Tiefensee, Wolfgang
Wolfgang Tiefensee ( 4. Januar 1955 in Gera) ist ein deutscher Politiker der BRD-Blockpartei SPD. Er ist seit Dezember 2014 Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft in Thüringen. Von 2005 bis 2009 war Tiefensee Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer. Zuvor war er von 1998 bis 2005 Oberbürgermeister von Leipzig.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Wolfgang Tiefensee, katholisch, wurde am 4. Januar 1955 in Gera (damals DDR) geboren und wuchs, zusammen mit seiner Schwester und zwei Brüdern, „im geistig regen Klima seiner systemfernen Familie“ auf.[1] Sein Vater Siegfried ( 24. März 2009) war Kapellmeister an den Städtischen Bühnen Leipzigs und stammte aus Königsberg, seine Mutter aus Breslau. Einer seiner Brüder ist Priester und Theologieprofessor in Erfurt.
Tiefensee erhielt frühzeitig Instrumentalunterricht. Als Schüler gewann er am Cello den Leipziger Bachpreis, schlug jedoch keine musikalische Karriere ein.
Auf Grund seiner christlichen Erziehung war er nicht Mitglied der Jungen Pioniere und der FDJ, nahm nicht an der Jugendweihe teil und verweigerte den Dienst an der Waffe in der NVA, deshalb leistete er seinen Wehrdienst in der DDR als Bausoldat ab.
Wirken
Wolfgang Tiefensee engagiert sich erst seit 1989 in der Politik. 1995 trat Wolfgang Tiefensee in die SPD ein. Von 1998 bis 2005 war Wolfgang Tiefensee Oberbürgermeister von Leipzig. Im November 2005 trat er als Bundesverkehrsminister in das Kabinett von Angela Merkel ein.
2003 gehörte Wolfgang Tiefensee der Kommission „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ an, die das Hartz-Konzept für die Agenda 2010 ausarbeitete.
Zionismus, Israel, Holocaust
Im Oktober 2015 besucht er in Israel die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.[2]
Dienstvergehen
Wie die Berliner Zeitung am 27. April 2004 zum Leipziger Betrieb für Beschäftigungsförderung berichtete, beschwerte der städtische Angestellte Ulrich Ingenlath sich schriftlich bei Wolfgang Tiefensee. Daß er unter Druck gesetzt werde, daß dem Stadtrat ein Minus verschwiegen werde, daß der "bfb" Rechtsbruch begehe. Eine Antwort habe er erwartet. Außerdem steht da:
"Das Regierungspräsidium bescheinigte dem Oberbürgermeister ein verjährtes Dienstvergehen. Tiefensee hatte warnende Hinweise von Rechnungsprüfern für sich behalten."
Sächsischer Sumpf
Erstaunlich ist im sächsischen Sumpf, daß Wolfgang Tiefensee als langjähriger Oberbürgermeister von Leipzig und Aufseher über die LWB so gar nicht mitbekommen haben will, was in Leipzig eigentlich los war. Was er da hätte mitbekommen können, schrieb beispielsweise die Berliner Zeitung am 15. Juni 2007.[3][4]
Kommentar von Ulrich Ingenlath
Als kommunaler Angestellter habe ich Hr. Tiefensee im Mai 2002 über diverse Betrugssachverhalte/Straftabestände in seinem Verantwortungsbereich informiert (ABM-Betrug, zeugenrechtliche Nötigung durch Amtsleiter der Stadt Leipzig, Arbeitnehmerüberlassungsbetrug, sexuelle Belästigung im Dienst durch Vorgesetzte etc.). Hr. Tiefensee antwortet grundsätzlich nicht auf schriftlich formulierte dienstliche Hinweise. Zu meiner Zeit wurde seitens des kommunalen Eigenbetriebes bfb, für den Hr. Tiefensee eigenbetriebsrechtlich verantwortlich zeigte, systematisch Betrug in Millionenhöhe begangen. Die Staatsanwaltschaft Leipzig stellte zumindest bis 2004 in aller Regel Verfahren ein, die rechtswidriges Handeln von Leipziger Kommunalpolitikern betreffen. Als damaliger Leipziger OBM ließ Wolfgang Tiefensee Mitarbeiter jedoch sofort arbeitsrechtlich unter Druck setzen, wenn diese nicht bereit sind, über schwerwiegende Rechtsverstösse der Leipziger Verwaltung Stillschweigen zu bewahren.
