Barschel, Uwe
Uwe Barschel ( 13. Mai 1944 in Glienicke/Nordbahn, Berlin; [vermutlich ermordet] in der Nacht vom 10. zum 11. Oktober 1987 in Genf) war ein deutscher Politiker der BRD-Blockpartei CDU, der als Landespolitiker in Schleswig-Holstein bekannt wurde.[1]
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Herkunft
Uwe Barschel, evangelisch-lutherisch, wurde 1944 in Glienicke bei Berlin als Sohn des Mathematikers Heinrich Barschel geboren. Barschels Vater fiel vermutlich am 1. April 1945 in den letzten Kämpfen um Berlin, seine Familie flüchtete in den Wirren des Kriegsendes nach Börnsen (Kreis Herzogtum Lauenburg) zu den Großeltern, wo Barschel gemeinsam mit seinen Geschwistern aufwuchs. Seine Mutter war als Näherin tätig.[2]
Ausbildung
Uwe Barschel besuchte das Otto-Hahn-Gymnasium in Geesthacht, wo er als Schülersprecher Karl Dönitz, den von Adolf Hitler ernannten letzten Reichspräsidenten, für eine Geschichtsfragestunde einlud und damit politisch für Aufsehen sorgte (→ Dönitz-Affäre). An Dönitz’ Beerdigung nahm Barschel später am 6. Januar 1981 – mit einem aufgeklebten Schnurrbart als Tarnung – teil. Nach dem Abitur 1964 absolvierte er ein Studium der Rechtswissenschaften in Kiel und legte 1968 die Erste, 1971 die Zweite Juristische Staatsprüfung ab. Während des Referendariats studierte er von 1969 bis 1971 auch Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Pädagogik und war als Lehrbeauftragter an der Pädagogischen Hochschule Kiel tätig. 1970 promovierte er mit dem Thema „Theoretische Möglichkeiten und Grenzen der Strafrechtspolitik einer politischen Partei“ zum Dr. jur. Nach kurzer Tätigkeit als Gerichtsassessor bei der Staatsanwaltschaft in Lübeck ließ er sich als Rechtsanwalt und Notar nieder (Zulassung 1971). Im selben Jahr erfolgte seine zweite Promotion zum Dr. phil. (Politologie). Mitte der 1980er Jahre beabsichtigte Barschel, sich aus der Politik zurückzuziehen und eine wissenschaftliche Laufbahn zu beschreiten; seine Habilitationsschrift war zum Zeitpunkt seines Todes (1987) fast fertiggestellt.[2]
Wirken
Politischer Aufstieg
Bereits 1960 trat Uwe Barschel in die Junge Union ein, 1962 in die CDU. 1964/65 war er u. a. schleswig-holsteinischer Landesvorsitzender des Ringes Politischer Studentenverbände und von 1967 bis 1971 Landesvorsitzender der Jungen Union. 1968 wurde er stellvertretender CDU-Kreisvorsitzender (ab 1973 Kreisvorsitzender) im Herzogtum Lauenburg, 1970 Mitglied des Kreistages (bis 1974) und zugleich für zwei Jahre Kreisrat. 1969 stieg der 25jährige bereits zum stellvertretenden CDU-Landesvorsitzenden auf. In den schleswig-holsteinischen Landtag wurde Barschel erstmals 1971 gewählt. Von 1971 bis 1973 war er als Parlamentarischer Vertreter des Kultusministers und Regierungsbeauftragter für Jugend und Sport tätig.
