Marineflieger
Als Marineflieger oder Seeflieger bezeichnet man die zu den Seestreitkräften eines Landes gehörenden Fliegerkräfte (Marineflugwesen). Sie können mit Flugzeugen und Hubschraubern ausgerüstet sein, die von Schiffen oder Flugplätzen an Land für Marineaufgaben eingesetzt werden. Auch Luftschiffe gehörten einst zum Arsenal von Marinefliegern. Die bekanntesten Marineflieger heute sind die von Flugzeugträgern aus operierenden Kräfte.
Inhaltsverzeichnis
Deutschland
Kaiserreich
Mit dem Entschluß des Staatssekretärs im Marineamt, Admiral Alfred von Tirpitz, Flugversuche vornehmen zu lassen, wurde das deutsche Marineflugwesen am 26. Oktober 1910 begründet. Eine ausführliche Begründung zu dem Entschluß durch Vizeadmiral Breusing (Ende 1909 geschrieben) erfolgte am 3. November 1910. Flugzeuge sollten zur Küstenüberwachung und Seeaufklärung verwendet werden. Es war aber auch schon vorgesehen, Flugzeuge an Bord von Schiffen einzusetzen. Tirpitz erwog, bereits außer Dienst gestellte Schiffe zu Flugzeugmutterschiffen umzubauen. Im Ansatz wurde damit auch die Trägerwaffe gedanklich angerissen.
Die Entwicklung beim Heer kam zwei Jahre später in Gang. 1912 wurde eine größere Anzahl von Offizieren des Heeres zur freiwilligen Ausbildung für die zukünftige Fliegertruppe erfaßt. Am 1. Februar 1912 wurde eine Gruppe von 60 Offizieren in der Generalinspektion des Militärverkehrswesens in Berlin versandt und anschließend in Ausbildungskommandos aufgeteilt. Am 1. März 1913 wurden die Fliegerschulen von 19 Flugzeugbauunternehmen der Militäraufsicht unterstellt. Zusätzlich zu den aktiven Offizieren konnten sich flugbegeisterte junge Männer bei den Fliegerschulen zum Militärflugzeugführer ausbilden lassen. Die Flugschüler mußten sich verpflichten, ihren Militärdienst bei der Fliegertruppe abzuleisten. Die Flugschulen erhielten für jeden Flugschüler 8.000 RM aus der „Nationalflugspende“ überwiesen.
Die Luftfahrt ab 1913 war weitgehend in militärischer Hand, die Zivilausbildung war daher nur noch sehr begrenzt möglich. Schließlich wurde auch ein Militärflugzeugführerabzeichen gestiftet.
Die ersten Marineflieger
Mit Allerhöchster Kabinettsorder (AKO) von Kaiser Wilhelm II. an Alfred von Tirpitz vom 3. Mai 1913 wurden die ersten Marinefliegerkräfte der Kaiserlichen Marine aufgestellt. Es handelte sich um eine Luftschifferabteilung in Berlin-Johannisthal und eine Gruppe von Flugzeugen in Putzig, die sich bis Dezember 1916 zur Dienststelle „Führer der Marine-Luftschiffe“ entwickelte.
1913 wurde das Doppelschwimmer-Flugzeug Rumpler (Wasser-) „Taube“ als Küsten- und Seeaufklärer erprobt. Zur gleichen Zeit wurde die „Taube“ als Aufklärer bei der Heeresfliegertruppe eingesetzt. Die „Tauben“ waren auch für Ausbildung der Militärpiloten häufig verwandte Flugzeuge.
Parallel erfolgte die Entwicklung von Marineluftschiffen, die als Seeaufklärungsmittel, Bombenträger und für den Kreuzerdienst zum Einsatz kommen sollten. Die Luftschiffe nach dem starren Zeppelin-System (Starrluftschiffe) setzten sich durch. Schon am 28. November 1911 wurde das Marinekabinett durch von Tirpitz angeregt, dem Luftschiff eine größere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Mit den Luftschiffen verfügte das Deutsche Reich als erstes Land der Welt über eine „echte“ Luftwaffe. Einzelne Offiziere wurden zur Ausbildung als Luftschiffer auf Verkehrsluftschiffe kommandiert. Das Luftschiffkommando wurde gebildet.
Am 9. September 1913 stürzte das erste Marineluftschiff L 1 bei Helgoland ab, es wurde bei einem Gewitter über der Nordsee vom Sturm ins Meer gedrückt; 14 Besatzungsmitglieder ertranken. Bis zu diesem Tage hatte L 1 68 Flüge für die Marine absolviert.
