Al-Gaddafi, Muammar
Muammar Abu Minyar al-Gaddafi (arab. معمر القذافي) (geb. 7. Juni 1942 in Surt; gest. offiziell am 20. Oktober 2011 [ermordet]) war ein libyscher Politiker, Oberst und Revolutionsführer („Bruderführer der Revolution“). Von 1969 bis 2011 war er das Staatsoberhaupt der Sozialistischen Libysch-Arabischen Volks-Dschamahirija.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Herkunft
Mu'ammar Abu Meniar al-Gaddafi (auch Khadhafi, Qadhafi oder al gathafi geschrieben) wurde im September 1942 in einem Zelt in der libyschen Wüste nahe der Küstenstadt Sirte geboren.[1] Seine Familie gehört einem Berberstamm an. Als Beduinen fristeten deren Mitglieder ein bescheidenes Dasein. Nur Gaddafi genoß als einziger Sohn und jüngstes von vier Kindern eine Schulbildung.
Ausbildung
Er besuchte eine Koranschule und Schulen in Sirte, Sebha (1956–1961) und Misratah, wo er Schülerdemonstrationen gegen die Monarchie organisierte.[2] Von 1962 bis 1963 studierte er in Benghasi Geschichte und Jura, bis ihn die dortige Militärakademie als Offiziersanwärter aufnahm. Seine militärische Ausbildung absolvierte er teilweise in Großbritannien.[3]
Wirken
1965 gründete Gaddafi den „Bund der freien Offiziere“,[4] der den Sturz der 1951 mit der Unabhängigkeit ausgerufenen Monarchie anstrebte. 1969 wurde er zum Hauptmann befördert. Im gleichen Jahr setzte er mit Hilfe seiner Organisation den in der Türkei weilenden König Idris I. in einem unblutigen Putsch ab.[5] Er beförderte sich selbst zum Oberst, übernahm den Oberbefehl über die Streitkräfte und den Vorsitz des Revolutionsrates und war bis 1972 auch Regierungschef. Daneben führte er auch die 1973 aufgelöste Einheitspartei Arabische Sozialistische Union (ASU), die sich als Allianz der aktiven Volkskräfte verstand.[6] Wie sein großes Vorbild Gamal Abd el Nasser verschrieb sich Gaddafi der arabischen Einheit, dem Sozialismus und dem Kampf für die Verbreitung des Islam in aller Welt. Er verbot Alkohol, öffentliches Amüsement und Prostitution,[7] ließ christliche Kirchen schließen, verfügte 1973 eine „Kulturrevolution“ gegen die Korruption und erklärte den Koran zum Kodex allen Lebens. 1970 verwies Gaddafi die 25.000 seit der Kolonialzeit ansässigen Italiener des Landes, ließ britische und amerikanische Militärstützpunkte räumen und alle ölimportierenden und -vertreibenden ausländischen Unternehmen sowie Banken und Versicherungen verstaatlichen.[8]
Al-Gaddafi war ein frommer Moslem und überzeugter Nationalist. Er hatte ein direktdemokratisches System errichtet und stand in Opposition zu marxistischem und keynesianistischem Gedankengut.
1973 leitete Gaddafi die Abkehr von Nassers Staatskonzeption ein. Er entwarf die sogenannte „Dritte Universale Theorie“, die einen dritten Weg zwischen Kommunismus und Kapitalismus aufzeigte und durch 1.200 Volkskomitees (später: Basisvolkskongresse) institutionell organisiert werden sollte. Gaddafis dreibändiges „Grünes Buch“ (1976–1979) galt als Handlungsanleitung zur Umsetzung einer direkten Demokratie und genoß Verfassungscharakter. Mit der Ausrufung der „Sozialistischen Libysch-Arabischen Volks-Dschamahirija“ (Dschamahirija = Staat der Massen) am 2. März 1977 wurde der Revolutionäre Kommandorat aufgelöst und stattdessen das „Allgemeine Volkskomitee“ (vergleichbar einem Ministerrat bzw. der Regierung) eingesetzt. Gaddafi ernannte sich zum Generalsekretär des „Allgemeinen Volkskongresses“ (Parlament), dessen Mitglieder von Basisvolkskongressen gewählt wurden. Gleichzeitig kontrollierten sog. Revolutionskomitees die Arbeit der Volkskongresse, was jede Opposition im Keim erstickte.