Im Landtag war Barschel zunächst stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion, von Mai 1973 bis Januar 1979 dann deren Vorsitzender. Als streitbarer Debattenredner hielt er die Fraktion so gut zusammen, daß sie auch nach den Landtagswahlen 1975, als ihr Stimmenvorsprung auf ein Mandat zusammenschrumpfte, keine Abstimmungsniederlage hinnehmen mußte. Zugute kam Barschel dabei die enge Zusammenarbeit mit dem Landesvorsitzenden Gerhard Stoltenberg, der ihn stets förderte. Als Gerd Lausen zum 1. Januar 1979 den Vorsitz im Vorstand der Schleswig-Holsteinischen Landesbank übernahm, wurde Barschel – jetzt 35 Jahre alt – sein Nachfolger als Finanzminister.[2]
Nach den Landtagswahlen vom 29. April 1979, bei denen sich die CDU unter Stimmverlusten (48,3 statt bisher 50,4 %) der Mandatszahl nach knapp behaupten konnte, bildete Ministerpräsident Stoltenberg Ende Mai die Regierung um. Barschel tauschte mit dem bisherigen Innenminister Rudolf Titzck das Ressort. Als Innenminister vertrat Barschel konsequent die Auffassung, der Staat müsse Flagge zeigen. So stellte er sich bei den großen Demonstrationen gegen den Bau des Kernkraftwerkes Brokdorf an der Unterelbe hinter das vom Landrat verhängte Demonstrationsverbot und erstattete Anzeige gegen den Vorsitzenden des Bundesverbandes der Bürgerinitiativen (BBU), Jo Leinen. Er plädierte auch für Vermummungsverbot und Einführung des CS-Reizgases. Die Ansichten des FDP-Bundesinnenministers Gerhart Baum waren Barschel vielfach „zu liberalistisch“, so z. B. in der Extremisten- oder Asylantenfrage. Seine Ansichten zu diesen Fragen legte Barschel noch als Innenminister im Herbst 1982 in „Thesen der CDU für die innere Sicherheit“ nieder.
Wahl zum Ministerpräsidenten
Als nach langem Siechtum die sozial-liberale Koalition in Bonn schließlich am 17. September 1982 zerbrach und am 1. Oktober 1982 Helmut Kohl durch konstruktives Mißtrauensvotum zum neuen Bundeskanzler gewählt wurde, war von vornherein klar, daß Ministerpräsident Stoltenberg als neuer Bundesfinanzminister nach Bonn gehen werde. Dieser schlug Uwe Barschel als Nachfolger vor, der am 14. Oktober mit 37 Stimmen zum Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein gewählt wurde. Stoltenberg behielt aber auch weiterhin den Landesvorsitz der Partei.
Während die CDU bei den vorgezogenen Bundestagswahlen vom 6. März 1983 mit 46,5 % unter dem Bundesdurchschnitt von 48,8 % blieb, konnte die CDU eine Woche später bei der Landtagswahl am 13. März mit 49 % der Stimmen eine klare Mehrheit an Sitzen (39 gegen 34 der SPD) sichern; FDP und Grüne schieden aus dem Landesparlament aus. Barschel konnte damit ein überzeugendes Ergebnis verbuchen, nicht zuletzt auch als Folge eines sehr engagierten persönlichen Einsatzes im Wahlkampf.
Uwe Barschel galt lange als Musterbeispiel eines überaus erfolgreichen jungen Politikers, der seinem Amt gewachsen schien, und wurde entsprechend in den Medien portraitiert. Er griff bei konservativer Grundhaltung aktuelle Themen geschickt auf, scheute sich nicht vor Besuchen in der DDR und nahm sich der Umweltprobleme an (Naturpark Wattenmeer; Reinhaltung der Nordsee), wobei er aber auch auf Widerstand (z. B. bei den Briten) stieß. Auf der anderen Seite warnte er vor dem Ausstieg aus der Kernenergie. Auf dem Mediensektor trat er konsequent für den Privatfunk ein und vertrat nach anfänglichen Differenzen mit Hamburg in Fragen der Verkehrs- und Energiepolitik ein gemeinsames Handeln der Küstenländer z. B. bei der Verteilung von Standortinteressen, der Sicherung der Landwirtschaft und der Berücksichtigung der norddeutschen Region in der Forschungs- und Entwicklungspolitik. 1985 war Barschel (neben Justus Frantz) Mitinitiator des seit 1986 jährlich stattfindenden, über die Landesgrenzen hinaus beachteten Schleswig-Holstein-Musik-Festivals, bei dessen Gründungsveranstaltung der Politiker an der Aufführung von Saint-Saëns’ „Karneval der Tiere“ als Erzähler mitwirkte.
Im November 1985 bildete Barschel seine Regierung um, berief Heiko Hoffmann als Justizminister und Manfred Biermann als Wirtschaftsminister in der Nachfolge Westphals. Einen deutlichen Dämpfer mußte die CDU bei den Kommunalwahlen im März 1986 einstecken, als sie landesweit von 50,1 % (1982) auf nur noch 44,2 % der Stimmen zurückfiel, während die SPD von 34,6 % auf 40,3 % aufholte. Die Grünen erreichten 7,4 %, die FDP nur 4,4 %. Barschel machte für diesen Mißerfolg auch die Politik der Bundespartei verantwortlich.
