Reiterei

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Germanische Ratsversammlung (Thing) – Zeichnung eines Reliefabschnitts der Mark-Aurel-Säule zu Rom. Schon hier wird gezeigt, welch' hoher Stellenwert Pferde für die Germanen hatten.

Als Reiterei oder Kavallerie bezeichnet man eine in der Regel zu Pferd kämpfende, mit Blank- und Handfeuerwaffen kämpfende Waffengattung der Landstreitkräfte. In der Neuzeit bis 1918 bildeten sich vier Haupttypen der Kavallerie heraus, wobei es oft Überschneidungen gab: Ulanen (und andere Lanzenreiter), Kürassiere (und schwere Kavallerie), Dragoner und Husaren (leichte Kavallerie).

Reiterei von der Antike bis zur Neuzeit

Reitergefecht (der Kaiserlichen Armee), Gemälde von Jan von Huchtenburg
Kavallerie der Preußischen Armee im Heldenkampf gegen den Terror Napoleons während der Befreiungskriege
Schlacht von Westport, Reiterei im Sezessionskrieg
Preußische Husaren: Ernennung des Kronprinzen zum Kommandeur des 1. Leib-Husaren-Regiments Nr. 1 am 15. September 1911 durch Kaiser Wilhelm II. und Generalfeldmarschall August von Mackensen; Frontabreiten auf dem Exerzierplatz von Danzig-Langfuhr
1914: Ulanen-Regiment „König Wilhelm I.“ (2. Württ.) Nr. 20 mit der Standarte (Truppenfahne) im Vordergrund

Die Kavallerie war neben der Infanterie die wichtigste, bisweilen sogar stärkste militärische Truppengattung während der Antike, des Mittelalters und der Renaissance. Auch in den Kreuzzügen spielte sie eine wichtige Rolle. In der militärischen Taktik waren berittene Einheiten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein wichtiger Faktor. Je nach Bewaffnung der Reiter wurden schwere und leichte Kavallerie unterschieden. Mit ihren Vorzügen – Mobilität, Schnelligkeit und Durchschlagskraft – stellte die Reiterei eine Erweiterung taktischer Möglichkeiten dar.

In Persien, in Osteuropa und Byzanz wurden die Schlachtrösser schon ab der Spätantike mit einem Überwurf aus Schuppen- oder Kettengeflecht geschützt. Wahrscheinlich entstanden die ersten Pferderüstungen im antiken Zentralasien.

Der effektivste Gegner der Kavallerie im Mittelalter waren die Pikeniere, die mit großen Lanzen versuchten, die Pferde zu töten oder den Reiter aufzuspießen. Deshalb schützte man Schlachtrösser – ebenso wie den Reiter – in West- und Mitteleuropa seit dem 14. Jahrhundert mit dem sogenannten Roßharnisch aus Metallplatten. Allerdings versetzte bereits der Einsatz von Pikenieren und das entsprechende Ergebnis dem Ruf der Kavallerie einen schweren Schlag.

Berittene Bogenschützen waren ein sehr wirkungsvolles Waffensystem, das viele Völker in verschiedenen Kontinenten unabhängig voneinander zu nutzen wußten. Zu den ältesten bekannten Reitervölkern gehören die Hyksos und die Skythen; am bekanntesten sind wohl die Hunnen, Mongolen, die nordamerikanischen Indianer und die Reitertruppen des osmanischen Reiches.

Rom und Germanien

Cäsar erwähnt den Einsatz germanischer Reiter zum ersten Mal im 7. Buch seines Bellum Gallicum (7,13,1), 400 bis 800 Mann, die er als Elite- und Eingreiftruppe einsetzte. Der römische Feldherr verdankte mehrere Siege über die Gallier seiner germanischen Reiterei, die seine römischen Fußtruppen unterstützte. Auch durch die Schriften von und über Cäsar sind mancherlei Fakten über die Reiter Ariovists (Fürst der germanischen Sueben), anderer germanischer, aber auch keltischer Stämme bekannt:

