Aussteiger

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Der alltagssprachliche Begriff des Aussteigers ist schwer greifbar und schwierig einzugrenzen, da bereits während der Hominisation (Menschwerdung) nomadisierende Ur- und Frühmenschen immer schon aus bestehenden Verbänden ausgestiegen sind („Jungmännerwut“) und ethnische Abspaltungen nicht allein kulturgeschichtliche Bedeutung haben, sondern – viel tiefer gehend – auch immer schon eine anthropologische Bedeutung. Der Ausdruck „Aussteiger“ bezeichnet generell Menschen, die ihre bisherigen Gepflogenheiten – sei es Weltanschauung, religiöse oder politische Vorlieben – oder ihren gewohnten Lebensraum aufgeben.

Zur Anthropologie des Ausweichens

Die biologischen, technischen, symbolischen und sittlichen Möglichkeiten des Menschseins überhaupt hängen wesentlich mit der typischen Eigenschaft von Menschen zusammen, in Situationen des unerträglichen Drucks auszuweichen und fundamental neu oder anders oder anderswo zu beginnen mit allem, was sie tun. Die Menschwerdung selber erfolgte also bereits in der Form unablässiger Segregation von Gruppen (sogenannten „Wildbeutergruppen“) über alle Kontinente. Solidarität war schon immer exklusiv und Menschen haben schon immer Gruppen gebildet, um Solidarität fokussieren zu können. Dieses Verhalten hat seinerseits auf die biologische Kreatürlichkeit des Menschen zurückgewirkt und die verschiedenen rassisch-sittlichen und kulturellen Unterschiede ausgeprägt.

Das Gegenbeispiel des totalitären Staates

Tragische Gegenbeispiele für diese urmenschliche und grundmenschliche Tatsache sind Menschen in totalitären Staaten, denen mit tödlicher Waffengewalt die Möglichkeit des Ausweichens genommen worden ist: Ukrainische Bauern unter Stalin, die millionenfach verhungert sind, weil ihnen das gesamte Saatgut staatlicherseits konfisziert wurde und die dennoch nicht weichen konnten und als wandelnde Skelette in ungeheurer Zahl untergingen. Auch westchinesische Bauern heute am Rande der Taklamakan-Wüste — die in trockenfallenden Regionen leben und dort verdursten, weil der totalitäre chinesische Staat sie gewaltsam am Ausweichen hindert und sie in der bäuerlich-feudalen Residenzpflicht des Leibeigenen hält, ungeachtet ihres Wegsterbens — repräsentieren ein solches anthropologisches Gegenbeispiel.

Aus der Kulturgeschichte des Aussteigens

Klosterbewegungen

Nach dem ethnischen Aussteigen (der Ethnogenese) gewann schon recht frühzeitig das religiöse Aussteigen eine hohe kulturgeschichtliche Bedeutung. Alle Hochkulturen Asiens, des Nahen und Mittleren Ostens und Europas kennen — durch Jahrtausende hin — das Phänomen der klösterlichen Bewegungen. Also des radikalen Ausstiegs Einzelner aus den Marktgemeinden, den Sippen- und Familienbindungen zugunsten eines eingeschränkten, streng ritualisierten Lebens in abgeschiedenen sittlich-religiösen Zusammenschlüssen.

Für Europa bedeutsam wurden die frühen Einsiedlermönche und die spätantike Klosterbewegung (die mit der Christianisierung einherging), wie auch die hochmittelalterliche Ordensbildung, die zugleich als ein ökonomisches Modell des Widerstands gegen totale Fürstenwillkür fungierte. Von den ostasiatischen (tibetisch-chinesisch-japanischen) ebenso uralten Klosterbewegungen erfuhren die Europäer erst im 19. Jahrhundert Genaueres.

