Wurzian, Alfred von

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Alfred von Wurzian: Vater der deutschen Kampfschwimmerei

Alfred von Wurzian (Lebensrune.png 24. September 1916 in Wien; Todesrune.png 21. Januar 1985 ebenda) war ein deutscher Unteroffizier des Heeres und Offizier der Kriegsmarine sowie des Lehr-Regiments „Kurfürst“.[1] Der Unterwasserpionier aus Österreich gilt als Begründer der deutschen Meereskämpfer im Zweiten Weltkrieg.

Leben und Wirken

V. l. n. r.: Alfred von Wurzian, Dr. med. Jörg Böhler und Hans Hass auf Curacao (Niederländische Antillen), Spätsommer 1939. Auch der Kriegsausbruch im September ließ sie nicht weichen. Sie nahmen weiter an ihrer ersten Auslandsexpedition teil. Sie wurden schließlich auf die kleine Insel Little Bonaire verbannt – und tauchten dort weltmeisterlich, um die Unterwasserwelt zu erleben.[2]

Nach dem Abitur (Matura) meldete sich von Wurzian[3] 1936 zuerst als Einjährig-Freiwilliger beim österreichischen Militär für ein Jahr, er wurde als Reserveoffiziersanwärter entlassen. Ab 1937 studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Wien, wo er seinen Lebensfreund Hans Hass kennenlernte. Beide wurden Mitglieder der schlagenden Verbindung Wiener Akademischer Sportverein (WASV). Wurzian brach sein Studium vorzeitig ohne Abschluß ab und meldete sich freiwillig zur Wehrmacht.

Forschungsreise

Alfred von Wurzian (links), Hans Hass (Mitte) und Jörg Böhler (rechts) 1940 nach der abenteuerlichen Rückkehr von der Unterwasserexpedition auf Curacao.

Wurzian begleitete Hass auf zwei seiner Expeditionen (1939/40 in die Karibik und 1942 nach Griechenland), für die er von der Wehrmacht freigestellt (beurlaubt) wurde. Er ist in den beiden Expeditionsfilmen zu sehen. Von Januar bis März 1943 führte Wurzian im Rahmen der Organisation Kraft durch Freude deutschlandweit mit großem Erfolg eine Vortragsreise zur Griechenland-Expedition durch.

Während der Expeditionen hatte Wurzian erkannt, wie nutzbringend das neue Tauchgerät auch für militärische Einsätze sein konnte. Er hatte begonnen, für seine Idee einer deutschen Kampfschwimmereinheit zu werben. Dem wurde zuerst mit Skepsis begegnet,[4] später wurde diese Idee allerdings erfolgreich umgesetzt.

Zweiter Weltkrieg

Kampfschwimmer

Foto (v. l. n. r.): Alfred von Wurzian (nicht ganz im Bildausschnitt), Rudi Ohrdorf (Kreuzschanzschleuse), Abwehr-Hauptmann Friedrich Hummel (Brandenburger), Karl-Heinz Kayser (Ornekanal, Ancona), Gerd Schmidt, Richard „Ritchie“ Reimann (Orne), Gerd Olle (Nimwegen), Heinz Bretschneider (Orne, Nimwegen). Diese Dienstuhren wurden von der Kriegsmarine und der Abwehr für Sondereinsätze eingesetzt.[5] Jeder verdiente Kampfschwimmer erhielt eine wertvolle Taucheruhr mit Gravur von Rolex-Panerai, wobei der Name aus Geheimhaltungsgründen durch Initialen ersetzt wurde.[6]
„Wenn ich auf die unter Wasser liegenden Wracks hinabgetaucht war oder in der Abenddämmerung im Hafen umher schwamm, da ließ mich die Idee vom militärischen Einsatz von Schwimmern nie ruhen. Welche Möglichkeit gäbe es da, ungesehen an ein fremdes Schiff oder in einen Hafen hineinzugelangen? Manche Nacht konnte ich nicht schlafen, jede Minute hatte ich eine Idee, eine waghalsiger als die andere: die Idee der Kampfschwimmer.“[7]

