Rauter, Hanns Albin
Johann „Hanns“ Baptist Albin Rauter (fälschlicherweise auch Hans; 4. Februar 1895 in Klagenfurt; 25. März 1949 in Den Haag) war ein deutscher Offizier der k. u. k. Armee, der Freikorps, der Allgemeinen SS und der Waffen-SS, zuletzt Höherer SS- und Polizeiführer (HSSPF) der besetzten Niederlanden und dortiger Generalkommissar für das Sicherheitswesen und SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg sowie von 1938 bis 1945 Mitglied des Reichstages.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Abstammung und Ehe
Hanns Rauter wurde 1895 als drittes von neun Kindern des Forstrats Josef Rauter ( 12. Februar 1861 im Eisenkappel; 1 Marz 1918 im Graz) in Klagenfurt, Kärnten geboren. Seine Mutter war die am 24. Januar 1891 in Agram geehelichte Johanna (Ivana) Antonia Loncaric Sekulic ( 28. Juni 1874 in Selce bei St. Veit am Pflaum; 3. März 1944 im Wien). Hanns’ Geschwister waren:
- Léocadij „Leo“ Janez Anton 1891-1968 (lebte in Frankreich unter dem Pseudonym Raoul Léor)
- Hubert Jakob 1892-1964
- Josef Franz 1893-1893
- Adolphine Helyett 1897-1978
- Heliodor 1900-1980
- Josef 1902-1982
- Johanna Franziska 1902-1983
- Frederike Juliana 1908-1999
1937 heiratete SS-Oberführer Rauter seine Verlobte, aus der Ehe sind fünf Kinder entsprossen.
Jugend und Militär
Rauter (früher auch Rafter/Ravter) besuchte bis 1912 die Oberrealschule und legte die Matura ab. Er war seit 1913 Mitglied des Corps Joannea Graz. Anschließend nahm er an der Technischen Universität Graz ein Ingenieur-Studium auf. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldete sich Rauter 1914 freiwillig zur k. u. k. Armee. Er diente als Reserveoffizieranwärter im Kärntner k. k. Gebirgsschützen-Regiment Nr. 1, wurde 1915 zum Fähnrich i. d. R. sowie kurz darauf Leutnant i. d. R. befördert und wurde 1919 als Oberleutnant i. d. R. (seit 1. Juli 1918) entlassen. Ab 1919 nahm er am Kärntner Abwehrkampf teil, von Mai bis Juli 1921 kämpfte er im Freikorps Oberland in Oberschlesien, im Jahr 1921 war er Gründungsmitglied der patriotischen Gruppierung „Steirischer Heimatschutz“, dessen Stabschef er im selben Jahr wurde.
NSDAP, SA und SS
Rauter trat noch während der Kampfzeit 1933 der NSDAP und der SA in Österreich bei. 1934 wurde er SA-Standartenführer, am 20. Februar 1935 trat er als SS-Oberführer zur Allgemeinen SS (SS-Nr. 262.958) über.
Zweiter Weltkrieg
Das Attentat
In der Nacht vom 6. auf den 7. März 1945 wurde seitens der niederländischen Putschisten ein Attentat auf Rauter verübt. An der Straße von Arnheim nach Appeldorn, in der Nähe des Ortes Wüsterhof, wurde wiederholt auf ihn geschossen. Der Fahrer seines Wagens Oberwachtmeister (SS-Scharführer) Wilhelm Klotz ( 31. März 1912) wurde dabei getötet (er ruht auf der Kriegsgräberstätte in Ysselsteyn; Endgrablage: Block AB, Reihe 9, Grab 219), auch sein Adjutant SS-Untersturmführer Erwin Exner ( 22. September 1913) fiel (er ruht auf der Kriegsgräberstätte in Ysselsteyn; Endgrablage: Block AB, Reihe 9, Grab 218), Rauter selbst überlebte schwer verwundet und wurde in der nahegelegenen Stadt Appeldorn medizinisch versorgt.
