Rethel, Alfred
Alfred Rethel ( 15. Mai 1816 bei Aachen; 1. Dezember 1859 in Düsseldorf) war ein deutscher Historienmaler der Spätromantik.
Inhaltsverzeichnis
Leben
- „Alfred R., Historienmaler, wurde als viertes Kind einer glücklichen Ehe im Hause Diepenbend bei Aachen am 15. Mai 1816 geboren. Sein Vater Johann Rethel, ein geborener Straßburger, war zu Anfang des Jahrhunderts als Präfecturrath nach Aachen übergesiedelt und hatte dort die Tochter eines begüterten Geschäftsmannes, Johanna Schneider, geheirathet. Auf Wunsch des Schwiegervaters verließ jener den Beamtenstand und errichtete auf Diepenbend eine chemische Fabrik. Als zartes Kind wurde Alfred durch Unwohlsein häufig an das Haus gefesselt. Die lebendigen Schilderungen der Mutter von Straßenkämpfen, welche während der Befreiungskriege in Aachen stattgefunden, von Durchzügen und Einquartirungen fremder Truppen mögen früh auf die Phantasie des Knaben eingewirkt und ihr eine bestimmte Richtung gegeben haben. Später beschäftigten ihn die Kämpfe zur Befreiung Griechenlands gegen die Türken, von welchen damals in aller Welt die Rede war. Mit Bezug auf die ursprünglichen Vorliebe für die Verwerthung von Schlachtmotiven, welche durch zahlreiche aus der Kindheit erhaltene Zeichnungen beglaubigt ist, äußerte R. noch in späteren Jahren zu seinem Bruder Otto: ‚Von Kindesbeinen an war ich zum Schlachtenmaler bestimmt.‘ Seit dem siebenten Jahre besuchte Alfred die Schule. Der Unterricht war jedoch ein dürftiger, nicht selten unterbrochen durch Kränklichkeit und schwere Unfälle. Die unfreiwilligen Schulpausen füllte er eifrig mit Zeichnen aus. Das Auge der Mutter entdeckte zuerst das Talent ihres Sohnes und prophetisch deutete sie die große künstlerische Zukunft desselben an, indem sie einer Freundin im J. 1824 die denkwürdigen Worte schrieb: ‚Ein besonderes Genie zum Zeichnen ist unserem Alfred angeboren. Das Getümmel von Schlachten verleiht ihm meistentheils Ideen zu seinem Machwerk, welches manchmal zum Bewundern ausfällt. Nur ein guter Unterricht! und ich glaube, daß er es weit bringen wird in dieser Kunst.‘ Die gewünschte Anleitung wurde ihm einige Jahre später durch einen alten Maler, den Flamländer Bastiné, zu theil, der zugleich veranlaßte, daß die Zeichnungen des Knaben an den Director der Akademie zu Düsseldorf, W. v. Schadow, zur Einsicht und Begutachtung eingesandt wurden.“[1]
Bereits mit 13 Jahren war Alfred Rethel Schüler an der Düsseldorfer Kunstakademie. In den 1842 bis 1844 entstandenen aquarellierten Entwürfen zu Hannibals Zug über die Alpen, in denen er seinen großflächigen, die Konturen betonenden Zeichenstil erreichte, die er in seinem weiteren Werk noch steigerte. 1847 begann er mit der Ausführung der Karlsfresken, konnte jedoch nur vier vollenden, da ihn zunehmende Depressionen an der Weiterarbeit hinderten.
Wirken
Zu seinem Wirken heißt es:
- „In der Wirrnis des 19. Jahrhunderts, das viele Schöpferkräfte am Werk sah und dennoch über der Vielfalt keinen beherrschenden, Einheit ausstrahlenden Glauben fand, fanden die preußischen Künstler den starken inneren Halt in ihrer Bindung an das preußische Erbe: an überlieferte Strenge, an klare und schlichte Größe, an gebändigte Zucht des Gefühls. Anders aber setzten sich andere Künstler mit ihrer Zeit auseinander. Auch Alfred Rethel spürte in sich, daß das Jahrhundert in geistiger Hohlheit enden würde. Doch lastender als über die preußischen Meister brach diese Erkenntnis auf den Rheinländer ein. Wenn er darum mit seinen Bildern weit in die fernste Vergangenheit greift, dann ist das wie eine fiebernde Flucht aus der Wirrnis in eine Welt gesicherter, überschaubarer Ordnung.