Mit dem Rücktritt des gesamten Generalsekretariats des Allgemeinen Volkskongresses am 1. März 1979 legte Gaddafi formal sein letztes politisches Amt, das des Staatspräsidenten, nieder. Offizielles Staatsoberhaupt war danach der jeweilige Generalsekretär des Allgemeinen Volkskongresses. De facto blieben aber Gaddafi („Bruder Führer“) und die früheren Mitglieder des Kommandorates die bestimmenden politischen Persönlichkeiten. Bei seiner Herrschaft nutzte Gaddafi die bestehenden Stammesstrukturen. Mitgliedern seines eigenen Clans verhalf er zu einflußreichen Positionen, andere Schlüsselpositionen vergab er gezielt an Mitglieder anderer mächtiger Stämme, um sich deren Unterstützung zu sichern. Immer wieder gelang es ihm, nach Macht strebende Konkurrenten gegeneinander auszuspielen.
Seine Regierung unterstützte in der Vergangenheit des öfteren Terroranschläge gegen die westlichen Regimes; die VSA versuchen, ihn zu töten. 1986 entkam al-Gaddafi knapp amerikanischen Vergeltungsbomben. Seit 1992 unterdrückt die UNO Libyen durch Sanktionen.
Negativ auf Libyens Öffnung nach Westen wirkte sich das 2007 vom Obersten Gerichtshof Libyens bestätigte Todesurteil gegen fünf bulgarische Krankenschwestern und einen palästinensischen Arzt aus, die seit 1999 in Haft saßen. Ihnen wurde vorgeworfen, über 400 Kinder in der Kinderklinik Benghasi wissentlich mit HIV infiziert zu haben.[9] Saifs Gaddafi-Stiftung vereinbarte mit den Familien der Opfer eine Abfindung. Nachdem die Todesurteile zunächst in lebenslange Haftstrafen umgewandelt worden waren, beschloß die libysche Regierung im Juli 2007 schließlich – nach Vermittlung u. a. durch die EU, Frankreich und Katar – die sofortige Freilassung der sechs Verurteilten.
Bereits wenige Tage später traf der französische Präsident Nicolas Sarkozy in Tripolis mit Gaddafi zusammen, um über die wirtschaftliche Zusammenarbeit u. a. im Bereich Atomenergie (Bau eines Reaktors in Libyen) zu sprechen. An Sarkozys Alleingang wurde in der EU heftige Kritik geübt. Gleichzeitig kündigte auch die EU eine neue Ära der Zusammenarbeit mit Libyen an. Ein Gegenbesuch in Paris erstattete Gaddafi im Dezember 2007. Den Wirtschaftsabkommen mit Frankreich folgten Verträge mit Spanien. Mit Italien schloß Libyen 2007 ein Abkommen zur Kontrolle der illegalen Migration über das Mittelmeer. Im September 2008 kam zum ersten Besuch eines VS-Außenministers seit 1953 auch Amtsinhaberin Condoleezza Rice nach Libyen. Vorausgegangen war die Unterzeichnung eines Entschädigungsabkommens für VS-Opfer, die bei durch Libyen verursachten Anschlägen zu Schaden gekommen waren.
Im Jahre 2008 wurde Gaddafi von über 200 afrikanischen Königen und anderen traditionellen Stammesherrschern Afrikas als der „König der Könige“ von Afrika ausgerufen.
International für Befremden sorgte Gaddafi im August 2009, als er dem wegen schwerer Krankheit begnadigten Lockerbie-Attentäter einen triumphalen Empfang in Libyen bereitete. Nachdem Gaddafi am 1. September 2009 den 40. Jahrestag seiner Machtübernahme hatte feiern lassen, sorgte er etwas später bei der Generaldebatte der VN-Vollversammlung am 23. September für einen Eklat, als er den Sicherheitsrat als „Terrorrat“ bezeichnete.
