Politik heraushalten. Die jüdischen Oligarchen Boris Abramowitsch Beresowski und Wladimir Alexandrowitsch Gussinski hatten ihren großen Medienkonzernen große Freiräume für solche Kritik genehmigt und mußten aus Rußland fliehen.

2003 mehrten sich die Anzeichen, daß Chodorkowski sich selbst als fähigen Nachfolger von Putin sah. Er unterstützte auch freigiebig liberale Parteien, die in Opposition zu Putin standen und plädierte vehement für die Aufhebung von westlichen Investitionsbeschränkungen. Gegen den Willen der OPEC und zum Wohlwollen der VSA hatte Yukos die Ölproduktion 2002 erhöht, um den Weltmarktpreis für Öl abzusenken.

Im Jahre 2003 verhandelte Chodorkowski auch über das potentiell größte Handeslabkommen der russischen Geschichte. Exxon, der größte Ölkonzern der Welt, sollte 40 % an Yukos Oil übernehmen, ein Schritt, der für das autoritäre Regime von Putin nicht hinnehmbar gewesen wäre: Ein VS-amerikanischer Konzern kontrolliert den Großteil des russischen Erdöls, des wichtigsten Devisenbringers.

Michail Chodorkowski im Käfig vor einem Moskauer Gericht. 17. Mai 2005

Damit war Chodorkowski einen Schritt zu weit gegangen. Der Putin-Staat schlug mit aller Härte zurück: Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen zahlreiche Firmen des Konzern und verhaftete die Firmenführung, soweit sie verfügbar war.

Die schon zu 90 % ausgehandelte Fusion von Yukos mit dem Konkurrenten Sibneft des jüdischen Oligarchen Roman Abramowitsch wurde auf politischen Druck Ende November 2003 abgeblasen. Der Druck auf die Yukos-Manager und den Konzern wurden wöchentlich erhöht.

Nach weiteren Verhaftungen erhob der Staat ständig neue Steuernachzahlungen, addiert zu einer Forderung von 20 Milliarden VS-$. Yukos wurden jede Möglichkeit genommen, die Steuern durch Firmenverkäufe zu begleichen. Schließlich wurde die profitabelste Ölförderfirma des Konzerns, Yugansneftegaz, vom Staat beschlagnahmt und im Dezember 2004 zu einer Auktion freigegeben.

Den Zuschlag erhielt zur Überraschung aller nicht der favorisierte staatliche Gazprom-Konzern. Gazprom zog sein Angebot zugunsten der völlig unbekannten Strohmann-Firma Baikalfinansgrup zurück. Der Kaufpreis war mit dem Startangebot identisch: 9,37 Milliarden $, ein Bruchteil des wahren Firmenwertes. Nur wenige Tage später übernahm der staatliche Ölkonzern Rosneft die obskure Firma. Der starke Mann bei Rosneft, Sergej Bogdantschikow, ist ein enger Vertrauter von Putin und gilt als Hintermann der Kampagne gegen Yukos.

Vermeintlich eine Überraschung, doch beim Blick hinter die Kulissen zeigt sich wieder der Gazpromkonzern. Die Auktionsfarce konnte die Eingentumsverhältnisse nur kurz verdecken. Hintergrund: Schon im Herbst 2004 verkündeten die beiden Konzerne Gazprom und Rosneft eine Fusion ihrer Ölinteressen zu Beginn des Jahres 2005 unter dem Dach von Gazprom.

Im Verlaufe dieser „Auktion“ zeigten sich jedoch Risse im Regierungslager. Kreml-Berater Andrej Illarionow bezeichnete sie als „Schwindel des Jahres” und verlor daraufhin seine wichtigsten Posten. Nur noch Wirtschaftsminister German Gref, einer der letzten Wirtschaftsliberalen in hohen Posten, warnte weiterhin vor einer erneuten Verstaatlichung des Energiesektors.

Doch die Yukos-Affäre war noch nicht beendet. Die alten Yukos-Aktionäre verklagten weltweit alle Firmen, Banken und staatliche Stellen, die sich an dem Geschäft beteiligten, auf einen zweistelligen Milliarden-$-Betrag. Dazu zählten u. a. auch Interessenten aus China und Indien.

