Bayern (Herzogtum)
Die Ursprünge des Herzogtums Bayern lassen sich bis ins Jahr 550 zurückverfolgen. In der Gotengeschichte des Jordanes heißt es: „Jenes Gebiet der Schwaben hat im Osten die Baiern, im Westen die Franken.“ Die Herrscher stammten seit dieser Zeit bis zum Ende des ersten Stammesherzogtums alle aus dem Geschlecht der Agilolfinger. Das Siedlungsgebiet wurde in diesem Zeitraum nach Osten bis zur Enns und nach Süden bis ins heutige Südtirol erweitert.
Veränderungen gab es im Osten auch durch den Abzug der Langobarden aus Pannonien nach Norditalien und dem Nachrücken der Awaren auf das Gebiet des heutigen Böhmens. Im 8. Jahrhundert kam durch Unterwerfung von Karantanien das heutige Kärnten unter baierische Herrschaft. Sitz der lange weitgehend unabhängig regierenden Herzöge war Regensburg.
Inhaltsverzeichnis
Der heilige Korbian
St. Korbinian legte die Grundlagen für das spätere Bistum Freising, St. Kilian wurde zum Missionar des fränkischen Gebiets im Norden. Bonifatius gründete 742 das Bistum Würzburg, das im 7. Jahrhundert zum thüringisch-fränkischen Herzogtum der Hedene gehörte. Im Gebiet westlich des Lechs wurde Augsburg zum Bischofssitz. In Passau fand Bonifatius bereits einen Bischof vor.
Der Heilige Rupert von Salzburg begründete 696 das spätere Erzbistum Salzburg, nachdem er (vermutlich) den Herzog und seinen Hofstaat in der Hauptstadt Regensburg getauft hatte. Rupert wurde dadurch zum „Apostel der Baiern“. 798 schuf Papst Leo III. die bairische Kirchenprovinz, zu der die Bistümer Salzburg als Metropolitansitz, Regensburg, Passau, Freising und Säben (später Brixen) gehörten.
Bayern unter den Karolingern
Unter den Karolingern kam es zu einem Erstarken des Frankenreichs, wodurch die weitgehende Eigenständigkeit der Stammesherzogtümer unter den Merowingern beendet wurde. 716 endete als erstes das Herzogtum der Hedene. Das Gebiet kam unter karolingische Herrschaft, wobei die Kirche mit dem Bistum Würzburg eine dominierende Stellung erhielt. Nach Niederschlagung eines letzten Aufstands bei Kannstatt 746 wurde auch das alemannische Gebiet endgültig in das Frankenreich eingegliedert.
Als letztes wurde 788 das baierische Stammesherzogtum zerschlagen. Der baierische Herzog Tassilo III. versuchte vergeblich die Eigenständigkeit durch ein Bündnis mit den Langobarden zu retten. Die Eroberung des Langobardenreiches durch Karl den Großen zog auch den Sturz Tassilos III. und das Ende des älteren baierischen Stammesherzogtums nach sich.
Das Herzogtum Baiern 952–976
Unter dem ostfränkischen König Ludwig dem Deutschen, der sich ab 825 „König der Baiern“ nannte, rückte Baiern in den Mittelpunkt der Macht. Unter Kaiser Arnulf von Kärnten wurden Baiern und Kärnten zu Basen der Macht mit Regensburg als Regierungssitz.
Nach Ende der Herrschaftsperiode der Karolinger kam es erneut zu einem Erstarken der Eigenständigkeit der einzelnen Gebiete. Unterstützt wurde dies durch die Bedrohung von außen durch die Ungarneinfälle ab etwa 862.
Markgraf Luitpold von Bayern fiel 907 in der Schlacht von Preßburg in einer Niederlage gegen die Ungarn, jedoch wird das Datum durch den Antritt seines Sohns Arnulf I. als Herzog von Bayern gleichzeitig als Beginn des jüngeren bayerischen Stammesherzogtums gesehen. Die Pannonische Mark ging allerdings endgültig an die Ungarn verloren.
