Heeresgruppe Mitte
Die Heeresgruppe Mitte war ein deutscher Heeres-Großverband der Wehrmacht.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Heeresgruppe Mitte entstand zu Beginn des Präventivschlages gegen die Sowjetunion am 22. Juni 1941 durch Umbenennung der Heeresgruppe B. Sie war die kampfstärkste der drei deutschen Heeresgruppen. Die Frontbegradigung der Heeresgruppe Mitte im August 1942 unter dem Decknamen „Wirbelwind“ war ein voller Erfolg.
Eine der schlimmsten Niederlagen, schlimmer noch als die Niederlage bei Stalingrad, war der Untergang der Heeresgruppe Mitte im Sommer 1944. Nach der Vernichtung von vier deutschen Armeen der Heeresgruppe konnten die Truppen der Roten Armee unaufhaltsam bis nach Polen durchmarschieren.
Während der erbitterten Kämpfe in Ostpreußen wurde die Heeresgruppe Mitte am 25. Januar 1945 in Heeresgruppe Nord (Nord wurde zu Heeresgruppe Kurland) umbenannt. Ihre Verbände kämpften unter schweren Verlusten in Westpreußen und Pommern, die Reste der Truppen wurden von der Kriegsmarine aus den Ostseehäfen evakuiert.
Neu aufgestellt wurde die Heeresgruppe Mitte ebenfalls am 25. Januar 1945 nach dem Durchbruch der Roten Armee an der Weichsel durch die Umbenennung der Heeresgruppe A. Bei den Endkämpfen unterstanden der Heeresgruppe die 4. Panzer-Armee im Raum Dresden – Görlitz, die 17. Armee an der südschlesischen Oderlinie und die nach Süden anschließende 1. Panzer-Armee an den Höhenstellungen entlang Neisse – Jägerndorf – Ratibor – Mährisch Ostrau.
Letztes Hauptquartier der Heeresgruppe war vom 28. März bis 9. Mai 1945 Bad Welchow im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren. Die Kapitulation der letzten intakten Heeresgruppe des Dritten Reiches erfolgte vor der aus dem Osten angreifenden 1., 2. und 4. Ukrainischen Front der Sowjets. In einem Kessel nordöstlich Prags eingeschlossen, ging die gesamte Heeresgruppe in sowjetische Kriegsgefangenschaft, nachdem sich ihr Oberbefehlshaber Ferdinand Schörner auf Befehl von Dönitz in seinem Flugzeug abgesetzt hatte.
Der Verrat
Siehe auch: Operation Bagration
Malte Plettenberg, der Verfasser des Buches „Guderian, Hintergründe des deutschen Schicksals 1918 bis 1945“, schrieb:
- „Die Forschung wird sich noch eingehend mit den Gründen des Zusammenbruchs der Heersgruppe Mitte befassen, deren Chef des Stabes, Tresckow, die Seele der militärischen Verschwörung war. Das Ausmaß dieser Katastrophe ist weit größer als die Tragödie von Stalingrad: der Truppenbestand einer Heeresgruppe, die Ausrüstung für zwei Heeresgruppen sind einfach verschwunden. Der Wegfall dieser Rüstung wird nicht mehr aufzuholen sein.“
Die Front verlief am 22. Juni 1944 noch von Rogatschew über Orscha bis Witebsk und befand sich am 3. Juli schon in Ostpreußen. Kein Wunder, daß Hitler ausrief:
- „Wie kann man eine solche Front verlieren! Die ganze Entwicklung ist mir rätselhaft.“[1]
Albert Esche, Generalstabsoffizier und Verantwortlicher des Transportwesens, schrieb rückblickend:
- „Einmal fragte Tresckow mich, als wir wieder vor dem Kartentisch standen: ‚Esche, wie lange soll das so weitergehen?‘ Jedes halbe Jahr 300 km zurück? Sicher wollte er da feststellen, ob ich für den Widerstand zu gebrauchen bin.“[2]
Am 26. Juni 1944 schrieb Josef Goebbels in sein Tagebuch:
- „Wie aus heiterem Himmel trifft die Nachricht ein, daß den Bolschewisten ein Durchbruch großen Stils gelungen ist.“[3]
Dieser Eintrag zeigt, wie sehr sich nicht nur Adolf Hitler sondern auch das OKW in Bezug auf die sowjetischen Offensivabsichten geirrt hatten. Denn auf deutscher Seite war man nach den Meldungen der Aufklärungsabteilung Fremde Heere Ost davon ausgegangen, daß der Hauptangriff der Roten Armee im Süden stattfinden würde. Verantwortlich für die Falschinformationen war der zu spät als Verräter entlarvte Reinhard Gehlen, der dafür in der späteren West-BRD entsprechend belohnt wurde.
