Tarnmuster der Wehrmacht und der Waffen-SS
Tarnmuster der Wehrmacht und der Waffen-SS waren durch verschiedene Farben und Formen hervorgerufene Muster, die geeignet waren, die Konturen von militärischen Gegenständen, Uniformen oder Soldaten vor einem Hintergrund aufzulösen und somit nahezu unsichtbar zu machen. Sie wurden von Wehrmacht und Waffen-SS vielfältig eingesetzt, von den Fallschirmjägern der Luftwaffe über die Brandenburger der Abwehr bis zu den ausländischen Freiwilligen der Eliteverbände.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte der Tarnung in Deutschland
Schon die deutschen Jäger der Befreiungskriege haben ab 1813 eine Uniform von dunkelgrüner Grundfarbe verordnet bekommen, um im Wald- und Guerillakampf weniger auffällig zu sein.
Erster Weltkrieg
Tarnmuster wurden erstmals bei den Armeen im Ersten Weltkrieg verwendet, um die optische Aufklärung zu erschweren. Vorreiter war die kaiserliche Fliegertruppe, die jedoch am Anfang den Tarnbefehl ignorierten und ihre „fliegende Kisten“ grell und bunt anmalen ließen, da die „Ritter der Lüfte“ in den ersten Jahren des „Großen Krieges“ die Tarnung und somit das Verstecken vor dem Feind als unehrenhaft betrachteten. Dies wurde durch hohe Verluste und einen persönlichen Befehl des Oberbefehlshaber ausgeräumt. Die Luftwaffe des Dritten Reiches bewies sich dann als wahrer Meister der Tarnmusterung.
Im Juli 1918 wurde in Deutschland offiziell das erste standardisierte Tarnmuster, der Buntfarbenanstrich, in der kaiserlichen Armee und für die Fliegertruppe eingeführt. Diese Tarnung fand ausschließlich bei Großgerät (u. a. Panzer, Flugzeuge, Kanonen) und Ausrüstungsgegenständen (u. a. Munitionskisten, Helme, LKW-Planen) Verwendung. Sie bestand aus scharfeckigen Tarnflecken in den Farben Rostbraun, Grün und Ockergelb, welche mit dicken schwarzen Strichen voneinander abgegrenzt wurden. Einzelne Soldaten brachten das Tarnmuster auch auf Ausrüstungsgegenständen wie Helmen auf, wobei der Stahlhelm „M18“ schlußendlich auch mit Tarnlackierung produziert wurde, er kam aber zu Ende des Krieges nur noch in kleinen Mengen an die Kriegsfront.
Die Reichswehr hatte 1931 ein eigenes Tarnmuster (Splittertarn), ebenfalls nur für Zeltbahnen eingeführt. Dieses später international vielfältig weiterentwickelte Tarnmuster wurde bis Ende der 1950er Jahre beim Bundesgrenzschutz auch für andere Ausrüstungsgegenstände weiterverwendet. Splittertarn war zudem u. a. in der Wehrmacht, der Deutschen Bundeswehr (bis zu politisch-indoktrinierten Ausmusterung wegen Nähe zur Wehrmacht bzw. Waffen-SS), der Schweizerischen Armee und in einigen Ostblockstaaten in Verwendung.
Etliche Varianten und Unterarten des bewährten deutschen Musters sind über die Jahrzehnte entwickelt worden. Ab 1952 wurde beim Bundesgrenzschutz zudem eine überarbeitete Variante des 1943/44 bei der Wehrmacht eingeführten Sumpftarn getragen.
