Augustus
Gaius Octavianus Augustus[1] ( 23. September 63 v. d. Z. in Rom, 19. August 14 n. d. Z. in Nola) gilt als erster römischer Kaiser. Er herrschte von 30 v. d. Z. bis 14 n. d. Z. und wird im deutschen Sprachraum auch Oktavian genannt. Augustus gilt als Begründer der julisch-claudischen Kaiserdynastie. Nach seinem Tode wurde sein Name Bestandteil der römischen und später der römisch-deutschen Kaisertitulatur.
Augustus war Großneffe Julius Caesars und wurde in dessen Testament als Sohn adoptiert, so daß ihm das Haupterbe des großen Diktators zufiel. In den darauffolgenden Wirren des Bürgerkrieges konnte er sich als Vertreter der caesarianischen Partei sowohl gegen die Republikaner als auch gegen seinen Rivalen Mark Anton durchsetzen, so daß er schließlich zum Alleinherrscher des Reiches aufstieg. Er beendete damit die ein Jahrhundert währende Ära der römischen Bürgerkriege und begründete den augusteischen Weltfrieden, die „Pax Augusta“. Unter dem Schlagwort der Wiederherstellung der Republik betrieb er die dauerhafte Umwandlung Roms in eine Monarchie, die schließlich als Römisches Kaiserreich in die Geschichte eingehen sollte, und schuf damit ein neues Weltreich.
Inhaltsverzeichnis
Der Erbe Caesars
Augustus wurde als Gaius Octavius am 23. September 63 v. d. Z. in Rom geboren, er entstammte einer politisch weitgehend bedeutungslosen Aristokratenfamilie, sein Vater hatte es immerhin bis in den Senat und zur Prätur gebracht, starb aber im Frühjahr 59 relativ früh. Sein Großonkel Caesar erkannte bald seine außergewöhnliche Begabung und förderte seinen allmählichen Aufstieg, so nahm Octavius an einzelnen Feldzügen teil und empfahl sich durch seine Tapferkeit, als Reiterführer („Magister Equitum“) sollte er am geplanten Feldzug gegen die Parther teilnehmen. In Apollonia (heutiges Albanien) erfuhr er dann aber von der Ermordung des Diktators und mußte nach Rom zurückkehren. Auf seiner Rückreise wurde er ferner von seiner Adoption durch Caesar in Kenntnis gesetzt, zudem wurde er Haupterbe dessen Privatvermögens.
Der Revolutionär
Nach Rom zurückgekehrt nahm Octavian das Testament an (Mai 44) und nannte sich fortan „Gaius Julius Caesar“, zur Unterscheidung von seinem Adoptivvater wird er jedoch im folgenden als Octavian bezeichnet. Zu dessen Ehre richtete er vom 20. bis zum 30. Juli 44 Spiele zu Ehren der Victoria Caesaris aus, dabei erschien der Komet, der als der zum Himmel aufgefahrene Caesar gedeutet wurde. Im folgenden wurde damit begonnen, Veteranen und Soldaten in Italien anzuwerben, ein an sich widerrechtliches Vorgehen, das aber vom Senat auf Initiative Ciceros gebilligt wurde. So marschierte er zum ersten Mal auf Rom, erreichte seine Ziele dabei allerdings nicht. Dennoch ging er im Dezember desselben Jahres ein Bündnis mit Cicero und dem Senat ein, da Cicero Octavian für sich benutzen zu können glaubte. Tatsächlich irrte sich dieser – wie sich zeigen sollte – in der Einschätzung der Kräfteverhältnisse aber gewaltig. Infolge dieses Bündnisses wurde er zum Proprätor und Senator mit konsularischem Rang ernannt und trat am 7. Januar 43 seine Ämter an. Im Gegenzug legalisierte er das von Brutus okkupierte Kommando im Osten wie das von Cassius in Syrien. Gemeinsam ging man nun gegen den beiderseitigen Rivalen Marcus Antonius vor und besiegte diesen im Mutinensischen Krieg.
Da beide Konsuln im Krieg umgekommen waren, beanspruchte er das Konsulat für sich, was der Senat jedoch verweigerte, so daß Octavian im August 43 zum zweiten Mal auf Rom marschierte und sich staatsstreichartig der Stadt bemächtigte. Am 19. August erzwang er seine Wahl zum Konsul, dem jüngsten der Geschichte.
Das zweite Triumvirat
Octavian setze nun die Ächtung der Caesarmörder durch, damit war der Weg frei für ein Zusammengehen der Caesarianer, und im Oktober 43 kam es tatsächlich zum Bündnis zwischen Octavian, Antonius und Lepidus, dem zweiten Triumvirat. Dessen Ausnahmegewalt wurde am 27. November 43 durch ein Volksgesetz (lex Titia) eingerichtet. Dadurch besaßen diese diktatorische Vollmachten und veröffentlichten nach sullanischem Vorbild Proskriptionen, durch die die Oberschicht dezimiert wurde, die Fraktion der radikalen Republikaner weitgehend vernichtet. Die freiwerdenden Stellen wurden mit Anhängern der Triumvirn besetzt. Octavian ging dabei anscheinend am härtesten vor. Letztlich war dies aber zwingend notwendig, um die Kräfteverhältnisse innerhalb der Führungsschichten, die Caesar zum Verhängnis geworden waren, deutlich zugunsten der Triumvirn zu verschieben. Somit schuf sich Octavian jene Eliten, die dereinst zu Trägern des Prinzipats werden sollten.
Im Herbst 42 kam es schließlich zur entscheidenden Doppelschlacht bei Philippi, bei der die Caesarmörder Brutus und Cassius starben und die Republik damit endgültig unterging. In einem Vertrag wurde nun die Aufteilung der Kompetenzen zwischen Octavian und Mark Anton geregelt. Octavian erhielt die Obergewalt über die spanischen Provinzen und die Aufgabe, die Veteranen in Italien mit Land zu versorgen. Es kam dabei vermehrt zu Enteignungen und Vertreibungen zum Teil ganzer Stadtbevölkerungen. Nachdem es gar zum Bruch mit Antonius gekommen war, brach der Perusinische Krieg aus, in dessen Verlauf Octavian das von Antonius’ Bruder gehaltene Perusia einschließen und erobern konnte. Nach dessen Eroberung statuierte er hier ein Exempel, ließ eine größere Anzahl alter Caesargegner, Senatoren und Ritter sowie den gesamten Stadtrat, insgesamt angeblich an die 300 Personen, hinrichten. Den um Gnade bittenden warf Octavian sein berühmtes „Moriendum est“ („Es muß gestorben werden.“) entgegnen.
Infolgedessen verbündete sich Antonius auch mit Sextus Pompeius und der Oligarchie, blockierte Brundisium und eroberte erste Brückenköpfe in Italien. Doch die Weigerung der Soldaten, den Kampf gegen alte Kameraden aufzunehmen, zwang die Triumvirn zu einem erneuten Friedensschluß.