Erster Weltkrieg
Kurz vor Kriegsausbruch 1914 besaß die Kaiserliche Marine nur etwa 20 brauchbare Seeflugzeuge. Am Tage der Mobilmachung konnte man weitere 15 zivile Maschinen auf einem Seeflugwettbewerb beschlagnahmen. Es gab dreißig ausgebildete Seefliegeroffiziere. Die Zentrale Flugstation der Seeflieger war schon bei Kriegsausbruch der Seefliegerhorst Kiel-Holtenau. Marineluftschiffe griffen im Ersten Weltkrieg England mit Bomben an und lieferten wichtige Luftaufklärungsergebnisse für die Marine. In der Ostsee wurden zu Flugzeugmutterschiffen umgebaute Dampfer eingesetzt, um die Baltische Küste mit Flugzeugen anzugreifen. Die „Seeflieger des Kaisers“ wurden zum internationalen Vorbild der Marine- bzw. Seefliegerei.
Seefliegerabteilungen und Marine-Landflugabteilungen der Kaiserlichen Marine
- Vor dem Ersten Weltkrieg war das Marineflugwesen in der "Marineluftschiffabteilung (M.L.A.) in Johannisthal und der "Marinefliegerabteilung" (M.F.A.) mit Sitz in Putzig bei Danzig zusammengefasst, die außer der Flugversuchsstation Putzig, die im Winter 1911/12 gegründet wurde, die Seeflugstationen Kiel, Helgoland und Wilhelmshaven einschloss. Aufgestellt wurden diese zwei Abteilungen durch "Allerhöchste Kabinettsordre" (A.K.O.) vom 3. Mai 1913. Unterstellt waren beide dem Reichsmarineamt (R.M.A.), wobei sie auch der Inspektion der Küstenartillerie und des Minenwesens, bis zur Gründung einer eigenen "Inspektion des Marineluftfahrwesens" durch A.K.O. vom 27. Juni 1914, unterstellt waren. Zum 30. November 1914 wurde die "Inspektion des Marineluftfahrwesens" allerdings aufgrund des mittlerweile ausgebrochenen Ersten Weltkrieges schon wieder aufgelöst. Da diese Inspektion erst am 1. Oktober 1914 in Dienst gestellt wurde, hatte sie praktisch keine Funktionen. Denn zu Kriegsbeginn wurde die Aufgabenverteilung der Marineführung und der Marineflieger umstrukturiert. Am 29. August 1914 wurde für die Dauer der Mobilmachung die Dienststelle des "Befehlshabers der Marineluftfahrabteilungen" (B.d.L.) geschaffen. Konteradmiral Philipp als B.d.L. wurden die "Marine-Luftschiffabteilung" in Nordholz, die "Marine-Fliegerabteilungen" I. und II. sowie das "Freiwillige Marine-Fliegerkorps" in Berlin-Johannisthal unterstellt. Im November 1916 wurden die Marine-Luftfahrabteilungen in die Bereiche Luftschiffe und Flugzeuge geteilt. Der neu geschaffene Posten des "Führers der Marineluftschiffe" (F.d.L.), der dem Kommando der Hochseestreitkräfte und dem R.M.A. unterstellt war, war für die "Marine-Luftschiffabteilung" zuständig (eine weitere Umgruppierung fand während des Krieges nicht mehr statt). Der B.d.L., jetzt in "Befehlshaber der Marine-Fliegerabteilungen" (B.d.Flieg) umbenannt, trug die Verantwortung über die Land- und Seeflugstaffeln der Marine. Der B.d.Flieg wurde im Juli 1917 zum "Marine-Flugchef" umbenannt, diesen Namen trug die Dienststelle bis zu ihrer Auflösung am 12. Februar 1919. Die "I. Seeflieger-Abteilung", vorher "Marine-Fliegerabteilung" (M.F.A.), wurde zum 1. Juni 1913 in Putzig aufgestellt, zum 1. Juli 1914 nach Kiel-Holtenau verlegt, und später in die I. M.F.A. für den Ostseebereich und die II. M.F.A. für den Nordseebereich aufgeteilt. Im September 1915 wurden die I. und II. M.F.A. in I. und II. Seefliegerabteilung (S.F.A.) umbenannt, im Juli 1919 in "Seefliegerabteilung der Ostsee" und "Seefliegerabteilung der Nordsee". Der "I. Seefliegerabteilung" unterstanden folgende Seeflugstationen: Angernsee (Aufbau im Sommer 1915), Apenrade (Gründung am 6. April 1915, ab Sommer 1916 Seeflugstation), Flensburg (ab Mitte November 