SS-Jagdverbände
Die SS-Jagdverbände waren die Sonderverbände der Waffen-SS ab Oktober/November 1944. Sie unterstanden dem Oberbefehl des SS-Obersturmbannführers Otto Skorzeny und dem Oberkommando des Reichssicherheitshauptamtes. Diese Einheiten dienten der militärische Aufklärung sowie Sabotage- und Geheimaktionen. Sie wurden im Herbst 1944 aus dem ehemaligen SS-Jäger-Bataillon 502 (→ SS-Sonderverband z. b. V. „Friedenthal“), der Sonder-Einsatzabteilung z. b. V. und Einheiten der Division „Brandenburg“ der Wehrmacht gebildet. Oft waren auch Truppenteile des SS-Fallschirmjäger-Bataillons 500/600 enthalten. Die Überlebenden der SS-Jagdverbände zogen sich im Mai 1945 mit Skorzeny in die Alpenfestung zurück und bereiteten sich für den kämpfenden Untergang vor.
Inhaltsverzeichnis
Aufstellungsbefehl
SS-Führungshauptamt, Amt II Org.Abt. Ia/II, Tgb.Nr. 3473/44 g.Kdos. [geheime Kommandosache] v. 4.10.1944. Betr.: SS-Jagdverbände
- 1.) Gemäß Verfügung OKH/GenStdH/Org.Abt. I/19280/44 g.Kdos. v. 13.9.1944 werden folgende im Sonderkampf ausgebildete Einheiten der Div. „Brandenburg“ mit Wirkung vom 1.10.1944 personell mit Sonderausstattung an Waffen, Gerät, Bekleidung und ihrem Abwehrhaushalt in die Waffen-SS übernommen:
- - Verbindungsstab West mit Streifkorps Südfrankreich, Nordfrankreich, Belgien
- - Streifkorps Einsatzgruppe Italien
- - Streifkorps Kroatien (Wehrwirtschaftsstab 85)[1]
- - Streifkorps Rumänien, Siebenbürgen
- - Streifkorps Einsatzgruppe Slowakei
- - Streifkorps Einsatzgruppe Baltikum
- 2.) Aus den zu übernehmenden Einheiten sowie aus SS-Jäg.Btl. 502 und der Sonder-Einsatzabt. z. b. V. werden die SS-Jagdverbände gebildet und nach Anlg. 1 und 2 gegliedert und ausgerüstet. Die unter 1.) angeführten Einheiten gelten als aufgelöst.
- 3.) Die SS-Jagdverbände werden einsatzmäßig dem Reichssicherheitshauptamt, truppendienstlich dem SS-FHA unterstellt.
- 4.) K.St.N. (SS) werden nach Genehmigung durch SS-FHA Amt II Org.Abt. Ia/II zugesandt. Nach Genehmigung der K.St.N. (SS) ist entsprechend eine K.A.N. (SS) auszuarbeiten und dem SS FHA Org.Abt. einzureichen.
- 5.) Verantwortlich für die Durchführung der Gliederung der SS-Jagdverbände ist SS-Obersturmbannführer Skorzeny.
- gez. J ü t t n e r
Gliederung
Die Einteilung der SS-Jagdverbände basierte größtenteils auf einer Konzeption für den „Sonderkampf“ des Kommandeurs der Division „Brandenburg“ Generalleutnant Friedrich Kühlwein als Vorschlag an das OKW/Wehrmachtsführungsstab. Der talentierte Stratege schlug vor, neben den Jägerregimentern und Spezialabteilungen sogenannte stationäre landeseigene „Streifkorps“ („Gegenbanden“ nach Arthur Ehrhardt) für „Schnelleinsätze“ und Partisanenkampf aufzustellen, die aus Kampfdolmetschern und freiwilligen Einheimischen bestehen und als „Kommando-Züge“ (Jagdkommandos) autarke Kleinkrieg-Einsätze durchführen sollten. Kühlwein fügte in seinem Schreiben hinzu: „Man muß den Teufel mit dem Beelzebub austreiben.“ Das Konzept wurde sogleich von der Spezialeinheit aufgegriffen und umgesetzt, die SS-Jagdverbände bedienten sich Monate später dieser bewährten Taktik.
Die SS-Sonderverbände in Bataillonsstärke waren jeweils in eine Stabskompanie sowie mehrere Kampfkompanien, genannt „Jagdeinsatz“, unterteilt. Mancher Jagdeinsatz war nochmals in Schwadronen, die meisten Jagdeinsätze jedoch in zwei bis sechs Jagdkommandos (Zugstärke) von 6 bis 16 Männern unterteilt. Skorzenys Jagdverbände verfügten über mehrere Kampfschulen (u. a. übernahmen sie die Abwehrkampfschule „Quenzgut“) zur Ausbildung und Kommandovorbereitung.