Nach dem kurz darauf erfolgten Attentat auf den Führer am 20. Juli 1944 bemerkte Heinrich Himmler zum Verrat an der Heeresgruppe Mitte auf einer Rede am 3. August 1944 vor Gauleitern:
- „Nun kam der Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte. Bei diesem Zusammenbruch müssen wir uns klar sein, daß hier etwas Ungeheuerliches vor sich gegangen ist. Denn es ist mit normalen Mitteln nicht erklärbar, daß eine Heeresgruppe mit 28 Divisionen wie Sand und Spreu auseinanderstiebt.“[4]
Personen
Oberbefehlshaber
- 22. Juni 1941: Generalfeldmarschall Fedor von Bock
- 19. Dezember 1941: Generalfeldmarschall Günther von Kluge
- für kurze Zeit vor Weihnachten 1941: Oberst Günther Blumentritt
- 12. Oktober 1943: Generalfeldmarschall Ernst Busch
- 28. Juni 1944: Generalfeldmarschall Walter Model
- 16. August 1944: Generaloberst Georg-Hans Reinhardt
- 26. Januar 1945: Generalfeldmarschall Ferdinand Schörner
Liste gefangener und gefallener Generäle der Heeresgruppe Mitte
- 3. Panzerarmee
- LIII. Armeekorps General der Infanterie Gollwitzer – sowjetische Kriegsgefangenschaft
- 246. Infanterie-Division Generalmajor Müller-Bülow – sowjetische Kriegsgefangenschaft
- 4. Luftwaffen-Felddivision Generalleutnant Pistorius – gefallen
- 6. Luftwaffen-Felddivision Generalleutnant Peschel – gefallen
- 206. Infanterie-Division Generalleutnant Hitter – sowjetische Kriegsgefangenschaft
- VI. Armeekorps General der Artillerie Pfeiffer – gefallen
- 256. Infanterie-Division Generalmajor Wüstenhagen – gefallen
- 4. Armee
- XXXIX. Panzerkorps General der Artillerie Martinek – gefallen
- 110. Infanterie-Division Generalleutnant von Kurowski – sowjetische Kriegsgefangenschaft
- 337. Infanterie-Division Generalleutnant Schünemann – gefallen
- 12. Infanterie-Division Generalleutnant Bamler – sowjetische Kriegsgefangenschaft
- 31. Infanterie-Division Generalleutnant Ochsner – sowjetische Kriegsgefangenschaft
- XII. Armeekorps Generalleutnant Müller – sowjetische Kriegsgefangenschaft
- 18. Panzergrenadier-Division Generalleutnant Zutavern – beging Suizid
- 267. Infanterie-Division Generalleutnant Drescher – gefallen
- 57. Infanterie-Division Generalleutnant Trowitz – sowjetische Kriegsgefangenschaft
- XXVII. Armeekorps General der Infanterie Völckers – sowjetische Kriegsgefangenschaft
- 78. Infanterie- und Sturmdivision Generalleutnant Traut – sowjetische Kriegsgefangenschaft
- 260. Infanterie-Division Generalmajor Klammt – sowjetische Kriegsgefangenschaft
- 9. Armee
- Höherer Pionierkommandeur – Generalmajor Schmidt – sowjetische Kriegsgefangenschaft
- XXXV. Armeekorps Generalleutnant Freiherr von Lützow – sowjetische Kriegsgefangenschaft
- 134. Infanterie-Division Generalleutnant Philipp – beging Suizid
- 6. Infanterie-Division Generalmajor Heyne – sowjetische Kriegsgefangenschaft
- 45. Infanterie-Division Generalmajor Engel – sowjetische Kriegsgefangenschaft
- XXXXI. Panzerkorps Generalleutnant Hoffmeister – sowjetische Kriegsgefangenschaft
- 36. Infanterie-Division Generalmajor Conrady – sowjetische Kriegsgefangenschaft
- Eingesetzte Reserven
- 95. Infanterie-Division Generalmajor Michaelis – sowjetische Kriegsgefangenschaft
- 707. Infanterie-Division Generalmajor Gihr – sowjetische Kriegsgefangenschaft
- Panzergrenadier-Division „Feldherrnhalle“ Generalmajor von Steinkeller – sowjetische Kriegsgefangenschaft
- Kampfkommandant des „festen Platzes“ Bobruisk Generalmajor Hamann – sowjetische Kriegsgefangenschaft
