Preußische Hauptkadettenanstalt Groß-Lichterfelde
Die Königlich Preußische Hauptkadettenanstalt zu Groß-Lichterfelde an der Berliner Finckenstein-Allee war die zentrale Offiziersschule der Preußischen Armee, bis 1920 verfügte sie über den Status einer Kriegsschule. Nahezu alle später führenden Offiziere und Generäle erfuhren ihre Ausbildung in den Jahren nach 1873 in der Kadettenanstalt in Berlin-Lichterfelde.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Bevor das Königlich Preußische Kadettenkorps 1878 nach Lichterfelde („Lichterfelde West“) umsiedelte, war es zuerst von 1717 bis 1777 in dem sogenannten alten „Kadettenhaus“ auf dem Gelände des ehemaligen „Hetzgartens“ in Berlin-Mitte (in der Bastion 9 der Festungsmauer gelegen; heute Littenstraße 13-17) untergebracht. Das dortige ältere Gebäude wurde 1777 abgerissen und durch einen repräsentativen Neubau des Kadettenhauses an derselben Stelle (bzw. herum errichtet) ersetzt. 1817 wurde der Neubau des Kadettenhauses abermals erweitert.[1]
Bei der Planung der Preußischen Hauptkadettenanstalt waren der Preußische Kriegsminister Albrecht von Roon und Johann Anton Wilhelm von Carstenn-Lichterfelde maßgeblich beteiligt. Am 1. September 1873 wurde in Anwesenheit von Kaiser Wilhelm I. der Grundstein gelegt, Fertigstellung war 1878. Die Hauptkadettenanstalt wurde als Ausbildungsstätte genutzt für Kadetten, die der Garde und der Elitetruppe des Kaisers angehörten.
Kronprinz Friedrich Wilhelm
Am 21. August 1878 richtete der damalige Kronprinz Friedrich Wilhelm an die Kadetten die Worte:
Bilder aus der deutschen Zeit um 1900
Feldmarschallsaal. Nach dem Willen des Kaiserlichen Bauherrn soll der Saal den Werdegang unserer geschichtlichen Entwicklung und die militärischen Tugenden vor Augen führen, welche unsere großen Heerführer zu Taten befähigten. Die Wände sind durch Reliefs des Bildhauers Pfuhl, den Krieg 1870/71 darstellend, sowie Portraits der preußischen Könige und deutschen Kaiser, sowie aller Feldmarschälle der brandenburgisch-preußischen Armee verziert. Eine besondere Sehenswürdigkeit ist der hier aufbewahrte Degen Napoleons I., der nach der Schlacht von Belle-Alliance erbeutet wurde.
Eingang zum Lehrgebäude. Im Mittelpunkt des großen Gebäudekomplexes der Hauptkadettenanstalt bildet das Lehrgebäude, das sich durch die am Mittelbau angebrachte Inschrift „Martis et Menervae Alumnis“ als solches bezeichnet. Infolge seiner Ausstattung mit allen Lehrmitteln der modernen Unterrichtsmethode gehört es zu den Sehenswürdigkeiten der Anstalt.
Hauptfront der Haupt-Kadetten-Anstalt. Aus der nach Süden gerichteten Hauptfront der Haupt-Kadetten-Anstalt ragt in der Mitte der kühn aufstrebende Kuppelbau der Kirche hervor, den die in Kupfer getriebene Statue des Erzengels Michael krönt. Angelehnt an die Kirche sind die Wohnhäuser für Offiziere und Lehrer. In den sich weiter nach rechts und links anschließenden Gebäuden, hinter denen sich die weiten Exerzierhöfe ausbreiten, sind die Kadetten untergebracht.
Fußballklub. In neuerer Zeit hat dieser Sport immer mehr Eingang im Kadettenkorps gefunden, besonders seitdem der große Exerzierplatz vor der Südfront für sportliche Übungen freigegeben worden ist.
Im Unterricht. Nach der Morgenandacht, die sich unmittelbar an den Morgenappell anschließt, strömt die Kadettenschar dem Lehrgebäude zu, das sie für die Dauer von fünf Stunden aufnehmen soll. Das Unterrichtsprogramm entspricht dem der Realgymnasien. In weitgehender Weise ist für die Benutzung aller modernen Lehrmittel gesorgt, und hier sei besonders noch auf das reich ausgestattete physikalische und chemische Kabinett, sowie die Räume für den geographischen Anschauungsunterricht hingewiesen.
Vorparade. Die im Frühjahr und im Herbst stattfindenden Paraden des Gardekorps vor Seiner Majestät dem Kaiser bilden in militärischer Hinsicht für den Kadetten die wichtigsten Ereignisse im Jahre, da auch die Haupt-Kadetten-Anstalt an diesem militärischen Schauspiele teilnehmen darf. Es wird ihr sogar die Ehre zuteil, als erster Truppenteil vor Seiner Majestät vorbeimarschieren zu dürfen. Das vorliegende Bild, das gleichzeitig eine Begriff von der Stärke des Kadettenkorps gibt, zeigt, wie zum letzten Mal vor der Parade die beiden Bataillone mit je fünf Kompanien zur sogenannten „Vorparade“ auf dem Hofe der Anstalt vereinigt sind.
