Stahel, Rainer
Rainer Joseph Karl August Stahel[1] (zuweilen fälschlicherweise Reiner; 15. Januar 1892 in Bielefeld; 30. November 1955 im Kriegsgefangenenlager Woikowo bei Moskau) war ein deutscher Offizier der Preußischen Armee, des Deutschen Heeres, der Finnischen Armee (Weißen Armee), der finnischen Grenzschutzpolizei, der Reichswehr und der Wehrmacht, zuletzt Generalleutnant der Luftwaffe und Schwerterträger im Zweiten Weltkrieg.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Rainer Stahel trat am 1. April 1911 als Fahnenjunker in die Königlich Preußische Armee ein. Er kam dabei zum 1. Lothringischen Infanterie-Regiment Nr. 130. Bei diesem wurde er am 19. Dezember 1911 zum Fähnrich befördert. Nach dem Besuch der Kriegsschule Hersfeld wurde er am 18. Oktober 1912 zum Leutnant befördert. Sein Patent wurde dabei auf den 23. August 1910 datiert. Im August 1915 wurde er Zugführer. Am 31. Mai 1916 wurde Stahel als Chef der Maschinengewehr-Kompanie in das Königlich Preußische Jäger-Bataillon Nr. 27 (Finnische Jäger) versetzt. Die Finnischen Jäger, die anfänglich im lettischen Kurland eingesetzt wurden, bildeten später den Kern der finnischen Armee. In dieser Zeit absolvierte er eine Ausbildung als Artillerie-Beobachter vom 18. bis 28. Februar 1917, vom 18. bis 26. Mai 1917 wurde er zum Sturm-Bataillon Nr. 5 (Rohr) kommandiert. Vom 9. Juli 1917 bis 19. Februar 1918 war er MG-Offizier im Stab des Jäger-Bataillons Nr. 27. Stahel bat am 6. Februar 1918 um Freistellung vom Königlich-Preußischen Jäger-Bataillon Nr. 27, um mit seinen Männern im Finnischen Bürgerkrieg kämpfen zu können.
Finnischer Freiheitskrieg
In Vaasa (Schweden) wurde er am 28. Februar 1918 zum finnischen Major ernannt, ging am 2. März 1918 nach Finnland, wo er am 27. Mai 1918 zum finnischen Oberstleutnant befördert wurde. Aus dem Deutschen Heer wurde er erst am 11. April 1918 (seit dem 19. Februar 1918 freigestellt) offiziell verabschiedet. In Finnland wurde Rainer Stahel am 5. November 1919 aus dem Heeresdienst verabschiedet, trat am 15. März 1920 in die finnische Grenzschutzpolizei ein (zugleich Kommandant im Schutzkorps) und wurde dort am 31. Juli 1925 verabschiedet.
Rückkehr nach Deutschland
Stahel, der auch die finnische Staatsbürgerschaft besaß, blieb finnischer Reserve-Offizier bis 19. Dezember 1934, wobei er schon 1934 der Reichswehr als Landesschutzoffizier, dann als Ergänzungsoffizier beigetreten war. Erst 1941 sollte er aktiver Offizier werden.
Zweiter Weltkrieg
Am 18. Januar 1942 wurde ihm das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes verliehen. Zum 1. März 1942 wurde er zum Oberst befördert. Mitte April 1942 gab er sein Kommando an Oberst Dr. Hermann Rudhart ab. Gleichzeitig wurde er dann als Nachfolger von Oberst Adolf Pirmann zum Kommandeur vom Flak-Regiment 99 im Südabschnitt der Ostfront ernannt. Im Sommer 1942 gab er sein Kommando an Oberstleutnant Eduard Obergerthmann ab. Er wurde dann dafür mit der Aufstellung und Führung der 4. Luftwaffen-Felddivision beauftragt. Bei den Abwehrkämpfen Ende 1942 verteidigte er als Führer einer Luftwaffen-Kampfgruppe im Südabschnitt der Ostfront seinen Frontabschnitt im Raum Stalingrad, was wesentlich zur Stabilisierung der Südostfront beitrug. Für diese Leistung wurde er am 4. Januar 1943 mit dem Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet.