Splittertarn bzw. Buntfarbenaufdruck 1931
Bruno Sassen in „Splittertarn-B“-Feldjacke (Buntfarbenaufdruck 41)
Farben
Für das 1931 vorgestellte und 1932 eingeführte Vierfarben-Splittertarnmuster bildete der Buntfarbenanstrich 1918 mit seinen scharfen Ecken sowie seiner Farbgebung Ockergelb, Rostbraun und Grün die Grundlage. Auf die schwarzen Umrandungen wurde verzichtet. Vorgesehen war, ausschließlich die dreieckige Zeltbahn, die auch als Regen- und Tarnüberhang im Feld verwendet werden konnte, mit dem neuen Muster zu bedrucken. Dabei sollte die Zeltbahn, die mit anderen zusammengeknöpft auch mehreren Personen Unterschlupf bot, mit einem Wendetarnmuster ausgeführt werden. Beide Seiten zeigten das gleiche Muster, jedoch war die eine Ausführung heller als die andere.
Statt des hellen Ockergelbs wurde ein gedämpftes Graubeige zur Grundlage der Zeltbahn, worauf im Siebdruckverfahren grüne und braune unregelmäßige scharfeckige Muster aufgebracht wurden. Als Neuerung für den so entstandenen „Buntfarbenaufdruck 31“ (Splittertarn A) wurden zuletzt gleichfalls unregelmäßig verteilte, jedoch in eine Richtung weisende, gestrichelte Linien („Grashalme“) aufgedruckt, die das Muster zusätzlich verschwimmen lassen sollten. Diese Linien setzten sich in einem dunkleren Grünton von dem bei den Flecken gewählten ab.
Material
Bedruckt wurde wasserdichtes, verrottungsbeständiges und reißfestes Mako-Baumwollgewebe, dessen Fasern zuvor mit Indanthrenfarbstoffen gefärbt worden waren. Während des Krieges begann man aus Spargründen damit, die Aufdrucke auch mit anderen Farbmitteln auf billigere Textilien aufzubringen. Zudem wurde zuletzt vielfach die kostenintensivere Zweifarbenwendemöglichkeit aufgegeben. Deutliche Farbabweichungen vom Originalmuster waren eine Folge dieser Maßnahmen.
Ausgabe
Ausrüstungen im Buntfarbenaufdruck wurden an folgende Einheiten ausgegeben:
- Wehrmacht Heer
- Wehrmacht Kriegsmarine
- Wehrmacht Luftwaffe
- SS-Fallschirmjäger
Buntfarbenaufdruck 41
1940/41 führte die deutsche Luftwaffe eine Variante des „Buntfarbenaufdrucks 31“ ein, die in der Fachliteratur auch Splittertarn B genannt wird. Der hauptsächliche Unterschied zum 1931er Splittertarn ist, daß die Splitterflecken verkleinert wurden. Auch die Komplexität der Ineinanderschachtelung dieser Flecken ist offensichtlich. Das Muster scheint fabrikmäßig nur für den „Knochensack“ und die Feldjacke hergestellt worden zu sein.
Alle weiteren mit diesem Stoff hergestellten Ausrüstungsgegenstände – wie Helmtarnüberzüge – sind offensichtlich an der Front nach Eigenbedarf entstanden. In der Anfangszeit hatten die Stahlhelme der Fallschirmjäger (M36 und M38) eine Rauhtarnlackierung, die die sichtbaren Konturen des Helmes brechen sollten. Auf alten Schwarzweiß-Bildern sieht es deshalb oft irreführenderweise so aus, als ob der eigentliche Lack des Helmes abblättern würde. Die Herstellung des Splittertarns B wurde 1944 eingestellt.
Sumpftarnmuster 43/44
Im Kriegsjahr 1943 führte die Wehrmacht ein neues Tarnschema ein, die erste Variante des Buntfarbenaufdrucks. Sie erhielt nach dem Krieg den Namen „Sumpftarnmuster 43“ und war schwerpunktmäßig für gedeckte Einsätze in Frühjahr, Sommer und Herbst geeignet.
Im Unterschied dazu war nun die Grundfarbe des Stoffes ein Beigeton, und die immer noch in deutlicher kantiger Splitterform aufgebrachten rotbraunen und grünen Flecken berührten sich nicht mehr. Zudem liefen die Splitter durch passende farbige Punktierungen weicher aus. Darüber war das unregelmäßige in eine Richtung verlaufende gestrichelte Linienmuster in einem dunkleren Grünton gedruckt.