Der Weg zur Alleinherrschaft
Der einzige Mann, der außer den Triumvirn jetzt noch Macht innehatte, war Sextus Pompejus, der Sohn des Feldherrn, der Sizilien und mit seiner Flotte das Meer kontrollierte. Dank seines fähigen Generals Agrippa konnte Octavian diesen besiegen und entmachten, ferner liefen die Truppen des Triumvirn Lepidus zu ihm über, so daß nurmehr er und Mark Anton im Kampf um die Macht übrigblieben.
Um diesen zu diskreditieren, nutzte er dessen Beziehung zu Kleopatra, der Antonius gar Teile römischen Gebietes abtrat, propagandistisch geschickt aus. So ließ er sogar sein Testament aus dem Tempel der Vestalinnen holen, das anscheinend brisanten Inhalt barg, und tatsächlich: die Anerkennung des Kleopatrasohnes Caesarion als Sohn Caesars und die Vererbung römischen Territoriums an Kleopatras Kinder rief einen Sturm der Entrüstung hervor, so daß Antonius vom Senat seiner Ämter enthoben wurde. Octavian erklärte diesen Krieg nun zum Krieg Italiens gegen Kleopatra, die Staatsfeindin, persönlich. Nur ihr wurde der Krieg erklärt. Er ließ den gesamten Westen den Treueeid auf ihn als „Führer Italiens“ (dux Italiae) schwören, und mit dieser Sondergewalt ausgestattet zog er in den Krieg. Am 2. September 31 v. d. Z. kam es zur Seeschlacht bei Actium, bei der Kleopatra und Mark Anton unterlagen, diese begingen im folgenden Jahr Selbstmord. Octavian aber marschierte in Ägypten ein und erklärte dieses als römische Provinz. Ägypten sollte Privatbesitz und Lieblingsprovinz der Kaiser werden, kein Senator hatte hier Zutritt. Zudem von Bedeutung sind die ungeheuren Reichtümer, die die Eroberung Ägyptens in Octavians Kasse spülte, womit die Grundlage seines Prinzipats gelegt wurde.
Nun war der Weg frei für die Errichtung einer vollständig neuen Ordnung, und Octavian ging nun die ersten Schritte in diese Richtung. Im Jahre 28 v. d. Z. führte er mit Agrippa eine erste lectio senatus sowie einen census und säuberte den Senat von politischen Gegnern, ernannte aber zugleich neue Senatoren und Patrizier, während er zum princeps senatus, zum angesehensten Senatoren erwählt wurde. Ein neues Zeitalter schien sich anzukündigen.
Die Errichtung des Prinzipats
Octavian war nun Alleinherrscher und der mächtigste Mann der Welt. Dennoch begann erst jetzt sein wirklicher Dienst für Rom, denn nun mußte nach Jahrzehnten der Krisen und Bürgerkriege in einem zerrütteten Staat eine stabile Ordnung gefunden werden, die die Jahrhunderte zu überdauern in der Lage wäre. Eine schlichte Rückkehr zur alten Republik kam für Octavian nicht in Frage, dafür hatte sich die herabgekommene Oligarchie zu sehr verkorrumpiert, zu schlecht die Geschäfte des Staates geführt. Ebensowenig konnte er aber die Diktatur seines Vaters erneuern, war diese doch beim Senat diskreditiert und hätte zwangsläufig zu einer Militärdiktatur führen müssen, und das grausame Schicksal Caesars stand ihm stets vor Augen. Octavian wählte nun seinen eigenen, genialen Weg. Er ließ die Republik äußerlich bestehen und verkündete deren Erneuerung, innerhalb dieser aber ließ er sich Ämter und Kompetenzen übertragen, so daß tatsächlich eine Monarchie entstand. Er ging öffentlich ein Bündnis mit dem Senat ein. Dadurch jedoch, daß dieser so geschwächt war, daß er mehr des Bündnisses bedurfte als Octavian, wurde er faktisch entmachtet. Ihm blieb allerdings eine glanzvolle Stellung innerhalb des Staatsgefüges, weshalb zumindest ein Gros der Aristokratie mit der neuen Ordnung versöhnt werden konnte.
Nach seiner Rückkehr nach Rom legte Octavian alle Sondergewalten aus dem Bürgerkrieg nieder und erhielt vom Senat den kultischen Ehrennamen Augustus, „der Erhabene“, der an den Stadtgründer Romulus erinnerte und womit er diesem gleichgestellt wurde, überdies wurde ihm ein Ehrenschild verliehen, der seine Tugenden lobte und vor seinem Haus aufgestellt wurde. Fortan bestand seine Amtsgewalt im Konsulat, das er vorerst unbegrenzt Jahr für Jahr erhielt, ferner wurde das Reich in kaiserliche und senatorische Provinzen aufgeteilt, wobei die meisten Heere in den kaiserlichen Provinzen standen. Er bezeichnete sich jetzt als „Princeps“, was soviel wie „Erster Bürger“ heißt.
Diese Verfassungsordnung wurde im Jahre 23 einer Modifizierung unterzogen. Augustus verzichtete von nun an auf das Konsulat, erhielt dafür die tribunizische Amtsgewalt auf Lebenszeit (die Amtsbefugnisse der Volkstribunen), hatte das Recht, den Senat und die Volkstribunen einzuberufen, diesen Gesetze vorzuschlagen, sein Veto gegen Senatsbeschlüsse einzulegen und den Konsuln Amtshandlungen zu verbieten. Darüber hinaus erhielt er eine übergeordnete prokonsularische Gewalt, um auch die Oberhoheit über die senatorischen Provinzen zu behalten. Da er nun aber bis auf den goldenen Lorbeerkranz und die purpurne Toga alle Rangabzeichen verloren hatte, ließ er sich 19 v. d. Z. die konsularische Amtsgewalt zuerkennen, hatte damit wieder die zwölf Liktoren als Begleiter und nahm im Senat zwischen den beiden Konsuln platz. Vervollkommnet wurde Augustus’ Stellung mit der Verleihung des Titels pater patriae im Jahre 2 v. d. Z. durch Senat, Ritterstand und Volk, der ihn gleichsam zum pater familias des römischen Volkes erhob, und wie ein solcher traditionellerweise gegenüber seiner Familie mit der patria potestas, der väterlichen Hausgewalt, ausgestattet war, so Augustus gegenüber der Gesamtheit der Römer.
Die Genialität dieser Schöpfung bestand nun also darin, daß die kaiserliche Position außerhalb der traditionellen Ämter der Republik gestellt wurde, die weiterhin fortbestanden, aber nur mehr repräsentative Funktion hatten. So wurde die Akkumulation von Macht in einer Hand für den Senat nicht als zu drückend empfunden, zudem konnte damit tatsächlich etwas Neuartiges, eine dauerhafte Monarchie entstehen, die auf keine diktatorischen Vollmachten, sondern auf der charismatischen Legitimation des Prinzeps gegründet war. Hätte er sonst als Konsul, wenn auch auf Lebenszeit, ein Teil der alten Republik sein müssen, so schuf er mit der Akkumulierung von Amtsgewalten außerhalb der Ämter eine herausgehobene Stellung des „Ersten Bürgers“, in der dessen Entrückung vorweggenommen war.