- So hat er in seine Fresken von Karl dem Großen zu Aachen nicht nur den zeitgemäßen Romantikertraum, sondern zugleich die Qual der Flucht vor dem eigenen Jahrhundert hineingemalt. Wie ein entsetzter Aufschrei aber gellt sein wichtigstes Werk über die Gegenwart hin, der Totentanz: so zerrissen, so schmerzlich gebrochen ist dieser Mensch, der am lärmenden, hastenden, demagogischen Geist seines Jahrhunderts leidet, daß er kein tiefes Wort ihm zu sagen hat als die Verkündigung des Todes.“[2]
Plakatkunst
Im Winter 1848/49 zeichnete Alfred Rethel in Dresden den Zyklus der sechs Blätter von „Ein Todtentanz“ direkt auf die Druckstöcke, wobei er das menschenwürgende Scheusal die Maske des sozialdemokratischen Hetzers Bakunin annehmen ließ. Auf Blatt drei verteilt der Tod unter dem Motto „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ Geschenke. Ab Mai 1849 erschienen in rascher Folge drei Auflagen mit insgesamt 4.500 Exemplaren. Aufgrund des Erfolges ließ Rethel die sechs Bilder zu einem Bilderbogen zusammenstellen und in einer Auflage von 10.000 Exemplaren unter dem Titel „Ein Totentanz aus dem Jahr 1848“ verbreiten – dies war der Anfang der Plakatkunst in Deutschland.
Verbleib der Fresken
Von seinen acht Karlsfresken für Aachen wurden drei im gegen Deutschland geführten Zweiten Weltkrieg durch anglo-amerikanische Terrorbomber unwiederbringlich zerstört.
Heirat und letzte Jahre
1851 heiratete er und reiste im darauffolgenden Jahr nochmals nach Rom. 1853 brach dort seine Geisteskrankheit endgültig aus. Sein Gehilfe Joseph Kehren führte die Arbeiten an den Karlsfresken zu Ende.
Tod
Alfred Rethel starb bereits im Alter von 43 Jahren in geistiger Umnachtung. Den Künstler zeichneten in seinen gesunden Tagen die edelsten menschlichen Eigenschaften aus. Die Briefe an die Mutter und den geliebten Bruder beweisen seine Gemütstiefe, wie er auch in werktätiger Liebe zu seiner Familie das beste Herz kundgab. Seinem Lehrer Philipp Veit hatte er zeit seines Lebens unerschütterliche Treue und Verehrung bewahrt.
Ein Todtentanz
Die sechs Blätter des Tafelwerks mit Erläuterung von Andreas Mertin:[3]
„Das erste Blatt führt in das Thema ein: ein Skelett erwacht und steigt aus einem ursprünglich mit einem Kreuz geschmückten Grab und wird nun von fünf krähenfüssigen Frauen als personifizierter Tod in Gestalt des Sensenmanns ausstaffiert. Der entmächtigten und gebundenen Justitia, unter der die Weltordnung zusammenzustürzen scheint, werden die Attribute entwendet und dem Skelett übergeben. Die personifizierte List mit einer Schlange als Halskette überreicht ihm das Schwert und die Lüge mit einer Maske vorm Gesicht die Waage. Beide verweisen dabei auf die ohnmächtige Justitia. Dann steuert die den Tod zugleich im Spiegel zeigende Eitelkeit den Hut (vermutlich einen Heckerhut) und die Tollheit ein Pferd bei. Und schließlich erhält der so Ausstaffierte von der Blutgier, die sich bedeckt im Hintergrund hält, die Sense. Den Rahmen dieses Geschehens bildet das revolutionäre Geschehen: der Ruf nach Freiheit, Gleichheit, Brüdersinn, der wie sich hier zeigt, als erstes Opfer die Gerechtigkeit hat. Das Thema lautet: Frei und gleich sind die Menschen nur im Tod.“
