Sauerbruch, Ferdinand
Ernst Ferdinand Sauerbruch ( 3. Juli 1875 in Barmen (heute zu Wuppertal); 2. Juli 1951 in Berlin) war ein deutscher Arzt, Chirurg und Sanitätsoffizier, zuletzt Generalarzt der Reserve und Träger des Ritterkreuzes des Kriegsverdienstkreuzes im Zweiten Weltkrieg. 1937 wurde er mit dem Deutschen Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Sauerbruch studierte in Marburg, Jena und Leipzig Medizin, wo er 1902 promovierte. Anschließend ging er nach Kassel, Erfurt, Berlin und war 1903 bis 1905 in Breslau. Dort wandte er sich der Brustraumchirurgie zu, dem Teilgebiet der Chirurgie, auf dem er mit seiner Entwicklung des Druckdifferenzverfahrens Bahnbrechendes leistete. Am 6. April 1904 führte Sauerbruch seine Unterdruckkammer („Sauerbruch-Kammer“) bei einer Operation am offenen Thorax mit Erfolg öffentlich vor und stellte diese Methode auf dem 33. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie im Juni 1904 der Fachöffentlichkeit vor.
1905 bis 1907 lehrte er in Greifswald, 1907 bis 1910 in Marburg und 1910 bis 1918 in Zürich. In Marburg wurde er 1908 außerordentlicher Professor und in Zürich erhielt er 1911 einen Lehrstuhl für Chirurgie. Hier widmete er sich vor allem der Thoraxchirurgie.
Erster Weltkrieg
In den Jahren des Ersten Weltkrieges schuf Sauerbruch nach einem freiwilligen Jahr als beratender Chirurg des Deutschen Heeres im XV. Armeekorps ab 1915, von der deutschen Regierung beurlaubt und an die Züricher Universitätsklinik zurückgekehrt, neuartige Arm- und Beinprothesen. Diese reichgegliederten, überraschend beweglichen Prothesen verliehen ihm eine hohe Popularität. Nachdem Sauerbruch beim Chef des Feldsanitätswesens Otto von Schjerning einen mit einer „künstlichen Hand“ versorgten Soldaten vorgestellt hatte, ermöglichte von Schjerning Sauerbruch die Versorgung von amputierten Soldaten mit Handprothesen durch Einrichtung eines Lazaretts an der Schweizer Grenze in Singen am Hohentwiel.
Zwischenkriegszeit
1918 erhielt er in München das Ordinariat für Chirurgie und war hier an der Universität bis 1927 tätig und widmete sich vor allem der operativen Behandlung der Lungentuberkulose und entwickelte Diätmaßnahmen für Tuberkulosekranke.
Als der Halbjude Anton Graf von Arco auf Valley, nationalvölkischer beurlaubter Leutnant im Königlich Bayerischen Infanterie-Leib-Regiment, den hoch- und landesverräterischer Ministerpräsidenten Bayerns Kurt Eisner (Geheimnisverrat Eisners an die Alliierten) erschoß (Feme-Mord), wurde dieser von dessen bewaffneten Begleitern selbst niedergeschossen. Dr. Sauerbruch übernahm die medizinische Versorgung und rettete ihm mit einer Notoperation das Leben.
Als der Judäokommunist Ernst Toller, Abschnittskommandant der „Roten Garde“ 1919, Dr. Sauerbruch bat, die beim Münchner Geiselmord erschossenen Opfer abzuholen, lehnte dieser angewidert ab. Dennoch verbirgt er nach der Niederwerfung der Münchner Räterepublik auf Bitten seiner Bekannten, der Schauspielerin Tilla Durieux, Beweismaterial, daß Ernst Toller schwer belasten würde.
In den Jahren 1928 bis 1949 war Sauerbruch Ordinarius für Chirurgie an der Berliner Universität und Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik an der Berliner Charité. In diese Zeit fallen seine komplizierten und riskanten Operationen, die ihm im In- und Ausland eine fast legendäre Bewunderung eintrugen.