Ulrich Ingenlath, ehemals Mitarbeiter der Stadt Leipzig.[5]
Keine Kenntnis von Prostituierten im Rathaus
Bei Bild Online vom 4. Juni 2007 ist zu lesen:
- „Sein Vorgänger, Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (52, SPD) ließ mitteilen, daß er ‚keine Kenntnis von Prostituierten im Rathaus und solchen Treffen‘ hätte.“
Stadtkämmerer
Der Spiegel schrieb dazu in Ausgabe 25/2007:
- „In einem für Juli anberaumten Prozess gegen seinen ehemaligen Stadtkämmerer, dem Vorteilsnahme vorgeworfen wird, ist der Ex-Leipziger als Zeuge geladen. Der Vorgang soll möglichst diskret gehalten werden. Der Minister wird am Amtsgericht Berlin-Tiergarten vernommen. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit.“
„Gegen Rechts“
Die SPD plant die Einrichtung einer Bundesstiftung im „Kampf gegen Rechts“. Dazu sollen laut dem Beauftragten der Bundesregierung für den Aufbau Ost, Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee, zusätzlich sechs Millionen Euro pro Jahr „zur Bekämpfung des Rechtsextremismus“ bereitgestellt werden. Die Bundesregierung stellt bislang schon jährlich 24 Millionen Euro zur Verfügung.[6]
Tiefensee: „Gerade in wirtschaftlich kritischen Zeiten muß die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus intensiviert werden“. „Politische Krisenintervention darf sich nicht auf die Rettung von Banken und Unternehmen beschränken.“ Bestimmte Entwicklungen seien in Mitteldeutschland „früher und deutlicher ausgeprägt“. Man habe die Möglichkeit hier eine Pionierrolle zu übernehmen. Daher würden Verfahren entwickelt und erprobt, mit denen „wirkungsvoll gegen Rechtsextremismus gekämpft“ werden könne. Diese seien bereits von einigen westdeutschen Kommunen übernommen worden.[7][8]
Kritik
Hartz-IV-Empfänger als billige Sicherheitskräfte
Nach zwei gescheiterten Bombenanschlägen auf Regionalzüge Ende Juli 2006 hatte der Minister vorgeschlagen, Hartz-IV-Empfänger als Patrouillen im öffentlichen Nahverkehr einzusetzen, um die Sicherheit zu erhöhen. Diese Äußerungen stießen teilweise auf scharfe Ablehnung. Im November 2006 begann in Leipzig ein auf drei Jahre befristetes Modellprojekt „Aktiv-Office“, in dessen Rahmen rund 300 Alg-II-Empfänger in Bahnen und Bussen mitfahren, um zum einen Randalierern Einhalt zu gebieten, zum anderen Müttern mit Kleinkindern sowie mobilitätseingeschränkten Personen zu helfen und einfache Nahverkehrs-Fragen von Fahrgästen zu beantworten.
Privatisierung der Deutschen Bahn
Umstritten ist die Vorgehensweise Tiefensees (als Insolvenzverwalter) in Bezug auf die beabsichtigte Privatisierung der Deutschen Bahn. Dabei gibt es verschiedene Modelle zur Ausgestaltung des Besitz- und Betreiberverhältnisse der Bahn-Infrastruktur, insbesondere des Schienennetzes. Auf Kritik Hartmut Mehdorns hin trat Tiefensee im Herbst 2006 für eine enge Verknüpfung von Infrastruktur und Deutscher Bahn ein, die dann vom Bundeskabinett beschlossen wurde. Mittlerweile haben Bundesministerien und Wirtschaftsinstitute festgestellt, daß dieses Vorhaben nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Damit würde letztendlich die Deutsche Bahn AG als Privatunternehmen von staatlichen Leistungen profitieren und weniger dem Gemeinwohl dienen.
Tempolimit
Nach Medienberichten verwendete das Verkehrsministerium im März 2007 Zahlen aus dem Jahre 1996, um die angebliche Irrelevanz einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen[9] für die CO2-Bilanz zu belegen.