Im März 1942 rückte von Wurzian als Unteroffizier bei der 3. Batterie der leichten Artillerie-Ersatzabteilung (mot.) 102 in Olmütz ein, während Hans Hass eine Expedition in die Ägäis vorbereitete, an der auch von Wurzian wieder teilnehmen sollte. Ursprünglich wollte Hass ja in tropische Gewässer, was aber durch den Krieg vorerst verhindert worden war. Bei dieser Expedition wollte Hass unbedingt ein autonomes Tauchgerät verwenden, wofür ihm ein Sauerstoff-Kreislaufgerät der auf diesem Gebiet führenden deutschen Firma Dräger namens „Gegenlunge“ (später: Drägerlunge) geeignet erschien. Dieses Gerät war eine Weiterentwicklung des „Tauchretters“, wie er auf den späteren deutschen U-Booten Verwendung fand, und kam bereits 1928 auf den Markt. Allerdings erlaubte es aufgrund seiner Konstruktion nur ein Aufrechtgehen auf dem Meeresgrund, kein Schwimmen unter Wasser. Hass war daher erstmals im Frühjahr 1941 bei der Firma Dräger in Lübeck und änderte dort in Zusammenarbeit mit deren technischem Direktor, Oberingenieur Hermann Stelzner, die „Gegenlunge“ für seinen Verwendungszweck um. Diese Entwicklung sollte die Voraussetzung für den Einsatz deutscher Kampftaucher sein.

Im Frühjahr 1943 wurde er auf Anordnung der Abwehr in die berüchtigte Division Brandenburg des militärischen Geheimdienstes eingezogen. Dort sollte er eine neue Truppe von Sabotageschwimmern aufbauen, die sogenannte Meeresjäger-Abteilung. Im Dezember 1943 bzw. Anfang 1944 wurde die deutsche Kampfschwimmereinheit unter der Ägide des militärischen Geheimdienstes in Valdagno in Italien gegründet. Feldwebel Wurzian wurde beim Lehrkommando 700 Ausbildungsleiter. Im Frühjahr 1944 wurde die Einheit der Kriegsmarine unterstellt und bezog ein neues Quartier auf der Insel San Giorgio in Alga bei Venedig, ab April wurde Wurzians Freund und Kampfschwimmer Pionier Friedrich Hummel zum Kapitänleutnant benannt und Kommandeur des Lehrkommandos 700, während Wurzian als Leutnant zur See ab dem 21. Juni 1944 Ausbildungsleiter des Lehrkommandos 701 wurde. Im November wurde die Einheit in List (Insel Sylt) stationiert, wo sie bis zum Kriegsende blieb.

Von Wurzian war auch bei K-Operationen vor Ort, so auch beim Angriff auf den Orne-Kanal durch das M.E.K. 60 unter Hans-Friedrich Prinzhorn. Da er jedoch von Admiral Heye Einsatzverbot bekommen hatte, war er nur beratend tätig.

Es wird von vielen ehemaligen Kampfschwimmern immer wieder betont, daß es maßgeblich an der guten Ausbildung Alfred von Wurzians lag, daß es kaum Unfälle gab. Viele Meereskämpfer haben nach dem Krieg, auch in filmischen Dokumentationen, behauptet, allein die Anwesenheit Alfred von Wurzians mit seiner Furchtlosigkeit bei absoluter Dunkelheit unter Wasser habe den Elite-Kämpfern Sicherheit und Zuversicht geschenkt. Wurzian nahm nie selbst an Einsätzen teil, weil es ihm als Spezialist strikt verboten worden war. Er legte diesen Befehl aber sehr großzügig aus und begleitete seine Krieger oft bis zur Einstiegsstelle am Wasser.

