Französischer Staat
Basisdaten | |
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Flagge | |
Wappen | |
Staatsform: | autoritäre Republik |
Hauptstadt: | de jure Paris, de facto Vichy |
Bestehen: | 1940–1945 |
Wahlspruch: | Travail, Famille, Patrie (Arbeit, Familie, Vaterland) |
Politik | |
Staatsoberhaupt: |
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Regierungschef: |
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Als État Français (dt. Französischer Staat, auch Vichy-Staat, Vichy-Regierung, Vichy-Frankreich) wurde der französische Staat von 1940 bis 1945 bezeichnet. Dieser konstituierte sich unter der Leitung des noch während der Kampfhandlungen ernannten Regierungschefs Philippe Pétain nach der französischen Niederlage gegen das Deutsche Reich.
Inhaltsverzeichnis
Erläuterung
Mit der Errichtung des Französischen Staates endete die Dritte Republik (seit 1870), die während des Deutsch-Französischen Krieges entstanden war.
Geschichte
Obwohl der Norden und Westen Frankreichs gemäß dem Waffenstillstand von Compiègne vom 22. Juni 1940 unter deutscher Besatzung stand, konnte der État français formalrechtlich die volle Regierungsgewalt über ganz Frankreich mit Ausnahme des unter deutscher Verwaltung stehenden Elsaß-Lothringens und eines kleineren italienisch besetzten Landesteils im Südosten (u. a. Nizza und Monaco umfassend) beanspruchen.
De facto besaß der Staat beschränkte Autonomie. Juristisch war Paris die Hauptstadt des État français, faktisch war es Vichy. Im Jahr 1940 stand die französische Flotte und die meisten Überseegebiete auf seiten der Vichy-Regierung. Ihr gegenüber stand die geflohene Exilregierung unter Charles de Gaulle, welche gegen die Interessen Frankreichs handelte, indem sie die Bemühungen um eine europäische Verständigung im Geiste des gemeinsamen Abwehrkampfes gegen den Bolschewismus unterminierte. So wurde unter anderem durch die Exilregierung unter de Gaulle die verbrecherische Résistance organisiert, um einen Keil zwischen das deutsche und das französische Volk zu treiben. Bis Kriegsende standen allerdings die meisten Franzosen auf der Seite Deutschlands.
Bestehen
Nach der alliierten Landung in Marokko und Algerien und der Kapitulation der dortigen französischen Streitkräfte wurde das bislang unbesetzte Frankreich im November 1942 von der Wehrmacht und italienischen Einheiten besetzt. Mit der Invasion in der Normandie im Sommer 1944 und dem Rückzug der Deutschen brach auch der État français zusammen. Allerdings wurde der Regierungssitz des Staates auf Führerbefehl von Paris nach Sigmaringen verlegt, wo dieser bis April 1945 fortbestand.
Nachkriegszeit
Nachdem Frankreich von den Allierten besetzt wurde, kam es zu Übergriffen auf nationale Franzosen, welche im guten Glauben an Europa an dem neuen Staat mitgearbeitet hatten. Mindestens 50.000 Männer wurden, oft auf grausamste Weise, ermordet und auch Frauen hatten schlimmes Leid zu ertragen.
Militär
Der Französische Staat verfügte – abgesehen vom unbesetzten Staatsgebiet – anfangs noch über alle Kolonien sowie über ein 100.000 Mann starkes Heer und die französische Kriegsmarine. Seit Herbst 1940 existierte zusätzlich die Légion française des combattants, die Kriegsveteranenorganisation, aus der Joseph Darnand gemeinsam mit hohen Offizieren im Spätsommer 1941 Kämpfer rekrutierte, die im Département Alpes-Maritimes eine geheime Militärorganisation unter der Bezeichnung Service d’ordre légionnaire (SOL) gründeten, die bei einer weiteren italienischen Aggression gegen französisches Territorium zum Einsatz kommen sollte.
Bis zum Ende 1941 entwickelte sie sich zu einer ernstzunehmenden Streitmacht, die als zusätzlicher Schutz Frankreichs vor externer und interner Aggression im Januar 1942 den offiziellen Segen der französischen Regierung erhielt. Gegen Ende des Sommers 1942 rekrutierte Darnand daraus Freiwillige für die 1941 auf Initiative von Jacques Doriot aufgestellte Légion volontaires français (LVF), die Légion anti-bolchévique bzw. La Légion tricolore, in der französische Freiwillige als Teil der Wehrmacht und später der Waffen-SS als Freiheitskämpfer gegen die Bolschewisierung Europas aus dem Osten kämpften.