Überflugverbot für Lufthansa Cargo
Russische Behörden sprachen am 28. Oktober 2007, 0 Uhr, offenbar aus wirtschaftlichen Interessen ein Überflugverbot gegenüber Lufthansa Cargo aus. Rußland verlangte vom deutschen Konzern, sein Frachtdrehkreuz aus dem kasachischen Astana ins sibirische Krasnojarsk zu verlegen. Trotz der Forderung, sich nicht erpressen zu lassen, knickte Tiefensee am 2. November überraschend ein und erklärte, die deutsche Seite sei zum Einlenken und damit zum Umzug des Lufthansa-Drehkreuzes nach Krasnojarsk in Rußland bereit. Sein Verhalten bescherte ihm neuerliche Kritik.[10]
Bonuszahlungen für Vorstände der Deutschen Bahn
Im Rahmen des geplanten Börsengangs der Deutschen Bahn wurden u. a. auch umstrittene Sondertantiemen vereinbart, die im Falle der Bahnprivatisierung an die Bahn-Vorstände geflossen wären. Tiefensee stritt Ende Oktober 2008 zunächst ab, von diesen Tantiemen gewußt zu haben und entließ seinen Staatssekretär Matthias von Randow mit der Begründung, daß dieser ihn nicht über die Zahlungen informiert hätte.
Diese Begründung stellte sich später als falsch heraus, da schon Anfang September 2008 Information über die Sonderzahlungen an die Öffentlichkeit gekommen waren.[11] Am 2. November 2008 berichtete die Financial Times Deutschland, daß Tiefensee vom Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Müller sogar bereits Mitte August in einem persönlichen Telefonat informiert worden sei und in diesem Telefonat keinerlei Bedenken geäußert habe.[12]
Anfang November 2008 sorgte Tiefensee abermals für Negativschlagzeilen, als er vorschlug, daß die Bahn-Vorstände freiwillig auf die von seinem Ministerium abgesegneten Bonuszahlungen verzichten sollten.[13]
„SPD-Immobilienfilz“
Das Bundesbauministerium von Wolfgang Tiefensee und die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung waren 2009 in eine Immobilienaffäre verstrickt. Das Ministerium habe die Stiftung laut einem Prüfbericht des Bundesrechnungshofes bei einem Neubau in Berlin „bevorzugt behandelt“, berichtete der Spiegel am 15. August 2009.
Federführend beim Prüfungs- und Genehmigungsverfahren für das Stiftungsgebäude war das CDU-geführte Bundesinnenministerium. Im Visier der Prüfer stehe aber insbesondere das beteiligte Bundesbauministerium. Die Friedrich-Ebert-Stiftung habe bei dem Neubau Standards durchgesetzt, die über denen anderer Bundesbehörden wie etwa dem Auswärtigen Amt lägen. In einer ersten Prüfungsphase hätten alle beteiligten Bundesdienststellen festgestellt, daß das beantragte Bauvorhaben unwirtschaftlich sei. Trotzdem habe die Ebert-Stiftung ihre Wünsche mit Duldung des Bauministeriums weitgehend umsetzen können. Da das Ministerium das „zuvor selbst als unwirtschaftlich bewertete Bauvorhaben“ trotzdem genehmigt habe, widerspreche den „Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in hohem Maße“, zitiert der Spiegel aus dem Prüfbericht des Rechnungshofs.
- 1973: Abitur.
- 1974: Ausbildung zum Facharbeiter für Nachrichtentechnik.
- bis 1976: Studium zum Ingenieur für Industrielle Elektronik.
- 1979–1986: Entwicklungsingenieur in der Abteilung Forschung und Entwicklung des Fernmeldewerks Leipzig.
- bis 1982: Postgraduiertenstudium zum Fachingenieur für Informatik im Bauwesen.
- 1986–1990: Entwicklungsingenieur an der Technischen Hochschule Leipzig (Fachbereich Elektroenergieanlagen).
- bis 1988: Berufsbegleitendes Studium zum Diplomingenieur für Elektrotechnik.
- 1989: Vertreter der Bürgerbewegung "Demokratie Jetzt" am Runden Tisch Leipzig.