Die rötlichen Flecken wurden vermutlich analog zu Untersuchungen bei der Waffen-SS mit ähnlichem Tarnmuster eingeführt. Dort experimentierte man in jener Zeit mit roten Flecken auf Tarnschlupfjacken, um auf die damals aktuelle Entwicklung von Infrarotscheinwerfern zu reagieren.
Eine weitere Variante des 1943 eingeführten Musters, die sich noch weiter vom Vorgänger entfernte, war das Sumpftarnmuster 44. Das Schema unterschied sich von seinem Vorgänger lediglich darin, daß nun die kantige lineare Splitterform zugunsten weicherer Formen aufgegeben worden war.
Das Sumpftarnmuster 43 wurde an Scharfschützen und Panzergrenadiere ausgegeben. Die Sumpftarnmuster 43 und 44 wurden auch von der verbündeten königlich ungarischen Armee verwendet und dort auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch aufgetragen.
Buntfarbenaufdruck 45
Der Buntfarbenaufdruck 45 (in einschlägiger Literatur zuweilen fachspezifisch inkorrekt Splittertarn-C genannt) war eine überarbeitete Variante des Buntfarbenaufdrucks 31, der eine Antwort auf die alliierten Nachtsichtgeräte darstellen sollte. Aus diesem Grund wurde das bisherige Splittermuster mit weiteren lichtabsorbierenden eckigen Flecken in schwarzer Farbe überdruckt. Dieses Tarnschema konnte jedoch nur in kleinen Mengen eingeführt werden.
Flecktarn ab 1935
Die Waffen-SS war weltweit die erste Truppe, die in großem Rahmen mit Splitter- bzw. Flecktarnmustern in verschiedensten Ausführungen und Abwandlungen auf ihrer Bekleidung ausgestattet wurde.
Das erste dieser Tarnmuster („Platanen“) war von dem Direktor der 1935 aufgebauten Abteilung „T“ („Tarnung“), dem Münchener Professor Johann Georg Otto Schick, bis Dezember 1936 entwickelt worden.[3] Währenddessen entwarf der am 1. März 1936 zum SS-Hauptsturmführer ernannte Doktor der Ingenieurswissenschaften Wim Brandt die Richtlinien zu den einzelnen Ausrüstungs- und Bekleidungsteilen.[4]
Nach der Entwicklungsphase erfolgten Probeläufe mit Musterbekleidungsstücken. Ab Mitte des Jahres 1938 wurden dann die ersten Einheiten mit Tarnbekleidung ausgerüstet.[5][6][7]
Die heutige Namensgebung der Tarnmuster stammt aus der Nachkriegszeit und wurde erstmals von den VS-Amerikanern so beschrieben. Nur ein einziges deutsches Muster aus dieser Zeit ist unter seinem historischen deutschen Namen bekannt geworden. Es ist das letzte während des Krieges gefertigte Flecktarn, das über amerikanische Veröffentlichungen als „Leibermuster 1945“ bekannt wurde. Dieses Leibermuster wurde ebenfalls von Johann Schick entwickelt und mit lichtschluckenden Farbmitteln gedruckt, um Schutz gegen alliierte Nachtsichtgeräte bieten zu können.
Die Herstellung der so erzeugten sechsfarbigen Stoffe war ausgesprochen aufwendig. Daher gelangten kriegsbedingt nur noch sehr wenige Stücke des Leibermusters an die Truppe. Es war vorgesehen, daß dieses Tarnschema alle bisher eingeführten SS- und Wehrmachtstarnstoffe ersetzen sollte. Diese Überlegungen standen jedoch im Widerspruch zur wehrmachtseigenen zeitgleichen Entwicklung, dem „Buntfarbenaufdruck 1945“.