Anfang Juni 2005 wurden Chodorkowski und Lebedev jeweils zu 9 Jahren Haft verurteilt. Der Sicherheitschef von Yukos, Alexei Pichugin, war zuvor zu einer Haftstrafe von 20 Jahren veruteilt worden. Zusammen mit dem flüchtigen Yukos-Hauptaktionär Newslin soll er der Anstifter für den Mord an einem populären Bürgermeister von Nefteyugansk, der 1998 nach einer Anti-Yukos Kampagne ermordet wurde, sein. Der Ort ist eine der großen Produktionsstätten von Yukos.[5]

Im September wurde die Haftstrafe von Chodorkowski und Lebedev um ein Jahr auf 8 Jahre verkürzt. Chodorkowski wollte sich der Haftstrafe durch eine Kandidatur für die Parlamentswahlen entziehen. Durch eine schnelle Abwicklung des Revisionsverfahrens verhinderten dies die staatlichen Stellen, und im Oktober wurden die beiden prominenten Häftlinge in Arbeitslager im hintersten Sibirien deportiert, 6.000 km von Moskau entfernt nahe der chinesischen Grenze.

Yukos produzierte trotz widriger Umstände weiterhin Öl, und der Staat versucht weiterhin Verkäufe von Tochterfirmen und Vermögenswerten durch das Yukos-Management zu verhindern. So wurde auf litauische Stellen eingewirkt, um den Verkauf von dortigen Vermögenswerten zu unterbinden. Im Juli 2005 erwirkte der Rosneft-Ölkonzern, der die wichtigste Yukos-Tochtergesellschaft Yukosneftegaz bei der Auktion Ende 2004 erworben hatte, die Beschlagnahmung eines Anteils von 20 % am Sibneft-Ölkonzern, der Yukos gehört.

Die eigentlichen Hintergründe des Yukos-Falles wurden nun immer sichtbarer. Putin wollte wichtige Teile der Öl- und Gaswirtschaft, die bei der Privatisierung für einen Spottpreis verschleudert worden waren, wieder unter staatliche Kontrolle bringen und mit Gazprom einen entsprechenden Konzern schaffen, der international den großen Ölmultis Paroli bieten kann.[5]

Putins problematisches selektives Vorgehen

Die zur Last gelegten Steuertricks sind nach Expertenansicht in der gesamten Ölbranche üblich. Es ist durchaus legitim, daß der Staat an den Milliardengewinnen der Ölkonzerne adäquat teilhaben möchte und die hinterzogenen Steuern eintreiben möchte. Unter diesem Aspekt ist das Verhalten Wladimir Putins nachvollziehbar. Putin stellt sein Vorgehen demnach auch als ein Durchsetzen der Rechtsstaatlichkeit dar.

Problematisch wird es jedoch durch die Tatsache, daß diese Steuerforderungen nicht gegenüber allen anderen großen Ölkonzernen erhoben werden. Auch in anderen Branchen wurden in großem Stile diese Tricks angewandt. Das politisch motivierte Vorgehen gegen einen unliebsamen jüdischen Oligarchen, der sich anschickt, in die Politik zu gehen, gibt der ganzen Yukos-Affäre einen gewissen Beigeschmack.

Putin kann jederzeit selektiv gegen alle Oligarchen vorgehen, da alle ihre „Leichen im Keller“ haben. Damit hat er schon den Großteil der Medienlandschaft auf regierungsfreundlichen Kurs getrimmt. Die Oligarchen haben ihre Lektion gelernt: Das Einmischen in politische Angelegenheit kann gefährlich werden. Und: Plötzlich zahlen alle großen Konzerne wieder ihre Steuern.[5]

Chodorkowski rief inzwischen zur Revolution in Rußland gegen Putin auf.[10] Die Lage wird so eingeschätzt, daß Chodorkowski anstelle Putins in Rußland als westliche Marionette eingesetzt werden soll.[11]

Alexander Dugin kritisierte Putins selektives Vorgehen:

„Das ist wieder ein Kritikpunkt an Putin: Die Oligarchen, die ihm gegenüber loyal sind, sind auf freiem Fuß.“[12]

Chodorkowski sprach sich für eine gewaltsame Entfernung Putins aus und betrachtet als Vorbild dafür die Entwicklung während der Ukraine-Krise.[13]

Auszeichnungen

  • Januar 2010: Michail Chodorkowski erhielt den „Globus“-Literaturpreis der russischen Zeitschrift „Snamja“. Mit der Auszeichnung wurde der Briefwechsel zwischen dem inhaftierten Chodorkowski und der Schriftstellerin Ljudmila Ulitzkaja gewürdigt, der in der Zeitschrift erschien. In deutscher Übersetzung erschien die Korrespondenz in der Zeitschrift „Osteuropa“ (1/2010).
  • Dezember 2010: Rainer-Hildebrandt-Medaille (Menschenrechtspreis), in Abwesenheit

