Stalling-Verlag

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Im Jahre 1964 feierte der Oldenburger Stalling-Verlag sein 175jähriges Bestehen. Die Festschrift des „Druck- und Verlagshauses Gerhard Stalling“ verfaße Dr. Werner Storkebaum.

Zur Verlagspolitik Heinrich Stallings (1865-1941), der als Urenkel des Firmengründers Gerhard Stalling den Verlag seit 1896 - bis 1934 gemeinsam mit seinem Bruder Paul (1861-1944) - leitete, wurde ausgeführt: „Im Rückblick erscheint manches an Inhalt und Substanz zeitbedingt, da wir unter veränderten historischen Verhältnissen auch in unserm eigenen geschichtlichen Verständnis einem Wandel unterliegen.“

Heinrich Stalling verwandelte seine Firma aus einem kleinen Oldenburger Heimatverlag in einen der bedeutendsten Publikationsorte der deutschen Nationalisten. Bereits im Jahre 1948 erhielt der Verlag eine Publikations-Lizenz für die Britische Besatzungszone und führte in den folgenden Jahrzehnten ein gemischtes Sachbuchprogramm, das aber mit seinem Schwerpunkt auf Militaria an den Ruhm vergangener Tage anknüpfte.

Militaria und Beumelburg

Bereits um die Jahrhundertwende hatte Heinrich Stalling begonnen, sich verstärkt der Kriegsgeschichtsschreibung zu widmen. Auf die Initiative Generalfeldmarschall Hindenburgs hin, der seit seinen Oldenburger Tagen als Kommandeur des Infanterie-Regiments 91 den Verleger kannte und schätzte, wurde 1916 die Serie „Der Große Krieg in Einzeldarstellungen“ begründet.

Nach Ende des Ersten Weltkrieges erweiterte der Stalling-Verlag nochmals das militärgeschichtliche Programm und begann, das Genre der literarischen Kriegserinnerungen zu fördern. Mit den Reihen „Schlachten des Weltkrieges“ (40 Bände) und den „Erinnerungsblättern deutscher Regimenter“ (240 Bände) sorgte Heinrich Stalling dafür, daß der Verlag das Wehrbewußtsein und Heldenpathos der Kaiserzeit konservierte und dem Soldatenstand, das Warten auf bessere Zeiten mit patriotischen Reminiszenzen verkürzte.

Von belletristischer Seite leistete vor allem Werner Beumelburg (1899-1963) engagierte Hilfe. 1928 entstand, von Heinrich Stalling angeregt, sein Roman „Sperrfeuer um Deutschland“, ein Jahr später erschien „Gruppe Bosemüller, Der Roman des Frontsoldaten“ - das nationalkonservative Pendant zu Remarques erfolgreichem Schundroman „Im Westen nichts Neues“. Beide Werke wurden Verkaufsschlager.

In der Festschrift von 1964 heißt es: „Bücher mit einer solchen Grundtendenz waren im nationalsozialistischen Staat nicht gegen Mißdeutung und Mißbrauch gefeit. Das sollte aber gerechterweise nicht dazu führen, die Lauterkeit der Gesinnung, aus der jene Bücher entstanden waren, nachträglich in Frage zu stellen.“

Beumelburg wurde 1933 Schriftführer an der nationalsozialistischen Dichter-Akademie, 1936 erhielt er den Literaturpreis der Stadt Berlin, ein Jahr später wurde ihm der neugeschaffene „Kunstpreis der deutschen Westmark“ verliehen.

Schriften an die Nation

1932 begründete der Schwiegersohn Heinrich Stallings, Martin Venzky (1891-1933), die Reihe „Schriften an die Nation“, die nach dem Tode Venzkys von Beumelburg weitergeführt wurde und auf über 70 Bände anwachsen sollte. Neben Beumelburg, der mehrere eigene Werke in der Reihe veröffentlichte, erschienen als „Schriften an die Nation“ viele Bücher ausgewiesener Nationalsozialisten. Nach der Machterernennung gab sich sogar der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Joseph Goebbels die Ehre und veröffentlichte seine „Reden aus Kampf und Sieg“ in der deutschnationalen Reihe des Oldenburger Verlages.

Hans Friedrich Blunck, Präsident der Reichsschrifttumskammer, sowie sein Nachfolger in diesem Amt und bedeutendster Parteidichter der NSDAP, Hanns Johst, publizierten ebenfalls „Schriften an die Nation“. Der spätere Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht schrieb über die „Grundsätze deutscher Wirtschaftspolitik“, Reichsinnenminister Wilhelm Frick 1934 unter dem Titel „Wir bauen das Dritte Reich“.