Das Leibermuster besaß einen lederfarbenen Hintergrund, auf den weiße Flecken gedruckt wurden. Darüber kam eine hellgrüne Musterung sowie eine weitere Druckschicht aus mittlerem Grün in Form von Blättern. Rotbraune Flecken folgten, und zuletzt wurde schwarzes „Astwerk“ darübergelegt. Sammler unterscheiden alleine von Splitter- und Sumpftarn 12 Varianten.
Tarnmuster der Waffen-SS
Folgende Tarnmuster der SS und Waffen-SS sind bekannt:[8]
- Blocktarn – Ein in der Literatur selten beschriebenes Muster ist das Blocktarn. Das Tarnmuster wurde 1936–1938 in kleinen Stückzahlen hergestellt und an die SS-Verfügungstruppe ausgegeben. Er wurde ausschließlich für Stahlhelm-Tarnbezüge und Tarn-Schlupfhemden verwendet. Es existieren Fotos aus dem Westfeldzug 1940, auf denen Soldaten mit Blocktarn-Helmüberzügen bzw. Blocktarn-Schlupfhemden zu sehen sind.
- Platanenmuster (1937 bis 1942) – Frühling-/Sommer- und Herbst-/Winter-Variante; das Platanenmuster in drei Mustervariationen (1/2, 3/4 und 5/6) war das erste Tarnmuster, das bei der Waffen-SS verwendet wurde. Es wurde bereits 1936/37 erprobt, jedoch erst im Sommer 1938 an die Truppe ausgegeben. Das Platanenmuster der Waffen-SS und das Blocktarnmuster der SS-Verfügungstruppe wurden also ziemlich zeitgleich entwickelt. Bereits 1937 gab es die ersten SS-Zeltplanen in Platanenmuster. Vorher verwendete die SS-Verfügungstruppe (SS-VT) die Zeltplanen der Wehrmacht im Buntfarbendruck 31.
- Rauchtarnmuster (1939 bis 1944) – Frühling-/Sommer- und Herbst-/Winter-Variante
- Palmenmuster (1940 bis 1942) – Frühling-/Sommer-/Herbst-Variante, speziell für Einheiten an der Ostfront.[9] Das Palmen-Tarnmuster wurde als erstes vollmechanisch im Walzendruck hergestellt. Es existierten nur Palmen-Tarnmuster-Jacken in der ersten Ausführung (ohne Seitentaschen) sowie Helmüberzüge in Palmen-Tarnmuster. Zeltbahnen im Palmen-Tarnmuster sind nicht bekannt. Restbestände der Palmenmuster-Tarnjacken tauchten nach dem Krieg vor allem in der ehemaligen Tschechoslowakei auf und wurden mangels anderer Möglichkeiten als Arbeitsjacken aufgetragen.
- Beringtes Eichenlaubmuster (1942 bis 1945) – auch Eichentarn Typ A genannt
- Eichenlaubmuster (1943 bis 1945) – Frühling-/Sommer- und Herbst-/Winter-Variante – auch Eichentarn Typ B genannt
- Erbsenmuster (1944 bis 1945) – Frühling-/Sommer- und Herbst-/Winter-Variante; das Erbsentarnmuster wurde ursprünglich entworfen, um alle anderen Tarnmuster der Waffen-SS zu ersetzen. Hergestellt wurden in diesem Tarnmuster zweiteilige Uniformen, Winterbekleidung und Fallschirmjäger-Knochensäcke.
- Telo Mimetico (1944 bis 1945) – Waffen-SS-Feldjacken (M44) und -Zeltbahnen (vereinzelt auch Panzerjacken und „Charkow“-Winterparka) wurden aus den nach dem Fall Achse beschlagnahmten Stoffballen italienischen Tarnmusters (mit mindestens drei Farbvarianten) hergestellt und teilweise an Angehörige der 1. SS-Panzer-Division „Leibstandarte SS Adolf Hitler“ und der 12. SS-Panzer-Division „Hitlerjugend“, aber auch andere SS-Divisionen, wie z. B. die 17. SS-Panzer-Division „Götz von Berlichingen“ verteilt für den Kampf in Italien und für die Invasionsfront im Westen.[10] Telo Mimetico wurde auch von Heerestruppen verwendet, in welchem Ausmaß, ließ sich nicht feststellen.