„Zwei Jahre später setzten Usipeter und Tenkterer über den Rhein (circa 300.000 Mann samt Troß) und baten um Land und Frieden, sie selbst wurden verfolgt von den Streben rechtsseitig des Rheins. Cäsar rückte mit 8 Legionen (1 Legion = 6.000 Mann) und 5.000 gallischen Reitern an. Er forderte die Germanen zum Verlassen dieser Rheinseite auf und verlangte, daß sie sich rechtsseitig bei den Ubiern (späteren Kölnern) Land suchen. Die Gesandten der Germanen erbaten drei Tage Bedenkzeit. Als 800 germanische Reiter (Rest der Hauptstreitmacht von insgesamt 28.000 Kämpfern) auf die 5.000 gallischen Reiter trafen, griffen die Germanen ohne Angriffsbefehl an und vertrieben die Gallier. Es folgte eine erbarmungslose Menschenjagd, da Usipeter und Tenkterer kopflos und panisch waren. Cäsar ließ alle Krieger töten und alle Frauen und Kinder niedermetzeln, Fliehende wurden im Fluß ertränkt. Cäsar verteidigte sich in außergewöhnlicher Art und Weise in seinen Kommentaren zum gallischen Krieg, wie hinterlistig und betrügerisch die Barbaren einschließlich ihrer Gesandten doch seien und daß er nicht anders hätte handeln können. Allerdings verschaffte die Vernichtung der Usipeter und Tenkterer Rom nur eine Atempause, mehr nicht. Es folgten fast monatlich Rheinübertretungen germanischer Stammesverbände, um gegen die römischem Mörder zu kämpfen sowie um gallische Aufstände gegen Rom zu unterstützen.“

Die Kampfweise der germanischen Doppelreiter (jeweils ein Reiter und ein zusätzlicher Kämpfer mit Ger bzw. Lanze) ist vergleichbar mit der Taktik der heutigen Panzergrenadiere. Zum einen verfügten die Doppelreiter über eine höhere Kampfkraft als die keltische oder römische Kavallerie. Zum anderen waren sie schneller und beweglicher als die keltische oder römische Infanterie. Zusätzlich waren sie vielseitig einsetzbar. Die Kombination von hoher Kampfkraft und Schnelligkeit eröffnete ganz neue taktische Varianten. Die aus Reitern und Doppelreitern zusammengesetzten germanischen Verbände lassen sich daher mit den heutigen Panzer- bzw. Panzergrenadierbrigaden vergleichen. Kelten und Römer hatten diesen Verbänden nichts gleichwertiges entgegenzusetzen. So standen z. B. die Kelten Ariovists berittenen Verbänden ebenso hilflos gegenüber wie anfangs das polnische, britische, französische oder sowjetische Militär den motorisierten Verbänden der deutschen Wehrmacht. Ariovists „Panzergrenadiere“ hatten maßgeblichen Anteil an dessen militärischen Erfolgen gegen die zahlenmäßig weit überlegenen Kelten. Auch Ariovists geniales taktisches Manöver in der elsässischen Ebene wäre ohne seine Panzergrenadiere nur schwer möglich gewesen. Gedeckt durch seine Panzergrenadiere und unter geschickter Ausnutzung des Geländes zog Ariovist an Cäsars Lager vorbei, schnitt ihm die Nachschublinie ab und drängte ihn damit vorerst in die Defensive. Diese Umgehungsbewegung findet heute noch an den Militärakademien ihre Beachtung. Ariovist unterlag schlußendlich den zahlenmäßig stark überlegenen römischen Legionen.

Die römischen Kaiser der julisch-claudischen Kaiserdynastie (Augustus, Tiberius, Caligula, Claudius und Nero) schufen sich eine vollständige Reiter-Leibgarde (Germani corporis custodes bzw. cohors Germanorum) – das berittene Korps bestand aus Kriegern Germaniens, die die Römer ehrfurchtsvoll „blonde Löwen“ nannten.[1]

Mittelalter

Im Mittelalter setzte man in West- und Mitteleuropa zuerst im westgermanischen Fränkischen Reich auf schwere Reiter, es entstanden die sogenannten Fränkischen Panzerreiter.