„Das zweite Blatt zeigt den einer Stadt zustrebenden Tod als Reiter im Galopp. Der erläuternde Text dazu ist satirisch-scharf. Zunächst einmal aber sehen wir den Reiter mit seinen Attributen Hut, Sense und Waage auf seinem Pferd, das Schwert an der linken Seite. Im Mund trägt der Tod deutlich erkennbar eine Zigarre. Das ist für heutige Betrachter erklärungsbedürftig: „In Preußen betrachtete man die Angewohnheit des Zigarrenrauchens mit Argwohn, denn es galt zur Zeit vor der Märzrevolution als ein Symbol für ‚Volksverhetzer‘. So war in Berlin das Rauchen der Zigarre auf der Straße verboten. Missachtung dieses Gesetzes wurde als ‚Auflehnung gegen die herrschende Staatsgewalt‘ angesehen. Nach der Revolution wurde das Verbot 1848 als ‚Zugeständnis an die Revolutionäre‘ aufgehoben.“ Also dürfte dieses Symbol nicht zufällig hier platziert sein. Rechts im Vordergrund des Reiters schrecken Raben auf. Vor allem aber flüchten direkt darüber zwei Bauersfrauen vor dem Sensenmann. Im Hintergrund dann die von einer Mauer umgebene Stadt mit einer Kathedrale und vor allem mit Industrieanlagen mit rauchenden Schloten. Der Text dazu hebt die Widersprüche hervor: Der ‚Freund des Volkes‘ vor dem das Volk dennoch flieht. Der Tod, der sein eigenes Ross und die mit ihm assoziierten Raben zum Schreien und Stöhnen bringt. Die Schönheit und Friedlichkeit der Natur und der sich ankündigende Schrecken der von Menschen gemachten Revolution.“
„Das dritte Blatt zeigt den in der Stadt angekommenen Tod. Er trägt nun erkennbar einen Heckerhut mit Revolutionsborte. Links von ihm eine Gruppe bereits angetrunkener Revolutionsanhänger und sonstige Neugierige. Rechts das Pferd und davor eine Frau am Stock, die ein sich sträubendes Kind wegführt. Der Tod steht mit dem Rücken zu einer Schenke, an deren Mauer die Parole der Aufständischen ‚Freiheit Gleichheit Brüderlichkeit‘ geklebt ist. Über der Tür der Kneipe sieht man als Ausschankzeichen ein Hexagramm mit einem Trinkgefäß. Das könnte – muss aber nicht – das Geschehen in den fränkischen Raum verweisen, in dem diese Kombination häufiger anzutreffen ist. Der Tod führt den Zuschauenden nun einen Trick vor, bei dem eine Krone so viel Wert ist (so viel wiegt) wie eine Pfeife (auch dies ein gängiges Revolutionssymbol). Das gelingt nur, indem er die Waage bewusst falsch anfasst. Daraufhin wird der Tod von den Dabeistehenden zum Führer des Aufstands erwählt.“
„Das vierte Blatt zeigt den sich nun entfesselnden Aufstand. Die bisherige Ordnung wird durch die zur Niederschlagung der Revolution heranmarschierenden Soldaten links im Hintergrund angedeutet. Auf dem Rednerpult steht der nun ganz ummantelte Tod, der mit spitzen Fingern sein Schwert, auf dem nun ‚Volksjustiz‘ steht, an die tobende Masse übergibt. Links neben ihm eine Figur, die die Fahne der Republik trägt. Die rechte Seite ist gefüllt mit rasenden Menschen, die zum angebotenen Schwert der Volksjustiz greifen und zum Teil schon mit Steinen und Knüppeln bewehrt sind. ‚Blut! Blut! Viel tausend Kehlen schrein‘ – die implizite Anspielung des Textes auf Matthäus 27, 25 ist unverkennbar. Aber auch zeitgenössisches revolutionäres Liedgut könnte hier aufgegriffen sein, wie etwa das folgende, 1815 von Karl Follen gedichtete große Lied, das nach der Melodie von Heil dir im Siegerkranz gesungen wird.“
„Das fünfte Blatt zeigt nun die Peripetie des Dramas. Der Kampf ist entbrannt, auf beiden Seiten sterben die Menschen. Auf der linken Seite kämpfen die Aufständischen mit Steinen, Brettern und eroberten Bajonetten, rechts eröffnen die mit Bajonetten bewaffneten Soldaten mit einer Kanone das Feuer. Der nun mit der Fahne der Republik bewehrte Tod enthüllt den Kämpfenden (und Sterbenden) seine wahre Identität, die er bis dato verborgen hatte: er ist der Tod, der alle Menschen ihm gleich und zu Brüdern machen will. Die Freiheit, die er verkündet, ist die Freiheit vom Leben. Er offenbart die Schattenseite der Gewalt, der ‚Geburtshelferin der neuen Zeit, die überall gleich ungestüm an die Tore pochte‘. Man kann in Rethels Bildkonzeption unschwer eine Anspielung auf ‚Die Freiheit führt das Volk‘ von Eugène Delacroix aus dem Jahr 1830 erkennen. Nur dass die Göttin Freiheit durch den Tod großen Gleichmacher ersetzt wurde und der dramatische Handlungsaspekt nicht mehr beim revolutionären Aufbruch, sondern beim qualvollen Sterben liegt.“