- Leibermuster (1945; Buntfarbenaufdruck 45) – Der Einführung des Buntfarbendrucks 1945 der Wehrmacht standen Überlegungen entgegen, alle eingeführten Tarnschemata der Wehrmacht und Waffen-SS durch das Leibermuster zu ersetzen.
Leibermuster (Erläuterung)
- „Unter Prof. Schick wurde von der Abteilung ‚T‘ in enger Zusammenarbeit mit ‚Schlieper & Braun‘ eine Tarnbedruckung entwickelt, die sowohl die visuelle Tarnung mittels Mehrfarbtarndruck als auch die infrarote Tarnung bot. Neben Prof. Schick waren die Hauptsturmführer Krug, Lechler und Fischer an der Entwicklung des Leibermusters und des Infrarotschutzes beteiligt. Die Bezeichnung ‚Leibermuster‘ geht auf den Drucktechnik-Ingenieur Hellmut Leiber zurück, der mit der Kattundruckerei ‚Schlieper & Baum AG‘, Wuppertal-Elberfeld die Fertigungsweise und Farbmischung des Leibermusters zum Patent angemeldet hat: Deutsche Patentschrift 909 667 vom 4. Mai 1942 ‚Verfahren zur Herstellung von Tarnmustern auf Gewebebahnen und ähnlichen flächigen Gebilden‘ und Deutsche Patentschrift 897 689 vom 12. März 1944 ‚Verfahren zum Herstellen farbiger Musterungen auf Geweben und anderen Stoffen‘.
- Der Firmenchef Adolf Schlieper galt als wissenschaftliche Autorität und anerkannte Größe auf dem Gebiet der Stoffdruckerei und hatte bereits in den 70er und 80er Jahren des 19. Jhds. das Unternehmen durch bahnbrechende Erfindungen auf chemisch-coloristischem Gebiet zu hoher Blüte gebracht. Das Leibermuster besaß einen gelbbeigen Hintergrund, auf den weiße Flecken gedruckt wurden. Darüber kam eine hellgrüne Musterung sowie eine weitere Druckschicht aus mittlerem Grün in Form von Blättern. Rotbraune Flecken folgten und zuletzt wurde das schwarzes Zackenmuster darübergelegt. Beim Leibermuster-Tarndruck handelte sich um einen 6-Farben-Rollendruck der auf einen naturfarbenen Zellwoll-Leinen-Drill (Drillich) gedruckt wurde.
- Um ein möglichst irreguläres, unsymmetrisches Gesamtbild zu erhalten, wurden die Farben mit 6 verschiedenen Walzendurchmessern von 44,1 / 46,2 / 48,2 / 49,0 / 50,0 und 50,5 cm Umfang aufgebracht. Da die verschiedenen Farben nicht übereinander gedruckt wurden, entstanden so oft Verschiebungen der Tarnflecken, die dann einen dünnen weißen Rand zwischen den Farbverläufen ergaben. Die ‚IR-Farben‘ des Leibermusters enthielten u. a. Graphit und Schwefel wodurch die Reflektion des IR-Lichtes beeinflusst werden konnte. Als Farben wurden u. a. Hydron Oliv X und Anilinschwarz verwendet. Schwarze Pigmente (Anilinschwarz, Carbonschwarz und Eisenoxidschwarz) absorbieren das bei den damaligen IR-Geräten verwendete ‚nahe Infrarot‘. Mit diesen Pigmenten gefärbte Materialien werden deshalb auch durch direktes Sonnenlicht erwärmt. Schwefelverbindungen – die im gelbbeigen Grund zur Anwendung kamen – zeigen aufgrund der relativ großen Masse des Schwefels im Vergleich zu Kohlenstoff in den IR-Spektren sehr charakteristische Banden.