„Barschel-Affäre“ und Tod in Genf
Kurz nach seiner eindrucksvollen Wahl zum CDU-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl vom 13. September 1987 entging Uwe Barschel bei einem Flugzeugabsturz auf dem Flughafen Lübeck-Blankensee am 31. Mai nur knapp dem Tod. Während Pilot, Kopilotin und Sicherheitsbegleiter ums Leben kamen, erlitt Barschel nicht allzu schwere Verletzungen, die ihn aber doch bis Ende Juli ans Krankenlager fesselten. An Stöcken gehend nahm er den Wahlkampf wieder auf. Da allgemein der Verlust der absoluten Mehrheit der Mandate für die CDU erwartet wurde, machte Barschel der FDP vor der Wahl das Angebot einer Zusammenarbeit „ohne Vorbedingungen“. Der Wahlkampf geriet gegen Ende zu einem Hauen und Stechen, und die CDU bewies z. B. mit dem Vorwurf, die SPD sei für Kindersex und befürworte Abtreibung bis zur Geburt, ihre Nervosität. Unmittelbar vor dem Wahlsonntag platzte mit der Spiegel-Titelgeschichte „Watergate in Kiel – Barschels schmutzige Tricks“ (Nr. 38/1987) eine publizistische Bombe, die zwar den Wahlausgang wohl nur unwesentlich beeinflußte, aber einen politischen Skandal bisher nicht gekannten Ausmaßes auslöste („Barschel-Pfeiffer-Affäre“, „Waterkantgate“). Der Artikel beruhte im wesentlichen auf Aussagen von Reiner Pfeiffer, der Ende 1986 vom Springer-Verlag als Medienreferent an die Kieler Landesregierung vermittelt worden war, und berichtete u. a. über Beschattungsmaßnahmen und eine Steuerdenunziation bei Oppositionsführer Björn Engholm (SPD). Wie erwartet verlor die CDU bei der Wahl mit nur noch 42,6 % der Stimmen sechs Mandate, während die SPD zwei hinzugewann (36) und stärkste Fraktion wurde. Auch eine etwaige CDU/FDP-Koalition erreichte nur 37 Mandate, wobei die Stimmabgabe des SSW-Abgeordneten Karl-Otto Meyer zu einem Patt führen konnte.
Uwe Barschel wies die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen, vor allem die Versuche, den SPD-Spitzenkandidaten Engholm durch persönliche Verdächtigungen unmöglich zu machen, als erfunden zurück und erhielt zunächst auch Rückendeckung durch die Fraktion, während die SPD seinen Rücktritt forderte. Am 18. September präsentierte Barschel eine Reihe eidesstattlicher Erklärungen, die ihn entlasten sollten, und versicherte ehrenwörtlich seine Unschuld.[3] Pfeiffer blieb jedoch bei seinen Behauptungen, und Der Spiegel belegte seine Thesen mit weiteren Informationen über Winkelzüge und Ungereimtheiten. Die FDP unter Führung von Wolf-Dieter Zumpfort ging auf Distanz, und schließlich setzte sich offenbar auch in der CDU-Fraktion die Auffassung durch, daß Barschel nicht mehr zu halten sei. Mit dem Vorwurf einer „öffentlichen Vorverurteilung“ trat er am 2. Oktober 1987 als Ministerpräsident zurück und übergab die Geschäftsführung der Landesregierung an Minister Henning Schwarz. Wenig später trat Barschel einen Urlaub auf Gran Canaria an.
In der Woche nach seinem Rücktritt verdichteten sich die Zweifel an der Richtigkeit der eidesstattlichen Versicherungen, so daß die CDU in Abwesenheit Barschels deutlich von ihm abrückte und ihn am 9. Oktober aufforderte, sein Landtagsmandat niederzulegen. Für den 12. Oktober war Barschel vor den Parlamentarischen Untersuchungsausschuß geladen. Zwei Tage zuvor flog Barschel von seinem Urlaubsort nach Genf, um dort einen mysteriösen Entlastungszeugen zu treffen; am 11. Oktober wurde er von Stern-Reporter Sebastian Knauer, der ihm in Genf nachgespürt hatte, im Hotel „Beau Rivage“ tot in einer Badewanne aufgefunden. Die Umstände seines Todes, Zweck seiner Reise nach Genf und die Beweggründe für den später als mutmaßlich angenommenen Suizid gaben Rätsel auf und riefen weithin auch Kritik an dem Vorgehen des Reporters und Formen der Berichterstattung hervor (Rüge des Presserats Ende November 1987, Verurteilung des Reporters durch ein Schweizer Gericht).