Religions- und Sittenpolitik
Kernbereich der nationalen Erneuerung Augustus’ war die religiöse und sittliche Wiedergeburt Roms. Teilweise wurden uralte und beinahe vergessene religiöse Kulte erneuert, so die Schließung des Janustempels zum Zeichen des inneren und äußeren Friedens. Auch Programme zur Geburtensteigerung wurden eingeführt. Im Jahre 19 v. d. Z. wurde ihm die cura morum, die Sittenaufsicht, übertragen, daraufhin wurden die Gesetze gegen Ehebruch verschärft und eine allgemeine Pflicht zur Ehe eingeführt. Jeder Mann zwischen 25 und 60 und jede Frau zwischen 20 und 50 Jahren sollte verheiratet sein. Kinderlosigkeit führte zu gesellschaftlichen Nachteilen, zudem fiel ein Großteil des Erbes kinderlos Verstorbener dem Staat zu, während Kinderreichtum in verschiedener Weise, u. a. durch finanzielle Belohnungen und Bevorzugung bei der Arbeitsstellensuche honoriert wurde. Auch wurden erstmals konkrete Bestimmungen zur Knabenliebe getroffen, die geächtet wurde.[2] Zur Einhaltung aller Sittengesetze wurde ein Informantensystem eingerichtet, das entsprechendes Verhalten zur Anzeige brachte. Im Sinne dieser sittlichen Selbstreinigung wurde auch seine Tochter Julia wegen ihres lottrigen Lebensstils verurteilt und verbannt, ebenso der Dichter Ovid wegen seiner anstößigen Veröffentlichungen.
Die religiöse Dimension des Prinzipats steigerte sich geradezu epochal, als Augustus 12 v. d. Z. als Nachfolger Lepidus’ zum pontifex maximus gewählt wurde, ein Titel, den seitdem alle Kaiser tragen sollten. Das Haus des Prinzeps erhielt nun gleichsam sakrale Weihe und auch die kultische Verehrung des Kaisers steigerte sich weiter. Binnen eines Jahres wurden nach Angaben Augustus’ 82 Tempel, nach Angaben Vergils sogar 300 Tempel renoviert, religiöse Rituale, die das Zusammengehörigkeitsgefühl von Volk und Prinzeps stärkten, wurden regelmäßig abgehalten und fester Bestandteil des staatlichen Festjahres.
Propaganda und Personenkult
Um die Person des Prinzeps entwickelte sich bald ein Personenkult, wie ihn die Welt in der Form noch nicht gesehen hatte. Die Dankbarkeit der Reichsbevölkerung für die Schaffung von Frieden, Wohlstand und Stabilität äußerte sich bald in einer kultischen Verehrung. Insbesondere im Osten, wo man Gottkönige gewohnt war, wurden Augustus bald göttliche Ehren erwiesen. Auch im Westen verehrte man den Kaiser auf vielfältige religiöse Weise, doch wurde innerhalb Roms selbst nur die Verehrung der Laren, der göttlichen Macht, die in Augustus wirkte, gestattet. Es ist verständlich, daß diese Formen mit der Erringung der Oberpriesterschaft 12 v. d. Z. ausgebaut und institutionalisiert wurden.
Zugleich wurde die Person Augustus’ zum Gegenstand der Überhöhung der zeitgenössischen Literaten, darunter so berühmte Namen wie Horaz und Vergil, die den Prinzeps als gottgesandten Vollender der römischen Geschichte feierten. Tief und gewaltig wurde die Erneuerung Roms nach einem katastrophalen Jahrhundert des Niedergangs und des Mißregiments empfunden, der Personenkult entsprang nicht staatlichem Zwange, sondern ehrlicher Empfindung.
Literatur
Das augusteische Zeitalter gilt als Höhepunkt der römischen Kunst- und Literaturgeschichte. Es wurden in den großen Werken der Zeit römische und griechische Vorbilder in schöpferischer Weise angeeignet und durchaus originell verarbeitet. Dafür stehen vor allem die Namen Horaz und Vergil, die als Freunde Augustus' von diesem gefördert wurden. Letzterer hatte schon in seinen Bucolica, die noch mitten in den Wirren des Bürgerkrieges entstanden waren, die Herankunft eines „göttlichen Jünglings“ prophezeit. In der ersten Ekloge ließ er den Hirten Tityrus sprechen:
- „O Meliboeus, ein Gott hat uns den Frieden bereitet.
- Wird er [Octavian] doch immer ein Gott mir sein, wird doch oft noch ein Böckchen
- röten den Altar ihm aus unserer Hürde, ein zartes.“
In seiner Aeneis, dem monumentalen Nationalepos der Römer, in denen die mythischen Anfänge Roms erzählt werden, sieht Äneas unter den noch ungeborenen Helden der Zukunft den Vollender der römischen Geschichte:
- „Ja, er, er ist’s, der oft schon dir verheißen,/ Augustus, des Gottes Caesar Sproß./ Die goldenen Zeiten wird er wiederbringen/ Latinerauen, wo Saturn einst herrschte. [...] Schon zittern vor dem Nahen des Gewalt’gen,/ Durch der Orakel Götterspruch geschreckt,/ Die Völker in des hohen Nordens Steppen,/ Und bange bebt der siebenarm’ge Nil.“
Nicht weniger von Bedeutung war Horaz, der beispielsweise das carmen saeculare verfaßte, das bei der Säkularfeier des Jahres 17 v. d. Z. abwechselnd von einem Jünglings- und einem Frauenchor gesungen wurde. Wie Augustus war auch Horaz fest davon überzeugt, daß nur die Erneuerung der alten Sitten und die Beibehaltung der alten römischen Religion eine gesicherte Fortexistenz des Reiches ermöglichen konnten.
Daneben existierten freilich auch oppositionelle Strömungen in der römischen Literatur bzw. solche, die sich mit der herrschenden Moral nicht identifizieren konnte, darunter am bekanntesten Ovid, der unter anderem die Metamorphosen und die Ars Amatoria verfaßte. Aufgrund seiner aus Augustus’ Sicht anstößigen Texte, die teilweise auch Ehebruch als opportun darstellten, wurde er im Jahre 8 n. d. Z. ans Schwarze Meer verbannt, wo er bis seinem Tod im Jahre 17 n. d. Z. lebte.