Nach dem Sieg in der Schlacht auf dem Lechfeld 955 erfolgte eine zweite Welle baierischer Ostsiedlung mit Gewinn von Gebieten im heutigen Niederösterreich, Istrien und der Krain. Obwohl seit 955 von einer ottonischen Nebenlinie regiert, gab es mit dem sächsischen Königsgeschlecht der Ottonen im 10. Jahrhundert Konflikte, die 976 mit dem Verlust von Kärnten und eines Großteils der neu gewonnenen Gebiete endeten, die als Teil eines neu geschaffenen Herzogtums Kärnten von Baiern abgetrennt wurden. Zusätzlich regierte das Geschlecht der Babenberger in der Marcha Orientalis (Ostarrichi) zunehmend unabhängiger.
Heinrich der Löwe
Nachdem der ottonische bayrische Herzog 1002 als Heinrich II. römisch-deutscher König geworden war und bis 1017 zeitweise das Herzogtum in Personalunion regiert hatte, folgte eine Periode, in der die baierischen Herzöge von außen eingesetzt wurden und stark vom deutschen Königtum abhängig waren, die auch unter den Saliern fortdauert. Zeitweise war als Herzog gar der Kaisersohn eingesetzt. In dieser Zeit erfolgte der Aufstieg von Adelsgeschlechtern, wie der Grafen von Bogen und der Grafen von Andechs, der Diepoldinger, Grafen von Sulzbach und der Wittelsbacher.
Erst mit der Einsetzung der Welfen ab 1070 als Herzöge durch die Kaiserwitwe kam es zu einem erneuten Erstarken der bayerischen Herzöge. Diese Epoche ist durch den Investiturstreit zwischen Kaiser und Papst geprägt. Dabei konnte der Welfenherrscher durch Parteinahme für den Papst seine Position festigen.
Ein Konflikt mit dem schwäbischen Herrschergeschlecht der Staufer bei der Königswahl führte nach Wahl des Staufers Konrad III. zum König allerdings dazu, daß Bayern 1139 an die Babenberger gegeben wurde. Das schwäbische Gebiet wurde mit der Herrschaft der Staufer großenteils Königsland. Zunehmend entwickelte sich auch Franken zum Zentrum stauferischer Macht. In Franken ging die beherrschende Stellung des Bischofs von Würzburg durch die Gründung des Bistums Bamberg 1007 und neue weltliche Herrschaften verloren. Der Staufer Friedrich I. Barbarossa versuchte den Ausgleich mit den Welfen und gab 1156 ein um die Marcha Orientalis verkleinertes Bayern dem Welfen Heinrich dem Löwen zurück.
Die losgelöste Marcha Orientalis wurde unter den Babenbergern als neuem Herzogtum mit besonderen Privilegien zur Keimzelle des späteren Erzherzogtums Österreich. Heinrich der Löwe gründete zahlreiche Städte, unter anderem 1158 München. Durch seine starke Stellung als Herrscher über die beiden Herzogtümer Sachsen und Baiern geriet er jedoch in Konflikt mit Friedrich I. Barbarossa. Mit der Verbannung Heinrichs des Löwen und der Abtrennung der Steiermark als eigenem Herzogtum endete 1180 das „jüngere baierische Stammesherzogtum“.
Bayerns Anfänge als Territorialstaat
Kaiser Friedrich Barbarossa belehnt 1180 Pfalzgraf Otto von Wittelsbach mit dem Herzogtum Bayern. Der Teppich von etwa 1610 befindet sich in der Residenz München
Von 1180 bis 1918 stellten die Wittelsbacher die Herrscher Bayerns, zunächst als Herzöge, später als Kurfürsten und Könige. Als 1180 Pfalzgraf Otto VI. von Wittelsbach als Otto I. Herzog von Bayern wurde, war der Eigenbesitz der Wittelsbacher eher gering. In der Folgezeit wurde dieser aber durch Kauf, Heirat, Erbschaft erheblich erweitert. Neu erworbenes Land wurde nicht mehr als Lehen vergeben, sondern durch eigene Dienstleute verwaltet. Auch starben in dieser Zeit mächtige Grafengeschlechter, wie die der Grafen von Andechs und von Bogen aus. 1214 wurde sein Sohn Ludwig I. von Wittelsbach mit der Pfalzgrafschaft bei Rhein belehnt.