Der libysche Revolutionsführer hielt 2009 in der 64. Vollversammlung der Vereinten Nationen in Neuyork eine Rede. Er sprach in braunem Beduinenumhang in hocharabisch über 90 Minuten. In scharfen Worten kritisierte er die VN und sorgte in seiner historischen Rede für einen Eklat, als er in seiner wütenden Ansprache den Spitzenpolitikern der 192 Mitgliedsländer vorwarf, ihre eigene Charta zu brechen. In der Präambel sei vorgeschrieben, daß alle Länder – unabhängig von ihrer Größe – gleichberechtigt seien; dennoch seien die meisten Staaten nicht im fünfzehnköpfigen Sicherheitsrat vertreten, und die fünf Vetomächte hätten das alleinige Sagen. „Das akzeptieren wir nicht, und das erkennen wir nicht an“, kommentierte Libyens Staatschef sichtlich erregt, hielt ein Exemplar der VN-Charta hoch – und zerriß einige Seiten. Das Vetorecht gehöre abgeschafft. Besonders den VN-Sicherheitsrat stellte er als gescheitert dar, denn die VN-Sicherheitspolitik hätte 65 aggressive Kriege, welche seit ihrer Gründung im Jahre 1945 stattgefunden hätten, nicht verhindert. Bei seinem Auftritt vor der UNO-Versammlung forderte er u. a. die Aufteilung der Schweiz und die Zuteilung zu den sprachlichen Regionen der entsprechenden Länder.
Gaddafi war der am längsten regierende Herrscher in Libyen. Mit seinen afrikanischen Bündnisvorstellungen stieß Gaddafi weiterhin auf Widerstand. So fand seine beim Afrika-Südamerika-Gipfeltreffen (September 2009) vorgebrachte Idee eines südatlantischen Verteidigungsbündnisses (als Gegenstück zur NATO) keine ausreichende Zustimmung. Auch seine Vorstellung einer arabischen Union wurde im Juni 2010 erneut abgelehnt. Gegenüber Italien und der EU trat Gaddafi immer fordernder auf und betonte seine Rolle als Garant der Eindämmung der illegalen Einwanderung nach Europa, wofür die EU entsprechend bezahlen sollte. Konkret forderte Gaddafi 5 Mrd. Euro dafür, daß er verhindert, daß Europa schwarz wird.[10]
Durch seine konsequenten Reformen war das Land Libyen während seiner Regierungszeit jedoch mit einem Human Development Index von 0,755 im Jahre 2011 laut den Vereinten Nationen zum höchstentwickelten Staat des afrikanischen Kontinents geworden.
Revolution
Die Revolte begann mit einem Gefangenenaufstand in der ISA Haftanstalt Abu Salim. Ursache war, daß einige Verstorbene mehrere Tage nicht abgeholt worden waren. Die über 1.000 revoltierenden Häftlinge der Gebäude III und IV wurden unter Geheimdienstchef al-Sanussi erschossen. Frauen und Mütter der Getöteten begannen daraufhin die neun Monate dauernde Revolution in Libyen. Sie begann im Februar 2011 und wurde bald von den VSA, der NATO und arabischen Ländern (durch Waffenlieferung, strategische Unterstützung der Rebellen, Flugverbotszone, etwa 2.000 Bomberangriffe auf Regierungstruppen und Stützpunkte) unterstützt.
Ende Juni 2011 erließ der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag einen internationalen Haftbefehl gegen Gaddafi und seinen Sohn Saif al-Islam sowie gegen den ehemaligen Geheimdienstchef Abdullah al-Sanussi. Ihnen wurden (im Widerstand) „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vorgeworfen, darunter Morde, Folter und Vergewaltigungen. Der Kommissionspräsident der Afrikanischen Union, Jean Ping, forderte jedoch die Regierungen Afrikas dazu auf, diesen Haftbefehl zu ignorieren.