Am 21. Januar 1943 wurde er zum Generalmajor befördert. Er wurde dann in den Bereich der Luftflotte 4 kommandiert. Ende Mai 1943 wurde er dann zum Kommandeur der neuen 22. Flak-Brigade in Italien ernannt. Mit dieser übernahm er dann den Schutz der Straße von Messina. Nach dem Waffenverrat Italiens war er ab September 1943 bis Dezember 1943 Kampfkommandant von Rom. Anfang Juli 1944 wurde er zum Kommandant des Festen Platzes Wilna ernannt. Am 14. Juli 1944 wurde er namentlich im Wehrmachtbericht genannt:
- „Die tapfere Besatzung der alten litauischen Hauptstadt Wilna unter Führung ihres Kommandanten, Generalleutnant Stahel, durchbrach nach fünftägigem Widerstand gegen überlegene feindliche Kräfte befehlsgemäß den sowjetischen Einschließungsring und kämpfte sich zu den westlich unter Oberst Tolsdorff bereitstehenden Truppen durch.“
Für die Bindung starker feindlicher Kräfte vor der Festung wurde er am 18. Juli 1944 mit den Schwertern zum Ritterkreuz mit Eichenlaub ausgezeichnet und kurz darauf zum Generalleutnant befördert.
Kriegsgefangenschaft
Stahel war Stadt-Kommandant von Warschau ab dem 25. Juli 1944 und ab dem 26. August 1944, nach dem Waffenverrat der Rumänen, Kampfkommandant nördlich von Bukarest. Dort geriet er zusammen mit Generalleutnant Alfred Gerstenberg am 28./29. August 1944 in sowjetische Kriegsgefangenschaft, die er bis zu seinem Tode in verschiedenen Lagern verbrachte.
Tod
Wie zahlreiche hohe deutsche Offiziere auch verstarb Generalleutnant Stahel unter ungeklärten Umständen (laut den Russen an einem Herzinfarkt) noch in bolschewistischer Kriegsgefangenschaft, kurz bevor er als Spätheimkehrer wieder in die Heimat entlassen werden konnte. Er ruht auf dem Generalsfriedhof der Kriegsgräberstätte in Tschernzy.
Dort ruhen auch u. a. General der Artillerie Max Pfeffer, General der Infanterie Friedrich Hochbaum, General der Infanterie Karl-Wilhelm Specht, General der Polizei Otto Ullmann, die Generalleutnanten Hans Boeckh-Behrens, Heinrich Deboi, Walter von Boltenstern, Gerhard Medem, Friedrich Bayer, Paul Stoewer sowie die Generalmajoren Anton Eberth, Wilhelm Runge, Rudolf Noack, Gerd von Below und Louis Tronnier.
Familie
Es war als deutscher Freiwilliger in Finnland, daß er erfahren mußte, daß sein geliebter jüngerer Bruder Heinrich, der ebenfalls im 1. Lothringischen Infanterie-Regiment Nr. 130 diente, an der Westfront als Leutnant und Führer der 11. Kompanie nur elf Tage nach der Durchbruchsschlacht bei St. Quentin-La Fère am 31. März 1918 bei den Verfolgungskämpfen bis Montdidier-Noyon gefallen war. Ein weiterer Bruder, Friedrich-Karl Stahel ( 30. Mai 1894 in Bielefeld), ist am 25. September 1942 als Rittmeister an der Ostfront gefallen. Ob der an der Ostfront vermißte Offizier Rainer-Eric(h) Stahel ( 21. März 1919) sein Sohn war, ist überaus möglich, läßt sich aber nicht belegen.