Judentum, Christentum, Reformation

In immer neuen Schüben vollzieht sich europäische Religionsgeschichte als die Geschichte eines rabiaten, energischen Aussteigens aus bestehenden Strukturen. Das Christentum trägt noch recht lange die Merkmale einer jüdischen Sekte an sich (und führt die fünf Heiligen Bücher der Juden plötzlich als eigene „Heilige Schrift“ namens Altes Testament dauerhaft mit sich), vergißt aber geradewegs seine eigentlichen Ursprünge. Erst im 19. Jahrhundert begreifen große europäische Gelehrte, wie eng sich die christliche Tradition aus jüdischen Vorgaben (und aus Radikalisierungen genuin jüdischer Vorstellungen) heraus entwickelt hat.

Auch die europäischen Reformationsbewegungen Calvins, Zwinglis, Wiclyffs, Melanchthons, Luthers gingen in der frühen Neuzeit des 16. Jahrhunderts den Weg des radikalen Ausstiegs: Immer wieder stellten reformatorische Predigten und Schriften den Papst in Rom als den eigentlichen Antichristen dar, als den großen Widersacher echten Glaubens und als den Zerstörer wahren Christentums: Sie stiegen vollständig aus der katholischen Tradition aus und griffen zurück auf einen wortgläubigen Bibeldienst.

Philosophie, Lebensart, Sittlichkeit

Ein klassisches Beispiel fundamental-radikalen Aussteigens verbindet sich mit dem Namen des Kynikers Diogenes in der griechischen Antike. Eines Philosophen (Diogenes in der Tonne), der für seine Beleidigung Alexanders des Großen berühmt ist („Geh mir aus der Sonne!“) und für seine entschiedene Zurückweisung aller gesellschaftlicher Vorgaben und Zwänge. Vielleicht ist es nicht übertrieben, zu sagen, daß sich in allen europäisch-westlichen Aussteigerbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts (die aufzuzählen eine eher dreistellige Zahl von Spiegelstrichen verlangte und daher hier nicht möglich ist) stets einzelne Merkmale der Handlungsweise des Diogenes und der Denkweise des Jean-Jacques Rousseau wiederfinden.

Zivilisationsskepsis, Technikskepsis, Antikapitalismus

Heutige Beispiele methodisch radikal durchgeführten Aussteigens sind Alternativbewegungen wie die Hippies der 1960er Jahre oder Teile der New-Age-Bewegung. Der vormalige Mathematikprofessor und Technikskeptiker Theodore Kaczynski agierte zwei Jahrzehnte lang als einsiedlerischer „Una-Bomber“ gegen eine Zivilisation als Ganze.

Auch etliche Sekten praktizierten den Totalausstieg aus der Zivilisation. Bekannt (eher berüchtigt) wurde Jim Jones (1931-1978), der Gründer des „Peoples Temple“, der in den VSA eine christlich-rassenübergreifende Glaubensgemeinschaft gründete, und der selbst mit über 900 seiner Anhänger 1978 bei einem Massenmord und Massenselbstmord in Jonestown, Guyana (im Nordosten Südamerikas), zu Tode kam.

Lebensreform, östliche Weisheit, Wassermannzeitalter

Totalabschottung und kollektive Paranoia mit Gruppensuizid ist jedoch keineswegs die gewöhnliche und häufige Form der Segregation, sondern vielmehr Weltabkehr und moralische Erneuerung. So gelten die Künstler und Lebensreformer des „Monte Verità“ als Urbild der mitteleuropäischen Aussteiger-Szene. Der Monte Verità (dt.: „Wahrheitsberg“) ist ein Hügel im Westen von Ascona, im Kanton Tessin, Schweiz, der in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts der Sitz einer lebensreformerischen Künstlerkolonie war, die heute als eine der Wiegen der Alternativbewegung gilt. In ihr sammelte sich der Widerstand gegen die Kultur und Gesellschaft der damaligen Zeit, die als patriarchal, imperialistisch und kleinkrämerisch wahrgenommen wurde. Monte Verità wurde ein Zentrum neuer Bewegungen: Lebensreform, Pazifismus, Anarchismus, Theosophie, Anthroposophie, OTO, Psychoanalyse, östliche Weisheit, Ausdruckstanz, Vegetarismus, Autarkie-Bewegung und New Age (= „neues Zeitalter“, in astrologischem Verständnis: der anstehende Beginn des Wassermannzeitalters).