Berichten zufolge (20. Oktober 2011) wollte Gaddafi an Bord eines Fahrzeugkonvois aus seiner Heimatstadt Sirte fliehen. NATO-Kampfbomber griffen den Konvoi gegen 8.30 Uhr an. Die quasi als Luftwaffe der Anti-Regierungs-Kämpfer agierende NATO erklärte, sie habe bei dem Einsatz elf gepanzerte Fahrzeuge getroffen. Ein NATO-Sprecher gab an, es habe keine Informationen darüber gehabt, daß sich Gaddafi in der Fahrzeugkolonne befand. Frankreichs Verteidigungsminister Gérard Longuet sagte, französische Kampfflugzeuge hätten am Morgen einen Konvoi von rund 80 Fahrzeugen „gestoppt“. Erst seine Gegner hätten die Fahrzeuge zerstört und Gaddafi herausgeholt. Tatsächlich erscheint es zunehmend plausibler, daß die Kämpfer, die Gaddafi festnahmen, ihn erschossen haben.
Der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi wurde ermordet.
Zu diesem Schluß kommt ein veröffentlichter Untersuchungsbericht der jüdischen „Menschenrechtsorganisation“ Human Rights Watch (HRW). Bisher beteuert die neue libysche Revolutionsregierung, Gaddafi sei mit seinen Anhängern in einem Gefecht in Sirte am 20. Oktober vergangenen Jahres gefallen.
Mitarbeiter von HRW kommen zu einem anderen Ergebnis: Demzufolge hatten Milizen aus Misrata bereits die Kontrolle ausgeübt und die Kämpfer Gaddafis entwaffnet, als es zu massenhaften Folterungen und Hinrichtungen kam. Alleine auf dem Gefechtsfeld fanden Mitarbeiter über hundert Leichen. Zahlreiche weitere Leichen wurden zwei Tage später im nahegelegenen Hotel Mahari entdeckt.
„Wir stießen auf immer neue Fälle, in denen Menschen von den oppositionellen Kämpfern, die sie gefangen hielten, lebend gefilmt wurden und nur Stunden später tot aufgefunden wurden“, sagte der Leiter der Abteilung für Krisenregionen, Peter Bouckaert. „Die Beweislage deutet darauf hin, daß oppositionelle Milizen mindestens 66 Mitglieder von Gaddafis Konvoi standrechtlich hingerichtet haben.“
Videoaufnahmen belegen, daß Gaddafi bei seiner Gefangennahme zwar stark aus einer Kopfwunde blutete, jedoch lebte und bei Bewußtsein war. Diese Verletzung soll von einer fehldetonierten Handgranate stammen. Weitere Aufnahmen zeigen, wie Gaddafi geschlagen und mit Bajonetten gefoltert wird, um dann reglos und halb entkleidet in einen Krankenwagen geladen zu werden.
Schwerste dokumentierte Menschenrechtsverletzung: Auch sein Sohn Mutassim Gaddafi ist auf Aufnahmen zu sehen, wie er bei dem Versuch, den Belagerungsring zu durchbrechen, ebenfalls lebend gefangengenommen wird. Ein Video zeigt ihn leicht verletzt mit Bewachern in einer Gefängniszelle. Später wurde seine Leiche öffentlich in Misrata ausgestellt. Eine dort zu erkennende Halsverletzung zeigt dieses Video noch nicht.
