Neubistritz
Staat: | Deutsches Reich |
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Gau: | Niederdonau |
Landkreis: | Neubistritz |
Einwohner (1939): | 2.824 |
Höhe: | 339 m ü. NN |
Koordinaten: | 49° 1′ N, 15° 6′ O |
Neubistritz befindet sich seit 1945 unter Fremdherrschaft. Das Gebiet ist von der Tschechei vorübergehend besetzt, die einheimische Bevölkerung wurde vertrieben oder ermordet und deren Eigentum gestohlen.
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Neubistritz (früher: Neufistritz) ist eine deutsche Stadt in Südböhmen, Sudetenland, im Grenzbereich zum westlichen Mähren. Nur wenige Kilometer südlich befindet sich die böhmisch-österreichische Landesgrenze.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Mittelalter
Bistritz wurde als Fluß „Vistricz“ im Jahre 1175 in einer Schenkung erstmals urkundlich erwähnt. Die Gründung geht auf diese Schenkung des Raabser Grafen Konrad II. an die Mailberger Johanniter zurück, die dort eine Mönchszelle errichteten. 1180 wurden Fistritz, Landstein und andere Orte von den Kuenringern gegründet. 1191 gelangte die Herrschaft Raabs mit Vistritz („Vistricz“) an die Zöbinger. Danach folgten mehrere Besitzerwechsel, ehe die Herrschaft von Margerethe von Babenberg (Ehefrau des böhmischen Königs Ottokar II.) 1260 an Wok von Rosenberg aus dem Geschlecht der Witigonen übertragen wurde. Zur Herrschaft Raabs gehörte damals neben Vistritz auch Landstein. Wok ließ die Burg Rosenberg erbauen.
Durch die neue Grenzziehung nach dem Tod Ottokars II. fiel der nördlichste Teil der Herrschaft Raabs 1282 an das Königreich Böhmen während den Rest Heinrich von Rosenberg an den Sohn Rudolfs I. von Habsburg, Albrecht, und somit an das Herzogtum Österreich abtreten mußte. Als Besitzer der Burg in Vistritz ist um 1282 ein Sezema von Landstein nachgewiesen. 1341 bekam Vistritz das Stadtrecht verliehen. 1348 wurden den Herren von Landstein durch Karl IV. weitere Privilegien erteilt.
Um 1381 wurden die Lehen Vistritz und Landstein von König Wenzel IV. verwaltet; Vistritz überließ er dann im Tausch seinem Hofmeister, Konrad von Kraigh. Dessen Sohn Lipold, der danach die Herrschaft übernahm, stand zu Beginn der Hussitenkriege auf katholischer Seite. 1420 wurde daher der Ort von den Hussiten unter Jan Žižka völlig zerstört. Unter dem Sohn von Lipold, Wolf Kraiger von Kraigh, der Anhänger der Utraquisten war, wurde die Stadt neu aufgebaut und erhielt mit der Zeit den Namen „Newe Vistricz“ (Neu-Bistritz). Wolf residierte überwiegend auf der Burg in Bistritz. 1482 wurden die alten Privilegien von ihm bestätigt.
Neuzeit
1501 wurde von Konrad Kraiger von Kraigh das Paulaner-Kloster „Heilbrunn“ gestiftet, das allerdings 30 Jahre später durch einen Überfall der Utraquisten zerstört wurde. Nachdem die letzten Kraigher in Neubistritz ohne Nachkommen im 16. Jahrhundert gestorben waren, wechselten im Lauf der Jahrhunderte die über Neubistritz gebietenden Herrschaftsgeschlechter mehrfach. Zu dieser Zeit gehörten zur Herrschaft Neubistritz Albern, Sichelbach, Kutbrun, Leinbaum, Artholz, Bernschlag, Neustift, Kaltenbrunn, Kunas, Romau sowie die Ansiedlungen Reichers und Kloster. 1607 vernichtete ein Feuer einen Großteil der Stadt und des Schlosses. Lucie Otilie von Neuhaus aus dem witigonischen Geschlecht, die mit dem damaligen Herrscher von Neubistritz, Wilhelm von Slavata verheiratet war, siedelte erste Tuchmacher aus Iglau an. Zur Wollversorgung wurde die Schäferei eingerichtet.
1626 wurde die Herrschaft deren Sohn, Adam Paul Slavata, übertragen, der überwiegend in Neubistritz residierte. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde die „Neue Vorstadt“ von ihm durch die Ansieldung von Bergleuten aus Sachsen wegen vermuteter Silbervorkommen gegründet. 1652 wies er den Paulanern, deren Kloster zuvor erneuert wurde, eine größere Grundfläche zu. Seine Nachfolger ließen die barocke Klosterkirche (Dreifaltigkeitskriche) erbauen. 1683, als osmanische Heere Wien belagerten, sammelten sich in Neubistritz Fußtruppen und Artillerie des sächsischen Entsatzheeres. Nachdem die Neubistritzer Linie der Slavata gegen Ende des 17. Jahrhunderts erloschen war, wechselten in den nächsten Jahrhunderten die Besitzer häufig. Darunter waren die Fünfkirchner, die Trautmannsdorff und Riese-Stallburger.