Architektur
Augustus hat im Verlaufe seiner langen Herrschaft eine umfangreiche Bautätigkeit entwickelt, die auch durch die großen Mittel, die ihm durch die Eroberung Ägyptens zugeflossen waren, finanziert wurde. Nicht zuletzt rühmte er sich in seinem Tatenbericht der zahlreichen monumentalen Neubauten und Restaurierungsarbeiten, die auf sein Konto gingen. Bereits während des Bürgerkrieges war der Tempel des Divus Iulius begonnen und dann 29 v. d. Z. als Demonstration der pietas fertiggestellt worden. Zugleich hatte Octavian als symbolischen Akt noch vor seinem Sieg über Antonius und Kleopatra den Grundstein zu einem riesigen Mausoleum nördlich des Marsfeldes legen lassen, das einen Durchmesser von 87 m besaß und 45 m hoch war. Das Mausoleum stand jedoch nicht für sich alleine, sondern war in eine gewaltige Anlage eingebunden, die ferner die Ara Pacis Augustae und das Solarium Augusti umfaßte. Die Ara Pacis, ein 11 x 10 Meter großer Altar, wurde im Jahre 9 v. d. Z. fertiggestellt, auf ihren Außenwänden war Augustus in einer Opferprozession zu sehen, ferner entscheidende Figuren der römischen Mythologie. 90 Meter von der Ara Pacis entfernt stand ein 30 m hoher Obelisk, der aus Ägypten herangeschafft worden war, auf ihm thronte eine Kugel. Immer am Geburtstag des Kaisers wanderte der Schatten dieses Solarium Augusti eine schnurgerade Linie entlang und stand schließlich genau auf der Mitte der Ara Pacis, was symbolisch verdichtete, daß Augustus geboren war, um den Frieden zu bringen. Zugleich wies die Kugel auf dem Obelisken auf die kosmische Bedeutung seiner Sendung hin.
Von bisher ungekannten Dimensionen war aber auch das im Jahre 2 v. d. Z. eröffnete Augustusforum, das eine Fläche von 90 x 125 Metern umfaßte und als markante bauliche Merkmale einen Mars-Ultor-Tempel sowie zwei 13 m breite Säulenhallen enthielt. In diesen waren lange Statuen-Galerien angebracht, auf der einen Seite die großen Vertreter des julischen Hauses von Äneas bis Caesar, auf der anderen Seite die großen Männer der römischen Geschichte von Romulus angefangen. Das Forum war, was wiederum neu war, von Anfang an zu repräsentativen Zwecken errichtet worden und sollte offiziellen Staatsereignissen als Schauplatz dienen. Alles, ob Statuen und Bildnisse, die Tempel und Portiken des Forums schmückten, oder die beiden Säulengalerien, lief in einer einzigartigen Zuspitzung auf Augustus als Vollender der römischen Geschichte zu, der als Triumphator in einer Siegesquadriga dargestellt wurde. Hier drückte sich in verdichteter Form die für das augusteische Zeitalter charakteristische Tendenz zu ganzheitlicher historischer wie politischer und kultureller Betrachtung und Zusammenfassung aus. Augustus erschien als der Vollender der römischen Geschichte, auf den alles bezogen war und in ihm sich verband.
Bildnisse
Von Augustus sind etwa 250 Bildnisse erhalten, so viele wie von keinem anderen römischen Kaiser. Das liegt nicht zuletzt an ihrer Wichtigkeit für die Selbstdarstellung des neuen Regimes wie an dem Bedürfnis breiter Schichten der Reichsbevölkerung, einer einzigen Person zu huldigen und seine Verbundenheit mit dieser unmißverständlich auszudrücken. Dabei ist bemerkenswert, daß Augustus die Darstellung seiner Person in hohem Maße persönlich steuerte und die Stilisierung seines Portraits durchsetzte. Die verschiedenen Bildnistypen, die sich im Verlaufe der Zeit herausgebildet hatten, waren allesamt mit Zustimmung des Kaisers selbst in Umlauf gebracht worden. Auffallend ist hier vor allem, daß eine Alterung des Prinzeps in den Portraits nicht stattfindet. Augustus’ Bildnis scheint ewig jung. Damit entfernte man sich bewußt vom harten Realismus der Portraitkunst republikanischer Zeit, wie er sich auch noch in vielen Darstellungen Caesars wiederfindet. Vielmehr wurde eine Synthese individueller und idealisierter Züge gefunden. Die meisten Bildnisse sind entsprechend dem „Haupttypus“ zuzurechnen, der um 27 v. d. Z. entstand und eben diese Synthese verkörperte. Davor existierte bereits der „Octaviantypus“ in den Dreißiger Jahren v. d. Z., der Merkmale hellenistischer Herrscherbildnisse und persönlicher Charakteristika in sich vereinte. Seltener anzutreffen ist ein sog. „Nebentypus“, der individuelle Züge wiederum stärker hervortreten ließ.
Im ganzen Reichsgebiet wurden alsbald, vielfach auf Wunsch der Städte hin, Bildnisse des Kaisers aufgestellt, oft auch zu kultischen Zwecken. Ebenso wurde das Standbild des Prinzeps zum festen Bestandteil und Mittelpunkt jeden Legionslagers, die besondere Beziehung des Kaisers zum Heer damit verdeutlichte. Ferner wurden kleine Bildnisse des Herrschers, die der Verehrung des Genius Augustus’ dienen sollten, in den Stadtbezirken Roms verbreitet. Dadurch wurde der Monarch auch für das einfache Volk, das umgekehrt die Möglichkeit erhielt, seiner Dankbarkeit und Verehrung für Augustus Ausdruck zu verleihen, allgegenwärtig.
Gesellschaftspolitik
Zentrale Leitgedanken der gesellschaftlichen Reformmaßnahmen Augustus’ waren die Stabilisierung des Reichsgefüges einerseits und die Regeneration des römischen Volkes andererseits. So setzte er eine im wesentlichen restaurative Neuordnung der Stände durch. Das Patriziat wurde in seiner alten sozialen Stellung belassen, der Senatorenstand in die Verwaltung des Imperiums eingebunden, sein wirtschaftlicher Besitz garantiert, zugleich aber seine Entpolitisierung und Entmachtung betrieben. Hatte der Senat anfangs noch etwa 1.000 Mitglieder, waren es nach mehreren Säuberungen – Augustus versuchte angeblich sogar, die Zahl weiter auf die einstmals üblichen 300 zu senken und damit die Würde und die Eignung der verbliebenen Senatorenschaft zu erhöhen – nur noch 600. Ferner wurde für die Senatsmitglieder ein Mindestvermögen von 1 Million Sesterzen festgelegt, wobei Augustus auch immer wieder persönlich aushalf, wenn einzelne Senatoren nicht die Kriterien erfüllen konnten. Durchaus wurde der Senat auch neuen Personengruppen innerhalb des römischen Volkes zugänglich, so den römischen Eliten aus den Kolonien und Municipien. Aus den Provinzen kam aber zur Zeit Augustus’ nur etwa ein Dutzend der Senatoren. Insgesamt galt allerdings, daß alle Schichten und Bevölkerungsgruppen in dem Maße aufsteigen konnten, in dem sie der neuen Ordnung zu dienen bereit waren. Verweigerten sie dies, mußten sie freilich mit sozialem Abstieg und politischer Einflußlosigkeit rechnen.