Laut HRW handelt es sich bei den Vorfällen um „die schwerste bislang dokumentierte Menschenrechtsverletzung der Oppositionstruppen“. Trotz der zahlreichen Beweise, welche die Menschenrechtsorganisation den neuen Machthabern zukommen ließ, und die Ankündigung offizieller Untersuchungen durch hochrangige libyscher Politiker seien bisher keine Anzeichen zu erkennen, daß ermittelt wurde und wird.[11]
Unterschiedliche Versionen von Gaddafis Tod
Der Regierungschef des libyschen Übergangsrates, Mahmud Dschibril, sagte, Gaddafi sei „bei guter Gesundheit“ und mit einer Waffe angetroffen worden. Er sei anschließend auf einen Pickup gebracht worden. Beim Losfahren des Fahrzeuges sei jedoch eine Schießerei zwischen Gaddafi-Anhängern und -Gegnern ausgebrochen. Dabei habe Gaddafi einen Kopfschuß erlitten. Bis zu seinem Eintreffen im Krankenhaus in Misrata sei er jedoch am Leben gewesen. Tatsächlich erscheint es zunehmend plausibler, daß die Kämpfer, die Gaddafi festnahmen, ihn erschossen haben. Er wird mittlerweile als Held gefeiert: Mohammed al Bibi, der stolz Gaddafis goldene Pistole präsentierte, soll Gaddafi in einer Betonröhre entdeckt haben.[12]
In der Sendung „Maischberger“ (ARD) vom 13. Dezember 2011 berichtete der Journalist Peter Scholl-Latour, daß Muammar al-Gaddafi mit einer Eisenstange gepfählt wurde:
- „Entschuldigen Sie bitte, ich bin doch kein Folterer! Stellen Sie sich mal vor: Er ist gepfählt worden, nicht wahr, im Zeichen der Demokratie!“[13]
Der Kommandeur der Truppen des Übergangsrates in Sirte, Mohammed Leith, wiederum sagte, Gaddafi habe aus einem Jeep zu fliehen versucht, als dieser beschossen wurde. Er habe sich in einem Abwasserkanal versteckt, sei dann jedoch mit einer Kalaschnikow und einer Pistole in den Händen herausgekommen und habe sich umgeschaut. Da sei er von Kämpfern des Übergangsrates an der Schulter und am Bein getroffen worden. Leith: „Danach starb er.“
Videoaufnahmen, die von den arabischen Fernsehsendern Al Arabija und Al-Dschasira ausgestrahlt wurden, zeigen Gaddafi nach seiner Festnahme lebend inmitten von Kämpfern der Revolutionstruppen. Er ist bereits schwer verletzt und hat Blut auf Gesicht und Schultern. Ein Kämpfer scheint ihm eine Pistole an den Kopf zu halten. Ob er abdrückt, ist nicht zu erkennen. Anschließend ist auf den Aufnahmen zu sehen, wie Gaddafi auf einen Pickup gezogen wird. Am folgenden Tag befand sich die Leiche des libyschen Ex-Präsidenten sowie die seines ebenfalls in Sirte lebend gefangengenommenen und getöteten Sohnes Mutassim Gaddafi in einem Privathaus in der weiter westlich gelegenen Küstenstadt Misrata. Gaddafi lag auf dem Rücken mit entblößtem Oberkörper und blutverschmiertem Bauch da. An der linken Schläfe des langjährigen Machthabers war deutlich eine Wunde zu sehen, die offenbar von einem aus der Nähe abgefeuerten Schuß aus einer kleinkalibrigen Pistole stammte.
Es ist unklar, wann und wo die Leiche des langjährigen libyschen Machthabers beigesetzt werden soll. Der Informationsminister der neuen Führung, Mahmud Schamam sagte, daß der Nationale Übergangsrat erklärt habe, der Leichnam solle nach einer Autopsie nicht an seine Familie übergeben, sondern an einem unbekannten Ort beerdigt werden. Der Militärrat in Misrata teilte mit, Gaddafis Leiche werde unterdessen in den Kühlraum eines zehn Kilometer von Misrata entfernten Einkaufzentrums zur Besichtigung gebracht.[14]
Familie
Muammar al-Gaddafi war seit 1970 in zweiter Ehe mit der Krankenschwester Safiva Farkash verheiratet und Vater von acht Kindern.
Gaddafis Kinder
- Sein ältester Sohn Mohammed stammt aus Gaddafis erster Ehe mit einer vermögenden Händlerstochter.
- Saif al-Islam (Schwert des Islam; geb. 1972), studierte Architektur und Wirtschaft in Wien und London, trat als Maler und politischer Reformer hervor und galt Beobachtern als möglicher Nachfolger seines Vaters. Er bezog im Libyen-Konflikt 2011 Position an der Seite seines Vaters.