Die Kompanie beim Exerzieren. Das Endziel der Exerzierausbildung ist das Exerzieren in der geschlossenen Kompanie. Wenn auch die Ausbildung der Kadetten-Kompanien infolge der Verschiedenheit an Alter, Größe und körperlicher Leistungsfähigkeit der einzelnen Kadetten sehr erschwert wird und eine strenge Genauigkeit und Gleichmäßigkeit, die nur durch einen langen Drill zu erreichen ist, nicht unbedingt erforderlich ist, so wird doch in der kurzen Zeit ein zufriedenstellender Grad der Ausbildung erreicht. Die hier zum Parademarschüben versammelte Kompanie liefert den besten Beweis dafür.
Der Flensburger Löwe
Auflösung und Drittes Reich
Aus Angst der Siegermächte des Ersten Weltkrieges gegen Deutschland vor den deutschen Eliten mußte die Hauptkadettenanstalt gemäß dem Versailler Siegerdiktat am 20. März 1920 aufgelöst werden. Ab 1933 wurde das Kasernengelände von der Leibstandarte-SS „Adolf Hitler“ genutzt.
Stabswachen
Im April 1933 bezogen das aus der Stabswache Berlin (inzwischen in SS-Sonderkommando Berlin umbenannt) und die Landespolizeigruppe „Wecke“ die Gebäude der Königlich Preußischen Hauptkadettenanstalt in Groß-Lichterfelde. Die Landespolizeigruppe, später in Landespolizeigruppe „Hermann Göring“ umbenannt, und die im Herbst 1933 eingezogene SA-Stabswache „Hermann Göring“ belegten bis zu ihrem Auszug im Dezember 1934 die beiden westlichen Kasernenbauten.
Bilder aus der Zeit des Dritten Reiches
Zweiter Weltkrieg
Im Zweiten Weltkrieg wenig zerstört, wurde ein Großteil der Gebäude dann von den VS-amerikanischen Besatzern abgerissen. Unter anderem auch der aus dem 19. Jahrhundert stammende historische Kadettendom, der durch anglo-amerikanische Terrorbombardierungen beschädigt wurde. Der Rest des Geländes erhielt die Besatzerbezeichnung „Andrews Barracks“. Bis 1945 war der Hof der Kadettenanstalt ebenso Standort des von den alliierten Besatzungstruppen nach Kopenhagen abtransportierten Flensburger Löwen.
Seit 1994 wird das Gelände vom Bundesarchiv genutzt. Die angeblich denkmalgeschützten Gebäude werden dabei gezielt von innen zerstört. Lediglich die wenigen noch erhaltenen Fassaden entgingen (bislang) dem Bildersturm. Angeblich notwendige Archiv-Neubauten, die völlig unpassend auf dem Gelände plaziert werden, sind ebenso Teil dieser Strategie der Entdeutschung.
Auswahl bekannter Kadetten der Preußischen Hauptkadettenanstalt Lichterfelde
- Mahidol Adulyadej, Vater des Königs von Thailand, Bhumibol Adulyadej (seit 1946)
- Wilhelm von Apell
- Hubertus von Aulock
- Hugo Karl August Bacmeister
- William Balck
- Julius von Bernuth
- Johannes Blaskowitz
- Werner von Blomberg
- Fedor von Bock
- Wolfgang Boeck
- Oskar von Boenigk
- Walther von Brauchitsch
- Franz Joseph von Bülow
- Ernst Busch
- Hanno von Dassel
- Heinrich Dembowski
- Georg Dertinger
- Theodor Duesterberg
- Otto Dziobek
- Karl von Eberstein
- Felix von Eckardt
- Erich von Falkenhayn
- Gerhard Feyerabend
- Werner von Fichte
- Hermann von François
- Kurt von Fritz
- Hermann Göring
- Fritz von Graevenitz
- Ernst Hardt
- Werner Hartmann
- Paul Hausser
- Hans Jeschonnek
- Hans Kahle
- Siegfried Kasche
- Otto von Knobelsdorff
- Hans Karl Koch
- Fritz Kühne
- Erich Ludendorff
- Erich von Manstein
- Helmuth von Pannwitz
- Gustav Ponath
- Gerd von Rundstedt
- Manfred Freiherr von Richthofen
- Willy Rohr
- Horst von Rosenberg-Gruszczynski
- Ernst von Salomon
- Carl Ludwig Schleich
- Kurt von Schleicher
- Konrad Schragmüller
- Walter Stennes
- Fritz Günther von Tschirschky
- Friedrich Franz von Unruh
- Walther Wenck
- Irnfried von Wechmar
- Leopold von Wiese
- Erwin von Witzleben
Literatur
- Ferdinand Neuber: „Zum fünfundzwanzigsten Jahrestag der Übersiedlung der Hauptkadettenanstalt von Berlin nach Groß Lichterfelde“ in: „Hohenzollern-Jahrbuch. Forschungen und Abbildungen zur Geschichte der Hohenzollern in Brandenburg-Preussen“, 1903 (PDF-Datei)