Mit dem Abzug der Meereskämpfer aus Italien endete gleichzeitig die Verwendung Alfred von Wurzians als Ausbildungsleiter. Er wurde in den Stab des Admirals der Kleinkampfverbände abkommandiert. Dort sollte er sich in der technischen Abteilung der Erprobung neuer Tauchgeräte widmen. So erlebte er als Leutnant zur See der Reserve der Marineartillerie (MA) – und neben dem Eisernen Kreuz 2. Klasse inzwischen auch mit dem Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit Schwertern ausgezeichnet – in List auf Sylt (Lehrgangslager 703, Tarnname: „Weißkoppel“) gemeinsam mit vielen Kameraden das Kriegsende.

Nachkriegszeit

Nach dem Krieg lebte Wurzian einige Jahre in Hamburg, wo er sich unter anderem als Berufstaucher im Hafen betätigte. Die Idee des Buches „Der Mann im Strom“ von Siegfried Lenz und seine spätere Verfilmung mit Hans Albers in der Hauptrolle soll auf der Geschichte von Wurzians in diesen Nachkriegsjahren basieren.

Mitte der 1950er Jahre war Wurzian in Indien als Repräsentant der Essener Firma Krupp in Rourkela, wo ein großes Eisen- und Stahlwerk errichtet wurde. Anfang der 1960er Jahre zog er zurück nach Wien, wo er für die Firma VARTA Generalmanager für Österreich wurde. 1966 verlor Wurzian durch einen Schlaganfall nahezu das gesamte Sprachvermögen. Bis zu seinem Lebensende konnte er es nur unvollständig wieder herstellen.

Tod

Leutnant zur See der Reserve (MA) außer Dienst Alfred von Wurzian starb im Kreise seiner Familie 1985 in seiner Geburtsstadt Wien.

Auszeichnungen (Auszug)

Filme

  • Pirsch unter Wasser, Erstaufführung: Dezember 1942, UFA-Theater Tauentzien-Palast Berlin. Haupdarsteller: Hans Hass, Alfred von Wurzian und Jörg Böhler[8]
  • Menschen unter Haien,[9] 1947 („entnazifiziert“),[10] Besetzung: Dr. Hans Hass: Expeditionsleiter, Alfred von Wurzian: Unterwasserjäger, Dr. Jörg Böhler: Unterwasserjäger, Heinz Gervais: Unterwasserjäger, Alfons Hochhauser: „Xenophon“, Gerätewart und Dolmetscher, Dr. Albrecht Beckh: Biologe, Paul Thie: Kapitän

Filmographie

Literatur

  • Michael Jung:
    • Sabotage unter Wasser. Die deutschen Kampfschwimmer im Zweiten Weltkrieg., Koehlers Verlagsgesellschaft (2004), ISBN 978-3813208184
    • Agenten unter Wasser – Schiffsziele im Visier deutscher Kampfschwimmer, E. S. Verlag Mittler, 2006, ISBN 3-8132-0859-1
    • German Combat Divers in World War II, Schiffer Military History (2008), ISBN 9780764330926
  • Bekker/Cajus: Einzelkämpfer auf See. Die deutschen Torpedoreiter, Froschmänner und Sprengbootpiloten im Zweiten Weltkrieg, Stalling-Verlag, 1968
  • Dietrich F. Witzel: Kommandoverbände der Abwehr II im Zweiten Weltkrieg. In: Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.): Militärgeschichtliches Beiheft zur Europäischen Wehrkunde. Heft 5, Oktober 1990
  • Deutsche Gesellschaft für Heereskunde, 2004: Zeitschrift für Heereskunde, Band 68, Ausgaben 411–414, 2004
  • Norbert Gierschner: Meine illustrierte Chronologie und Bibliografie Tauchgeschichte, Zeittafeln und Bilder, 2011, ISBN 978-3937522241