1914 Herrichtung eines Marine-Flugstützpunktes, ab 20. Juli 1916 Seeflugstation), Holtenau (Aufbau einer Flugstation ab Frühjahr 1913, ab 30. Oktober 1915 Seeflugstation), Kiel (Gründung einer Festungs-Landflugstation sofort nach Kriegsausbruch), Libau (Errichtung der Seeflugstation im Mai 1915, im Sommer Aufbau der Landflugstation Libau), Warnemünde (Gründung einer Marine-Flugstation am 1. August 1914, ab 30. Oktober 1915 Seeflugstation), Bug und Wiek auf Rügen (im August 1914 Errichtung einer Flugstation in Stralsund, im November 1915 Gründung eines Flugstützpunktes in Wiek, Verlegung des Hauptbetriebes dorthin im Juni 1916, ab diesem Zeitpunkt Seeflugstation, Stralsund blieb bis zur Auflösung im November 1917 Depot, die Seeflugstation Bug wurde im Oktober 1916 eröffnet), Nest bei Köslin (Gründung Anfang August 1914, ab 30. Oktober 1915 Seeflugstation Köslin, ab 30. Januar 1917 Seeflugstation Nest bei Groß Mölln), Putzig bei Danzig (bereits im Winter 1911/12 als Flugversuchsstation errichtet, ab 30. Oktober 1915 Seeflugstation) und Windau (Aufbau im Sommer 1915). Die "II. Seeflieger-Abteilung" in Wilhelmshaven (vorher Marine-Fliegerabteilung II.) war für die folgenden Seeflugstationen zuständig: List auf Sylt (Einrichtung als Wasserflugstation im August 1914, ab 30. Oktober Seeflugstation), Helgoland (bereits bei Kriegsausbruch vorhanden, ab 30. Oktober 1915 Seeflugstation), Norderney (Ende August 1914 als Wasserflugstützpunkt gegründet, ab November 1915 Seeflugstation), Wilhelmshaven und Borkum (nach Kriegsausbruch als Wasserflugstation eingerichtet, ab 30. Oktober 1915 Seeflugstation), außerdem für die Landflugstationen Nordholz-Cuxhaven, Tondern und Rüstringen sowie das Torpedoboot "D 4". Zeebrügge (Einrichtung Ende 1914) und Ostende (Betriebsaufnahme im April 1917) waren Seeflugstationen in Flandern und dem "Kommando der Flieger beim Marinekorps Flandern" unterstellt. Personell und materiell wurden diese von der II. Marine- bzw. Seefliegerabteilung versorgt, militärisch unterstanden sie dem "Kommandeur des Luftfahrwesens Flandern". Die "Marine-Landflieger-Abteilung" in Johannisthal bestand aus den Resten des "Freiwilligen Marinefliegerkorps", die nicht im September 1915 in die zwei Seefliegerabteilungen oder die "Marinelandfliegerabteilungen" in Flandern, die ab September 1915 "Marinefeldfliegerabteilungen" hießen, angegliedert wurden, umfasste die heimischen Marine-Landflugstationen Johannisthal, Scheuen, Barge, Hage, Nordholz, Tondern, Kiel, Seddin und Langfuhr. Die Marineflieger im Gebiet der Nordsee waren dem B.d.A. unterstellt. Diesem war vom Flottenchef die Sicherung der Deutschen Bucht übertragen worden. Organisatorisch gehörten die Nordseeflieger zum Zuständigkeitsbereich der I., ab Ende 1914 dem der II. Marinefliegerabteilung. Die Marineflieger im Ostseegebiet waren dem O.d.O. unterstellt. Am Ende des Ersten Weltkrieges existierten über 40 See- und Landflugstationen der Marine, die Flieger-Abteilungen der Marine wurden jedoch im Zuge der Bestimmungen des Versailler Vertrages bis Ende 1920 komplett aufgelöst.[1]
Deckoffiziere der Seeflieger
Mit der Aufstellung von Seeflieger-Abteilungen im Ersten Weltkrieg wurde eine eigene Seeflieger-Laufbahn eingerichtet. Mannschaften war über die Matrosenlaufbahn der Aufstieg zum Flugmaat und Oberflugmaat sowie weiter in die Deckoffizier-Dienstgrade Flugmeister und Oberflugmeister möglich. Ein eigenes Seeflieger-Offizierskorps wurde indes nicht begründet, daher firmierten fliegende Seeoffiziere als Offiziere zur See oder Offiziere der Marineartillerie.
Eine Besonderheit stellten die Vize-Deckoffiziere dar. Bis 1893 Vize-Seekadetten genannt (nach bestandener Offiziersprüfung umgangssprachlich auch Vize-Säbel-Kadett), waren sie Offizieranwärter der Reserve. Sie rangierten zwischen den Feldwebeln und den Deckoffizieren (als Vize-Seekadetten jedoch bis 1893 vor den Vize-Feldwebeln/Vize-Wachtmeistern, aber hinter den etatmäßigen Feldwebeln/Wachtmeistern und den Säbel-Kadetten / seit 1899: Säbel-Fähnriche). Möglich war die Reserveoffizierslaufbahn im seemännischen Dienst (Vize-Steuermann), bei der Marine-Artillerie (Vize-Feuerwerker) und als Marine-Ingenieur d. R. (Vize-Maschinist). In den Seeflieger-Abteilungen waren seit dem 1. November 1915 Ernennungen zum Vize-Flugmeister möglich. Da ein Seeflieger-Offizierskorps fehlte, erfolgte die Beförderung zum fliegenden Reserve-Offizier über eine andere Laufbahn, d. h. vom Vize-Flugmeister etwa zum Leutnant d. R. der Marineartillerie.
K. u. k. Seeflugwesen
1910 wurden drei Marineoffiziere zur Militäraeronautischen Station Wiener Neustadt zwecks Erwerbs des Heerespilotenscheins abkommandiert, dies gilt als der Anfang der Geschichte des k. u. k. Seeflugwesens. 1911 begann man mit der Errichtung der ersten Seeflugstation auf der durch Aufschütten vergrößerten Insel Santa Catarina im Hafen von Pola. Später folgten noch fünf weitere Seeflugstationen: Triest, Kumbor, Parenzo, Puntisella und Odessa.
Bei Kriegsbeginn 1914 wurden die 25 österreichischen Flugzeugführer, die als Seeflieger dienten, zur modernen Marinefliegerausbildung nach Hamburg-Fuhlsbüttel abkommandiert. Als Hoheitszeichen zeigten die Marineflugzeuge die k. u. k. Kriegsflagge am Seitenleitwerk und das Eiserne Kreuz der Fliegertruppe des Deutschen Heeres am Rumpf.
Ende November 1915 verfügten die k. u. k. Seestreitkräfte über 65 Marineflugzeuge, darunter 40 deutsche Jagdflugboote vom Typ „Hansa-Brandenburg CC“. Linienschiffs-Leutnant Gottfried von Banfield errang am 31. Mai 1917 den ersten Luftsieg bei Nacht in der Luftkriegsgeschichte. Um 22.30 Uhr zwang er ein italienisches Seeflugboot in der Nähe von Schloß Miramare zur Landung. Zwischen 1915 und 1918 wurden 1.063 Feindflüge geflogen, darunter 463 Bombenangriffe und 157 Luftkämpfe. 510 Offiziere und Mannschaften fielen im Flugdienst.
Weimarer Republik
Der Reichsmarine der Reichswehr war jedwede militärische Fliegerei durch das Versailler Friedensdiktat verboten, dies konnte nur geringfügig von den als Reklameflieger getarnten Flugzeugführern des Deutschen Luftsportverbandes e. V. umgangen werden.
Drittes Reich
Die Seeluftstreitkräfte der Kriegsmarine im Zweiten Weltkrieg waren die Seefliegerverbände, die jedoch der Luftwaffe unterstellt waren.
Bundesrepublik Deutschland
Zuständig für den Aufbau der Marinefliegerei (1. Marinefliegergruppe/Marinefliegergeschwader 1) der Bundeswehr war Ritterkreuzträger Werner Klümper.
Siehe auch
- Abzeichen für Marine-Flugzeugführer auf Seeflugzeugen (1913)
- Abzeichen für Marine-Flugzeugführer auf Landflugzeugen (1915)
- Abzeichen für Beobachter auf Marineflugzeugen (1915)
- Flieger-Erinnerungsabzeichen der Kaiserlichen Marine
- Seefliegerstaffel 88 (→ Legion Condor)
- Seeflugzeug-Versuchskommando in Warnemünde
- Luftkriegsschule