Barschels Tod beherrschte tagelang die politische Diskussion und der sogenannte „Kieler Sumpf“ noch wochenlang den eingesetzten Untersuchungsausschuß. In einer eindrucksvollen Ansprache im Lübecker Dom Ende Oktober 1987 anläßlich einer Trauerfeier für Barschel beklagte Bischof Ulrich Wilckens den Verfall der politischen Kultur und die Gefahr eines Schwundes des Vertrauens in die verfassungsmäßigen Institutionen. Die Macht müsse vor sich selbst geschützt werden. Zu Umkehr und Neuanfang brauche es mehr, als fehlsame Menschen zustande bringen. Nach längerem Hin und Her einigten sich die Parteien in Kiel auf eine Neuwahl des Landtages am 8. Mai 1988.
Der leitende Oberstaatsanwalt Heinrich Wille versuchte bis 1998, die mysteriösen Umstände von Barschels Tod aufzuklären, das Verfahren wurde aber 1998 eingestellt. Wille geht davon aus, daß Barschel ermordet wurde.
Die Umstände seines Todes wurden bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Der Schweizer Toxikologe Professor Hans Brandenberger wies nach, daß Barschel das tödlich wirkende Schlafmittel Cyclobarbital nicht selbst eingenommen haben konnte. Ein anderer muß es ihm verabreicht haben. In seinem Gutachten (2010) verdächtigt Brandenberger den israelischen Geheimdienst Mossad, Barschel ermordet zu haben. Die chemischen Analysedaten stimmten bis in Details mit einer Version der Tötung Barschels überein, wie sie der Autor Victor Ostrovsky in seinem Buch „Geheimakte Mossad“ schildert.[4]
Trotz dieser neuen Erkenntnisse Brandenbergers (Mord verjährt nicht) und der hohen nationalen Bedeutung des Falles blieb die zuständige Staatsanwaltschaft weiter untätig. Der Anwalt der Familie Barschel, Justus Warburg, vermutete, daß die deutsche „Staatsräson“, also das besondere Verhältnis der BRD zum Staate Israel, eine Wiederaufnahme verhindere.[5]
Der Autor und ehemalige Mossad-Agent Victor Ostrovsky, eine mögliche Schlüsselfigur zur Lösung des Falles, wurde bis heute nicht von deutschen Behörden befragt.
Todesumstände
Das „Barschel-Buch”
Das Buch über Barschels Tod bleibt verboten. Der ehemalige Chefermittler im Fall Barschel, der Lübecker Leitende Oberstaatsanwalt Heinrich Wille, ist davon überzeugt, daß Uwe Barschel ermordet wurde.[6]
Verschwörungstheorien
Die ungeklärten Todesumstände führten zu einer Reihe von Spekulationen und Verschwörungstheorien.
Im Gegensatz zu den meisten Politikern der damaligen Bundesrepublik reiste Barschel mehrfach in die DDR und die Tschechoslowakei. Dies wurde als Hinweis auf verschiedene Verstrickungen im Ost-West-Konflikt gedeutet.[7]
Der politische Mord bzw. der als Suizid oder Unfall getarnte Mord ist ein beliebtes Mittel, der vorzugsweise von Geheimdiensten angewendet wird.
Der südafrikanische Waffenhändler Dirk Stoffberg sagte 1994 in einem Interview aus, daß ein ihm bekannter Agent der CIA Barschel getötet habe, bevor dieser nach Kanada habe auswandern können. Eine diesbezügliche Absicht Barschels war bis dahin allgemein kaum bekannt. Kurz danach starb Stoffberg mit seiner Freundin unter nicht geklärten Umständen; die offizielle Version lautete auf Doppelsuizid.[8]
Mossad
Victor Ostrovsky, ein in Kanada lebender ehemaliger Agent des israelischen Geheimdienstes Mossad, behauptete in seinem Buch „Geheimakte Mossad“,[9] Barschel sei Opfer eines Mossad-Tötungskommandos gewesen, weil er sich 1987 der Abwicklung geheimer Waffengeschäfte zwischen Israel und dem Iran im Transit über Schleswig-Holstein widersetzt habe und mit seinem Wissen über die Angelegenheit an die Öffentlichkeit zu gehen drohte. Ostrovsky war zwar schon 1986, also geraume Zeit vor Barschels Tod, aus den Diensten des Mossad entlassen worden, pflegte jedoch weiterhin Kontakte beim Mossad. Auch Abū l-Hasan Banīsadr, bis zu seiner Absetzung 1981 Präsident des Iran, ist davon überzeugt, daß Barschel „eine wichtige Rolle im Waffenhandel mit dem Iran gespielt“ hat.[10] Ostrovsky selber war mit dem Fall Barschel betraut. Akribisch schilderte er, wie der Mord vorbereitet und schließlich durchgeführt wurde.