Drittes Reich
Im September 1933 hatte er in einem „Offenen Brief an die Ärzteschaft der Welt“ die nationale Wiedergeburt Deutschlands begrüßt und beteiligte sich am „Bekenntnis der Professoren an den Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“. Im Jahre 1934 wurde er durch Hermann Göring zum Staatsrat ernannt. 1937 erfolgte die Verleihung des Nationalpreises für Kunst und Wissenschaft auf dem Reichsparteitag der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei in Nürnberg, zusammen mit August Bier.
Der Führer hatte Ferdinand Sauerbruch im Jahre 1943 das Ritterkreuz zum Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern verliehen. In den letzten Kriegswochen verlegte er sogar seinen Wohnsitz in die Charité, um dort verwundete deutsche Soldaten zu operieren.
Nachkriegszeit
Auch die sowjetische Besatzungsmacht ließ ihn nach Kriegsende als Klinikleiter der Charité, die nun im sowjetischen Sektor lag. Nach seinem Gesuch über die Versetzung in den Ruhestand war er noch an einer West-Berliner Privatklinik tätig.
Lebenserinnerungen
Sein Buch „Das war mein Leben“ wurde offenbar nach dem Krieg von einem Geisterschreiber rasch zusammengestrickt und beinhaltet derart viele Unwahrheiten und Verdrehungen, daß es kaum als ernsthafte Biographie zu betrachten ist.[1] Wahrscheinlich ging es darum, mit der weiteren Verbreitung des Buches Sauerbruch selbst von seiner Befürwortung des nun nach der Vernichtung Deutschlands in Mißkredit geratenen Nationalsozialmus reinzuwaschen und zugleich im Sinne der geplanten Umerziehung das deutsche Volk mit Lügen zu überschütten.
Tod
Ferdinand Sauerbruch verstarb am 2. Juli 1951. Sein Ehrengrab befindet sich auf dem Friedhof Wannsee, Lindenstraße in der Abt. A.T.-58.
Familie
Sauerbruch heiratete am 3. Januar 1908 seine Verlobte Adeline „Ada“ Schulz, Tochter des Geheimen Medizinalrates Prof. Dr. Hugo Paul Friedrich Schulz (1853–1932) aus Wesel. Aus der Ehe sind vier (nach anderen Quellen fünf) Kinder entsprossen: Hans, Friedrich, Peter und Marilen. Peter wurde mit dem Ritterkreuz geehrt.
Nach der Scheidung von Ada heiratete Sauerbruch 1939 Margot Grossmann (1903–1995), Internistin in Berlin.
Beförderungen
- 8. August 1914 Oberstabsarzt a. K. (vermutlich 1. Klasse)
- 1915 Chefarzt im Reserve-Lazarett Greifswald
- Oktober 1918 Ernennung zum königlich bayerischen Hofrat
- Oktober 1918 Beförderung zum Generalarzt der Königlich Bayerischen Armee
- 31. Oktober 1919 Oberstabsarzt mit dem Charakter als Generaloberarzt
- später in Oberfeldarzt umbenannt
- 1939 Oberfeldarzt der Reserve z. V.
- 1. Juli 1942 Oberstarzt der Reserve z. V.
- 1. Juli 1943 Generalarzt der Reserve z. V.
