Kaiserlich-französische Armee
Die Kaiserlich-französische Armee war das Heer des französischen Kaiserreiches 1804–1814/15. Ab 1805 hießen die multinationalen Streitkräfte mehr oder minder offiziell auf Verlangen Napoleons I. „Grande Armée“ (Große Armee). Mit der Untergang der napoleonischen Armee erlosch auch die kurzlebige „Franzosenzeit“ in Europa.
Inhaltsverzeichnis
Erläuterung
Zur militärhistorischen Unterscheidung wird zuweilen in „Grande Armee von 1805“ (première grande armée; bis 1808) und „Grande Armee von 1812“ (deuxième grande armée; bis zum Untergang beim Rußlandfeldzug 1812) getrennt.
Die „Grande Armee von 1813“ wurde 1813/1814 vom deutschen Freiheitsbestreben während der Befreiungskriege vernichtet, die „Grande Armee von 1815“ erlebte nach Napoleons Flucht von Elba und seiner vermeintlichen Herrschaft der Hundert Tage ein kurzes Aufbäumen, wurde aber bei der Schlacht von Belle Alliance und der nachfolgenden Besetzung Frankreichs endgültig besigt und aufgelöst.
Deutsches Kontingent
Deutsche gehörten immer zum Kontinent der kaiserlich-französischen Armee, schon am 1. November 1805 wurde in Mainz das Fremdregiment „Régiment d' Isenburg“ unter Karl Fürst zu Isenburg und Büdingen (schon seit 1804 Angehöriger der Armee, Ritter der Ehrenlegion seit 1805 General, seit Dezember 1806 Générale de Brigade und bis Dezember 1813 General und Feldherr der Armee) aufgestellt. Dieses nahm an Kämpfen in Italien und Spanien teil. Im November 1806 errichtete der frankophile Fürst zu Isenburg und Büdingen ein zweites deutsches Fremdregiment, das Regiment „Preußen“. Dieses Regiment erhielt später die Bezeichnung 4. kaiserlich-französisches Fremdregiment.
- Nachdem Se. Majestät der Kaiser von Frankreich, König von Italien mir die Errichtung eines Infanterie-Regiments von vier Bataillons, das aus lauter in preußischen Diensten gestandenen Individuen zusammen gesetzt werden soll, gnädigst zu übertragen geruht haben; so wird hiermit allen denjenigen Herren Offizieren, die mit Kapitulation in französische Kriegsgefangenschaft gerathen sind, und welche den Wunsch hegen, aus dieser unangenehmen Lage heraus zu treten, und ihre Thätigkeit und militärischen Talente dem Dienste unsers unüberwindlichen Kaisers zu widmen, eine Anstellung in ihrem vorher in der Armee begleiteten Range, in diesem Regiment angebothen. Diese ehrenvolle Anstellung sichert denjenigen, die dieselben zu erringen wünschen, den Schutz und die väterliche Sorge des angebetheten Helden, der seine Krieger wie seine Kinder liebt im vollesten Maße zu, und dieselben werden in allem den Offizieren der französ. Armee gleich gehalten werden. Die Unteroffiziere und Gemeinen werden ebenfalls alle die Vortheile der französischen Soldaten genießen. Welcher Soldat ist so glücklich all dieser? Sold, Kleidung und Verpflegung im reichsten Maße übertreffen die jeder andern Armee: der französische Soldat lebt besser, als der Unteroffizier in jeder andern Armee und genießt eines Ueberflusses, der ihm die Last des Dienstes zum leichten Geschäfte macht. Eilt dann herzu, tapfere Krieger! tretet unter die Fahnen Napoleons des Großen, und geht mit ihm dem Siege, und unsterblichen Ruhme entgegen. Der Sammelplatz dieses Regiments wird Leipzig sein; diejenigen Individuen, so mich hin zu sprechen wünschen, finden mich im Schiklerischen Hause Nro. 57, auf dem Döhnhofischen Platze. — Karl, Fürst zu Isenburg. — Aufruf im Berliner „Telegraph“ vom 8. November 1806
Napoleon, wie Cäsar und so viele andere Herrscher und Heeresführer nach ihm, bewunderte die Kriegskunst der Deutschen. Es war auch kein Zufall, daß Napoleons Gegner, Feldmarschall Arthur Wellesley, Herzog von Wellington, seine mächtige Armee mit beinahe 40.000 Deutschen bestücke, mehr als der britische Feldherr Briten hatte.