„Appell an das deutsche Gewissen, Reden zur nationalen Revolution“ überschrieb der ehemalige Reichskanzler Franz von Papen die zwei von ihm in der Reihe veröffentlichten Bände. Weitere Autoren der „Schriften an die Nation“ waren unter anderen: der Herausgeber der „Neuen Literatur“ Will Vesper, der nationalsozialistische Schriftsteller und Mitarbeiter des „Völkischen BeobachtersRichard Euringer, der SA-Standartenführer und Träger mehrerer nationalsozialistischer Literaturpreise Gerhard Schumann, das Mitglied der nationalsozialistischen Dichter-Akademie Peter Dörfler, der Schriftsteller, SS-Obersturmbannführer und Abteilungsleiter im Rasse- und Siedlungshauptamt der SS Kurt Eggers.

Auch der Philosoph Karl Jaspers sowie der Lyriker und Maler Georg von der Vring veröffentlichten Bände in der prominenten und weltweit angesehenen Reihe.



Die Schriften an die Nation im Urteil der Politik

  • Reichspräsident Paul von Hindenburg: Ich begrüße die starke vaterländische Gesinnung, die aus einem jeden der Bänd spricht!
  • Reichskanzler Adolf Hitler: Als Spiegelbild unserer Zeit sind die Schriften besonders wertvoll!
  • Reichsminister Hermann Göring: Diese Schriften stellen einen wesentlichen Bestandteil der nationalen Literatur dar und heben m. E. das ihre beigetragen zur Begründung und Vertiefung des nationalsozialistischen Gedankens!

Weitere Verlags-Geschichte

Der Festschrift zu Stallings Geburtstag ist ein Geleitwort von Reichsminister Dr. Hans Heinrich Lammers, Chef der Reichskanzlei, vorangestellt. Lammers würdigt den Stalling-Verlag als Kampfgenossen nationalsozialistischer Kulturpolitik: „Traditionsbewußte Pflege und Förderung besten deutschen Wesens ist unverrückbar Aufgabe und Ziel des Verlages gewesen zumal in Zeiten, in denen Neid und Haß des Auslandes und volksfremde Machthaber im Inneren danach trachteten, dem wahren Deutschtum den Untergang zu bereiten.“ Nach diesen Worten ist es nicht weiter verwunderlich, daß sich der Chronist Roth in seinen langen Ausführungen ebenfalls streng an die nationalsozialistische Terminologie hält und stolz verkündet, wie eng die im Stalling-Verlag erschienene Militärzeitschrift „Deutsche Wehr“ schon während der „Systemzeit“ mit der SA verbunden gewesen sei und wie mutig die „Deutsche Wehr“ das Verbot der SA 1932 kritisiert habe.

Unter der Federführung Venzkys hatte der Stalling-Verlag Anfang der zwanziger Jahre begonnen, Kinder- und Bilderbücher zu verlegen, für deren Texte in vielen Fällen der Nationalsozialist Vesper verantwortlich zeichnete. Eine Bemerkung Roths verdeutlicht, wie diese neue Sparte des Verlages gezielt propagandistisch genutzt wurde: „Die tiefgreifende weltanschauliche Wandlung durch den Nationalsozialismus muß vielleicht sogar im besonderen Ausmaße umgestaltende Einwirkung auf das Bilderbuch gewinnen.“

1930 erschien im Stalling-Verlag der Hitler-Band „Hitler, Eine deutsche Bewegung“ von Erich Czech-Jochberg. Heinrich Stalling sandte das Buch mit persönlicher Widmung und Gruß an Adolf Hitler. Wie es die Ironie der Geschichte will, wird dieser Anbiederungsversuch nicht auf sehr fruchtbaren Boden gefallen sein. Denn viele von Czech-Jochbergs Hitler-Hagiographien wurden im Dritten Reich verboten. Im „Gesamtverzeichnis der Verlagserscheinungen des Verlages Gerhard Stalling“ (1939), bearbeitet von Dr. Fritz Strahlmann, durften diese Schriften nicht auftauchen.

Heinrich Stalling wurde in der Zeit des Nationalsozialismus viele Ehrungen zuteil. Für seine Verdienste als Verleger wurde ihm 1935 die Goethe-Medaille für Wissenschaft und Kunst verliehen, als Stifter des Preises sandte Hitler höchstselbst - sekundiert von Goebbels, Frick, Schacht und Reichskriegsminister Werner von Blomberg - ein Glückwunschschreiben. Stalling wurde Ehrenmitglied der Universität Göttingen und konnte sich an seinem 70sten Geburtstag ins Goldene Buch der Stadt Oldenburg eintragen.

Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs übernahm der nationalkonservative Publizist Hans Zehrer, 1929-33 Herausgeber und Chefredakteur der „Tat“, die Leitung der Berliner Verlagsfiliale. Nach dem Tod Heinrich Stallings, zu dem auch der „Völkische Beobachter“ kondolierte, stieg Zehrer an die Verlagsspitze auf und führte den Verlag weiter bis zum Verbot durch die Alliierten. Nach der Lizenzerteilung existierte der Stalling-Verlag bis 1983.