Beförderungen
- Fahnenjunker 1. April 1911
- Fahnenjunker-Unteroffizier (1. August 1911)
- Fähnrich (19. Dezember 1911)
- Leutnant (18. Oktober 1912 mit Patent vom 23. August 1910)
- Oberleutnant (27. Januar 1916)
- verabschiedet mit dem Charakter als Hauptmann (11. April 1918)
- Finnischer Major (28. Februar 1918)
- nach anderen Quellen erst am 6. März 1918
- Finnischer Oberstleutnant (27. Mai 1918)
- Hauptmann (L-Offizier) (23. Februar 1934)
- Hauptmann (Ergänzungsoffizier) (1. April 1934)
- Major (E) (1. April 1936)
- Oberstleutnant (Ergänzungsoffizier) (1. November 1939)
- Aktiver Offizier 1941
- Oberst (1. März 1942)
- Generalmajor (21. Januar 1943)
- Generalleutnant (22. Juli 1944)
Auszeichnungen (Auszug)
- Eisernes Kreuz (1914) II. und I. Klasse
- II. Klasse am 12. Oktober 1914
- I. Klasse am 24. März 1915
- Jägerkreuz des Jäger-Bataillons Nr. 27 (Steckorden)[2]
- Finnisches Freiheitskreuz, III. und II. Klasse
- III. Klasse am 8. Mai 1918
- II. Klasse am 29. Mai 1918
- Finnische Erinnerungsmedaille für den Freiheitskrieg 1918 mit Gefechtsspange „Karjalan R.“ (Vapaussodan – Karjalan rintama)
- Verwundetenabzeichen (1918) in Silber
- Bronzenes Kreuz für Verdienste der Zivil-Garde (Verdienstkreuz des Schutzkorps; Suojeluskunta Rautainen ansioristi)
- Ehrenkreuz für Frontkämpfer
- Wehrmacht-Dienstauszeichnung, IV. bis III. Klasse
- Wiederholungsspange (1939) zum Eisernen Kreuz II. und I. Klasse (1914)
- Spange zum EK II am 16. Juli 1941
- Spange zum EK I am 18. September 1941
- Flakkampfabzeichen
- Medaille „Winterschlacht im Osten 1941/42“
- Finnischer Orden der Weißen Rose, Kommandeurskreuz (Halsorden)
- Namentliche Nennung im Wehrmachtbericht am 14. Juli 1944
- Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub und Schwertern [3]
- Ritterkreuz am 18. Januar 1942 als Oberstleutnant und Kommandeur des Flak-Regiment 34
- Eichenlaub am 4. Januar 1943 (169. Verleihung) als Oberst und Kommandeur einer Luftwaffen-Kampfgruppe im Kampfraum von Stalingrad
- Schwerter am 18. Juli 1944 (79. Verleihung) als Generalmajor und Kommandant Fester Platz Wilna
Bildergalerie
Veröffentlichungen
- Das 1. Lothringische Infanterie-Regiment Nr 130 : Nach d. amtl. Kriegstagebüchern u. persönl. Aufzeichngn ; Mit 4 Kt., 7 vom Verf. gezeichn. Skizzen (auf 3 Bl.), Band 99 der Erinnerungsblätter deutscher Regimenter, Gerh. Stalling, Oldenburg in Oldenburg 1924, S. 115 S. ; 8 + u. 7 Anlagen
- Der Nachtangriff auf Heippes am 9./10. Sept. 1914, Verein der ehemaligen Offiziere des 1. Lothringischen Infanterie Regiments Nr. 130, 1937
Literatur
- Peter Stockert: Spezialist für Krisenlagen – Generalleutnant Reiner Stahel, in: Schwerterträger (Zeitschrift), Verlag Deutsche Militärzeitschrift, 2024
- Walter Post: Die Finnland-Intervention – Reiner Stahel im Finnischen Bürgerkrieg 1918, in: Schwerterträger (Zeitschrift), Verlag Deutsche Militärzeitschrift, 2024
- Heinz Halter: Finnlands Jugend bricht Rußlands Ketten: Die Geschichte des preußischen Jäger-Bataillons 27 – Ein Tatsachenbericht aus dem Weltkrieg, Schwarzhäupter-Verlag, Leipzig 1938
Verweise
- Stahel, Rainer, Lexikon der Wehrmacht
- Chronologischer Militärwerdegang (englischsprachig)
- In Erinnerung an die finnischen Jäger
Fußnoten
- Geboren 1892
- Gestorben 1955
- Deutscher Generalleutnant
- Militärperson (Heer des Deutschen Kaiserreiches)
- Militärperson (Finnland)
- Person im Ersten Weltkrieg (Deutsches Reich)
- Angehöriger der Reichswehr
- Generalleutnant (Luftwaffe der Wehrmacht)
- Träger des Eisernen Kreuzes I. Klasse (1914)
- Träger des Verwundetenabzeichens (1918)
- Träger der Erinnerungsmedaille des Freiheitskrieges 1918
- Träger des Finnischen Ordens der Weißen Rose
- Träger des Finnischen Ordens des Freiheitskreuzes
- Träger des Ritterkreuzes des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub und Schwertern
- Kriegsgefangener