Deutscher Adel
Der deutsche Adel hatte bis zur Aufhebung des Standes im Jahre 1919 Vorrechte gegenüber der übrigen Bevölkerung. Insbesondere übte er in den meisten deutschen Territorien die Herrschaft aus oder war zumindest maßgeblich an ihr beteiligt. Der Adelstand Deutschlands beruht auf der jahrtausendealten, bis auf die Germanen zurückgehende Tradition der Edelinge (später die Edelfreien bzw. Hochfreien).
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Cäsars Schrift „De bello Gallico“ (52/51 v. d. Z.) und die „Germania“ des Tacitus aus dem Jahre 98 n. d. Z. sind unumstößliche Belege für die Existenz des germanischen Adels und Mahnmale der germanischen Hochkultur.
Uradel / Alter Adel
Zum Uradel zählen nach dem Genealogischen Handbuch des Adels (GHdA) Häuser bzw. Familien, deren Geschlecht nachweislich spätestens um 1400 dem ritterbürtigen Adel angehört hat. Ritterbürtigkeit setzte im Mittelalter in der Regel mindestens drei Generationen ritterlicher Lebensweise sowie standesgemäßer Eheschließungen voraus, so daß auch die erst spät (nach 1350) urkundlich erwähnten ritterlichen Familien in aller Regel schon mindestens ein Jahrhundert dem Stand angehört haben dürften.
Nach einer strengeren Auffassung zählten nur solche adelige Familien als ritterbürtige Geschlechter zum Uradel, die urkundlich vor 1350 nachweisbar sind. Die seit Kaiser Karl IV. verstärkt durch Diplom in den Adelsstand erhobenen werden im Unterschied dazu als der sogenannte Briefadel betitelt.[1]
Reichsadel
In Deutschland war die Nobilitierung im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, also bis 1806, ein Vorrecht des germanisch-deutschen Königs und später der römisch-deutschen Kaiser. Allerdings erlangten im Laufe der Zeit auch einige der Territorialfürsten dieses Recht:
- die Könige von Preußen, das in weiten Teilen dem Römisch-Deutschen Reich nicht angehörte,
- die Erzherzöge von Ostarrichi bzw. vom Erzherzogtum Österreich (1453),
- die Kurfürsten von Bayern und der Pfalz,
- die Herzöge von Lothringen (im 14. Jh.),
- der Erzbischof von Salzburg,
- die Bischöfe von Metz und Tull.
Seit 1806 konnten die Fürsten der deutschen Rheinbundstaaten und nach 1815 alle deutschen Bundesfürsten Standeserhebungen vornehmen. Dies galt auch nach der Entstehung des Deutschen Kaiserreiches am 18. Januar 1871, der Kaiser konnte Adelstitel nur als König von Preußen verleihen. Von Anfang an gab es aber innerhalb des Adels Rangstreitigkeiten, die ab dem Spätmittelalter zu Adelsproben für die Ritterbürtigkeit bzw. Ebenbürtigkeit, sogar zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten, wie dem Erbmännerstreit, führten. Bis in die heutige Zeit wird daher innerhalb des Adels zwischen altem Adel bzw. Uradel und späterem Briefadel unterschieden.
Die deutschen Adelsfamilien, welche fast ausschließlich die Führungspositionen im Militär besetzten, erlitten weit überdurchschnittlich hohe Verluste in den Kriegen Europas, vor allem die des Deutschen Reiches im Ersten und Zweiten Weltkrieg.
Rangstufen
Beim deutschen Adel unterschied man zwischen Hochadel (Fürsten und reichsunmittelbare Grafen) und dem niederen Adel (übrige Grafen, Freiherren, Ritter und „Edle“). Diese Aufteilung hatte sich ursprünglich aus der mittelalterlichen Aufteilung in Edelfreie (nobiles) und abhängige Dienstmannschaft (Ministerialen) entwickelt. Da einerseits schon im Hochmittelalter manche Edelfreien in die Ministerialität von Reichsfürsten eintraten und andererseits der Status der Unfreien unter den Rittern sich im Spätmittelalter auflöste, variierten die Rangstufen im Laufe der Jahrhunderte.
Die nachstehenden Rangstufen (Adelstitel) traten teilweise nicht zeitgleich auf:
- Kurfürst
- Erzherzog
- Großherzog
- Herzog
- Pfalzgraf
- Landgraf
- Markgraf
- Fürst
- Graf
- Freiherr (Baron)
- Ritter (süddeutscher Titel)
- Edler (Bayern und Österreich, nicht zwingend ein Adelsprädikat, sondern auch ein „Ehrentitel“[2])
- „von“, „von der“, „von dem“, „zu“, „zur“ Landmann
Prinz und Prinzessin
Prinz und Prinzessin sind im deutschen Sprachraum die Bezeichnungen für nicht regierende Nachkommen des Hochadels, seit 1945 in Deutschland nur noch Namensbestandteil. Der erstgeborene Prinz wird als Erbprinz, in regierenden kaiserlichen und königlichen Häusern als Kronprinz bezeichnet.