SS-Jagdverbände sind nicht mit den allgemeinen Jagdkommandos des Zweiten Weltkrieges gleichzusetzen. Jagdkommandos wurden von Wehrmacht, Abwehr,[2] Waffen-SS, Ordnungspolizei, SS und SD aufgestellt, um kriminelle Banden und sonstige terroristische Partisanen zu bekämpfen.[3]
Stabsstellen
Auflistung der Stabsstellen der SS-Jagdverbände:
- Kdr.: SS-Ostubaf. Otto Skorzeny
- Adju.: SS-Hstuf. Karl Radl
- Chef d. Stabes und Stellvertreter Skorzenys: SS-Hstuf. Adrian Baron von Fölkersam (1944)
- vertretungsweise Werner Hunke, danach Oberstleutnant (SS-Obersturmbannführer/SS-Standartenführer) Wilhelm Walther (ab März 1945); Inspekteur der Ausbildung (ab März 1945): SS-Hauptsturmführer Walter Girg
- Ia: Hstuf. Werner Hunke
- Ib: Hstuf. Gerhardt
- Ic: Ostuf. Dr. Graf
- IIa: Ostuf. Gallent
- IIb: Hstuf. Weiß
- III: Pinder
- IVa: Hstuf. Urbanek
- IVb: Hstuf. Dr. Wetz
- V: Ostuf. Weber
- VI: SS-Staf. Otto Bayer
Jagdverbände und Verbandführer
Folgend eine Aufstellung der Jagdverbände ab Aufstellung im September 1944. Da jedoch die Sonderverbände der Waffen-SS im geheimen agierten (aus dem Dunkel) und die einzelnen Jagdeinsätze sich auch personell den Begebenheiten vor Ort anpaßten, sind nicht nur Gliederungsdaten, sondern auch die Namen der deutschen und zahlreichen ausländischen Offiziere unsicher, da insbesondere die ehemaligen Brandenburger zahlreiche Tarnnamen und Legenden verwendeten. Ebenfalls war der Blutzoll der Spezialeinheiten sehr hoch, so daß es eine rege Fluktuation in der Befehls- und Führungskette gab:
- SS-Jagdverband „Mitte“ („Mitte“ bestand hauptsächlich aus Kämpfern der Waffen-SS und ausländische Freiwillige)
- SS-Hauptsturmführer Karl Fucker[4] (Sondereinsatzabteilung z. b. V. bzw. SS-Sondereinsatz-Abteilung z. b. V. „Friedenthal“)
- drei SS-Sturmkompanien, eine Schwere-Waffen-Kompanie und vier Kompanien ausländische Freiwillige (darunter Engländer und Iren)
- die 1. Kompanie, die frühere 1. Kompanie/SS-Jäger-Bataillon 502, übernahm SS-Obersturmführer Heinz Manns aus Windhuk (⚔ 27. März 1945)[5]
- eine Scharfschützen-Kompanie unter SS-Untersturmführer Odo Willscher
- drei SS-Sturmkompanien, eine Schwere-Waffen-Kompanie und vier Kompanien ausländische Freiwillige (darunter Engländer und Iren)
- SS-Hauptsturmführer Karl Fucker[4] (Sondereinsatzabteilung z. b. V. bzw. SS-Sondereinsatz-Abteilung z. b. V. „Friedenthal“)
- SS-Jagdverband „Nordwest“ („Nordwest“ bestand aus Brandenburgern sowie Norwegern, Dänen, Holländern, Belgiern und Franzosen)
- Hauptmann Appel (1944)
- SS-Hauptsturmführer Hoyer
- SS-Hauptsturmführer Dethier
- Jagdeinsatz Skandinavien
- Jagdeinsatz Dänemark
- Jagdeinsatz Niederlande
- Jagdeinsatz Belgien
- SS-Jagdverband „Südwest“ („Südwest“ bestand aus Brandenburgern und dem ehem. Streifkorps „Südfrankreich“)
- SS-Hauptsturmführer Gerlach
- SS-Jagdeinsatz Italien
- SS-Jagdeinsatz Nordfrankreich
- SS-Jagdeinsatz Südfrankreich
- SS-Hauptsturmführer Gerlach
- SS-Jagdverband „Südost“ (ehem. Streifkorps „Karpaten“/Verband „Wildschutz“; hauptsächlich Brandenburger, Volksdeutsche und ausländische Freiwillige, z. B. vom Legionär-Lehr-Bataillon des Lehr-Regimentes „Kurfürst“)
- SS-Sturmbannführer Ernst Benesch (ehemaliger Major und Sonderkommandoführer der Brandenburger; Streifkorps „Kroatien“)
- SS-Hauptsturmführer Alexander Auch (ehemaliger Major und Sonderkommandoführer der Brandenburger)