1774 wurden Kirche, Schloß, Rathaus und weitere Gebäude Opfer eines Großbrandes. 1784 ließ Joseph II. das Kloster auflösen und dessen Grundbesitz an Siedler verteilen. So entstand der Ort Kloster. Die Herrschaft besaß das Patronat über die Dekanal- und die Katharinenkirche, die Pfarrkirche zur hl. Theresia in Adamsfreiheit und die Filialkirche zum hl. Johannes dem Täufer in Münichschlag.
19. Jahrhundert
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand die „Kaiserstraße“ zwischen Wien und Prag. Darauf wurde eine Postkutschenverbindung eingerichtet und Neubistritz erhielt eine eigene Poststation. Die 300 km zwischen Wien und Prag wurden in etwa 40 Stunden überwunden. 1850 wurde Neubistritz Sitz eines Bezirksgerichtes. Die endgültige Ablösung der Patrimonialherrschaft erfolgte erst im Jahr 1870, als die Frist für die Ablösungszahlungen vorüber war. In der Zeit der Industrialisierung entstanden Leinen- und Baumwollfabriken. Einer der größten Arbeitgeber war die Baumwollwarenfabrik Kollmann, die fast 1.000 Personen beschäftigte. 1897 wurde die Schmalspurbahn Neubistritz-Neuhaus eröffnet.
1900 wurde die Herrschaft von Prinz Friedrich von Schönberg-Waldenburg aus Sachsen erworben. Auf seinen Meierhöfen beschäftigte er viele tschechische Waldarbeiter. 1909 erfolgte ein letzter Besitzerwechsel. Die Herrschaft ging an die Familie des Leopold Kern in Wien, wo sie bis 1945 verblieb. Allerdings gingen durch die „tschecho-slowakische Bodenreform“ von 1920 große Teile des Waldes und der Teichwirtschaft verloren. Ein Teil wurde an tschechische Siedler übergeben. 1929 wurde die örtliche Brauerei stillgelegt. 1936 wurde von der Bezirksbehörde aus strategischen Gründen das Fotografieren und das Tragen von Fotoapparaten verboten. Nach Protesten wurde dieses Verbot auf Einrichtungen beschränkt, die für die Staatsverteidigung besondere Bedeutung hatten (Brücken, Schranken, Bahnlinien, Kraftwerke etc.).
20. Jahrhundert
Nach dem Anschluß an das Deutsche Reich und damit einhergehend an den Reichsgau Niederdonau 1938, wurde aus den überwiegend deutschen Orten des politischen Bezirks Neuhaus der Kreis Neubistritz gebildet, dessen Hauptstadt Neubistritz wurde. Er existierte bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs.
Am 10. Mai 1945 wurde die Stadt von der Roten Armee besetzt.
Vertreibung der deutschen Bevölkerung von Neubistritz 1945/46
Am 28. Mai 1945 wurden die deutschen Neubistritzer aus der Stadt vertrieben. Ortsfremde Tschechen und „Revolutionsgardisten“ kamen aus Neuhaus und aus dem 50 km entfernten Tabor und vertrieben die Deutschen aus der Stadt. Es kam zu vielen Verhaftungen die auf Grund bereits angefertigter Listen, auf denen ehemalige NSDAP-Mitglieder und tatsächliche oder mutmaßliche „Kollaborateure“ erfaßt waren, erfolgten. Im Zuge dieser Verhaftungen kam es zu schweren Mißhandlungen. Viele von den Verhafteten mußten auf dem Marktplatz von Neubistritz einen Spießrutenlauf über sich ergehen lassen. Die meisten von ihnen wurden später freigelassen und mit den anderen über die Grenze nach Österreich eskortiert. In der Stadt wurden inzwischen die deutschen Einwohner durch Drohungen, falsche Versprechen oder mit Gewalt aus ihren Häusern und Wohnungen gewiesen. Dabei durfte nur mitgenommen werden, was getragen werden konnte. Ein Arzt, ein Apotheker und eine Hebamme durften bleiben. Kurz vor der Grenze wurde das Gepäck der Ausgewiesenen nach wertvollen Gegenständen durchsucht. Eine Gruppe wollte umkehren, um noch etwas aus ihren Häusern zu holen. Bei diesem Versuch wurden sie beschossen, wobei ein Mann getötet wurde. Ein anderer Mann und dessen Sohn, denen die Erschießung drohte, wurden von russischen Soldaten gerettet.