- Die orangeroten Flecken reflektierten die IR-Strahung ähnlich wie der natürliche Bewuchs der Umgebung. Durch das Zusammenwirken der unterschiedlichen Farbflecken sollte das klare Sichtbild der IR-Geräte des Gegners beeinträchtigt werden. Die Haltbarkeit der neuen IR-Farben (außer dem Anilinschwarz) war offensichtlich nicht besonders gut. Bei allen Originalen, die der Autor bisher gesehen hat, waren alle Farben – bis auf das Schwarz – stark ausgebleicht. Auch S. Richardson beschreibt bereits in seinem direkt nach dem Krieg angefertigten Bericht die Leibermuster-Tarnung als ‚gut aber nicht haltbar‘. Das Leibermuster sollte auch den Nachteil aller vorher entwickelten Tarnmuster kompensieren, denn diese hatten die Tendenz, in der Distanz optisch zusammenzufließen und ihren spezifischen optischen Eindruck zu verlieren. Die schwarzen Zackenränder des ‚Leibermusters‘ garantierten jedoch auch auf größere Entfernung noch eine ausreichende Konturenauflösung. Der Tarnverlauf der schwarzen Streifen war meistens waagerecht, es gibt jedoch auch Uniformteile, deren Grundstoff vertikal verarbeitet wurde. Häufig findet sich die RBNr. 0/0135/5043 auf den Stücken.
- Da die Produktion des Leibermusters erst am 15. Januar 1945 – wenige Monate vor Kriegsende – startete, gelangten kriegsbedingt nur noch sehr wenige Uniformstücke mit Leibermuster Tarndruck an die Truppe. Viele Fotos, die Soldaten mit Leibermuster-Tarnbekleidung zeigen, wurden im Mai 1945 auf dem Gebiet der ehemaligen Tschechoslowakei aufgenommen. Da dort eine große Bekleidungsindustrie ansässig war, ist mit größter Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, daß der Leibermuster-Tarnstoff und die Leibermuster-Tarnbekleidung im Protektorat Böhmen-Mähren hergestellt wurden. S. Richardson schreibt in seinem Bericht über alle deutschen Tarnuniformen lediglich den Leibermuster-Feldanzug (kurze Feldblusen mit 2 Brusttaschen und Feldhosen mit geraden Hosenbeinen – keine Keilhosen – aus leichten Drillichmaterial ohne Futter). Außerdem konnte Richardson einem Exemplar eines Leibermuster-Wendetarnanzug habhaft werden – dabei handelt es sich wahrscheinlich um ein Versuchsmuster. Andere Tarnbekleidung im Leibermuster ist bisher nicht bekannt. Das Leibermuster sollte alle bisherigen Tarnuniformen von Wehrmacht (Heer, Luftwaffe, Kriegsmarine) und Waffen-SS ersetzen.“[11]
Abwandlungen
Von den meisten Mustern wurden vielfältige Abwandlungen gedruckt; zahlreiche seltene, ungewöhnliche, aber originale Ausrüstungsgegenstände können auch aus kleinen Versuchsserien stammen, die nicht in Serie gingen.[12] Die ursprünglich der Waffen-SS vorbehaltenen Flecktarnmuster wurden während des Krieges in einigen Fällen von Einheiten der Wehrmacht verwendet. Die Luftlandetruppen der Fallschirm-Panzer-Division 1 „Hermann Göring“ waren seit Sommer 1942 standardmäßig mit Helmtarnbezügen und Tarnuniformen der Waffen-SS ausgerüstet.[13]
Repressalien der „Befreier“
Für die alliierten Invasoren Europas in Sizilien, in Anzio oder in der Normandie galten Tarnuniformen als „Markenzeichen“ der Waffen-SS. Daß auch das Heer (insbesondere Panzer-Grenadiere), die Luftwaffe (Fallschirmjäger und Luftwaffen-Felddivisionen) oder gar die Marine-Infanteristen solche trugen, war ihnen entweder unbekannt oder egal. Wer in Tarnkleidung gefangengenommen wurde, zählte für die „Befreier“ zur SS, wie dies auch bei der Heeres-Panzertruppe mit den Totenkopfsymbolen oft geschah, Folter, Erniedrigung und Mord waren nicht selten die Folge.