- SS-Hauptsturmführer Steiner, Ia
- SS-Obersturmführer Hilbig, NaFü (Nachrichtenführer)
- Jagdeinsatz Rumänien (SS-Hauptsturmführer Müller, deutscher/SS-Sturmbannführer Toba, Rumäne)
- Jagdeinsatz Albanien
- Jagdeinsatz Serbien-Kroatien (SS-Sturmbannführer Heinz Zimmer, später SS-Obersturmführer Schlau)
- Jagdeinsatz Bulgarien
- Jagdeinsatz Slowakei
- Jagdeinsatz Ungarn
- Jagdeinsatz Donau (Hauptmann/SS-Hauptsturmführer Friedrich Hummel, danach SS-Hauptsturmführer P(f)Riemer und schließlich Leutnant zur See/SS-Untersturmführer Walter Schreiber)[6]
- Jagdkommando „Donau“: Kampfschwimmer des Reichssicherheitshauptamtes (SS-Hauptsturmführer Johann Stanzig)
- SS-Jagdverband „Ost“ („Ost“ bestand hauptsächlich aus Fallschirmjägern der Brandenburger, viele russischsprachige Baltendeutsche)
- SS-Hauptsturmführer Adrian Baron von Fölkersam[7] (gefallen 21. Januar 1945)
- SS-Sturmbannführer Heinze
- Jagdeinsatz Ostland
- Jagdeinsatz Rußland
- Jagdeinsatz Polen
- Unternehmen „Brauner Bär“ unter Hauptmann Kern, ab Dezember 1944 bis Mitte März 1945, mit dem Ziel einer Zusammenarbeit mit den Partisanen der UPA unter Stefan Bandera
Zusammenarbeit
Das Reichssicherheitshauptamt arbeitete auch mit anderen Abwehr- und Nachrichtenabteilungen beim „Kampf im Rücken des Feindes“ zusammen, Generalmajor Gehlen, der mit Walter Schellenberg befreundet war, gab sogar Vorschläge für Kommandounternehmen direkt an die Jagdverbände weiter.
Fremde Heere Ost-Chef Generalmajor Reinhard Gehlen in einem Schreiben an den SS-Jagdverband „Ost“ am 27. März 1945:
- Betr.: Zerstörung von Weichsel-Eisenbahnbrücken.
- Auswertung neuester Luftaufklärung ergibt einzige intakte Eisenbahnbrücken über die Weichsel bei Krakau. Deblin, Warschau und Thorn. Über diese Brücken geht Masse des Nachschubs für sowjetische Front. Ihre Beschädigung oder Zerstörung bedeutet massive Entlastung der eigenen Truppe.
Letzter Einsatz „Alpenfestung“
- Im März 1945 wird in Friedenthal fieberhaft ausgebildet. Unaufhörlich werden für die großen, von den Gegnern eroberten deutschen und europäischen Gebiete, Frauen und Männer ausgebildet, die als Agenten an Fallschirmen abspringen oder als untergetauchte Widerstandsgruppen im Untergrund gegen die sowjetischen und amerikanischen Besatzer kämpfen sollen. Neuartige Waffen sind entwickelt worden, so stehen Patronen mit Doppelgeschossen sowie chemische Zeitzünder mit N-Zündsatz vor der Einführung. Ein neu entwickelter chemischer Rauch versetzt die Truppe in die Lage, sich für den Feind unauffällig einzunebeln und dadurch Frontabschnitte ungesehen zu überschreiten. Walter Girg verlegt im April 1945 gemeinsam mit Otto Skorzeny und Teilen des aus der Ostfront herausgelösten SS-Jagdverbandes „Mitte“ in die Berge Österreichs, in die so viel zitierte Alpenfestung. Niemand weiß, was sie dort wirklich erwartet. Voller Tatendrang entwickelt Girg eine neue Idee: „Ungeachtet der fatalen Lage, begann ich, einen neuen Einsatz zu planen. Ich wollte in den Bergen der Hohen Tatra landen. Zur Vorbereitung darauf zogen wir in die Alpen. Meine Männer und die Funktrupps verlegten nach Lofer am Steinernen Meer.