Verschuer, Otmar Freiherr von

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Prof. Dr. med. Otmar Freiherr von Verschuer

Otmar Reinhold Ralph Ernst von Verschuer (Lebensrune.png 16. Juli 1896 in Richelsdorfer Hütte, heutiger Stadtteil von Wildeck; Todesrune.png 8. August 1969 in Münster/Westfalen) war ein deutscher Offizier des Deutschen Heeres, der Freikorps und Sanitätsoffizier der Reichswehr sowie Wissenschaftler. Er war einer der führenden deutschen Mediziner in den Fachgebieten Humangenetik und Rassenhygiene sowie Pionier der Zwillingsforschung.

Werdegang und Dienststellen (Auswahl)

Gruppenfoto der Mitarbeiter des „Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik“ im Juli 1939
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Otmar Freiherr Von Verschuer II.jpg
Erbpathologie. Ein Lehrbuch für Ärzte und Medizinstudierende. Prof. Dr. med. Otmar Freiherr von Verschuer.jpg
  • An der Oberrealschule Karlsruhe machte Verschuer am 31. Juli 1914 sein Abitur.
  • Seit August 1914 Kriegsfreiwilliger und Fahnenjunker im Stammregiment seines Vaters,[1] dem Füsilier-Regiment „von Gersdorff“ (Kurhessisches) Nr. 80
    • Am 12. September 1914 rückte er ins Feld. Am 27. Dezember 1914 wurde er zum Leutnant befördert. 1915 war er Kompanieführer, 1916 Bataillonsadjutant, später Ordonnanz- und Nachrichtenoffizier beim Regimentsstab. 1918 war er Regimentsadjutant, und am 18. Oktober 1918 wurde er zum Oberleutnant befördert.
    • Im Laufe des Krieges diente er an der West- und Ostfront (Frankreich, Rußland und Flandern) und wurde dreimal verwundet.
  • Bataillonsführer im Studentenkorps Marburg (StuKoMa) und 1. Adjutant von Bogislav von Selchow während des Kapp-Aufstandes (Feldzug in Thüringen)
  • Stabsarzt der Reserve der Reichswehr
  • ab 1922 anthropologisches Praktikum bei Prof. Dr. Eugen Fischer
  • 19. August 1922 Staatsexamen
  • Anschließend medizinisches Praktikum in der Abteilung Innere Medizin des Klinikums München bei Prof. Dr. Ernst von Romberg
  • 24. Juli 1923 Promotion in München zum Dr. med.
  • 1. Oktober 1923 bis 30. September 1927 Assistenzarzt an der Medizinischen Poliklinik der Universität Tübingen bei Prof. Dr. Wilhelm Weitz (systematische Zwillingsforschung)
  • Im Wintersemester 1926/27 folgte die Habilitierung für menschliche Erblehre in Tübingen, im Sommersemester 1927 war er dort als Privatdozent tätig.
  • ab Oktober 1927 durch Berufung von Eugen Fischer Leiter der Abteilung für menschliche Vererbungslehre am Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Vererbungslehre und Eugenik  (KWI-A) in Berlin-Dahlem
  • 2. Juli 1932 Teilnahme an der Verhandlung des Preußischen Landesgesundheitsrats über ein Sterilisationsgesetz
    • In Berlin, wie auch später von Frankfurt a. M. aus, arbeitete er eng mit seinem Bundesbruder sowie Marburger und Hamburger Studienkollegen, dem Tuberkuloseforscher Karl Diehl (1896–1969), zusammen.
  • 2. April 1933 Ernennung zum nichtbeamteten außerordentlichen Professor an der Universität Berlin
    • Mai 1933 Erhalt des Lehrauftrags für menschliche Erblehre und Rassenhygiene an der medizinischen Fakultät der Universität Berlin
    • Von Juli 1934 bis 1945 war er Herausgeber der Zeitschrift „Der Erbarzt“ (bis Juni 1939 als Beilage des Deutschen Ärzteblattes) sowie von Juli 1937 bis 1943/44 der Zeitschrift „Fortschritte auf dem Gebiet der Erbpathologie, Rassenhygiene und ihrer Grenzgebiete“. Daneben war er Gründer der „Erbpathologischen Arbeitsgemeinschaft“ mit Sitz in Berlin. Er war seit 1934 wissenschaftliches Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle, seit 1935 wissenschaftliches Mitglied der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Mitglied im Beirat der Deutschen Gesellschaft für Konstitutionsforschung, ab 1944 Wissenschaftlicher Beirat des Bevollmächtigten für das Gesundheitswesen Karl Brandt (1904–1948) und vom 19. April 1943 bis zum 28. Juli 1948 ordentliches Mitglied der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse der Preußischen Akademie der Wissenschaften.
  • Oktober 1934 Leiter der Poliklinik für Erb- und Rassenpflege am Kaiserin-Auguste-Viktoria-Krankenhaus in Berlin-Charlottenburg
  • 2. Mai 1935 ordentlicher Professor und Direktor des Instituts für Erbbiologie und Rassenhygiene an der Universität in Frankfurt a. M.
    • Von Verschuers Institut war ab 1936 die erbärztliche Eheberatungsstelle des Frankfurter Raums unterstellt. Außerdem war es Fachgutachterstelle für die Reichsstelle für Sippenforschung. In Frankfurt a. M. forschte er an Zwillingen über die Bedeutung der Erbanlagen für menschliche Eigenschaften und über Rassenkreuzungen. Ab 1936 war er mehrfach als Fachmann im Referat Biologie der „Forschungsabteilung Judenfrage“ des „Reichsinstituts für Geschichte des Neuen Deutschland“ und von 1938 bis 1941 als Sachverständiger im Beirat des Reichsinstituts Redner oder Ehrengast auf dessen Konferenzen. Ab 1938 setzte er sich für eine Sterilisierung bei schwerer und erblicher geistiger Störung, Krankheit oder körperlicher Mißbildung ein.
    • 1938 promovierte bei ihm Josef Mengele.
  • ab 1942 Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie in Berlin als Nachfolger von Prof. Dr. med. Dr. h. c. mult. Eugen Fischer
    • zuvor 1934–1935 Wissenschaftliches Mitglied bzw. 1935–1942 Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied
  • Im März 1945 unter Mitnahme der Bibliothek und anderer Institutsgüter Rückzug auf den Familiensitz in Solz (Bebra) bei Sontra (Nordhes­sen)
  • 1946 setzte sich Nobelpreisträger Adolf Butenandt (1903–1995) für von Verschuers Berufung an die Universität Tübingen ein.
    • Da ihm Ende Februar 1947 von der Hessischen Staatsregierung das Recht auf Lehre und Forschung entzogen wurde, zerschlug sich die Berufung nach Tübingen.
  • 9. November 1946 in einem Spruchkammerverfahren als Mitläufer („moderater Eugeniker“) eingestuft und zu 600 Reichsmark Buße verurteilt (Verfahren 1967 endgültig eigestellt)
  • ab 1951 Professor für Genetik und Direktor des Instituts für Humangenetik der Universität Münster
    • In Münster baute er ein großes Genetik-Register auf und wurde auch in der Bundesrepublik eine Autorität der medizinischen Genetik. So wurde er zu Verhandlungen mit der Weltgesundheitsorganisation autorisiert. In den sechziger Jahren war er Mitglied eines „Eugenischen Arbeitskreises“ der Inneren Mission. Als solcher nahm er an Beratungen über die Wiederbelebung des Sterilisierungsgesetzes teil. Ab 1951 war er Mitherausgeber der „Acta genetica medicae et gemellologiae“ und von 1953 bis 1964 Mitherausgeber der „Zeitschrift für menschliche Vererbungs- und Konstitutionslehre“. Im selben Jahr wurde er in den Beirat der Deutschen Gesellschaft für Bevölkerungswissenschaft gewählt. 1954 war er Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Münster. Seit 1949 war er Gründungs- und ordentliches Mitglied der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse der Akademie der Wissenschaften und Literatur in Mainz sowie Vorsitzender von deren Kommission für Humanforschung. Von 1952 bis 1956 war er Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie. 1953 wurde er Ehrenmitglied der italienischen Gesellschaft für medizinische Genetik, 1955 der Wiener Gesellschaft für Anthropologie und 1956 der Japanischen Gesellschaft für Humangenetik. Ab 1959 war er korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
  • Anfang 1965 wurde Freiherr von Verschuer emeritiert.