- „Der Prinz, des -en, plur. die -en, Dimin. das Prinzchen, Fämin. die Prinzếssinn. 1) Im weitesten Verstande, eine jede der andern vorgesetzte Person; eine nur noch bey den Jägern übliche Bedeutung, wo der Meister Jäger in Ansehung der Lehrlinge, welche die Jägerey unter ihm erlernen, der Lehrprinz genannt wird. Es kommt in dieser Bedeutung mit Principal überein, so wie das Wort in einigen Gegenden auch wirklich Lehr-Principal lautet. 2) In engerer Bedeutung, eine jede fürstliche Person, sie sey übrigens von welchem Range sie wolle; in welchem Verstande es nach dem Muster des Französischen Prince von einigen Schriftstellern auch von regierenden Fürsten und gekrönten Häuptern gebraucht wird, aber allemahl widrig klinget und daher lieber vermieden wird. Das Deutsche Fürst und Fürstinn sind in diesem Verstande immer bequemer, wenn man ja ein solches Wort gebrauchen will. 3) In der engsten und gewöhnlichsten Bedeutung werden nur die Kinder und Verwandte eines regierenden Herrn fürstlichen Standes Prinzen und Prinzessinnen genannt. Ein kaiserlicher, königlicher, churfürstlicher, fürstlicher Prinz. Der Erbprinz, Kronprinz, die Erbprinzessinn, Kronprinzessinn.[838] Auch die apanagierten Verwandten regierender Herren fürstlichen Standes sind unter dem Nahmen der Prinzen bekannt. Bey den Schriftstellern des Insecten-Reiches sind der Prinz und die Prinzessinn die Nahmen zweyer Schmetterlinge, wovon jener bey dem Linnee Papilio Nymphalis Euphrosyne, diese aber Papilio Nymphalis Lathonia heißt.“[3]
- „Prinz (v. lat. princeps, franz. prince), eigentlich Fürst, dann Titel für die nicht regierenden Glieder der fürstlichen Familien, in Deutschland (jedoch nicht überall, z. B. nicht in Bayern) auch für die Mitglieder derjenigen standesherrlichen Familien, deren Haupt den Titel ‚Herzog‘ oder ‚Fürst‘ führt. Der Thronerbe heißt bei gekrönten Häuptern Kronprinz, Erbgroßherzog, Erbprinz. Die weibliche Form ist Prinzessin oder besser Prinzeß. Ihr Ehrenprädikat ist Hoheit, in den fürstlichen Häusern Durchlaucht.“[4]
Prinz-Regent
- „Regént (lat.), Herrscher, das monarchische Staatsoberhaupt; im engern Sinne der bei dessen Verhinderung (wegen Minderjährigkeit, Krankheit etc.) eintretende Reichs- oder Landesverweser, gewöhnlich ein Prinz (Prinz-R.); Regentschaft, Reichsverweserschaft, Amt, Würde und Regierungszeit eines R. – R. heißt auch einer der größten Diamanten.“[5]
Nietzsches Einwand
Der Philosoph Friedrich Nietzsche empfand in geistiger Hinsicht und in historischer Betrachtung das deutsche Adelswirken als markant kulturschädlich. Adligen sei es nicht zum wenigsten um Selbstbereicherung gegangen, als Verräter am Geist habe der deutsche Adel gehandelt. Dabei bezog er sich auf die Stellung, die der deutsche Adel nach der gewaltsamen Christianisierung Germaniens einnahm, nämlich daß er sich weit über tausend Jahre in den Dienst der christlichen Kirche stellte (beispielsweise der Deutsche Orden) und – sozusagen mit dem frommen Augenaufschlag eines phantasierten und sich selbst zugesprochenen „Gottesgnadentums“ – bei der mit Blut geschriebenen Kriminalgeschichte des Christentums[6] und der Durchsetzung von dessen Sklavenmoral und Machtanmaßung eine tragende Rolle innehatte.
- „Der deutsche Adel, immer die ‚Schweizer‘[7] der Kirche, immer im Dienste aller schlechten Instinkte der Kirche – aber gut bezahlt... Daß die Kirche gerade mit Hilfe deutscher Schwerter, deutschen Blutes und Mutes ihren Todfeindschafts-Krieg gegen alles Vornehme auf Erden durchgeführt hat! Es gibt an dieser Stelle eine Menge schmerzlicher Fragen. Der deutsche Adel fehlt beinahe in der Geschichte der höheren Kultur: man errät den Grund ... Christentum, Alkohol – die beiden großen Mittel der Korruption ...“[8]
Siehe auch
- Germanische Stammesverfassung
- Germanisches Recht
- Christianisierung
- Gothaischer Genealogischer Hofkalender
Literatur
- Menno Aden: Deutsche Fürsten auf fremden Thronen – Das Netzwerk des Hochadels bis 1914, Druffel & Vowinckel, Gilching 2014, ISBN 978-3-8061-1241-2