Herstellung
Zur Herstellung der deutschen Stoffe wurden vollkommen neue Methoden entwickelt, da der industrielle Fünf- und Sechsfarben-Textildruck weltweit noch niemals in solch einem Umfang erprobt worden war. Zwar war Deutschland schon seit dem 19. Jahrhundert der international bedeutendste Lieferant für Stoffarben gewesen, doch bedeutete der Mehrfarbensiebdruck, der in zwei Varianten auf beiden Stoffseiten der Uniformen (Wendekleidung) erscheinen sollte, eine besondere Herausforderung.[14]
Bundeswehr
Leibermuster
Nach Gründung der Bundeswehr 1955 führte das Amt „Blank“ eine Variante des Leibermusters ein. Dies wurde jedoch nach kurzer Zeit verworfen, da der Druck der linksdogmatischen Nachkriegskaste der BRD-Politik dagegen war.
- „Kein Volk hat so wie das deutsche das Bestreben, sich von seiner Vergangenheit zu distanzieren, immer wieder von vorn anzufangen und den berüchtigten Nullpunkt zu proklamieren. So sieht es denn auch zunächst ganz so aus, als hätte man alle Erwägungen beim Zuschnitt der neuen deutschen militärischen Tracht – Zweckmäßigkeit, äußeres Ansehen und dergleichen – nur einem einzigen Gedanken untergeordnet, daß eben diese Tracht um gar keinen Preis und mit keiner Nuance an das vertraute Bild jenes alten deutschen Soldaten erinnern dürfe, der die deutsche Geschichte begleitet, ja geformt hat. Solch eine Konzeption, nur aus der Negation geboren, kann niemals fruchtbar werden. [...] Der zweiteilige Kampfanzug als Spezialkleidung baut noch ganz auf EVG-Experimenten auf. Aber abgesehen davon, hat diese Gefechtsmontur schon einen historischen Vorgänger gehabt. Als die feldgrauen Monturen zum erstenmal auf den Kammern der kaiserlichen Kasernen auftauchten, da wurde auch über einen Spezial-Tarnanzug gesprochen, der von Schleichpatrouillen – wie man sich damals ausdrückte – und von Pionieren bei der Arbeit getragen werden sollte. [...] Wichtiger aber als alles andere ist, daß der junge deutsche Soldat wieder stolz ist auf seine Uniform und sich in ihr angeschlossen fühlt an die lange Reihe derer, die vor ihm eine deutsche Uniform getragen haben, und daß er wieder zurückfindet zu dem, was ich mit dem Wort Tradition umreißen möchte. Denn: ‚Tradition ist Treue und Ehrfurcht.‘ Soldatsein ist keine Tendenz, ist auch kein System, ist Haltung.“ — Oberst a. D. Wilhelm Volrad von Rauchhaupt, 1956[15]
Splittertarn M56
Von 1957 bis 1962 trug die Bundeswehr dann generell Splittertarn (Modell 1931) in eigener Abwandlung („Modell 1956“) als „Kampfanzug“, Fallschirmjäger, Fernspäher (und ggf. Gebirgsjäger) teilweise bis in die 1970er Jahre hinein.[16]
- „1956 entschied man sich für die Einführung eines Tarnanzugs in Splittertarn. Es handelte sich um ein leicht abgewandeltes Splittertarnmuster M31 der deutschen Reichswehr bzw. Wehrmacht. Es gab drei Varianten des Tarnmusters und 2 verschiedene Schnittmuster (allgemeine Truppe und Fallschirmjäger).“[17]
Amöbentarn
Zeltbahnen in „Amöbentarn“ wurden eingeführt, die wendbar waren: eine Seite Frühlingsfarben, die andere in rot-braunen Herbstfarben. Die Zeltplanen mit Amöbentarn wurden später sukzessive durch einfarbig nato-olive Zeltplanen ersetzt. Noch in den 1980er Jahren waren Zeltplanen im Amöbenmuster bei Fallschirmjäger und Fernspäher erhalten geblieben, ebenfalls Tarn-Helmüberzug.