Tod

Prof. Dr. med. Otmar Freiherr von Verschuer wurde am 29. September 1968 in einen schweren Autounfall verwickelt, erlitt schwerste Kopfverletzungen und fiel ins Koma. Er starb ein Jahr später, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben.

Familie

Am 5. September 1925 heiratete Dr. med. Freiherr von Verschuer in Karlsruhe seine Verlobte Erika Flad (Lebensrune.png 1897), aus der Ehe sind drei Kinder entsprossen:

  • Helmut (Lebensrune.png 1926)
  • Sigrid (Lebensrune.png 1928)
  • Gudrun (Lebensrune.png 1932)

Mitgliedschaften und Ehrungen

Auszeichnungen (Auszug)

Schriften (Auswahl)

Verschuer verfaßte 290 Publikationen und war Herausgeber fachwissenschaftlicher Zeitschriften.

  • Zwillingstuberkulose, 1933 (mit K. Diehl)
  • Erblehre des Menschen, 1933
  • Erpathologie, 1934
  • Die Rasse als biologische Größe, Berlin 1934
  • Erbbiologische Erkenntnisse zur Begründung der deutschen Bevölkerungs- und Rassenpolitik. In: Eugen Gerstenmaier (Hg.): Kirche, Volk und Staat. Stimmen aus der Deutschen Evangelischen Kirche zur Oxforder Weltkirchenkonferenz, Furche-Verlag, Berlin 1937, S. 63–75
  • Eugen Fischer. Der Altmeister der Anthropologie, der Pionier der Humangenetik, der Begründer der Anthropobiologie, In: Hans Schwerte / Wilhelm Spengler (Hgg.): Forscher und Wissenschaftler im heutigen Europa. Erforscher des Lebens: Mediziner, Biologen, Anthropologen (= Gestalter unserer Zeit, Band 4), Stalling, Oldenburg 1955, S. 317–324
  • Das ehemalige Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik. Bericht über die wissenschaftliche Forschung 1927–1945, 1964
  • Der Mensch und seine Umwelt, Konstanz 1965
  • Eugenik. Kommende Generationen in der Sicht der Genetik, Witten 1966

Literatur

Fußnoten

  1. Otmar war der Sohn des Hauptmanns a. D., Grubenbesitzers und Kaufmanns Hans Freiherr von Verschuer (1866–1932) und dessen Frau Charlotte „Lottie“ Rosalie, geb. von Arnold (Lebensrune.png 1869; Todesrune.png 1942)