Verweise

Fußnoten

  1. In den Kriegsjahren 1943–1945 der Tarnname für das Kompetenz- und Ausbildungszentrum des deutschen militärischen Geheimdienstes. Von der am 1. April 1943 verfügten Herauslösung der Division Brandenburg aus dem militärischen Geheimdienst (Amt Abwehr/Ausland) war das 5. Regiment (Sonderverband 805) ausgenommen. Es verblieb zunächst unter dem Namen „Lehrregiment Kurfürst“ bei der Abwehr, bis diese im Spätsommer 1944 vom Amt Mil beim Reichssicherheitshauptamt (RSHA) vereinnahmt wurde. Noch nach Kriegsende waren die „Kurfürsten“ als Spezialisten sehr begehrt und wurden von den Siegermächten für eigene Dienste umworben.
  2. Den letzten beißen die Hunde ...
  3. Sein Urgroßvater war Josef Wurzian, ab 1850 Ritter von Wurzian (1806–1858), der Leibarzt des Feldmarschalls Josef Graf Radetzky.
  4. Ende 1942, sofort nach der Rückkehr aus der Ägäis, führt Wurzian den Militärs seine Kampfschwimmeridee vor – zunächst vergeblich, denn Hilter sah für Kampfschwimmer keine Verwendung, doch dies sollte sich Ende 1943 schlagartig ändern: englische Saboteure brachten Minen an der Tirpitz an und setzten das Schlachtschiff für Monate außer Gefecht. Jetzt sollte Wurzian in der Marineschule Kiel Rekruten für ein Geheimkommando finden. Hier trainierten die besten Sportschwimmer des Dritten Reiches, die sogenannte „Wettkampfgruppe Schwimmen“, eigentlich eine Schaugruppe, die durch Vorführungen Freiwillige für die Kriegsmarine anwerben sollte. Unter ihnen waren Rekordschwimmer, sogar Weltrekordhalter. Keiner von ihnen wußte, was ihre neue Aufgabe sein würde, einige von ihnen erhielten nur den Befehl Kiel zu verlassen, mit dem Hinweis, sie alle seien ausgewählte Leute mit der Voraussetzung, gut schwimmen zu können.
  5. Der Kampfschwimmer und Buchautor Martin Grabatsch (Torpedoreiter, Sturmschwimmer ...) berichtet von einer Begebenheit, von einem Einsatz dreier Kampfschwimmer im Hafen von Neapel am 20. Mai 1944, also aus der Zeit, wo Süditalien schon von den Alliierten erobert worden war und deutsche Agenten in Neapel Sabotage an Schiffslieferungen ausführten: „Leutnant Gerber, der einzige noch verbliebene Deutsche in der ehemals achtzehn Mann starken Sabotagegruppe, warf einen raschen Blick auf seinen Chronometer. Echte Schweizer Qualitätsarbeit mit Zeit-, Tiefen- und Druckmesser und Stoppeinrichtung. Das Neueste auf dem Markt, getragen von allen kriegführenden Nationen, die mit Sekunden und Metern rechnen müssen.“ Der Kampfschwimmer Gerber hat anschließend einen Öltanker im Hafen von Neapel durch Plazieren von Haftladungen gesprengt.
  6. Deutsche Kampfschwimmer und ihre Uhren
  7. Aus seinem Tagebuch, 1942
  8. Quelle: Filmbeschreibung Pirsch unter Wasser
  9. Menschen unter Haien entstand zwischen Juni und Oktober 1942 anlässlich der Expedition von Hans Hass zu den Sporaden, Kykladen und nach Kreta. Anfänglich war er als zweiteiliger UFA-Kulturfilm geplant und unter der Leitung von Nicholas Kaufmann produziert worden. Neben der UFA, von der Hass Devisen erhielt, unterstützte ihn die Kriegsmarine durch die Bereitstellung eines Expeditionsschiffes mit Mannschaft, Treibstoff und Proviant. Darüber hinaus gewährte man dem Schiff Geleitschutz durch bewaffnete Boote, da in der Ägäis zu dieser Zeit bereits eine akute Bedrohung durch alliierte Unterseeboote herrschte. Für die Teilnahme an der Expedition wurden Alfred von Wurzian, Jörg Böhler und Alfons Hochhauser vom Militärdienst freigestellt.
  10. Der Film wurde erst nach Kriegsende fertig und vor der Veröffentlichung „entnazifiziert“: Szenen, die Marinesoldaten, Kriegsschiffe und Uniformen zeigten, wurden herausgeschnitten, dennoch zählt er heute zu den bedeutendsten Beiträgen des Unterwasserfilms.