Als Vergeltungsmaßnahme wurden nach dem geltenden Kriegsrecht im Auftrag des Befehlhabers der Sicherheitspolizei und des SD (BdS), Dr. Karl Eberhard Schöngarth, 263 Inhaftierte aus Gefängnissen und Lagern in Amsterdam, dem Haag, und Ammersfort erschossen. Die meisten von ihnen (117) wurden am 8. März in dem Ort Wüsterhof hingerichtet. Der Ort gilt seitdem als eine Art niederländisches Liditz. Nach dem Krieg wurde dort ein Denkmal errichtet, zudem wird dieser Vorgang in allen Schulbüchern im Bereich Vaterländische Geschichte behandelt und so den niederländischen Kindern schon früh bekannt gemacht. Zum Vergleich: es gibt keinen Unterricht zum Thema Niederländische Annexionsbestrebungen bis an die Weser in den Jahren 1945 bis 1949. Zudem wird der Auftrag Schöngarths oft mit jenem Friedrich Christiansens im Oktober 1944 verwechselt, welchen dieser nach den Anschlägen auf die Wehrmachts-Soldaten erhielt.
Sonderprozeß mit Augenzeugenbericht
Hans Albin Rauter wurde nach Kriegsende an die Niederlande ausgeliefert. Am 4. Mai 1948 wurde er, schwerverwundet und nach fast 3jähriger, verschärfter Haft von einem Haager Sondergericht am Knöterdeich, im selben Saal, wo er einst den Führer der Niederländischen SS Johannes Hendrik Feldmeijer installiert hatte, zum Tode verurteilt. Die Begründung war Judendeportationen, Geiselerschießungen und Repressalien. Seine Berufung wurde am 12. Januar 1949 vom Obersten Kassationsgericht abgewiesen.
Der Rauter-Sonderprozeß ähnelte dem Verfahren gegen den NSB-Parteiführenden Mussert im Nachkriegsjahr 1945. Nicht nur wurde Mussert wie auch Generalkommissar Hanns Rauter auf der benannten Wahlsdorfer Fläche hingerichtet, auch war bei beiden der Staatsanwalt Mr. J. Zaaijer am Prozeß beteiligt. Es liegt ein Augenzeugenbericht aus dem Jahre 1948 vor, in dem der Zeuge Ton Elias berichtet, wie viele Niederländer schon vor Anfang des Verfahrens vor den Türen des Gerichtshofes standen, um den Angeklagten in seiner Erniedrigung sehen zu können, eine Haltung, die er verurteilt.
Er beschreibt, wie Hanns Rauter, der Tyrann der Niederlande, das Gericht nicht anerkannte. Seine Persönlichkeit sei nach drei Tagen des Gerichtsverfahrens ungebrochen und könne nur mit eckigen deutschen Buchstaben beschrieben werden. Letztendlich bleibe er ein Lügner. Der Vorsitzende des Gerichtshofes, Jhr. Mr. Van Meeuwen, habe sich dem Angeklagten gegenüber freundlich verhalten, und eben der Staatsanwalt sei nicht so sarkastisch gewesen wie sonst bei ähnlichen Strafprozessen gegen NS-Verbrecher.
Der Zeuge schließt seine Zeilen mit:
- „Am letzten Mittag des Prozesses gab Rauter dann überzeugt sein Schlußwort, über das er sich lange genug Gedanken machen konnte, kund. Man erinnerte sich dabei an die wüsten Redebeiträge, die von Nazis über das besetzte Europa herausgeschrien wurden. Aber auch an diesem Gerichtshof galt: jeder kann eine schöne Theorie aufstellen, um zu beweisen, daß Schnee schwarz sei. Fast möchte man ihm wegen seiner Argumente recht geben. Aber am Ende bleibt jedoch dies die Wahrheit: Schnee ist weiß.“
Der letzte Vorschlag Rauters war, sein Leben zu opfern, um die deutsch-niederländischen Verhältnisse aussöhnen zu können. Der Rauter-Prozeß wurde auf Niederländisch geführt.