Rußlandfeldzug Napoleons
1812 stellte Napoleon eine neue Große Armee auf, viele der Angehörigen wurden in den Kriegsdienst gepreßt. Zu den 612.000 Mann (nicht alle marschierten Ende Mai 1812 nach einem prunkvollen Fürstentag in Dresden gegen Moskau, andere waren für die Heimatverteidigung, wiederum andere waren für die Verstärkung der napoleonischen Truppen im Königreich Neapel zuständig) gehörten mindestens 180.000 bis 200.000 Deutsche (knapp ein Drittel der Großen Armee), darunter 60.000 aus Preußen, 30.000 aus dem Kaisertum Österreich, 30.000 aus Bayern und eine unbekannte Zahl aus den restlichen Staaten des besetzten Rheinbundes.
Viele Deutsche, insbesondere Preußen, konnten den Dienst für den Tyrannen Napoleon nicht mit ihrer persönlichen Ehre vereinbaren. Zahlreiche bekannte Offiziere verweigerten schweren Herzens den Befehl des seit der dem Preßburger Frieden und der Niederlegung der Reichskrone entmachteten König von Preußen und traten statt dem Heer Napoleons dem kaiserlich-russischen Heer des russischen Kaisers, aber vor allem der Russisch-Deutschen Legion bei (bis zur Konvention von Tauroggen im Dezember 1812). Andere deutsche Freiheitskämpfer wählten den weg der Freikorps.
Carl von Clausewitz schrieb unmittelbar nach dem Krieg, daß von 610.000 Soldaten der Grande Armée nur 23.000 das westliche Ufer der Weichsel erreichten. Nicht alle Truppen drangen tief ins russische Kaiserreich vor, die beiden Hilfskorps aus Österreich und Preußen (Ende Dezember 1812 nach der Konvention in Ostpreußen neutralisiert) hatten deshalb kürzere Versorgungs- und Rückzugwege und weisen niedrigere Verlustzahlen (Gefallene, Verwundete, Vermißte) auf, andere deutsche Einheiten wurde beinahe vollständig vernichtet: Das bayerischen VI. Korps war mit 30.000 Mann, am 13. Dezember 1812 traten noch 68 kampffähige Soldaten an. Von mehr als 27.000 Westphalen kehrten nur 800, von 15.800 Württembergern nur 387 Mann zurück. Die badische Division aus 7.000 Mann bestand am 30. Dezember 1812 noch aus 40 kampffähigen und 100 kranken Soldaten, während die sächsische Kavallerie-Brigade von Thielmann nur noch aus 55 Mann und das mecklenburgische Kontigent, immerhin einst 2.000 Mann, noch aus 59 Soldaten bestand.
- „Napoleon faßte sich, und mit ruhigem Ton sagte er mir folgende Worte […]: Die Franzosen können sich nicht über mich beklagen; um sie zu schonen, habe ich die Polen und die Deutschen geopfert. Ich habe in dem Feldzug von Moskau 300.000 Mann verloren; es waren nicht einmal 30.000 Franzosen darunter. Sie vergessen, Sire, rief ich aus, daß Sie zu einem Deutschen sprechen.“ — Deutsches Bekenntnis von Klemens Wenzel Lothar von Metternich, Kanzler des Kaisertums Österreich, nach einer protokollierten Unterredung mit Napoleon am 26. Juni 1813
Verluste
Schätzungen zufolge soll Napoleon, einschließlich der in Kriegsgefangenschaft Verstorbener, rund 400.000 Mann verloren haben, während die Verteidiger des Russischen Kaiserreiches (198.250 Mann am 20. Juni 1812; rund 900.000 einschließlich der Miliz am Höhepunkt des Krieges), darunter Tausender Deutscher, rund 210.000 Mann verloren haben. Diese zahlen können jedoch nur Schätzungen bleiben.
Deutschlands Befreiung
Im August 1813 verfügte Napoleon über 450.000 Mann und weitere rund 80.000 in den Festungen als Besatzungstruppen. Die Feldzüge in Deutschland 1813 hatten ihm und Frankreich 400.000 Soldaten gekostet, denn es trat das ein, was er nicht erwartete hätte: Deutsche waren für Deutsche eingestanden. Der Typhus und andere Infektionskrankheiten in den Lazaretten am Rhein forderten weitere 80.000 Opfer. Auch der Winterfeldzug 1814 sollte ihm nicht gelingen, mit der Eroberung von Paris und der Einmarsch deutscher Truppen unter Generalfeldmarschall Gebhard von Blücher wurde der Welteroberungswahnes Napoleons vorerst und sollte im Sommer 1815 durch die Siebte Koalition und der erneute Einmarsch deutscher Truppen in Paris endgültig besiegelt sein.
Bildergalerie
„Légion Hanoverienne“ (Hannoveraner) in der Grande Armée (1806–1811), Infanterie und Kavallerie
Kanzler von Metternich bei Napoleon in Dresden, 26. Juni 1813