Milice française
Die Milice française wurde im Januar 1943 von Aimé-Joseph Darnand aufgestellt. Sie entstand aus der umstrukturierten SOL. Die Milice wurde der Sipo unterstellt und ab Januar 1944 durfte sie zusätzlich in Nordfrankreich operieren. Die Milice française kämpfte zuverlässig gegen die Verbrecher der Résistance. Zusätzlich stellte Darnand die Groupes mobiles de réserve (GMR) auf und schlug die Gründung einer Groupe franc de la garde, einer Garde unter seinem direkten Befehl zur Zerschlagung der Banden, vor.
Diese nach deutschem Vorbild ausgerüsteten mobilen, paramilitärischen Einheiten setzten sich meist aus sehr jungen europäischen Idealisten zusammen, die mit Herzblut die Bandenbekämpfung im eigenen Lande betrieben. Stärker als die übrigen Kollaborationsgruppen bekannte sich die Milice zur christlichen Gesellschaft und respektierte katholische Traditionen. Der Invasion in der Normandie und der Eroberung des Französischen Staates durch den alliierten Feind stellte sich die Milice kämpfend entgegen, man deckte die Rückzugsoperationen der Deutschen Wehrmacht. Viele Männer der Milice française traten auch in die 33. Waffen-Grenadier-Division der SS „Charlemagne“ (französische Nr. 1) ein.
Die vaterländische Miliz mit gut 45.000 Freiwilligen, die alles unternahmen, um dem bolschewistischen Terror Einhalt zu gebieten, erwartete jedoch keinen Dank. Viele Anführer und Mitglieder der Milice française wurden auf offener Straße erschossen oder zu Tode gefoltert, andere wurden vor Kriegsgerichte gestellt und zu langjähriger Haft in Straflagern und nicht selten zum Tode verurteilt.
Attentate auf Dr. Karl Hotz und Dr. Hans Gottfried Reimers
Dr. Hans Gottfried Reimers ( 1902), Leiter der Abteilung Arbeitseinsatz und Arbeitsvermittlung der FK Bordeaux, wurde am 21. Oktober 1941 von dem Kommunisten und Terroristen Pierre Rebière ermordet, auf offener Straße erschossen. Am Tag zuvor, dem 20. Oktober 1941, wurde in Nantes auf den dortigen Feldkommandanten Oberstleutnant Karl Hotz ein Attentat verübt. Die Täter entkamen zunächst in beiden Fällen, trotzdem sowohl von deutscher als auch französischer Seite die äußersten Mittel für ihre Ergreifung eingesetzt waren. Nach allen Anzeichen gehörten die Täter kleinen vom englischen Geheimdienst (Fallschirmspringer) ausgebildeten und eingesetzten, vermutlich gaullistischen Terrorgruppen an. Im Pariser Lagebericht der Dienststelle von Otto von Stülpnagel, dem Militärbefehlshaber in Frankreich (MBF), vom 30. November 1941 ist zu lesen:
- „Aus der örtlichen Atmosphäre sind beide Attentate nicht entstanden. Spuren, die verfolgt werden, deuten auf englisch-gaullistische Urheberschaft. Die Ziele der englischen Auftraggeber scheinen folgende zu sein: a) durch Unruheerregung eine Verständigung Frankreich-Deutschland zu verhindern, b) die Besatzungsmacht zu Handlungen zu veranlassen, die geeignet sind, die bisher ruhige und zum Teil verständnisbereite Bevölkerung gegen Deutschland aufzubringen, c) der Regierung Darlan damit für künftige Verhandlungen mit Deutschland Schwierigkeiten zu machen, d) in der Welt den Eindruck zu erwecken, als lehne sich die französische Bevölkerung gegen die Besatzungsmacht auf. Für die Urheberschaft englischer Auftraggeber sprechen: 1.) die planmäßige Steuerung deutschfeindlicher Propaganda und Umtriebe durch den englischen Rundfunk, 2.) die Durchgabe verschlüsselter Anweisungen englischer