Fernspäher durften für den Außeneinsatz noch bis 1990/92 grundsätzlich allerlei Tarnkleidung und Ausrüstungsgegenstände mit Tarnmuster verwenden, die die Soldaten jedoch selbst kaufen mußten.
Schneetarn
Schon in den 1960er Jahren wurde der Schneetarn-Überanzug eingeführt, der sich halten konnte. Mitte der 1970er Jahre flammte bei der Bundeswehr erneut großes Interesse auf, Tarnmuster einzuführen. Beim „Truppenversuch 76“ wurden dann „Sägezahnmuster“, „Punktmuster“ und drei „Flecktarnmuster“, die generell als Flecktarn A (klein), Flecktarn B (groß) und Flecktarn C (Schattenmuster) bekannt sind, verwendet. Als am effektivsten hatte sich Flecktarn B herausgestellt, es sollte aber weitere 15 Jahren dauern, bevor ein solches Tarnmuster eingeführt werden konnte.
Flecktarnmuster ab 1990er Jahre
Nach langen Jahren des demagogischen linken Widerstandes und erfolgreicher Erprobung in den 1980er Jahren durch die alte Bundeswehr legte die gesamtdeutsche Bundeswehr die den Besatzer-Truppen der VSA nachgeahmten grünen Feld- und Kampfuniformen ab (wie auch den alten Stahlhelm) und führte Anfang der 1990er Jahre wieder Fleck- bzw. Erbsentarnmuster (Fünffarbdruck) nach alter deutscher Tradition ein.
Das Flecktarnmuster hat sich derart erfolgreich bewährt, daß Truppenteile in Dänemark, Japan, Polen, China und Belgien sie eingeführt haben. Ebenfalls sind die deutschen Kampfanzüge, wie auch deutsche Waffen, in verschiedenen Konflikten beliebt, ob von verschiedenen Parteien im sogenannten „Kosovokrieg“, von kurdischen Kämpfern gegen den IS-Terror oder von den „Rebellen“ genannten Putschisten in Syrien wurden sie getragen.
Seit 2001 existiert der „Tropentarn-“ und seit 2004 das „Wüstentarndruck“ der Bundeswehr. Ende 2015 gab die Bundeswehr bekannt, daß die vom „Wehrwissenschaftlichen Institut für Werk- und Betriebsstoffe der Bundeswehr“ (WIWeB) entwickelten „Winterflecktarn-“ und „Multitarnanzüge“ eingeführt werden, wobei zuerst KSK-Einheiten die neue Uniform, dann im Ausland stationierte Bundeswehrsoldaten erhalten sollen, eine Etablierung zum allgemeinen Kampfanzug mit der Zeit ist denkbar.
Siehe auch
Literatur
- Daniel Peterson: Tarnuniformen der Wehrmacht und Nachkriegsvarianten, Enforcer Pülz, Ubstadt-Weiher 2006, ISBN 3-939700-31-2
- Andrew Steven / Peter Amodio: Uniformen der Waffen-SS. In Farbe. 2. berichtigte Auflage, Karl-Heinz Dissberger, Düsseldorf 1992, ISBN 3-924753-44-X (Europa-Militaria 6)