“ Girg liegt mit seinen 50 Männern bei Lofer, die Scharfschützen unter dem früheren „Brandenburger“ Fallschirmjägeroffizier Untersturmführer Odo Willscher bei Bischofshofen, Fuckers Jagdverband „Mitte“ am Hochkönig und der hochausgezeichnete Sturmzugführer des SS-Fallschirmjäger-Bataillons 600 Obersturmführer Hubert Schürmann hat bei Altaussee mit seinen Fallschirmjägern Berghütten bezogen. Skorzenys kleine Führungsgruppe liegt in Annaberg. Nach Walter Girgs Erinnerung werden ab dem 15. April 1945 alle sich in den Bergen befindlichen Verbände Skorzenys unter der Bezeichnung Schutzkorps Alpenland geführt. Die Aufgabe besteht im Schutz der Alpenregion vor einem überraschenden sowjetischen Zugriff, wobei dem Gegner eine weitaus größere Stärke vorgespielt wird, als sie tatsächlich vorhanden ist. Die Funkverbindung sichert eine 70 Watt-Funkstelle, deren Deckname „Brieftaube“ lautet. Für drei Monate wird Verpflegung eingelagert, das Hauptnachschublager in Radstadt in den Tauern eingerichtet. Das Eindringen der Amerikaner in die Alpen macht den ursprünglichen Plan zunichte. Girg geht nicht in das Hochgebirge der Hohen Tatra. „Ich erhielt den neuen Auftrag, ein Gebiet in den Alpen zu besetzen, um den Ostgegner durch kleine Widerstandsgruppen mit Kleinkrieg nach Art der Tito-Banden zu bekämpfen. Dieses Gebiet war von den Westalliierten besetzt. Alle meine Männer gerieten in Gefangenschaft und wurden in alliierte Kriegsgefangenenlager abgeführt. Nachdem ich gefangen wurde, fanden die Amerikaner meine gesamte Ausrüstung und Vorräte.“ Otto Skorzeny beschreibt diese letzten Wochen: „Nach den Anweisungen des am Königssee liegenden Oberkommandos Süd hatte ich alle überlebenden und versprengten Soldaten meiner Einheiten in einem neuen Verband zusammengefaßt, der Alpenschutzkorps getauft wurde - von einem Armeekorps aber nicht mehr als den Namen besaß. Am 1. Mai 1945 erhielt ich den letzten Befehl vom Oberkommando Süd: ich sollte die Verteidigung der Südtiroler Pässe organisieren, damit sich die Truppen General Vietinghoffs – des Nachfolgers von Generalfeldmarschall Kesselring in Italien – zurückziehen könnten, und gleichzeitig sollte ich verhindern, daß die amerikanisch-britischen Truppen nach Österreich eindrängen. Aber es war zu spät. Unsere Italien-Armee hatte schon kapituliert, ohne daß sogar Generalfeldmarschall Kesselring benachrichtigt wurde. Die Offiziere des Alpenschutzkorps, die ich sofort an die italienische Grenze befohlen hatte, waren klug genug, bei Erkennen der Lage unverzüglich zu mir zurückzukehren. Als am 6. Mai Großadmiral Dönitz den Befehl erteilte, am 8. Mai 1945 um Mitternacht an allen Fronten die Waffen niederzulegen, zog ich mich mit meinen engsten Mitarbeitern in die Berge zurück, um abzuwarten. Meine Truppen befanden sich in kleine Einheiten aufgeteilt in den naheliegenden Tälern und warteten auf meine letzten Befehle.“[8]
Literatur
- Arthur Ehrhardt: Kleinkrieg. Geschichtliche Erfahrungen und künftige Möglichkeiten, Ludwig Voggenreiter Verlag, Potsdam 1935
- H. Becker: Die SS Jagdverbände. Werdegang - Gliederung - Einsätze, Neckarsulm (1985)
- Antonio Munoz: Forgotten Legions: Obscure Combat Formations of the Waffen-SS, Axis Europa Inc (1991), ISBN 978-0739408179
- Karl Fucker: An der Seite Skorzenys,[9] Aula Graz (2009), ISBN 978-3900968106
- Karl Radl: Die Blitzbefreiung Mussolinis: Mit Skorzeny am Gran Sasso, Pour le Mérite Verlag (1996), ISBN 978-3932381003
- Hagen Berger: Walter Girg – In Hitlers Auftrag hinter den feindlichen Linien, Verlag für Wehrwissenschaften (2014), ISBN 3981603710