Schlußworte
Aus dem Schlußwort Rauters am 3. April 1948:
- „Zunächst ist es mir aus grundsätzlichen Erwägungen bei dieser Rechtslage, die ich hier vorfinde, unmöglich diesen Gerichtshof anzuerkennen. ... Und ich weiß zu genau, daß dieses Gericht mich auf Grund der Internationalen Kriegsregeln weder zum Tode, noch zu einer längeren Gefängnisstrafe verurteilen kann. Deshalb mache ich Ihrer Regierung einen anderen Vorschlag: Schießen Sie mich nieder als Vergeltung!“
Aus einem Brief Rauters an die Mutter seiner Kinder:
- „Ich hatte es im Mai 1940 für nicht möglich erachtet, daß ich in den germanischen Niederlanden einst eine solche schwere Aufgabe .. aufgezwungen erhalten würde, einem Volk und Land gegenüber, das ich persönlich so hoch schätze und dem ich nicht viel weniger verbunden bin, als meinem eigenen Volkstum.“
Tod
Am 25. März 1949 wurde SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Hanns Rauter in den Dünen auf der Wahlsdorfer Fläche in der Nähe der niederländischen Residenzstadt von einem Erschießungskommando hingerichtet. Den Feuerbefehl hat er auf niederländisch selbst gegeben, die angebotene Augenbinde warf er weg.
Ruhestätte
Seine Begräbnisstatt gilt als niederländisches Staatsgeheimnis, jedoch meinen viele Niederländer, er sei auf dem großen Deutschen Soldatenfriedhof in Ysselsteyn beerdigt worden. Sein Grab soll mit einem der Kreuze gekennzeichnet sein, welche die Aufschrift Ein deutscher Soldat tragen. Nach anderen Quellen wurden seine Überreste an die Familie ausgehändigt.
SS-Beförderungen
- 20. Februar 1935 SS-Oberführer
- Chef des Stabes beim SS-Gruppenführer Alfred Rodenbücher
- Offizier z. b. V. Persönlicher Stab Reichsführer-SS
- 21. Dezember 1939 SS-Brigadeführer
- 20. April 1941 SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei
- 21. Juni 1943 SS-Obergruppenführer und General der Polizei
- 1. Juni 1944 SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS
Auszeichnungen (Auszug)
- Militärverdienstkreuz (Österreich), III. Klasse
- Österreichische Silberne Tapferkeitsmedaille, I. Klasse
- Karl-Truppenkreuz
- Verwundetenmedaille
- Goldenes Verdienstkreuz mit der Krone am Band der Tapferkeitsmedaille am 1. August 1918
- Verwundetenabzeichen (1918) in Schwarz
- Kärntner Kreuz für Tapferkeit
- Schlesisches Bewährungsabzeichen, II. und I. Stufe
- Kriegserinnerungsmedaille (Österreich) mit Schwertern
- Ehrenkreuz für Frontkämpfer
- SS-Ehrenwinkel
- Ehrendegen „Reichsführer-SS“
- Totenkopfring der SS
- SA-Sportabzeichen in Bronze
- Medaille zur Erinnerung an den 13. März 1938
- Medaille zur Erinnerung an den 1. Oktober 1938 mit Spange „Prager Burg“
- Medaille zur Erinnerung an die Heimkehr des Memellandes
- Kriegsverdienstkreuz (1939) II. und I. Klasse mit Schwertern
- Verwundetenabzeichen (1939) in Schwarz (ggf. Silber)
- Eisernes Kreuz (1939), 2. und 1. Klasse (strittig, nach anderen Quellen für die Führung der Kampfgruppe „Rauter“ bei der Abwehr der Operation Market Garden)
Verweise
- Niederländischsprachiger Augenzeugenbericht zum Sonderprozeß „Rauter“ in Den Haag im Jahre 1948 (Der Verweis wurde entfernt, und ist nur noch archiviert anzuschauen)
- Geboren 1895
- Gestorben 1949
- Deutscher Polizist
- Deutscher General
- SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS
- SA-Mitglied
- Reichstagsabgeordneter (Deutsches Reich 1933–1945)
- Freikorps-Mitglied
- Person im Ersten Weltkrieg (Österreich-Ungarn)
- Corpsstudent (20. Jahrhundert)
- Deutscher Soldatenfriedhof in Ysselsteyn (R)
- Träger des Eisernen Kreuzes I. Klasse (1914)
- Träger des SS-Ehrendegens