Eskapismus innerhalb der modernistischen Zivilisation

Aussteiger sind in einem vielleicht noch fundamentaleren Sinn auch die vielen Millionen Weltnetz-Süchtigen, die mittels der intensiven Befassung mit Computerspielen aller Art („Real-Life“-Gegenwelt) alltägliche und gesellschaftliche Forderungen von sich weisen. Selbst eine intensive Nutzung „sozialer Medien“ im Rechner kann mit völliger sozialer Isolation in der alltäglichen Lebensumgebung einhergehen.

„Aussteiger“ als politisches Phänomen des Rückzugs von Funktionären

Im allerengsten Sinn redet die Alltagssprache heute auch von „Aussteigern“, wenn sie auf politisch geächtete Positionen der nationalen Rechten Bezug nimmt. Diese mit großem publizistischem Lärm veranstaltete (und stark ritualisierte) Form des „Aussteigens“ bedeutet, daß ein Funktionär einer geächteten nationalen Gruppierung öffentlich abschwört, zu diesem Abschwören vor Kameras befragt wird und — nach Möglichkeit — durch Zwangsmittel dazu gebracht wird, so drastisch oder verletzend wie möglich gegen frühere Gesinnungsgenossen öffentlich auszusagen.

Dieses Ritual ist Teil des politischen Kampfes insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland, wo — in einer immer hysterischer verfahrenden Weise — nationale, konservative und anthropologische Positionen aus der Parteipolitik eliminiert werden. Oft geschieht dies im Zusammenhang mit Strafverfahren, Einzelne erkaufen sich dadurch die Milde der Justiz oder führen auch einfach nur ihre Profilneurose öffentlich vor.



Siehe auch

Literatur

  • Bernd Wedemeyer-Kolwe: Aufbruch – Die Lebensreform in Deutschland, Verlag Philipp von Zabern in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, 2017, ISBN 978-3805350679 [208 S.]
  • Roman Kurzmeyer: Viereck und Kosmos – Künstler, Lebensreformer, Okkultisten, Spiritisten in Amden 1901-1912 – Max Nopper, Josua Klein, Fidus, Otto Meyer-Amden [erscheint zur Ausstellung „Viereck und Kosmos - Künstler, Lebensreformer, Okkultisten, Spiritisten in Amden 1901-1912“, Amden SG und Kunsthaus Glarus, 27. Juni bis 29. August 1999]; Edition Voldemeer, Zürich und Springer Verlag, Wien/New York 1999 ISBN 978-3-211-83371-1 [258 S.; zugleich Univ.Diss., Basel 1997]
  • Jan Grossarth: Vom Aussteigen & Ankommen. Besuche bei Menschen, die ein einfaches Leben wagen. Riemann Verlag, München ²2011, ISBN 978-3-570-50123-8
  • Michael Holzach: Das vergessene Volk. Ein Jahr bei den deutschen Hutterern in Kanada; dtv, München 1989, ISBN 3-423-30008-3
  • Andreas Schlothauer: Die Diktatur der freien Sexualität. AAO, Mühl-Kommune, Friedrichshof. Verlag für Gesellschaftskritik, Wien 1992, ISBN 3-85115-157-7
  • Ulrike Voswinckel: Freie Liebe und Anarchie. Schwabing — Monte Verità. Entwürfe gegen das etablierte Leben. Allitera Verlag, München 2009, ISBN 978-3-86906-027-9
  • Gerald Willms: Die wunderbare Welt der Sekten. Von Paulus bis Scientology. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2012, ISBN 978-3-525-56013-6
  • Gerhard Zacharias: Satanskult und Schwarze Messe. Ein Beitrag zur Phänomenologie der Religion. Limes-Verlag, Wiesbaden ²1970 [keine ISBN zugewiesen, Erstausgabe: 1964].