Zu Beginn des 8. Jahrhunderts kam auch in Europa der Steigbügel auf, der sich als vorteilhaft für die schwere Reiterei erwies. Insbesondere in Verbindung mit einem hohen Sattel ermöglichte er es der schweren Reiterei, im vollen Galopp einen Lanzenstoß auszuführen, ohne dabei vom Pferd zu fallen. Außerdem erschwerten es Steigbügel und Sattel dem Fußvolk, einen Reiter vom Pferd zu zerren.

Im Hochmittelalter entwickelte sich in West- und Mitteleuropa die Truppengattung der Ritter. Sie kämpften mit einer langen Lanze, trugen schwere Ketten- und Plattenpanzerung und ritten auf Schlachtrössern, die speziell für den Kampf und das Tragen von hohem Gewicht trainiert wurden.

Reiterei in Deutschland

Im laufe der politischen und geographischen Ausweitung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation erhielt die Reiterei immer mehr Bedeutung, denn nur durch Mobilität der exekutiven Reichsarmee war es auf dem Kontinent möglich, Machterhalt zu betreiben.

Im Deutschen Kaiserreich war im Frieden die aus zwei oder mehr Regimentern bestehende Brigade der größte rein kavalleristische Truppenteil, der mit je zwei Infanteriebrigaden einem einheitlichen Divisionskommando unterstellt war. Nur das Gardekorps hatte im Frieden, abgesehen von den jährlichen Manövern, eine Reiterdivision. Daneben bestand eine General-Inspektion der Kavallerie mit vier Kavallerieinspektionen und eine Kavalleriekommission. Die Ausbildung der Kavalleristen fand in der Militärreitschule (Kavallerieunteroffizierschule) sowie in der Kavallerietelegraphenschule statt. Im Ersten Weltkrieg wurde ein großer Teil der Reiterei zu selbständigen Kavalleriedivisionen des Kaiserlichen Heeres, teilweise auch zu Höheren Kavallerie-Kommandos, zusammengestellt, während der Rest als Divisionskavallerie den Infanteriedivisionen zugeteilt wurde. Die ersten Flugzeugführer der Fliegertruppe kamen von der Reiterei.

In der Reichswehr gab es, durch die Bedingungen des Friedensvertrages von Versailles,[2] wieder drei reine Kavallerie-Divisionen mit jeweils sechs Reiter-Regimentern. Zusätzlich hatten die sieben Infanterie-Divisionen jeweils eine berittene Eskadron als Aufklärungsorgan. Am 3. Oktober 1927 legte die Kavallerie endgültig die Lanze ab und wurde dafür mit dem Karabiner 98 b und leichten Maschinengewehren ausgerüstet.[3]

Die Wehrmacht führte die im Jahr 1934 beschlossene Auflösung der drei bestehenden Kavallerie-Divisionen fort.[4] Aus den Reiter-Regimentern 1 und 2 in Ostpreußen entstand die 1. Kavallerie-Brigade. Die 13 Infanterie-Korps verfügten zusätzlich über je ein Kavallerieregiment, aus denen im Polenfeldzug im September 1939 Aufklärungs-Abteilungen der Infanterie-Divisionen und Reiter-Züge der Infanterie-Regimenter gebildet wurden. Im Oktober 1939 führte eine Umgliederung die 1. Kavallerie-Brigade mit den berittenen Teilen der Aufklärungsabteilungen von elf Infanteriedivisionen in die 1. Kavallerie-Division mit ca. 17.000 Pferden zusammen.[5] Diese Division wurde im Jahr 1941 beim Rußlandfeldzug der Panzergruppe 2 unter Heinz Guderian unterstellt und im Winter 1941/42 die 24. Panzer-Division. Im Bereich der Heeresgruppe Mitte entstand 1943 aus den Reiter-Schwadronen der Aufklärungs-Abteilungen 6, 34, 35 und 102 der „Reiterverband Boeselager“, nach dessen erfolgreichem Einsatz noch 1943 bei den Heeresgruppen im Osten die Kavallerie-Regimenter „Mitte“, „Nord“ und „Süd“ aufgestellt wurden. Diese Regimenter kamen eher als berittene Infanterie, weniger zur Aufklärung zum Einsatz. Aus den Regimentern wurden 1944 die Kavallerie-Brigaden 3 und 4 gebildet. Zusammen mit dem 1. ungarischen Kavallerie-Regiment bildeten sie das I. (Heeres-)Kavallerie-Korps. Im Februar 1945 von Brigaden in Divisionen umbenannt, führten sie bis Kriegsende Generäle. Zuvor wurde schon im Jahr 1941 die erste Freiwilligen-Kosaken-(Kavallerie)-Abteilung aufgestellt, durch weitere Aufstellung von Kosaken-Verbänden entstand daraus 1943 die 1. Kosaken-Kavallerie-Division. In der Waffen-SS gab es bereits seit 1941 eine Kavallerie-Brigade, die man im Frühjahr 1942 zu einer Kavallerie-Division (8. SS-Kavallerie-Division „Florian Geyer“) vergrößerte. Aus Abgaben entstand Anfang 1944 eine zweite SS-Kavallerie-Division (22. SS-Freiwilligen-Kavallerie-Division „Maria Theresia") und später auch die 37. SS-Freiwilligen-Kavallerie-Division „Lützow". Am 1. Februar 1945 wurde aus den drei Divisionen das XV. SS-Kosaken-Kavallerie-Korps gebildet.[6]