- Saadi (geb. 1973) war Fußballprofi in Italien (2003 wegen Dopings entlassen), Verbandsfunktionär und später Investor bei ausländischen Fußballklubs. Er floh nach Niger.
- Hannibal (geb. 1975) fiel vor allem durch Anzeigen im Ausland (Geschwindigkeitsübertretung, Körperverletzung) auf, was von 2008 bis 2010 sogar zu einer diplomatischen Krise mit der Schweiz führte.
- Aisha (geb. 1976) studierte Jura, gehörte zur Anwaltsmannschaft, die Saddam Hussein verteidigte und widmete sich danach der Entwicklung des Tourismus in ihrer Heimat.
- Motassim Bilal (geb. 1977) lebte eine Zeitlang in Ägypten, nachdem er angeblich einen Umsturzplan gegen seinen Vater geplant hatte. Ihm wurde jedoch vergeben und er durfte nach Libyen zurückkehren, wo er als Nationaler Sicherheitsberater zum engsten Kreis um seinen Vater gehörte. Motassim Gaddafi wurde am selben Tag wie sein Vater von Rebellen getötet.
- Die beiden jüngsten Söhne Khamis (geb. 1983) und Saif al-Arab erhielten wie alle anderen eine militärische Ausbildung, Saif al-Arab lebte und studierte zeitweise in München.
- Adoptivtochter Hana soll 1986 bei dem VS-Luftangriff auf Tripolis gestorben sein.
- Adoptivsohn Milad
Gaddafis öffentliches Auftreten
Muammar al-Gaddafi lebte privat und öffentlich betont schlicht, fast asketisch, oft in einem Zelt in der Nähe seines Hauses, auf einem gesicherten und weiträumig unterkellerten Gelände. Hier befanden sich auch Garagen, eine Fernsehstation sowie eine Krankenstation mit Operationssaal. Der bekannte brasilianische Chirurg Liacyr Ribeiro aus San Paulo nahm hier einige plastisch-chirurgische Operationen an al-Gaddafi vor.[15]
Sein Beduinenzelt nahm er auch auf einige Auslandsreisen mit, um darin fremdländische Staatsgäste nach seiner traditionellen Landessitte empfangen zu können. Charakteristisch für al-Gaddafi waren für Ausländer auch weitere etwas bizarr wirkende Öffentlichkeitsauftritte u. a. vor der UNO-Organisation mit arabischen Gewändern.
Anfang der 1980er Jahre gründete er eine Frauen-Militärakademie, deren Ausbildung und Privilegien in konservativen arabischen Ländern Aufsehen erregte.[16] Die etwa 400 jungen Frauen, seine „Amazonen“ haris al-has, wurden als private Leibwache ausgebildet. Sie standen ihm sowie seinen Söhnen Tag und Nacht auch zu erweiterten Aufgaben zur Verfügung.[Quellennachweis erforderlich]•
Gaddafi trat auch als Buchautor hervor. 2004 vergab er an eine britische Gruppe den Auftrag, sein Lebenswerk als Oper zu verewigen.
Weiterer Verbleib der Gaddafi-Familie
Nach den NATO-Terrorangriffen 2011 gegen das libysche Volk setzte sich die Familie teilweise ins Ausland ab. Seine Frau Safiva sowie die Söhne Mohammed, Hannibal und Tochter Aisha fanden Aufnahme in Algerien. Sohn Saadi floh in den Niger. Sohn Saif al-Arab starb libyschen Angaben zufolge am 30. April 2011 bei einem NATO-Luftangriff auf Tripolis.
In seiner Heimatstadt Sirte wurden dem „Spiegel“ zufolge die Gräber sowohl seiner Mutter als auch seiner Großmutter geschändet und die Überreste der Leichen verschleppt, vermutlich von Anhängern der neuen Regierung in Libyen.