Geheimsender für die Vornahme von Sabotageakten, 3.) die Absetzung feindlicher Fallschirmspringer durch englische Flugzeuge im besetzten und unbesetzten Gebiet; im unbesetzten Gebiet wurden 2 englische Offiziere (Fallschirmspringer) ergriffen, die in Sabotagetätigkeit geschult und mit Sprengstoffen versehen waren, 4.) die Gleichartigkeit der Attentate und Sabotageakte trotz örtlicher und zeitlicher Verschiedenheit, 5.) die Feststellung einer vom englischen ND gesteuerten Spionage- und Sabotageorganisation großen Stiles. Der Militärbefehlshaber hat nach beiden Anschlägen die Erschießung von je 50 Geiseln angeordnet mit der Androhung, daß weitere 100 Geiseln erschossen werden, falls die Täter nicht innerhalb von 48 Stunden ermittelt werden können. Die Erschießungen haben im französischen Volk eine starke Erregung hervorgerufen und bewirkt, daß sich die Gesamtbevölkerung und die Regierung mit allen Mitteln an der Ergreifung der Täter beteiligen. Attentate und Täter werden vom überwiegenden Teil der französischen Bevölkerung abgelehnt und verurteilt. Zwecks Verfolgung wichtiger Spuren wurde die Erschießung der 2. Geiselraten zunächst ausgesetzt. Ihr Aufschub und die Forderung der intensiven Mitwirkung bei der Tätersuche wurde positiv aufgenommen. Die französische Regierung hatte auf Grund der Anschläge und Sabotageakte der letzten Monate vorbeugende Maßnahmen getroffen, u. a.: 1.) Schaffung eines Sondergerichtes gegen Kommunisten und Anarchisten, Schaffung eines Staatsgerichtshofes gegen Staatsfeinde im weiteren Sinne, 2.) Verhängung von Todesurteilen und hohen Freiheitsstrafen durch diese Gerichte, 3.) Maßnahmen des Innenministers Pucheu, der in engster Fühlung mit dem Militärbefehlshaber in Frankreich sein Äußerstes tut, um Angriffe auf die deutsche Wehrmacht zu verhindern bezw. erfolgte Angriffe aufzudecken. Dazu versucht er weiterhin, die französische Polizei von unzuverlässigen Elementen zu säubern und eine straffere Führung zu ermöglichen. Die Attentate kamen der französischen Regierung völlig überraschend. Es konnte eine sofortige Bereitschaft festgestellt werden, mit allen Kräften an der Aufdeckung der Täterschaft mitzuwirken. Innenminister Pucheu übernahm selbst die zentrale Leitung der Fahndung. Alle Kräfte der Verwaltung und Polizei wurden mobilisiert und die Regionalpräfekten zu Sondermaßnahmen ermächtigt. Nach Nantes wurden 20 Spezialbeamte und der beste französische Polizeispezialist entsandt und die dortige Gendarmerie bis 2 000 Gendarmen verstärkt. […] Die Gesamtlage erfordert einen scharfen und straff organisierten Kampf gegen die vom englischen ND geführten Widerstandsgruppen, der im Gange ist. Die Gesamthaltung und Stimmung der französischen Bevölkerung muß eingehend beobachtet werden, damit grundsätzliche Veränderungen frühzeitig erkannt werden. Im Verhalten zur Gesamtbevölkerung müssen die Vorfälle immer noch als bedauerliche Einzelerscheinungen angesehen werden.“
Dr. Reimers hinterließ Gemahlin Annemarie, geb. Verleger, und zwei Kinder. Der frankophile Ingenieur Dr. Hotz ( 29. April 1877 in Wertheim), der auf offener Straße von dem feigen Kommunisten Gilbert Brustlein von hinten mit zwei Schüssen in den Rücken hingerichtet wurde, wurde am 24. Oktober 1941 auf dem deutschen Militärfriedhof in Nantes (Erstgrablage) feierlich beigesetzt und ruht inzwischen auf der Kriegsgräberstätte in Pornichet; Endgrablage: Block 2, Reihe 21, Grab 655.