- 1990: Berufung als Stadtrat des Runden Tischs Leipzig.
- 1992: Bürgermeister und Erster Stellvertreter von Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube.
- 1995: Beitritt zur SPD.
- 1. Juli 1998: Wahl zum Oberbürgermeister von Leipzig.
- 2002–2004: Präsident des Europäischen Städtenetzwerkes EUROCITIES.
- Mai 2004: Scheitern Leipzigs bei der Olympia-Bewerbung.
- 10. April 2005: Wiederwahl zum Oberbürgermeister.
- seit 22. November 2005: Bundesminister für Verkehr, Bau, Stadtentwicklung und Beauftragter für die neuen Bundesländer.
- 19. Juli 2007 Beschluss des Bahnprojekts "Stuttgart 21".
Auszeichnungen
Wolfgang Tiefensee ist seit 1999 als erster Deutscher Ehrenprofessor der Nanjing University of Technology (NUT). Im Jahre 2003 verlieh ihm die Französische Republik den Titel „Ritter der Ehrenlegion“. Im selben Jahr erhielt er den Medienpreis „Goldene Henne“ in der Kategorie Wirtschaft. Das in London erscheinende Foreign Direct Investment Magazine (fDi) wählte Wolfgang Tiefensee 2005 zu Europas „Personality of the Year“. 2004 erhielt er den Goldenen Rathausmann der Stadt Wien.
Mitgliedschaften / Ämter / Mandate
- Mitherausgeber der politischen Zwei-Monats-Zeitschrift „Berliner Republik“
- Präsident des Europäischen Städtenetzwerkes EUROCITIES (2002-2004)
- Vizepräsident des Sächsischen Städte- und Gemeindetages (2001-2005)
- Vorsitzender des Forum Ostdeutschland der Sozialdemokratie e. V. (seit 2009)
- Vorsitzender von „Gegen Vergessen – Für Demokratie e. V.“ (6/2012-12/2014)
Familie
Ein Bruder, der Priester Eberhard Tiefensee, ist Professor für Philosophie und war Rektor der Katholisch-Theologischen Fakultät Erfurt (heute Katholisch-theologische Fakultät der Universität Erfurt). Ein weiterer Bruder, Volker Tiefensee, ist für die CDU Bürgermeister der Gemeinde Schönwölkau.
Tiefensee ist seit 1976 verheiratet und Vater von zwei Söhnen und zwei Töchtern. Im Sommer 2005 wurde die Trennung des Ehepaares Tiefensee in der Presse bekanntgegeben.
Veröffentlichungen
- Staat machen. Erfolgsgeschichten öffentlicher Institutionen. (zusammen mit Rainer Lindenau) München, Hanser-Verlag 2007, ISBN 3-446410-05-8
- Jetzt schon das Land leben, auf das wir hoffen! In: Wolfgang Thierse (Hrsg.) Religion ist keine Privatsache, ISBN 3-491-72430-9 Vorsicht! Umerziehungsliteratur im antideutschen Sinne!
- Einheit ohne Arbeit. In: Hasso Düvel, Herbert Scheibe, Tatjana Stahl (Hrsg.) Aufbau Ost. Notwendiges Übel oder Investition in die Zukunft?, ISBN 3-88243-727-8
Literatur
- Helge-Heinz Heinker: Wolfgang Tiefensee. Eine Biographie. Lehmstedt Verlag, Leipzig 2005, ISBN 3-937146-29-6 Vorsicht! Enthält politisch korrekte Verengungen und Versimpelungen im Sinne der Umerziehung!
Verweise
- Netzseite der SPD über Wolfgang Tiefensee
- Abstimmung der Bundestagsabgeordneten über die Missbilligung der Amtsführung und Entlassung von BM Wolfgang Tiefensee, de.statista.com
- Talkshow-Auftritte der Bundesminister in der laufenden Legislaturperiode, de.statista.com
- Zug der Erinnerung - Deutsche Bahn mal wieder im Fadenkreuz der Zwangsbewältigungs-Mafia (02.11.06)
- Bald Bundesstiftung gegen Rechts? – Der Traum aller linken Freizeit-Antifaschisten (02.08.09)
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