Von Anfang an regten sich geheime Zweifel an der Bonner Vertuschungspropaganda hinsichtlich der Version eines Suizids. Barschels Tod blieb jedoch lange Zeit ein Tabu. Ein Schweizer Gutachten wurde überdies unterdrückt und durfte nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Der mit dem Fall betraute Kieler Oberstaatsanwalt Wick ging noch einen Schritt weiter. Er ließ ein Gegengutachten in München erstellen, das nur so von Unwahrheiten strotzte. Der Münchner Gutachter behauptete, daß Gewalteinwirkungen an Barschels Körper nicht feststellbar gewesen seien. Später konfrontierte ihn RTL-Explosiv mit Aufnahmen von Barschels Kopfpartien, ohne daß der Experte zunächst wußte, um wessen Kopf es sich dabei handelte. Unvoreingenommen erklärte derselbe Gutachter, daß die abgebildeten Flecken auf den Fotos auf äußere Zeichen von schweren Schlageinwirkungen deuten.
Der ehemalige Mossad-Agent, der (1994) Verbindungen zwischen dem Mossad und dem dänischen Geheimdienst unterhielt, hatte angeblich von seiner Organisation Einzelheiten über den Mord am schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten, der unter dem Decknamen Aktion „Hannibal“ lief, erfahren. Das Tatmotiv: Barschel wußte alles über den geheimen Waffenhandel zwischen Israel und dem Iran, wobei Kiel und Kopenhagen als heimliche Schleusen fungierten. In Norddeutschland habe der Mossad 20 iranische Kampfpiloten auf zwei Sportflughäfen ausgebildet. Als Barschel davon erfahren habe, habe er versucht, die widerrechtlichen Aktivitäten zu unterbinden, woraufhin der Mossad mit Hilfe des Bundesnachrichtendienstes eine Kampagne gegen ihn gestartet habe. Barschels Pressereferent Reiner Pfeiffer – angeblich vom Mossad nur „der Whistler“ genannt – sei mit einer Prostituierten erpreßt worden. Dem Bundesverfassungsschutz sei die gefälschte Information zugespielt worden, daß Barschels Bruder in Wirklichkeit ein Strohmann im internationalen Waffenhandel sei. Am 2. Oktober 1987 trat Barschel unter dem Druck der Medien von seinem Amt zurück. Nur zehn Tage später hätte er vor einem Untersuchungsausschuß aussagen sollen. Dazu kam es aber nicht mehr. 2010 mutmaßten manche, Barschel habe reinen Tisch machen und alle auffliegen lassen wollen. Der Mossad-Agent Ran habe Barschel an seinem Urlaubsort auf den Kanarischen Inseln angerufen und ihn mit angeblich heißen Informationen nach Genf in die neutrale Schweiz gelockt. Aus Brüssel sei zeitgleich eine Gruppe (Kidon) von 7 bis 9 Mossad-Mördern in Genf eingetroffen.[11]
Schleswig-Holsteins Generalstaatsanwalt Erhard Rex erklärte die These, wonach Barschel in Waffengeschäfte verstrickt und in diesem Zusammenhang ermordet worden sei, Ende Oktober 2007 in einer Dokumentation ausdrücklich für nichtig.[12]
Barschels Witwe würde Helmut Kohl die Frage stellen, ob der Tod ihres Mannes Mord aus Staatsräson war, hieß es 2006 in der Presse.[13]
Reiner Pfeiffer, der als Auslöser der Affäre um Barschel gilt, starb nach Presseberichten 2015 keines natürlichen Todes.[14]
Mitgliedschaften
- Hermann-Ehlers-Stiftung (Vorstand)
- Stiftung Herzogtum Lauenburg (Präsident)
- Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband (Landesvorsitzender)
- Atlantik-Brücke
Familie
Uwe Barschel war seit dem 7. Juli 1973 mit der Fremdsprachenkorrespondentin Freya, geb. von Bismarck, verheiratet. Er hinterließ vier Kinder.