Gliederung der Heeresgruppe
Heeresgruppen-Truppen
- Nachrichten-Regiment 537
- Nachrichten-Regiment 537 (2. Aufstellung)
- Volks-Artillerie-Korps 405
Unterstellte Einheiten
Datum | unterstellte Armeen |
---|---|
1941 | |
Juni | 9. Armee, 4. Armee |
Juli | Panzergruppe 3, 9. Armee, 4. Armee, Panzergruppe 2, z. Vfg. 2. Armee |
August | Panzergruppe 3, 9. Armee, 2. Armee, Armeegruppe Guderian |
September | Panzergruppe 3, 9. Armee, 4. Armee, Panzergruppe 2, 2. Armee |
Oktober | 9. Armee, 4. Armee, 2. Panzerarmee, 2. Armee |
November | 9. Armee, Panzergruppe 3, 4. Armee, 2. Panzerarmee, 2. Armee |
1942 | |
Januar | 9. Armee, 3. Panzerarmee, 4. Panzerarmee, 4. Armee, 2. Panzerarmee, 2. Armee |
Februar | 3. Panzerarmee, 9. Armee, 4. Panzerarmee, 4. Armee, 2. Panzerarmee |
Mai | 9. Armee, 3. Panzerarmee, 4. Armee, 2. Panzerarmee |
1943 | |
Januar | LIX. AK, 9. Armee, 3. Panzerarmee, 4. Armee, 2. Panzerarmee |
Februar | 3. Panzerarmee, 9. Armee, 4. Armee, 2. Panzerarmee |
März | 3. Panzerarmee, 9. Armee, 4. Armee, 2. Panzerarmee, 2. Armee |
April | 3. Panzerarmee, 4. Armee, 2. Panzerarmee, 2. Armee, z.Vfg. 9. Armee |
Juli | 3. Panzerarmee, 4. Armee, 2. Panzerarmee, 9. Armee, 2. Armee |
September | 3. Panzerarmee, 4. Armee, 9. Armee, 2. Armee |
November | 3. Panzerarmee, 4. Armee, 9. Armee, 2. Armee, Wehrmachtbefehlshaber Ostland |
1944 | |
Januar | 3. Panzerarmee, 4. Armee, 9. Armee, 2. Armee |
Juli | 3. Panzerarmee, 4. Armee, 2. Armee, z.Vfg. 9. Armee |
August | 3. Panzerarmee, 4. Armee, 2. Armee, IV. SS-Panzerkorps |
1945 | |
Januar | 3. Panzerarmee, 4. Armee, 2. Armee |
Februar* | 4. Panzerarmee, 17. Armee, 1. Panzerarmee |
Mai | 7. Armee, 4. Panzerarmee, 17. Armee, 1. Panzerarmee |
* Umbenennung der Heeresgruppe A in Heeresgruppe Mitte und Heeresgruppe Mitte in Heeresgruppe Nord
Zusammensetzung der Heeresgruppe Mitte am 15. Juni 1944
3. Panzerarmee
- IX. Armeekorps: 252. Infanterie-Division, Korpsabteilung D
- LIII. Armeekorps: 246. Infanterie-Division, 206. Infanterie-Division, 4. Luftwaffen-Felddivision, 6. Luftwaffen-Felddivision
- VI. Armeekorps: 197. Infanterie-Division, 299. Infanterie-Division, 256. Infanterie-Division, als Reserve 95. Infanterie-Division
4. Armee
- XXVII. Armeekorps: 78. Infanterie-Division, 25. Panzergrenadier-Division, 260. Infanterie-Division, 14. Infanterie-Division (mot.)
- XXXIX. Armeekorps: 110. Infanterie-Division, 337. Infanterie-Division, 12. Infanterie-Division, als Reserve: Panzergrenadier-Division Feldherrnhalle
- XII. Armeekorps: 18. Panzergrenadier-Division, 267. Infanterie-Division, 57. Infanterie-Division
9. Armee
- XXXV. Armeekorps: 134. Infanterie-Division, 45. Infanterie-Division, 296. Infanterie-Division, 6. Infanterie-Division, 383. Infanterie-Division,
- XXXI. Panzerkorps: 36. Infanterie-Division (mot.), 35. Infanterie-Division, 129. Infanterie-Division
- LV. Armeekorps: 292. Infanterie-Division, 102. Infanterie-Division[5]
Literatur
- Franz Kurowski: Die Heeresgruppe Mitte. 28 deutsche Divisionen im Feuerhagel der sowjetischen Sommeroffensive 1944 Witchsk, Bobruisk, Minsk, Podzun-Pallas Verlag, ISBN 978-3790907483 (Klappentext und Bestellmöglichkeit)
- Rolf Hinze: Der Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte im Osten 1944
- Werner Haupt: Die Schlachten der Heeresgruppe Mitte 1941–1944: Aus der Sicht der Divisionen (Bestellmöglichkeit)