„Das sechste und letzte Blatt des Zyklus‘ zeigt den Ausritt des triumphierenden Todes aus der zerstörten Stadt. Die Ordnungsmacht hat scheinbar gewonnen, der Aufstand ist niedergeschlagen. Aber der wahre Sieger ist der Tod, der reichlich Ernte eingefahren hat. ‚Es ist ein Schnitter, der heißt Tod‘. Wir sehen überall Leichen liegen, während Frau und Kind die Toten beklagen. Das Schwert liegt nun ungenutzt herum. Der Tod aber hat seinen Mantel abgeworfen, den Kepler-Hut abgesetzt und trägt nun den Siegerkranz]] und eine bleiche Fahne. Sein Blick ist einem Sterbenden zugewandt: ‚Tu fui, ego eris‘ – ‚Was du bist, war ich; was ich bin, wirst du sein.‘ Die Stadt hat als Schlachtort ausgedient, sie liegt zur Hälfte in Trümmern. Man hat in diesem Bild eine Anspielung auf Dürers Apokalyptische Reiter sehen wollen, aber viel wahrscheinlicher scheint mir die Verbindung mit Dürers Zeichnung von 1505, die den bekrönten Tod als Skelett auf einer Schindmähre zeigt und neben dem die Worte ‚Memento mei‘ stehen. Und sicher kann man im Lorbeerkranz eine Anspielung auf die preußische Hymne ‚Heil dir im Siegerkranz, Herrscher des Vaterlands‘ sehen, die eine Negativfolie für den gesamten Bildzyklus sein könnte: ‚Heilige Flamme, glüh, glüh und erlösche nie fürs Vaterland! Wir alle stehen dann mutig für einen Mann, kämpfen und bluten gern für Thron und Reich!‘ Nur dass an die Stelle des preußischen Königs der Tod getreten ist.“
Fresken
Freskenbilder zu Karl dem Großen:
Werke (Auswahl)
- Illustrationen zur allgemeinen Weltgeschichte (1843) (PDF-Datei)
- Erinnerungsbüchlein an die Brautzeit Alfred Rethels. Zeichnungen von Alfred Rethel für seine Braut mit Versen, die sie den Blättern hinzugefügt, 1851
- 16 Zeichnungen und Entwürfe (1907) (PDF-Datei)
- Auch ein Totentanz, Holzschnittfolge (fünfaktige Tragödie mit Vorspiel), Begleitverse von Robert Reinick, (1849) (Netzbuch)
- Illustrationen zu den Nibelungen, 1909
- Album historischer Skizzen. mit Illustrationen von Alfred Rethel, 1848 (Netzbuch)
- Bilder-Cyclus aus dem Leben Karls des Grossen. Fresco-Gemälde im Krönungssaale zu Aachen, 1870 (Netzbuch)
- Der Zug Hannibal's über die Alpen, 1875 (Netzbuch)
Literatur
- Künstler-Monographien XXXII: Rethel, mit 125 Abbildungen nach Gemälden, Radierungen, Zeichnungen und Holzschnitten, 1898 (PDF-Datei)
- Josef Ponten: Alfred Rethel. Des Meisters Werke in 300 Abbildungen (1911) (PDF-Datei)
- Wolfgang Müller von Königswinter: Alfred Rethel - Blätter der Erinnerung, 1861 (PDF-Datei)
- Kurt Gerstenberg: Alfred Rethel. Der Künstler und Mensch. Mit 25 Bildern, 1920 (PDF-Datei) Für Nicht-USA-Bewohner nur mit US-Proxy abrufbar!
- Ulrich Christoffel: Die romantische Zeichnung von Runge bis Schwind, München 1920 (Abschnitt Rethel: Netzbuch) Achtung! Verweist auf die linksextreme Wikipedia!
- Ernst Schur: Volksbücher der Kunst Nr.22: Alfred Rethel, 1911 Velhagen & Klasing (PDF-Datei)
Verweise
- Biographie
- Einige Gemälde
- Im Zweiten Weltkrieg gegen Deutschland zerstörte Aachener Kunst: Die Fresken des Alfred Rethel Vorsicht! Enthält politisch korrekte Verengungen und Versimpelungen im Sinne der Umerziehung!
- Die zerstörten Fresken werden dort als „verloren gegangen“ bezeichnet!