Familie

Michail Chodorkowski ist in zweiter Ehe mit Inna Walentinowna verheiratet und hat vier Kinder. Er sammelt Tagebücher und Notizbücher. Freizeitbeschäftigung ist u. a. Karate. Mit einem Vermögen von geschätzten 15 Milliarden VS-Dollar war Chodorkowski 2003 vor seiner Verhaftung der reichste Mann Rußlands. Sein Vermögen wurde 2004 noch auf 15,2 Milliarden VS-Dollar geschätzt.[23]

Galerie

Filmbeiträge

Chodorkowski – Superstar der Hochfinanz
Wer ist Chodorkowski?

Verweise

Fußnoten

  1. WDR, 23. Dezember 2013: Die Ausreise Chodorkowski nach Berlin war nach Aussage des Mendener Unternehmers Ulrich Bettermann eine „geheime Kommandosache“. Er sagte am 23. Dezember 2013, der mit ihm befreundete Ex-Außenminister Genscher (FDP) habe ihn schon im Frühjahr auf diese Situation vorbereitet. Als Genscher ihn über Chodorkowskis bevorstehende Haftentlassung informiert habe, habe er sofort einen Firmenjet geschickt. Die Flugkosten von knapp 13.000 Euro werde er Chodorkowski nicht in Rechnung stellen, sagte Bettermann.
  2. Euronews, 18. Mai 2010: Ölmagnat im Hungerstreik
  3. RIA Novosti, 29. Dezember 2010
  4. Internationales Biographisches Archiv 11/2006
  5. 5,00 5,01 5,02 5,03 5,04 5,05 5,06 5,07 5,08 5,09 5,10 5,11 5,12 5,13 Russisch Monopoly: Wie entstanden Rußlands große Vermögen? Michail Chodorkowski, netstudien.de
  6. Russisch Monopoly: Wie entstanden Rußlands große Vermögen? Die KOMSOMOL-Jugendorgansation als kapitalistische Keimzelle, netstudien.de
  7. Monopoly: Wie entstanden Rußlands große Vermögen? Technologiezentren mit der „Lizenz zum Gelddrucken“, netstudien.de
  8. Russisch Monopoly: Wie entstanden Rußlands große Vermögen? Die Volksprivatisierung mit Anteilsscheinenen (Vouchers), netstudien.de
  9. Russisch Monopoly: Wie entstanden Rußlands große Vermögen? 2. Phase: Aktien-für-Kredite oder „Wie bekommt man Staatskonzerne zu Spottpreisen?“ , netstudien.de
  10. Chodorkowksi wieder im Visier: Gab der Ex-Oligarch einen Mord in Auftrag?, Zuerst!, 11. Dezember 2015
  11. Chodorkowski soll Putin herausfordern: Der Westen arbeitet an der nächsten Marionette, Zuerst!, 15. Oktober 2014
  12. „Putin steht für Souveränität“ – Interview mit Alexandr Dugin, Bilderberger.ch, 14. September 2014
  13. Putins Erzfeind Chodorkowski plant Russlands Zukunft, Compact, 13. Juli 2016
  14. Chronik und Analyse der Jukos-Affaire auch in „Russlandanalysen“ der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen (insb. Nr. 34 vom 9. Juli 2004)
  15. Energiewirtschaft Russlands 23. August 2008
  16. Chodorkowski rechnet im Hungerstreik mit Putin ab 07.02.2008
  17. Russischer Öl-Magnat bleibt in Haft 22.08.2008
  18. EuroNews 2005
  19. Justiz: Acht Jahre Sibirien nicht genug, euronews.net, 24. Februar 2009
  20. Deutschlandradio Kultur, 1. November 2010: Westerwelle: „Ernsthafte Besorgnis über Umstände des Chodorkowski-Verfahrens“
  21. vgl. altermedia: Sechs Jahre Haft für jüdischen Finanzoligarchen in Rußland (31.12.10)
  22. euronews, 30. Dezember 2010: „Chodorkowski wurde vorgeworfen, als Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos Öl im Wert von rund 22,5 Milliarden Euro gestohlen zu haben, – gemeinsam mit seinem ehemaligen Geschäftspartner Platon Lebedew, der dasselbe Strafmaß erhielt.“
  23. 20min.ch, 22. August 2008: Keine Gnade für Chodorkowski