Die beiden noch lebenden Söhne sind in Haft (Stand 2014), es drohen ihnen Schauprozesse mit entsprechenden Urteilen.[17]
Zitate
- „Der soziale, d. h. nationale Faktor ist die treibende Kraft in der Geschichte der Menschheit. Die soziale Bindung, die jede menschliche Gruppe, angefangen von der Familie über den Stamm bis hin zur Nation, zusammenhält, ist die Grundlage geschichtlicher Bewegung.“ — Das Grüne Buch (1976/1979)
- „Im Westen haben mich Einige als ‚geisteskrank‘ oder ‚verrückt‘ bezeichnet, doch sie wissen die Wahrheit und lügen trotzdem weiter. Sie wissen, unser Land ist unabhängig und frei, nicht in der Zange der Kolonialisten, daß meine Vision, mein Pfad, verständlich ist und war und im Sinne meines Volkes. Und daß ich bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen werde, um uns frei zu erhalten. Möge Allah der Allmächtige uns helfen, gläubig und frei zu bleiben.“ — Erinnerungen an mein Leben: Oberst Muammar Gaddafi, der Führer der Revolution. — 5. April 2011
- „Die Vereinten Nationen wurden von drei Ländern gegründet, die zu dieser Zeit gegen die Deutschen waren. [...] Diese Länder schufen ein Gremium und gaben die Sitze ihren eigenen Mitgliedern und statteten sie mit einem Einspruchsrecht aus; wir waren nicht anwesend. Und die Vereinten Nationen wurden den Vorstellungen dieser drei Länder gemäß geschaffen und verlangt von uns, daß wir uns diesen Vorstellungen beugen. Dies ist die wahre Grundlage und der Kontext der Vereinten Nationen, wie sie vor 40 oder 60 Jahren gegründet wurde. Dies geschah während der Abwesenheit von über 165 Ländern und das Verhältnis war 1 zu 8, einer war anwesend und acht waren abwesend.“ — Rede vor den Vereinten Nationen vom 23. September 2009
- „Libyen spielt eine vitale Rolle für den regionalen und Weltfrieden. [...] Es gibt Millionen Schwarze, die ans Mittelmeer kommen könnten, um nach Frankreich und Italien überzusetzen, und Libyen spielt eine Rolle für die Sicherheit im Mittelmeerraum.“ — Muammar Al-Gaddafi am 7. März 2011 in einem Gespräch mit dem französischen Fernsehsender France 24[18]
- „Es gibt Anzeichen, daß Allah dem Islam den Sieg in Europa geben wird. Ohne Schwerter, ohne Kanonen, ohne Eroberungszüge werden die 50 Millionen Muslime in Europa diesen Kontinent innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem muslimischen machen. Allah mobilisiert die muslimische Nation der Türkei und fügt sie der europäischen Union hinzu. Das sind weitere 50 Millionen Muslime. Es werden also 100 Millionen Muslime in Europa sein. Europa ist in einer üblen Lage, desgleichen Amerika. Sie sollten entweder sich bereit erklären, im laufe der zeit islamisch zu werden, oder sie sollten den Muslimen den Krieg erklären.”[19]
Siehe auch
- Politisches Testament von Muammar Gaddafi
- Muammar Al-Gaddafis Rede vor den Vereinten Nationen vom 23. September 2009
Verweise
- Offizielle Weltnetzpräsenz (Deutsch), web.archive.org (Juni 2011)
- Freebase: Muammar Al-Gaddafi
- Muammar al-Gaddafis, der Lynchmob und die Medien: Auf dem Weg in den Abgrund (Eigentümlich Frei), 21. 10. 2011 zum Mord an Gaddafi
- Warum Gaddafi wirklich gestürzt wurde; Die Finanzkrise der EU kehrusker.net
- Roland Wuttke: Zum Tod von Muammar al-Gaddafi (Volk in Bewegung – Der Reichsbote, Ausgabe 5-2011)
- Karikatur
- David Dees: Großes menschengemachtes Fluss-Projekt in Libyen seit 1984
- David Dees: Gaddafi Libyen 2011