Trotz erneuter Teilung nach einer kurzen Zeit der Wiedervereinigung erlangte Bayern mit Ludwig IV. dem Bayern einen neuen Höhepunkt der Macht, als dieser als erster Wittelsbacher 1328 die Kaiserwürde erhielt. Die von ihm neu hinzugewonnenen Gebiete Brandenburg (1323), Tirol (1342), die niederländischen Provinzen Holland, Seeland und Friesland und das Hennegau (1345) gingen jedoch unter seinen Nachfolgern wieder verloren. Tirol fiel bereits 1369 mit dem Vertrag von Schärding an die Habsburger, in Brandenburg folgten 1373 die Luxemburger, und die niederländischen Grafschaften fielen 1436 an Burgund.
Im Hausvertrag von Pavia von 1329 teilte Kaiser Ludwig den Besitz in eine pfälzische Linie mit der Rheinpfalz und der später so genannten Oberpfalz und in eine altbayerische Linie auf. Damit ging auch die Kurfürstenwürde für die altbayerische Line an die Pfalz verloren. Erst 1777 sollten Bayern und Pfalz wieder vereint sein. Mit der Anerkennung der Herrschaftsgrenzen durch den bayerischen Herzog im Jahr 1275 ging die Ablösung Salzburgs von Bayern in ihre letzte Phase. Als der Salzburger Erzbischof dann 1328 eine eigene Landesordnung erlassen hatte, war Salzburg zu einem weitgehend unabhängigen Staat innerhalb des „Heiligen Römischen Reiches“ geworden.
Im 14. und 15. Jahrhundert wurden Oberbayern und Niederbayern selbst wiederholt geteilt. Nach der Teilung von 1392 existierten vier Herzogtümer: Niederbayern-Straubing, Niederbayern-Landshut, Oberbayern-Ingolstadt und Oberbayern-München, deren Herzöge nicht selten gegeneinander Krieg führten. Herzog Albrecht IV. von Oberbayern-München vereinigte nach dem verheerenden Landshuter Erbfolgekrieg von 1504/05 Altbayern 1506 wieder. Durch ein Primogeniturgesetz beendete er die Teilungen. Allerdings gingen 1504 die ursprünglich bayerischen Ämter Kufstein, Kitzbühel und Rattenberg an Tirol verloren.
Liste der Herrscher
Nach der Entmachtung Heinrichs des Löwen 1180 übertrug Kaiser Friedrich Barbarossa Bayern an das Haus Wittelsbach. Nachdem 907 das jüngere baierische Stammesherzogtum entstanden war, wurde bereits 976 das Herzogtum Kärnten abgespalten und 1156 das Herzogtum Österreich. Im Jahre 1180 schließlich wurde auch noch das Herzogtum Steiermark abgetrennt. Das 1180 auf das heutige Altbayern geschrumpfte Herzogtum gewann somit zunehmend den Charakter des spätmittelalterlich geprägten Territorialstaats.
1180: Beginn der Herrschaft der Wittelsbacher über Bayern, die erst im Jahre 1918 endete | ||
Herrschaft | Name | Bemerkungen |
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1180–1183 | Otto I. der Rotkopf | |
1183–1231 | Ludwig I. der Kelheimer | auch Pfalzgraf bei Rhein |
1231–1253 | Otto II. der Erlauchte | auch Pfalzgraf bei Rhein |
1253–1255 | Ludwig II. der Strenge Heinrich XIII. |
gemeinsame Regierung über das Herzogtum Bayern und die Pfalzgrafschaft bei Rhein |
1255: Erste Bayerische Landesteilung in Oberbayern und Niederbayern | |||||||||||||||||||||||||||||||
Oberbayern
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Niederbayern
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Wiedervereinigtes Bayern
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Im Landsberger Vertrag von 1349 und im Regensburger Vertrag von 1353 teilten die sechs Söhne Ludwigs IV., die zunächst ab 1347 gemeinsam regiert hatten, ihr Erbe, das auch Territorien außerhalb Bayerns umfasste, in Oberbayern (mit Brandenburg und Tirol), Bayern-Landshut und Straubing-Holland (mit Holland, Seeland und Hennegau). | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Oberbayern
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Bayern-Landshut
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Straubing-Holland
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1392: Aufteilung des Erbes Stephans II. unter seinen Söhnen in Bayern-Ingolstadt, Bayern-Landshut und Bayern-München, nachdem sie zuvor 1375-1392 gemeinsam regiert hatten | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Bayern-Ingolstadt
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Bayern-Landshut
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Bayern-München
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