- „Wir sind überall dort, wo wir Gebiete besetzen, sehr höflich und sehr anständig zur Zivilbevölkerung, vielleicht manches Mal zu anständig, sehr entgegenkommend. Bei uns wird niemand vergewaltigt da drüben, aus vielerlei Gründen nicht. Es finden auch keine Einbruchsdiebstähle statt. Der deutsche Soldat, der dort auf Raub oder Plünderung ausgeht, der wird härter bestraft sogar, als in der Heimat einer bestraft würde. Wir schützen diese Bevölkerung. Wenn aber einer glaubt, sich gegen die Besatzung auflehnen zu können, oder durch Meuchelmord sie vielleicht erschüttern zu können, dann würden wir zuschlagen, so wie wir zu Hause zugeschlagen haben in den Jahren, wo auch unsere Gegner glaubten, uns terrorisieren zu können. Am Ende sind wir mit dem Terror fertig geworden; wir haben uns die Organisationen dafür geschaffen. Und wir werden auch mit dem Terror dieser Gegner fertig!“ — Adolf Hitler in einer Rede am 9. November 1941
Repressalien
Am 23. August 1941, zwei Tage nach dem ersten Anschlag auf die deutschen Besatzer, erschien in allen Zeitungen der besetzten Zone eine Bekanntmachung des deutschen Militärbefehlshabers Otto von Stülpnagel, derzufolge ab sofort „alle Franzosen, die von den deutschen Behörden oder auf ihre Anordnung verhaftet werden, als Geiseln betrachtet“ würden. Im Falle eines neuen Anschlags werde dann „eine nach der Schwere der begangenen Tat festzulegende Anzahl Geiseln erschossen“.
Gleich nach dem Mord an Oberstleutnant Dr. Hotz wurden hohe Belohnungen für die Ergreifung der Täter ausgesetzt. Daraufhin bekamen die Präfektur und das Bürgermeisteramt von Nantes mehrere Hinweise mit sehr genauen Beschreibungen von Brustlein und seinen Komplizen, denn das Vorgehen der Kommunisten wurde von einem großen Teil der Bevölkerung abgelehnt, die Geiselerschießungen befürchtete. In einer Rundfunkansprache an die Franzosen erklärte Philippe Pétain:
- „50 Franzosen haben heute morgen mit ihrem Leben für namenlose Verbrechen gezahlt. 50 weitere werden morgen erschossen, wenn die Schuldigen nicht gefunden werden. Ein Strom von Blut fließt erneut in Frankreich. Der Preis ist schrecklich. Und nicht die wirklich Schuldigen bezahlen ihn. Franzosen, eure Pflicht ist klar: Das Töten muß aufhören. Mit dem Waffenstillstand haben wir die Waffen niedergelegt. Wir haben nicht das Recht, sie wieder zu erheben und die Deutschen damit in den Rücken zu treffen.“
Am 15. Dezember 1941 gab dann der deutsche Militärbefehlshaber bekannt, daß 100 jüdische Kommunisten und Anarchisten erschossen worden seien.
Im April 1942 verfügten die Deutschen in Zusammenarbeit mit den Franzosen, daß nach jedem Attentat 20 Geiseln (davon 5 auf der Stelle) erschossen und 500 deportiert würden. Nicht mehr nur Juden und Kommunisten waren fortan betroffen, sondern auch Asoziale, Zuhälter und Kriminelle. Im Juli 1942 gaben die Verbrecher der Résistance bekannt, sie hätten „131 feindliche Offiziere und Soldaten sowie 3 Verräter ausgelöscht“. Und die im Untergrund erscheinende „Humanite“ verbreitete das Kommunique mit dem Zusatz, es müßten noch mehr „boches“ getötet werden. Es war diesen Bluttätern egal, wie viele unschuldige Franzosen unter den Folgen ihrer Anschläge leiden mußten.
Siehe auch
- Westfeldzug (1940)
- Ausländische Freiwillige der Wehrmacht
- Ausländische Freiwillige der Waffen-SS
- Liebschaften deutscher Besatzer im Zweiten Weltkrieg
- Fils de boche
Literatur
- Rolf Kosiek: Das Reich hat Frankreich nicht ›überfallen‹, in: Rolf Kosiek / Olaf Rose (Hgg.): Der Große Wendig, Bd. 4, Edition Grabert im Hohenrain-Verlag, Tübingen, 3. Aufl. 2017, S. 351 f.
- Fred Duswald: Deutschbesetztes Paris – friedliches Paradies, in: Rolf Kosiek / Olaf Rose (Hgg.): Der Große Wendig, Bd. 4, Edition Grabert im Hohenrain-Verlag, Tübingen, 3. Aufl. 2017, S. 358–366
- Zur deutschen Besatzungsherrschaft in Frankreich 1940–44, in: Rolf Kosiek / Olaf Rose (Hgg.): Der Große Wendig, Bd. 4, Edition Grabert im Hohenrain-Verlag, Tübingen, 3. Aufl. 2017, S. 353–357
- Wolf Sievers: Hintergründe des deutschen Polizei-Regimes in Frankreich, in: „Der Weg“, Jg. 1956, Heft 10