Siehe auch
Literatur
- Wolfram Baentsch: Der Doppelmord an Uwe Barschel. 3. Auflage. Herbig-Verlag, München 2007, ISBN 3-7766-2523-6
- Rezension und Interview in: Der Selbständige, Nr. 1/2007
- Michael Mueller / Rudolf Lambrecht / Leo Müller: Der Fall Barschel. Ein tödliches Doppelspiel. Propyläen, Berlin 2007, ISBN 978-3-549-07325-4
- Werner Kalinka: Der Fall B. Der Tod, der kein Mord sein darf, Ullstein; Frankfurt am Main, Berlin 1993, ISBN 3-548-36605-8
- Norbert F. Pötzl: Der Fall Barschel. Anatomie einer deutschen Karriere. Rowohlt, Reinbek 1988; erweiterte Neuausgabe unter dem Titel Der Fall Barschel. Anatomie einer deutschen Karriere. War es Mord? Rowohlt, Reinbek 1989, ISBN 3-499-18463-X
- Cordt Schnibben / Volker Skierka: Macht und Machenschaften. Die Wahrheitsfindung in der Barschel-Affäre. Ein Lehrstück. Rasch und Röhring, Hamburg 1988, ISBN 3-89136-189-0
- Herbert Wessels: Ein politischer Fall. Uwe Barschel – die Hintergründe der Affäre. Deutscher Studien-Verlag, Weinheim 1988, ISBN 3-89271-076-7
- Munzinger-Archiv, Internationales Biographisches Archiv 14/1988
- Genfer Nebel. Das erste dramatische Audio-Werk zum Schicksal des Uwe Barschel unter der Regie von Gordon Piedesack, ISBN 978-3-940697-00-4
- Manfred Mays: Die unendliche Geschichte Barschel, Zweiteiliges Feature, gesendet bei hr2 am 10. und 17. Februar 2008
- Heinrich Wille: Ein Mord, der keiner sein durfte: Der Fall Uwe Barschel und die Grenzen des Rechtsstaates, Rotpunktverlag, Zürich, 2011, ISBN 978-3858694621
Filme
- Barschel – Mord in Genf? Regie und Drehbuch: Uwe Boll / Frank Lustig, 1993
- Der Fall Barschel. Dokumentarfilm von Gabor Harrach, RTL Television, ausgestrahlt am 14. Oktober 1994
- Frank Pergande: Barschels Tod: Selbstmord, Mord oder Sterbehilfe? Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. September 2007
- Uwe Felgenhauer: Dokumentation: Barschel, U-Boot-Deals, Medikamente und Mörder, Die Welt, 17. September 2007
- René Martens: Barschel-Doku: Liquidiert oder inszeniert?, die tageszeitung, 17. September 2007
- Tod in Genf – Der Fall Barschel, Buch und Regie Uli Weidenbach, ausgestrahlt in ZDF History, 7. Oktober 2007
Verweise
- Abgerufen am 7. Mai 2017. Bei WebCite® archivieren.Neues Gutachten stützt Mordthese im Fall Barschel, Junge Freiheit, 22. November 2010
- Karsten Kammholz/Dirk Banse: Uwe Barschel und das Rätsel um Zimmer 317, Die Welt, 6. Oktober 2007
- Patrik Baab/Robert E. Harkavy: Warum wurden Olof Palme, Uwe Barschel und William Colby ermordet? , Heise.de, 11. Oktober 2017
- Markus Kompa: Barschels Mörder?, Heise.de, 16. Juli 2012
Fußnoten
- Geboren 1944
- Gestorben 1987
- Deutscher Politiker
- BRD-Politiker
- Junge-Union-Mitglied
- CDU-Mitglied
- Atlantik-Brücke
- Mysteriöser Todesfall
- Verschwörungsthese
- Rechtsanwalt (BRD)
- Landtagsabgeordneter (Schleswig-Holstein)
- Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande
- Ministerpräsident (Schleswig-Holstein)
- Innenminister (Schleswig-Holstein)
- Finanzminister (Schleswig-Holstein)