In besonderer Weise profitierte deshalb der Ritterstand von der Errichtung des Prinzipats. Augustus erneuerte hier die alte Organisation der sechs Kavallerieregimenter (turmae) und achtzehn Ritterzenturien. Zudem führte er die seit langem nicht mehr durchgeführte Musterung der Ritterschaft wieder ein, für die Zugehörigkeit zum Stand wurde ein Mindestvermögen von 400.000 Sesterzen eingeführt. Auch in der Verwaltung konnten Ritter nun einflußreiche und bedeutende Positionen erlangen, so die eines praefectus Aegypti, des einzigen ritterlichen Statthalters einer Provinz, des Gardepräfekten oder des praefectus annonae, der sich um die Getreideversorgung der Hauptstadt zu sorgen hatte. Der ordo decurionum, zu dem die Angehörigen der Stadträte gerechnet wurden, war dagegen weniger direkt vom Kaiser abhängig, er bildete die lokale Oberschicht und Verwaltungselite in den unzähligen Städten des Imperiums. Zu konstatieren ist der wachsende Einfluß der römischen Eliten der Kolonien und der Municipalaristokratie, auf deren Kompetenz und Tatkraft der Kaiser baute.
Die ständische Ordnung der römischen Gesellschaft wurde insgesamt reorganisiert und gefestigt. Beispiel hierfür war die Sitzordnung im Theater, wo sich jeder als Teil seines Standes und des großen Ganzen erfahren konnte. Ganz vorne saßen die Senatoren, darunter noch einmal bevorzugt die Priester und Magistrate, dahinter die Ritter, in der Mitte die breite Masse der römischen Bürger, ganz hinten die Fremden, Sklaven und Frauen. Zur Formierung der plebs urbana trugen aber auch die öffentlichen Getreideverteilungen bei. Die Zahl der Empfänger wurde von Augustus, nachdem sie zwischenzeitlich auf über 300.000 gestiegen war, auf 200.000 begrenzt. Nur männliche römische Bürger genossen das Recht, das frumentum publicum zu empfangen. Die Stadt Rom war zur Organisation dieser Getreideverteilungen in 35 tribus aufgeteilt, die sich wiederum in einzelne corpora gliederten. Unter diesen gab es die der iuniores und der seniores, ein corpus Iulianum und ein corpus Augustale. Die Körperschaften kümmerten sich aber nicht nur um die Getreideversorgung, sondern veranstalteten auch Feste und hatten eigene Vereinskassen. Durch das Vorrecht, an den öffentlichen Getreideverteilungen teilhaben zu dürfen, wurde das Selbstbewußtsein der römischen Bürgerschaft natürlich gestärkt. Auch sonst wollte Augustus das Selbstbewußtsein des römischen Herrenvolkes stärken. Zum einen geschah dies durch sein gewaltiges Bauprogramm, zum anderen sollte die Würde des Römertums auch äußerlich zur Geltung gebracht werden. So verfügte er, daß ein römischer Bürger das Forum und dessen Umfeld nur betreten könne, wenn er den dunklen Alltagsmantel ab- und die römische Toga angelegt hatte.
Darüber hinaus bemühte sich Augustus um die Erhaltung und Fortpflanzung des römischen Volkes. So schreibt Sueton:
- „Außerdem erschien es ihm wichtig, das Volk rein und unverdorben durch jede Vermischung mit dem Blut von Fremden und Sklaven zu erhalten; mit der Verleihung des römischen Bürgerrechts ging er sehr sparsam um, auch für Freilassungen setzte er eine Obergrenze fest.“[3]
Entsprechend erließ er zur Einschränkung der ausufernden Zahl der Freilassungen im Jahr 2 v. d. Z. die lex Fufia Caninia, die bestimmte, daß ein freier Erblasser in seinem Testament nur noch einem bestimmten Anteil seiner Sklaven mit vollem römischen Bürgerrecht die Freiheit schenken konnte, im Jahr 4 n. d. Z. die Lex Aelia Sentia, die festlegte, daß nur freie Eigentümer im Alter von über 20 Jahren Sklaven freilassen konnten und daß Freilassungen nur für Sklaven über 30 Jahren galten. Wer diesen Gesetzen zuwiderlaufend freigelassen worden war, blieb zwar frei, durfte aber nicht das volle römische, sondern nur das latinische Bürgerrecht innehaben. In der Sklavenfrage betrieb Augustus allgemein eine konservative Politik, schritt jedoch zugleich gegen die schlimmsten Auswüchse in der Behandlung von Sklaven ein. Im Sinne seiner Garantie der wirtschaftlichen Besitzverhältnisse war es des weiteren folgerichtig, daß er auch das Eigentumsrecht der Herren im Falle der Sklaven aufrechterhielt.
Auch förderte Augustus eine aktive Bevölkerungspolitik und Kinderreichtum. Wann immer er zum Beispiel bei seinen Besuchen der Regionen Italiens auf Familien mit Kindern stieß, zahlte er diesen tausend Sesterzen pro Kind, und wer drei oder mehr Kinder hatte, erhielt das ius trium liberorum und wurde rechtlich und bei der Vergabe von Arbeitsstellen privilegiert.
Militär- und Expansionspolitik
Augustus hat die Grenzen des Römischen Reiches wie niemand vor und niemand nach ihm erweitert. Deswegen spielten seine territorialen Erwerbungen auch gerade in seinem Tatenbericht eine große Rolle. Schon früh versuchte er sich durch militärische Erfolge zu profilieren. So führte er von 35 bis 34 v. d. Z. Feldzüge gegen die pannonischen Stämme durch und befriedete die Küsten Dalmatiens. 30 v. d. Z. wurde infolge des Sieges über Kleopatra Ägypten annektiert, der Janustempel als Zeichen des wiederhergestellten Friedens geschlossen. Als nächstes ging Augustus an die Arrondierung des römischen Besitzes in Spanien, hier war nur der Nordwesten noch nicht unterworfen worden. Nach Zügen gegen die Asturer und Kantabrer 26/25 v. d. Z. konnte der Janustempel wiederum geschlossen werden, doch schon 24 v. d. Z. brach erneut ein Aufstand los, der erst durch die Kampagnen Agrippas 23 bis 19 v. d. Z. endgültig niedergeschlagen werden konnte. Im Jahre 19 v. d. Z. konnte dann ganz Spanien ein für allemal als unterworfen erklärt werden. Danach ging Augustus an die Erweiterung des römischen Gebietes im Norden, 15 v. d. Z. wurde in einem Blitzfeldzug unter Drusus und Tiberius das Alpengebiet erobert. Tiberius konnte 12 bis 9 v. d. Z. ferner Dalmatien und Pannonien dem Reiche einverleiben, während Drusus bis an die Elbe vorstieß. Nach Drusus’ Tod führte Tiberius die Feldzüge in Germanien fort, Ziel war die Errichtung einer Provinz Germania Magna, seit 6 v. d. Z. galt dieses Gebiet praktisch als befriedet und wurde als eroberte Provinz geführt.
Der Pannonisch-Dalmatische Aufstand, der im Jahre 6 n. d. Z., gerade im Zuge militärischer Maßnahmen gegen das Reich des Marbod, ausbrach, konnte von Tiberius nur mühevoll bis zum Jahr 9 n. d. Z. niedergeschlagen werden. Im selben Jahr erschütterte jedoch eine Katastrophe das Reich, als Varus im Teutoburger Wald dem Cheruskerfürsten Arminius unterlag. Die römischen Truppen wurden daraufhin wieder hinter den Rhein zurückgenommen und Großgermanien aufgegeben. Anfängliche Befürchtungen, die Germanen könnten über den Rhein vordringen, bestätigten sich aber nicht, die römische Position konnte in von Tiberius geleiteten Kämpfen 10 bis 12 n. d. Z. wieder konsolidiert werden. Insgesamt muß die augusteische Expansionspolitik aber als erfolgreich, das Römische Reich am Ende seiner Regierung als gestärkt angesehen werden.
Zugleich wurden unter Augustus durchgreifende Reformen des Militärwesens durchgeführt. Die durch den Bürgerkrieg aufgeblähte Zahl der Legionen wurde auf 28 aus römischen Bürgern gebildete reduziert, hinzu kamen Auxiliarkohorten und Alen, die von Provinzialen gestellt wurden. In Ravenna und Misenum waren außerdem zwei Flotten stationiert. Eine Neuheit stellten ferner die Prätorianer dar, die speziell dem Schutz des Kaisers dienten. Sie bestanden aus neun Kohorten zu je 1.000 Mann und waren in Rom und den Städten des Umlands stationiert. In den römischen Legionen hatten Angehörige der Senatsaristokratie den Oberbefehl, aus ihren Reihen rekrutierte sich der legatus legionis, nur in der ägyptischen Legion hatte ein ritterlicher Präfekt die Leitungsfunktion. Der ranghöchste tribunus entstammte gleichfalls dem Senatsadel, diente aber meist nur für ein Jahr. Die übrigen Tribune, des weiteren die Präfekten der Auxiliarkohorten und Alen waren dagegen Ritter. Die tatsächlichen Träger der militärischen Stärke Roms waren allerdings die Zenturionen, das Zenturionat war für den einfachen Soldaten in den meisten Fällen die höchste zu erlangende Stufe. Allerdings konnte der ranghöchste Zenturio (primus pilus) zur militia equestris wechseln.
Das Militär wurde insgesamt mit der Person des Prinzeps und dem Kaiserhaus eng verzahnt. Oft erhielten Angehörige der kaiserlichen Familie den Oberbefehl in wichtigen Feldzügen, und nur noch der Kaiser konnte zum Imperator ausgerufen werden, seit 19 v. d. Z. konnten Senatoren keine Triumphe mehr feiern. Ferner war bis zur Schaffung des aerarium militare nur Augustus mit seinen Mitteln für die Veteranenversorgung zuständig. Die Veteranen wurden in Italien und in den Provinzen angesiedelt und sicherten dem Kaiser eine solide Machtbasis, schufen zugleich aber die Voraussetzung für eine Romanisierung der Provinzen. Letztlich muß das römische Heer als eine der wichtigsten Säulen von Augustus' Stellung angesehen werden. Es war mit diesem auf besondere Weise verbunden und damit einer der zuverlässigsten Exponenten des neuen Systems.
Ideologie des Prinzipats
Das ideelle Grundgerüst des Prinzipats läßt sich in keiner Weise mit heutigen, von der marxistischen Geschichtsschreibung geprägten sozialen Begriffen beschreiben, die allein materielle Besitzansprüche der Klassen und ihre Verschleierung gelten lassen wollen. Die Idee des Prinzipats ging nicht von einer ideologischen Gesamtkonzeption im Sinne eines Parteiprogrammes, sondern vielmehr von Ideologemen religiöser, politischer, militärischer, moralischer und rechtlicher Art aus. Dabei fällt insbesondere die Vielfältigkeit der Schlagworte ins Auge, die schon den jungen Octavian kennzeichneten, der einerseits „Rache für Caesar“, andererseits libertas propagierte. In der Endphase des Bürgerkrieges dann inszenierte Octavian sich als Retter und Verteidiger Italiens, zugleich aber als Hüter von Recht und Ordnung und Garanten der bestehenden Besitzverhältnisse. Als princeps wurden schnell die Begriffe der res publica restituta und der allgemeinen pax zu Schlagwörtern, die jedem geläufig waren.
Augustus’ Stellung wurde durch drei Ausdrucksformen am deutlichsten repräsentiert, den goldenen Ehrenschild, den er 27 vor der Zeitrechnung erhalten hatte, durch den Bürgerkranz des Retters und durch die Lorbeerbäume, die seine Position sakral erhöhten. Diese Symbolik wurde dem Reichsvolk über die Münzprägung kontinuierlich und in ungekannter Intensität eingehämmert, wenngleich hier offiziell an die Republik angeknüpft wurde. Tatsächlich aber stellten die massive Überwältigung des Bewußtseins und die Einzigartigkeit seiner Stellung einen Bruch mit der Tradition dar. Ebenfalls neu war das ideologische Vordringen in alle Schichten, in die Armee mit den militärischen Titeln und Siegespropaganda, mit dem Volkstribunat und dem Titel pater patriae in das einfache Volk, mit der auctoritas principis in die Oberschicht.
Aber auch die pax Augusta und die Betonung der Einheit und Harmonie des Reiches verfehlten ihre Wirkung nicht. Der augustuskritische Tacitus jedoch spricht von einem blutigen Frieden, beruhte er doch auch auf der Ausschaltung der Opposition, auf Annexionen und Terrorakten sowie der Verabsolutierung römischer Machtinteressen. Dennoch, der Erfolg der augusteischen Propaganda gründet zum großen Teil auf den Erwartungen, Wünschen und Hoffnungen der Massen, die sich im Prinzipat erfüllt sahen und zu dessen innerer Konsolidierung verwandt wurden. Das konnte niemand so perfekt wie Augustus, der als einer der größten und genialsten Stilisten der Macht in die Geschichte einging.
Tod und Nachfolge
Schon früh und sorgfältig bemühte Augustus sich um die Sicherung seiner Nachfolge. Das liegt zweifellos auch daran, daß er zeit seines Lebens kränklich und von schwacher Konstitution war. Mit einem langen Leben, das er dann in der Tat haben sollte, konnte kaum gerechnet werden. Immer bemühte er sich dabei um eine dynastische Regelung der Nachfolge. So wurde zunächst sein Neffe Marcellus zum Erben erklärt, dessen Tod im Jahre 23 v. d. Z. aber führte dazu, daß sein Feldherr und Gefolgsmann Agrippa zum Nachfolger ernannt wurde, der aber wiederum 12 v. d. Z. verstarb. Infolgedessen wurde zunächst sein ungeliebter Stiefsohn Tiberius präferiert, dem aber nur eine Platzhalterrolle zukam, tatsächlich baute Augustus indessen seine Enkel Lucius und Gaius zu Nachfolgern, bald auch offiziell, auf, diese starben allerdings 2 bzw. 4 n. d. Z., so daß am Ende die Nachfolge bei Tiberius landete, der 13 n. d. Z. mit allen Befugnissen eines Kaisers ausgestattet wurde.
Bei einer Reise auf Capri erkrankte Augustus schließlich an Diarrhoe, ließ sich nach Nola in das Haus bringen, in dem angeblich sein Vater gestorben war, und starb – so wie er es sich immer gewünscht hatte – am 19. August 14 n. d. Z. eines schnellen und angenehmen Todes. Seine letzten Worte entsprachen der Abschiedsformel, mit der Komödianten ihre Zuschauer entließen: „Wenn nun das Ganze Euch wohl gefallen hat, so klatscht Beifall, und entlaßt uns alle mit Dank nach Hause.“
Am 17. September 14 n. d. Z. wurde Augustus, nachdem ihn ein Senator bei der Bestattung angeblich zum Himmel hatte emporsteigen sehen, feierlich zum Staatsgott erklärt und ein Tempel für den Augustuskult eingerichtet.
Nachwirkung
Es versteht sich von selbst, daß die messianische Wirkung, die er auf seine Zeitgenossen ausgeübt hatte, auch die kommenden Jahrhunderte des römischen Kaiserreiches überstrahlen sollte und zum Herrscherideal eines Kaisers schlechthin wurde. Dennoch wurde seine Person auch kontrovers beurteilt, insbesondere durch die Senatsaristokratie, die von ihm entmachtet worden war. Berühmtester Gegner ist hier wohl der Geschichtsschreiber Tacitus, ein überzeugter Republikaner. Die Christen hingegen zogen bald Verbindungen zwischen der pax Augusta und der pax christiana, war doch Jesus selbst im augusteischen Zeitalter geboren worden. Der Hoftheologe Konstantins Eusebius sagte gar, der „essentielle Monotheismus des Imperiums“ habe bereits mit Augustus begonnen.
Auch in der Neuzeit war das Bild des Prinzeps steten Wandlungen unterworfen. Insbesondere in den letzten hundert Jahren wurde, wohl auch aufgrund augenscheinlicher Parallelen, die Person des Kaisers immer wieder zum Gegenstand von Verehrung und Kritik. So entstand im faschistischen Italien ein ausgiebiger Personenkult um den Monarchen, der im großen Festjahr anläßlich seines 2000. Geburtstages 1937 gipfelte. Auch im nationalsozialistischen Deutschland verglichen zahlreiche Althistoriker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens die Begründung des Dritten Reiches mit der Errichtung des Prinzipats. Beispielsweise zog der spätere Bischof von Regensburg Rudolph Graber diese Parallele, indem er verkündete, daß wie Augustus „Retter, Vater und irdischer Heiland“ war, „als er die Antike aus den Wirren des Bürgerkrieges zur ‚Pax Romana‘ als der ‚Pax Augusta‘ führte“, so sei es jetzt Hitler.[4] Und Wilhelm Weber schrieb:
- „Aus allem, was dieser Blonde mit seinen leuchtenden Augen sah, aus seiner Kraft dachte und tat, strahlte indogermanische Urkraft in die statische Welt des Reiches.“
Der Neuseeländer Ronald Syme hingegen sah unter dem Eindruck der Entwicklungen der 1930er Jahre Augustus als skrupellosen Machtmenschen, der konsequent seine persönliche Diktatur aufbaute. Der deutsche Althistoriker Alfred Heuß ging nach dem Krieg soweit, in seiner „Römischen Geschichte“ im Kapitel über das augusteische Zeitalter das System Augustus’ in regelrechte Geistesverwandtschaft zum Dritten Reich zu setzen.[5] Unter den zeitgenössischen Althistorikern wird der Prinzeps jedoch überwiegend positiv gesehen, Jochen Bleicken, Dietmar Kienast und Klaus Bringmann hoben die Errungenschaften und Leistungen seiner Regierung hervor. Man müsse ihn nicht als egoistischen Herrscher sehen, sondern als teilweise selbstlosen, vielleicht sogar selbstlosesten Herrscher der Geschichte.
Verschiedenes
- Nach Augustus ist bis heute der Monat August benannt. Der Antritt seines ersten Konsulats und sein Sieg über Mark Anton und Kleopatra in der Schlacht bei Alexandria fielen in diesen Monat. Zudem folgte dieser direkt auf den Juli, den Monat des Adoptivvaters. Um gegenüber diesem nicht zurückzustehen, wurde der August ebenfalls auf 31 Tage verlängert.
- Im Weihnachtsevangelium ist die Person des Augustus weiterhin präsent. Es heißt dort: „Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging,...“
- In jüngerer Vergangenheit beschäftigten sich auch verschiedene Filme und Serien mit dem ersten Kaiser Roms, so außer Filme wie Cleopatra (1964), in denen er eher eine Nebenrolle innehatte, im Jahre 2003 auch eine Biographie Mein Vater, der Kaiser, in der Peter O´Toole den alten Monarchen spielte. In der Fernsehserie Rome wurde der Octavian der Bürgerkriege von Simon Woods dargestellt.
- Augustus verfaßte auch eine dreizehnbändige Autobiographie, die jedoch praktisch als verschollen gilt. Erhalten geblieben ist dagegen sein Tatenbericht, die res gestae divi Augusti, die Theodor Mommsen als „die Königin der antiken Inschriften“ bezeichnete. Sie wurde nach seinem Tod in mehreren Abschriften im ganzen Reich verbreitet, bekannt ist vor allem die Inschrift des Monumentum Ancyranum in der heutigen Türkei, die in besonders gutem Zustand ist. Ursprünglich war die Res gestae divi Augusti des weiteren auch auf eisernen Pfeilern am Eingang des Mausoleum Augusti angebracht.
Zitate
Zitate von Augustus
- „Möge es mir vergönnt sein, die Republik auf gesunde und sichere Grundlage zu stellen und dafür den Lohn zu empfangen, nach dem ich strebe; der Schöpfer der bestmöglichen Verfassung genannt zu werden und die Hoffnung mit ins Grab nehmen zu können, daß die von mir errichteten Fundamente des Staates nie wanken werden.“ – nach Sueton: Divus Augustus 28,2
- „Ihr, die ihr noch jung seid, hört einen Alten, auf den die Alten hörten, als er noch jung war!“ – nach Plutarch
- „Was gut genug getan wurde, ist auch schnell genug getan.“ – nach Sueton: Divus Augustus 25,4
- „Ich fand Rom aus Stein, ich hinterließ es aus Marmor.“ – nach Sueton: Divus Augustus 28,3
Zitate über Augustus
- „...Augustus, der Vater des Vaterlandes, der Caesar gehört allen – und von diesem Allgemeingut gehört ein Bruchstück auch mir... Wenn ich ihn sehe, glaube ich Rom zu sehen, gleicht er seiner Stadt doch an Majestät und Charakter... alles kommt ihm zu Ohren, nichts bleibt ihm verborgen, was auch geschieht auf der Welt...“ — Ovid, Epistulae ex ponto
- „Er erneuerte die res publica in Form einer Monarchie, gewährte den Provinzen einen neuen politischen Status und erreichte einen stabilen Frieden für den Großteil des Reiches. Keiner seiner Nachfolger als Herrscher des Römischen Reiches konnte eine vergleichbare Bilanz vorlegen. Und welcher Staatsmann späterer Zeitalter könnte in Wettbewerb mit ihm treten?“ — Werner Eck: Augustus und seine Zeit
- „In der Republik wurden die führenden Staatsmänner ‚princeps civitatis‘ genannt, nun gab es einen ‚princeps‘, der den ganzen Rest in den Schatten stellte. Der Titel paßte bewundernswert zu Augustus' Politik; Er enthielt keine Amtsgewalten, sondern nur Autorität.“ — Arnold H. M. Jones: Augustus
- „Seine Rolle war mehr die eines Gottes denn die eines Mannes: eine grenzenlose Macht, um menschliches Leben zu retten und der Welt Ordnung zu bringen. So wie Jupiter and die anderen Götter lebensnotwendig für Roms Erfolg waren und eine fast unbegreiflich große Macht besaßen und ihre Vollmachten nicht dem Senat und dem Volk verdankten, so näherte sich Augustus' Macht den Göttlichen an. Seine Aufgabe ließ ihn pendeln zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen. Natürlich war er sterblich und ein römischer Bürger und viele seiner Funktionen, die er ausübte, waren menschlich und traditionell römisch. Aber man konnte von ihm als einer Leihgabe des Himmels denken – ein Superheld, von Jupiter gesendet wo keine gewöhnliche menschliche Hilfe nutzen konnte. Wir sollten sorgsam sein, eine solche Redeweise wie diese, die bei den Dichtern der Stunde überall vorhanden ist, nicht als eine Art von eher geschmackloser Schmeichelei zu verwerfen. Sie rangen darum eine Beziehung auszudrücken wie sie kein reales Beispiel in der römischen Geschichte hatte.“ — Andrew Wallace-Hadrill: Augustan Rome
- „Frieden, Wohlstand und Gerechtigkeit waren edle, wenn auch nicht aufregende Ziele in Augustus' reiferen Jahren. In großem Maße erreichte er diese und, gemessen an den unerfreulichen Umständen seines Aufstiegs zur Macht, brachte seine Herrschaft für Millionen von einfachen Bürgern der römischen Welt nichts als Gutes.“ — John Carter: The Battle of Actium
- „Auf der einen Seite die mögliche Auswirkung verschiedener lectiones des Senats und anderer Kontrollmechanismen, die dem Prinzeps zur Verfügung standen; auf der anderen Seite sein außergewöhnlicher politischer Einblick und seine Fähigkeiten – und seine Menschlichkeit. Nur, wenn wir alle diese Elemente in einem umfassenden System sich wechselseitig beeinflussender Faktoren kombinieren, werden wir in der Lage sein vollständig zu verstehen, warum, entgegen aller Erwartungen, die Opposition zu Augustus verstreut, isoliert, ineffektiv, und vor allem minimal war.“ — Kurt Raaflaub / L. Samons: Opposition to Augustus
- „Das Reich des Augustus war stets das Ideal späterer Regierungen. Der Gedanke, das Griechentum im Osten zu konservieren, im Westen die verschiedenen Völkerschaften in der lateinischen Nationalität aufgehen zu lassen, dies war der Gedanke Caesars, Augustus', des Principats.“ — Theodor Mommsen: Römische Kaisergeschichte
- „Und so in dieser Zeit, in dem Jahr, in dem Caesar den sichersten und echtesten Frieden durch göttliche Vorsehung geschaffen hatte, wurde Christus geboren, für dessen Herankunft dieser Frieden Grundlage war.“ — Orosius
- „Drei Menschen sind auf der Erde wohl am höchsten gefeiert worden: Augustus, Ludwig XIV. und Napoleon.“ — Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord, französischer Außenminister und kaiserlicher Großkammerherr unter Napoleon I.
- „Die Nachwelt hat dem Augustus ein Denkmal bewahrt, wie es vielleicht nie wieder geschehen ist.“ — Theodor Mommsen: Römische Kaisergeschichte
Literatur
- Viktor Emil Gardthausen / Rudolf Hirzel / Rudolf Helssig: Augustus und seine Zeit (1891) (PDF-Dateien: Band 1, Band 2)
Weiteres
- Jochen Bleicken: Augustus. Eine Biographie, Berlin 1998
- Klaus Bringmann: Augustus, Darmstadt 2007
- Klaus Bringmann / Dirk Wiegandt: Augustus. Schriften, Reden und Aussprüche, Darmstadt 2008
- Karl Christ: Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis Konstantin, München 2002
- Richard Faber: Die Verkündigung Vergils: Reich, Kirche, Staat. Zur Kritik der Politischen Theologie, Hildesheim 1975
- Dietmar Kienast: Augustus. Prinzeps und Monarch, Darmstadt 1982
- Gerhart Rodenwaldt: Kunst um Augustus, Berlin 1943
- Ronald Syme: The Roman Revolution, Oxford 1939
- Wilhelm Weber: Princeps. Studien zur Geschichte des Augustus, 1936
- Paul Zanker: Augustus und die Macht der Bilder, München 1987
- Englischsprachig
- Arthur Kemp: March of the Titans Volume I: The Rise of Europe. Ostara Publications, 2023 Prometheus Edition – vollständig neu bearbeitet, erweitert und aktualisiert [308 S. m. 581 Farbaufn.], Vorstellung und Bezugsnachweis
Siehe auch
Verweise
Quellen
- Text der Res gestae divi Augusti in lateinischer und deutscher Sprache
- Die Aeneis in lateinischer und deutscher Sprache
- Suetons Kaiserviten in lateinischer und deutscher Sprache (pdf-Datei)
- „Cassius Dio: Römische Geschichte“ in englischer Übersetzung
Netzartikel
- Ronald Symes: „Die Römische Revolution. Machtkämpfe im antiken Rom“ – Rezension im Deutschlandfunk
- Ausführliche Darstellung von Leben und Persönlichkeit des Augustus
- Augustus’ Humor (englisch)
- „Seeschlacht von Actium: Goldenes Zeitalter begann vor 2040 Jahren“ – Artikel auf turus.net vom 04.09.2009
- „Das große Geschenk der Maus“ – MZ vom 3. Oktober 2009 über eine Nachbildung der Sonnenuhr des Augustus
- „Patriarch der Macht“ – SPIEGEL Geschichte vom 27. Januar 2009
- „Klassische Wende“ – SPIEGEL-Rezension zu „Augustus und die Macht der Bilder“ von Paul Zanker vom 24. August 1987
- „Wer war Kaiser Augustus?“ – The European Circle vom 21. Dezember 2010
- „Vom Bluthund zum Friedensfürst“ – Frankfurt-live.com vom 7. Januar 2011
- Augustus, in: Brockhaus’ Konversationslexikon (1894–1896)
Fußnoten
Besonders lesenswerte Artikel sind außergewöhnlich gelungen und umfassend. Verbesserungen und Erweiterungen sind dennoch gern gesehen. Umfangreichere strukturelle und inhaltliche Änderungen sollten zuvor diskutiert werden. |