Nach der Machtübernahme der Kommunisten 1948 in der „Tschecho-Slowakei“ und der Etablierung des Regimes, lag die Region um Neubistritz wegen der Grenznähe zu Österreich im politischen Sperrbezirk. Im Zuge der Errichtung des „Eisernen Vorhanges“ wurden viele Dörfer aufgegeben, abgesiedelt und dem Verfall preisgegeben. Nach dem Ende des Regimes 1989 und der Grenzöffnung, wurde die Gegend wieder attraktiver gestaltet, die Infrastruktur ausgebaut und der Tourismus erlangte eine gewisse Bedeutung. Durch die jahrzehntelange Sperrzone war die Natur weitgehend unberührt geblieben und der landschaftliche Charakter mit den vielen Teichen und Wäldern lockt viele Erholungssuchende in diese Region.
Eingemeindungen
Zur Gemeinde Neubistritz gehören heute die Orte bzw. Ortsteile Albern (1976) mit Theresienthal, Artholz, Sichelbach, Burgstall, Adamsfreiheit, Kloster, Leinbaum, Böhmisch Bernschlag (1972), Schäferei, Zinolten, Gebharz und Fichtau sowie die Fluren der erloschenen Dörfer Münichschlag und Thiergarten.
Wirtschaft und Infrastruktur (vor der Vertreibung)
Die Bewohner von Neubistritz und des Umlandes waren Landwirte, Kaufleute und Gewerbetreibende. Neben den Leinen- und Baumwollfabriken im 19. und frühen 20. Jahrhundert gab es auch eine Brauerei.
Schulen: Volks- und Bürgerschule, Volksschule ursprünglich aus dem 18. Jahrhundert, Bürgerschule 1875 eröffnet, 1901-1903 entstand ein Schulgebäude für 10 Volks- und sechs Bürgerschulklassen sowie Wohnungen für Schuldiener, Direktor und Lehrer. Fachschule für Weberei 1875 in der Bürgerschule.
In Neubistritz gab es zwei Ärzte, eine Apotheke und einen Zahntechniker.
Vereine: Freiwillige Feuerwehr, Gesangs- und Musikverein, Sportverein SV Wacker, Katholischer Jugendbund u.a.
Neubistritz und die Region waren eine beliebte Sommerfrische mit zahlreichen Ausflugszielen (Burgstaller Felsen, Ruine Landstein, Waldschenke, Beistein bei Guttenbrunn etc.). Zudem gab es ein Moorbad im Blankateich und ein Strandbad am Münichschlager Teich.
Wappen
Bei der Verleihung der Stadtrechte erhielt Neubistritz ein Wappen überreicht. Es zeigte in Blau auf grünen Boden zwei zweistöckige silberne Zinnentürme mit roten Spitzdächern und goldenen Knäufen. Zwischen den Türmen ist eine silberne Zinnenmauer mit hochgezogenem Fallgitter im offenen Tor. Im Tor befindet sich das von Silber und Rot schräggeteilte Schildchen des Stadtherren Kraiger von Kraig. Über dem Tor ist ein silbernes Schild mit einem goldbewehrten, gekrönten schwarzen Adler.
Einwohnerentwicklung
(Mit den Vororten Fichtau, Schäferei, Tiergarten)
Volkszählung | Häuser | Einwohner insgesamt | Volkszugehörigkeit der Einwohner | ||
Jahr | Deutsche | Tschechen | andere | ||
1790 | 244 | ||||
1842 | 368 | 3450 | |||
1880 | 499 | 3692 | 3548 | 129 | 15 |
1890 | 495 | 3430 | 3343 | 70 | 17 |
1900 | 505 | 3215 | 3181 | 27 | 7 |
1910 | 509 | 3218 | 3074 | 124 | 20 |
1921 | 535 | 2802 | 2385 | 240 | 177 |
1930 | 564 | 2665 | 2229 | 313 | 123 |
1939 | 2824 | ||||
2010 | 3399 | ||||
2013 | 3327 | ||||
Quellen: Gerald Frodl, Walfried Blaschka: Die Kreise Neubistritz und Zlabings von A-Z. 2008 |
- Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wanderten zahlreiche Einwohner nach Amerika aus.
Bekannte, in Neubistritz geborene Personen
- Franz Binder (1855–1929), päpstlicher Hausprälat, Domprediger zu
- Hans Hadam (1913–1998), Heimat- und Ahnenforscher
- Bernhard Merth (1864–1922), Lehrer, Schriftsteller
- Adolf Poetsch (1881–1940), Kaufmann, Dichter und Lyriker
- Anton Freiherr von Reisner (1749–1822), Feldmarschall in den Napoleonischen Kriegen 1809
- Jakob Stippl (1852–1908), Heimatforscher, Schriftsteller
- Franz Stumfohl (1886–1937), Forstdirektion Innsbruck, Leiter der Forstschule Klagenfurt
- Gerhard Swoboda (1923–1974), Maler und Grafiker
- Ernst Friedl von Tappenberg (1862–1938), Soldat und Feldmarschall
Literatur
- Franz Kolmann: Chronik von Neubistritz. 1867, Neuauflage Znaim 1939
- Georg Dehio / Karl Ginhart: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler in der Ostmark, Verlag Schroll jetzt Berger, 1943
- Hans Hadam: Neubistritz. Geschichte der Stadt und der ehemaligen Herrschaft. 1981.