Ein Regiment bestand in der Kavallerie der kaiserlichen und königlichen Armee 1914 aus zwei Divisionen. (Als Division wurde hier ein Verband in Bataillonsstärke bezeichnet. Die richtige Division wurde Infanterie- oder Kavallerie-Truppendivision genannt.) Jede Division hatte drei Eskadronen. Die Anzahl der Reiter in den einzelnen Teileinheiten schwankte, lag jedoch normalerweise bei etwa 160 Reitern je Eskadron.

NS-Reiterei im Dritten Reich

Die Reiterei spielte auch im Dritten Reich bei den berittenen Einheiten der NS-Kampforganisationen eine wichtige, wenn auch eher repräsentative Rolle, vornehmlich innerhalb des Nationalsozialistischen Reiterkorps einschließlich Reiter-SS und Reiter-SA.

Militärische Gliederung

Die taktische Einheit der Kavallerie war die Eskadron (Schwadron), drei bis sechs Eskadrons bildeten ein Regiment. Die weitere Gliederung der höheren Verbände war in den verschiedenen Heeren sowie in der Friedens- und Kriegsformation verschieden.

Der Ausdruck Eskadron bezeichnete die kleinste taktische Einheit der Kavallerie. In etlichen modernen Armeen wird er vor allem im Bereich der Panzertruppe auch weiterhin verwendet.

Ähnlich wie in den meisten Ländern betrug in Deutschland ihre Kriegsstärke im 19. Jahrhundert ca. 150 Pferde und 5 Offiziere. Im Zweiten Weltkrieg hatte die deutsche Wehrmacht „Reiterschwadronen“ mit Pferden, „Radfahrschwadronen“ mit Fahrrädern oder Krädern und „Schwere Schwadronen“ mit Panzerspähwagen.

Siehe auch

Literatur

  • Klaus Tausend: Caesars germanische Reiter, Franz Steiner Verlag

Fußnoten

  1. Die germanische Leibgarde der julisch-claudischen Kaiser
  2. Die dort festgelegten 18 Kavallerie-Regimenter gegenüber nur 21 Infanterie- und 7 Artillerie-Regimentern sollten die Kampfkraft der Reichswehr gering halten.
  3. vgl. Klaus C. Richter (2005): Zur Geschichte der deutschen Kavallerie. In: Cord Schwier (Hrsg.): „... und die Aufklärer sind immer dabei ...“, 2. Aufl., Vrage, Munster, ISBN 3-00-013145-0, S. 49
  4. Am 1. Oktober 1934 wurde die 3. Kavallerie-Division in eine „leichte Division“ umgegliedert und am 15. Oktober 1935 aus Teilen dieser Division die 1. Panzerdivision gebildet.
  5. vgl. auch deren Gliederung mit Stand vom 10. Mai 1940
  6. Klaus C. Richter (2005): Zur Geschichte der deutschen Kavallerie. In: Cord Schwier (Hrsg.): „... und die Aufklärer sind immer dabei ...“, 2. Aufl., Vrage, Munster, ISBN 3-00-013145-0, S. 49 ff.