Auszeichnungen und Ehrungen (Auszug)
- Roter Adler-Orden, IV. Klasse
- Eisernes Kreuz (1914), II. und I. Klasse
- I. Klasse 1915 für die Kämpfe in Flandern
- Königlich Bayerisches König Ludwig-Kreuz
- Albrechts-Orden, Ritterkreuz I. Klasse mit Krone und Schwertern am 15. Dezember 1915 als königlich preußischer Oberstabsarzt a. K. und beratender Chirurg des XV. Armeekorps
- Königlich Sächsischer Militär-St.-Heinrichs-Orden, Kommandeur (Komturkreuz) II. Klasse (strittig)
- Königlich Württemberger Friedrichsorden, Ritterkreuz II. Klasse
- St. Alexander-Orden (Bulgarien), Komturkreuz II. Klasse
- Königlicher Hausorden von Hohenzollern, Adler der Ritter (Ehrenkreuz III. Klasse), 1918
- Eiserner Halbmond
- Ehrenkreuz für Frontkämpfer
- Deutscher Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft am 7. September 1937
- Kriegsverdienstkreuz (1939), II. und I. Klasse mit Schwertern
- Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes mit Schwertern am 6. Oktober 1943 als Geheimer Hofrat und Generalarzt der Reserve
Ehrungen
- Geheimer Hofrat (1918)
- Kußmaul-Preis der Universität Heidelberg (1922)
- Mitglied der Kaiserlich Leopoldinisch-Carolinischen Deutsche Akademie der Naturforscher
- Preußischer Staatsrat (1934)
- Ehrendoktor der Universität Uppsala
- Mitglied. der Deutschen Akademie der Wissenschaften (1937)
- Mitglied der Berliner Chirurgischen Gesellschaft (Vorsitz 1948–50, Ehrenpräsident 1950)
- Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie
- Ferdinand-Sauerbruch-Briefmarke der Bundespost, 1975 zum 100. Geburtstag
- Ferdinand-Sauerbruch-Forschungspreis der Berliner Chirurgischen Gesellschaft (gestiftet 1991, verliehen seit 1993)[2]
Verfilmung
- Sauerbruch – Das war mein Leben (BRD 1954), Spielfilm in Anlehnung an seine Autobiographie gleichen Titels; mit Ewald Balser in der Hauptrolle.
Sonstiges
- Sein Schüler Werner Forßmann erhielt den Nobelpreis für Medizin für die Erfindung des Herzkatheters.
Veröffentlichungen
- Die willkürlich bewegbare künstliche Hand: Eine Anleitung für Chirurgen und Techniker, Berlin 1916 (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
- Ferdinand Sauerbruch im Sammelband: Hans Weberstedt Hg.: Deutschland fordert Gleichberechtigung. Eine Sammlung von Aufsätzen und Rundfunkreden über die Fragen der Gleichberechtigung, Sicherheit und Abrüstung. Armanen-Verlag, Leipzig 1933
- Ferdinand Sauerbruch und Rudolf Nissen: Allgemeine Operationslehre. Leipzig 1933
- Ferdinand Sauerbruch und Hans Wenke: Wesen und Bedeutung des Schmerzes. Berlin 1936
- Rede als Wahlaufruf für Adolf Hitler am 11. November 1933 in Leipzig
- Ferdinand Sauerbruch: Das war mein Leben. Autobiographie
Verweise
Literatur
- Rolf Kosiek: Sauerbruchs Märchen über seinen Besuch bei Hitler, in: Rolf Kosiek / Olaf Rose (Hgg.): Der Große Wendig, Bd. 4, Edition Grabert im Hohenrain-Verlag, Tübingen, 3. Aufl. 2017, S. 648 f.
- Wolfgang Genschorek: Ferdinand Sauerbruch, ein Leben für die Chirurgie, 1978
- Das Deutsche Führerlexikon, Otto Stollberg G.m.b.H., Berlin 1934
Fußnoten
- Geboren 1875
- Gestorben 1951
- Deutscher Chirurg
- Deutscher Hochschullehrer
- Mediziner (20. Jahrhundert)
- Mitglied der Leopoldina
- Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften
- Hochschullehrer (Philipps-Universität Marburg)
- Hochschullehrer (LMU München)
- Hochschullehrer (Universität Zürich)
- Hochschullehrer (Charité)
- Hochschullehrer (Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald)
- Landsmannschafter
- Turnerschafter
- Träger des Eisernen Kreuzes I. Klasse (1914)
- Träger des Ritterkreuzes des Kriegsverdienstkreuzes
- Träger des Albrechts-Ordens (Ritter 1. Klasse)
- Träger des Militär-St.-Heinrichs-Ordens
- Träger des Friedrichs-Ordens (Ritter)
- Träger des Eisernen Halbmondes
- Träger des Hausordens von Hohenzollern
- Mitglied der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte