Unruh, Walter von (1877)
Walter Rudolf Moritz von Unruh ( 30. Dezember 1877 auf Gut Klein Tillendorf im Landkreis Fraustadt; 16. September 1956 in Bad Berneck, Oberfranken) war ein deutscher Offizier der Preußischen Armee, des Kaiserlichen Heeres, der Freikorps, der Reichswehr und der Wehrmacht, zuletzt General der Infanterie. Er war Sonderbeauftragter des Führers für die Überprüfung des zweckmäßigen Kriegseinsatzes in den Reichskommissariaten „Ostland“ und „Ukraine“ (sog. „Unruh-Kommission“). Er darf nicht mit Generalmajor z. V. Walter von Unruh verwechselt werden.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Walter von Unruh trat am 7. März 1896 aus dem Kadettenkorps (zuletzt der Hauptkadettenanstalt Groß-Lichterfelde) kommend als Sekondeleutnant in das Infanterie-Regiment „von Courbiére“ (2. Posensches) Nr. 19 in Görlitz ein. Nach einer klassischen Offizierslaufbahn nahm Unruh als Generalstabsoffizier am Ersten Weltkrieg teil und wurde als Major und Chef des Generalstabes des IV. Reserve-Korps am 21. April 1918 mit dem Pour le Mérite ausgezeichnet
Nach Kriegsende war von Unruh vom 23. Dezember 1918 bis 14. Januar 1919 Führer des Freikorps „Görlitz“. Anschließend betätigte er sich als Erster Generalstabsoffizier im Generalstab des Armeeoberkommandos Grenzschutz „Süd“ (unter Georg Escherich und Rudolf Kanzler), welches an der Niederschlagung der kommunistischen Münchner Räterepublik beteiligt war. Von Unruh blieb auch im 100.000-Mann-Heer der Weimarer Republik Offizier. Er diente vom 1. Oktober 1920 bis 28. Februar 1922 als Chef des Generalstabes der 6. Division. Außerdem fungierte von Unruh vom 1. November 1925 bis 30. November 1926 als Kommandant von Küstrin und war anschließend Kommandeur des 6. Infanterie-Regiments in Lübeck. Krankheitsbedingt beantragte von Unruh seinen Abschied, der ihm am 28. Februar 1927 unter Verleihung des Charakters als Generalmajor genehmigt wurde.
Nach seiner Verabschiedung aus der Reichswehr diente der Charakter-Generalmajor a. D. von Unruh bis 1937 als Ehrenadjutant des ehemaligen deutschen Kaisers Wilhelm II. in dessen Exil in Doorn. Mitte der dreißiger Jahre wirkte er zudem als Funktionär des zwischen 1935 und 1938 existierenden Soldatenbundes. Anliegen des Bundes war es, die Wehrfähigkeit der aus dem aktiven Dienst in den sogenannten „Beurlaubtenstand“ tretenden Armeeangehörigen zu sichern beziehungsweise noch zu steigern.
1933 will er zum Eintritt in die Partei genötigt worden, 1941 bei seiner Einberufung wieder ausgetreten sein.
Im Jahre 1938 wurde er zur Disposition gestellt. Von Unruh erhielt am 27. August 1939, dem „Tannenbergtag“, den Charakter als Generalleutnant verliehen. 1941 wurde er zum General der Infanterie befördert und erhielt als Angestellter des Limpert-Verlages Berlin 64jährig einen Gestellungsbefehl. Man gab ihm die Kommandantur über die Stadt Brest-Litowsk und später über das rückwärtige Gebiet der 4. Armee. Ihm war es zu verdanken, daß die Ostfront trotz Frontlücken gehalten hatte. Als z. B. Heinz Guderian sich einmal siegreich zurückzog und in der Front ein Loch von 80 km klaffte, nahm sich Etappenkommandant von Unruh fünf Baukompanien, meldete in den Dörfern vor dem Loch ganze Phantom-Divisionen mit Panzern zur Einquartierung an und hielt die Stellung mit ein paar Hundert Maurern und Handwerken, bis Guderian wieder da war – die Rote Armee fiel auf den Bluff herein.
Im Januar 1943 erhielt er den Auftrag, mit einer Auskämmungsaktion verwendungsfähige Männer zur Ausfüllung der klaffenden Lücken in den Frontdivisionen und in der Kriegswirtschaft zu erfassen. Adolf Hitler bat ihn vertrauensvoll:
- „Fahren Sie durch Fabriken, Behörden, durch Bauernhöfe und Bergwerke und sehen Sie zu, was da noch rauszuholen ist!“
Am 22. Juli 1944 abends bei Generalfeldmarschall Keitel im Führerhauptquartier reichte er seinen Abschied ein. Bei seiner Verhandlung 1948 sagte er dazu:
- „Und wenn Sie mir nicht glauben, daß ich am 22. Juli 1944 abends bei Keitel im Führerhauptquartier meinen Abschied eingereicht habe und auf Nimmerwiedersehen nach Hause gegangen bin, dann kann ich Ihnen nur dasselbe sagen wie den Amerikanern von der CIC. Radio London und der Soldatensender Calais haben es damals genau gewußt - General von Unruh ist an einem Zerwürfnis mit Himmler und Bormann endgültig gescheitert.“
Sein Abschied wurde zum 23. Juli 1944 akzeptiert und das Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes für ehrenhafte Dienste verliehen.
Nachkriegszeit
Vom 6. Juli 1945 bis 15. Juli 1947 befand von Unruh sich in VS-amerikanischer Kriegsgefangenschaft. 1947 verfaßte er für die „Historical Division“ der VS-amerikanischen Armee einen Erinnerungsbericht über seine Tätigkeit bei der Organisation des „totalen Krieges“.
1948 wurde der 70jährige General der Infanterie a. D. von Unruh, der in Nachkriegsmedien zuweilen „General Heldenklau“ beschimpft wurde, vor ein Spruchkammerverfahren im hessischen Generalslager Neustadt geschleppt. Viele Offiziere sagten zu seinen Gunsten aus. Er hatte sich gegen eine schlechte Behandlung von polnischen Juden eingesetzt, wie General der Kavallerie Curt Ludwig Freiherr von Gienanth bestätigte, und jederzeit ehrenhaft gehandelt. Heinz Guderian saß im Zuschauerraum und leistete moralische Unterstützung. Zum Schluß trat der deutsche General vor die Kammer hin:
- „Ich bitte um Freispruch. Ich war immer ein anständiger Soldat und habe mich immer an die Wahrheit gehalten. Ich habe nie einen einzigen Menschen an die Front geschickt, bin lediglich als Statist umhergefahren und habe gemeldet, was aus der Heimat vielleicht noch abgestellt werden könnte.“
Eineinhalb Stunden beriet die Kammer. Als sie den schändlichen Spruch verlas, stützte der General außer Dienst seinen Kopf in die Hand: Einstufung in die Gruppe der Hauptschuldigen, fünf Jahre Arbeitslager, Einziehung des Vermögens und dauernde Sonderabgaben bei späteren Einkünften, Berufseinschränkung und Zahlung der Verfahrenskosten, Streitwert 35.000 Mark. Ein müder, alter Herr zog 10 Minuten später durch die Straßen von Neustadt. In den auf dem Rücken gefalteten Händen trug er die Aktentasche mit den vielen Entlastungsschreiben früherer Kameraden.
Familie
Walter war der Sohn des Strafanstaltsdirektors Rudolf von Unruh (1847–1903) und dessen Gemahlin Amalie, geb. von Schweinichen (1849–1938).
Ehen
Leutnant von Unruh heiratete am 11. Oktober 1902 in Görlitz seine Verlobte Maria Lüders ( 28. November 1879 in Görlitz; 2. September 1942 in Regensburg), aus der Ehe ist Tochter Marga Maria (1904–1991) entsprossen. Am 28. Oktober 1952 heiratete der Witwer in Heidenheim an der Brenz Charlotte Schneck ( 6.7.1917 in Stuttgart-Zuffenhausen).
Beförderungen
- 7.3.1896 Sekondeleutnant
- 1899 in Leutnant umbenannt
- 10.4.1906 Oberleutnant
- 22.3.1910 Hauptmann
- 22.3.1915 Major
- 1.10.1920 Oberstleutnant
- 1.2.1922 neues Rangdienstalter (RDA) vom 1.10.1920 erhalten
- 1.4.1924 Oberst
- 28.2.1927 aus dem Heeresdienst ausgeschieden
- 1.3.1927 Charakter als Generalmajor
- 27.8.1939 Charakter als Generalleutnant (Tannenberggeneral)
- 24.7.1941 zur Verfügung des Heeres gestellt
- 1.10.1941 Generalmajor z. V.
- 18.1.1942 Generalleutnant z. V. mit RDA vom 1.1.1942
- 15.7.1942 General der Infanterie z. V. mit RDA vom 1.7.1942
Auszeichnungen (Auszug)
- Eisernes Kreuz (1914) II. und I. Klasse[1]
- Ritterkreuz des Königlichen Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern[1]
- Bayerischer Militärverdienstorden III. Klasse[1]
- Ritterkreuz I. Klasse des Albrechts-Ordens mit Schwertern[1]
- Ritterkreuz des Württembergischen Militärverdienstordens[1]
- Hessische Tapferkeitsmedaille[1]
- Hanseatenkreuz Hamburg[1]
- Ritterkreuz I. Klasse des Hausordens vom Weißen Falken mit Schwertern[1]
- Ritterkreuz des Österreichischen Leopold-Ordens mit der Kriegsdekoration[1]
- Orden der Eisernen Krone III. Klasse mit der Kriegsdekoration[1]
- Österreichisches Militärverdienstkreuz III. Klasse mit der Kriegsdekoration[1]
- Eiserner Halbmond[1]
- Pour le Mérite[1] am 21. April 1918 als Major i. G. und Chef des Generalstabes des IV. Reserve-Korps
- Verwundetenabzeichen (1918) in Schwarz
- Preußisches Dienstauszeichnungskreuz,[1] 1921
- Ehrenritter des Johanniterordens[1]
- Ehrenkreuz für Frontkämpfer
- Wehrmacht-Dienstauszeichnung
- Wiederholungsspange (1939) zum Eisernen Kreuz II. und I. Klasse (1914)
- Spange zum EK II und EK I am 16.1.1942
- Kriegsverdienstkreuz (1939), II. und I. Klasse
- II. Klasse am 2.11.1941
- I. Klasse am 16.1.1942
- Medaille „Winterschlacht im Osten 1941/42“ am 20. August 1942
- Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes mit Schwertern[2] am 23. Juli 1944 als General der Infanterie und Sonderbeauftragter für die Überprüfung zweckmässigen Kriegseinsatzes
Verweise
- von Unruh, Walter Rudolf Moritz, Lexikon der Wehrmacht
- Unruh, von, Walther Rudolf Moritz, ww2awards.com
Fußnoten
- Geboren 1877
- Gestorben 1956
- Deutscher General der Infanterie
- Major (Preußen)
- Generalmajor (Reichswehr)
- General der Infanterie (Heer der Wehrmacht)
- Person im Ersten Weltkrieg (Deutsches Reich)
- Person im Zweiten Weltkrieg (Deutsches Reich)
- Träger des Württembergischen Militärverdienstordens (Ritter)
- Träger des ö.k. Leopold-Ordens (Ritter)
- Träger des Ordens der Eisernen Krone (III. Klasse)
- Träger des Hausordens von Hohenzollern
- Träger des Pour le Mérite (Militärorden)
- Träger des Bayerischen Militärverdienstordens (III. Klasse)
- Träger des Österreichischen Militärverdienstkreuzes III. Klasse
- Träger des Albrechts-Ordens (Ritter 1. Klasse)
- Träger des Hanseatenkreuzes (Hamburg)
- Träger des Eisernen Halbmondes
- Träger des Eisernen Kreuzes I. Klasse (1914)
- Ehrenritter (Johanniterorden)
- Träger des Hausordens vom Weißen Falken (Ritter/Ritter I. Klasse)
- Träger des Ritterkreuzes des Kriegsverdienstkreuzes
- Freikorps-Mitglied
- NSDAP-Mitglied